wir anfangen, darüber zu diskutieren, was wir hier bei uns vor Ort tun müssen, um das Problem tatsächlich zu begreifen und anzupacken. Da helfen Ihre polemischen und populistischen Vorschläge überhaupt nichts.
Jetzt sage ich noch drei Sätze, weil ich davon ausgehe, dass die Ministerin bestimmt nachher sehr lange und sehr ausführlich uns erklären wird, was diese Landesregierung schon alles gemacht hat in den letzten Monaten, deswegen spare ich mir das.
Nein, das wird keine kurze Rede, da muss ich Sie enttäuschen, aber Sie haben es ja so gewollt und es ist schon spät.
Aber ich will noch mal ein paar Sätze auch zu dem Antrag, den die FDP hier vorgelegt hat, sagen. Sie wollen ja das Thema „Geldkarten“ noch einmal aufrufen. Das finde ich grundsätzlich keine schlechte Idee, wenn es darum geht, tatsächlich die Selbstbestimmung der Geflüchteten mit so einer Geldkarte auch umzusetzen.
Das ist, finde ich, die entscheidende Frage dabei. Wenn es nur wieder darum geht, so wie vor vielen Jahren
auch schon mal in Thüringen – denn das hatten wir nämlich alles schon mal –, Geflüchtete zu gängeln und sie in ihrer Freiheit einzuschränken, zu entscheiden, was sie kaufen wollen und was nicht, dann bin ich nicht dafür. Denn das ist weder eine Verwaltungserleichterung, noch ist es in irgendeiner Art und Weise menschenwürdig. Sie haben die Diskussion im Bundestag mitbekommen, weil das vorhin hier so einfach locker-flockig gesagt wurde: Dann können Sie sich Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs kaufen.
Jetzt erinnern Sie sich mal, im Bundestag hatten wir eine Diskussion um die Mehrwertsteuerabsenkung. Dann hat der Bundestag in der Debatte darüber gesprochen, was würde denn eigentlich die Mehrwertsteuersenkung betreffen. Was sind denn zum Beispiel Lebensmittel? Da würden zum Beispiel Babynahrung oder bestimmte Lebensmittel nicht darunterfallen. Ich bin gespannt, wie Sie diese Diskussion tatsächlich weiterdrehen, sodass Sie das umsetzen, was Sie hier behaupten. Das ist nämlich aus meiner Sicht nicht so einfach möglich, wie Sie das hier reinschreiben.
Wir können über eine Geldkarte reden, wenn es darum geht, tatsächlich Verwaltung zu entlasten bei beispielsweise Bargeldauszahlung. Wenn also Menschen eine Geldkarte bekommen, mit der sie selbstbestimmt das Geld, was Ihnen zur Verfügung gestellt wird, auch ausgeben können, bin ich sofort dabei. Dann könnten wir eventuell auch darüber reden, ob Geflüchtete nicht endlich alle einfach ein Girokonto bekommen. EU-rechtlich gesehen ist das möglich, das könnten wir machen. Dann hätten wir eventuell das Problem, das einige das nicht selber wahrnehmen, das wäre wieder ein Problem, aber das sind die Rahmenbedingungen, unter denen man, wie ich finde, das tatsächlich diskutieren kann.
Zurück zum Sachleistungsprinzip oder mehr Sachleistungsprinzip, wie das Herr Schard vorhin gesagt hat, heißt im Umkehrschluss mehr Verwaltungsaufwand, viel mehr Verwaltungsaufwand.
Fragen Sie mal die Verwaltung, denn wir hatten ein viel stärkeres Sachleistungsprinzip noch vor vielen Jahren für Geflüchtete in Thüringen. Fragen Sie mal die Verwaltung, was das für einen Aufwand bedeutet, wenn man dieses Sachleistungsprinzip, was Sie hier einfach mal so locker-flockig reinwerfen, genauso wieder umsetzt. Das heißt mehr Belastung für die Verwaltung. Punkt! Da werden Sie nicht drum herumkommen,
wenn Sie das kontrollieren wollen, wenn Sie gucken wollen, dass alle auch das bekommen, was sie wollen. Also, über Geldkarte diskutieren, wenn wir das Selbstbestimmungsrecht von Geflüchteten da auch in den Vordergrund stellen, bin ich gern dabei, und Verwaltung damit entlasten, gar kein Problem. Allerdings ist das nicht so richtig das, was in Ihrem Antrag drinsteht. Darüber können wir tatsächlich sinnvoll diskutieren. Das tut die Migrationsministerin übrigens auch schon und hat sie auch schon angekündigt, dass wir genau über diese Sache in Ruhe diskutieren können. Das ist aus meiner Sicht überhaupt gar kein Problem.
Die anderen Vorschläge, die unter anderem von der CDU dann auch wieder in den FDP-Antrag irgendwie reingewichtelt werden, keine Ahnung – was das soll, aber das wissen wahrscheinlich nur Sie. Die betreffen uns entweder nicht als Thüringen oder sie sind aus meiner Sicht menschenverachtend oder sie sind überhaupt nicht geeignet, um tatsächlich unsere strukturellen Probleme hier vor Ort zu lösen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Henfling. Ich rufe auf für die Gruppe der FDP Herrn Abgeordneten Kemmerich.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, Willkommen auch den Vertretern der Presse und natürlich auch den vielen interessierten Zuhörern, Zuschauern, die die Möglichkeiten wahrnehmen, hier teilzunehmen. Natürlich ist das eine Betrachtung von beiden Seiten und man kann nicht das eine ansprechen, ohne das andere zu diskutieren. Da ist einerseits die Situation in Thüringen, wo wir merken, dass wir mit dem, was teilweise tatsächlich nicht zu beeinflussen ist, überfordert sind. Das braucht man nicht lange zu diskutieren und kleinzureden, da muss jeder nur mal vor Ort zu den Leuten gehen – ob es die Verwaltungen sind oder auch die Wahrnehmung von Menschen ist, die Kinder in der Schule haben, Stichwort „Turnhallen“, auch die Situation am Erfurter Anger ist da zu nennen. Viele Dinge mögen auch sicherlich überbewertet werden, aber wenn das Bauchgefühl da ist, das Störgefühl da ist, können wir als verantwortliche Politiker nicht einfach darüber hinweggehen.
Das hat aber auch – deshalb diskutieren wir das auch – mit unserer Einstellung und Haltung zu tun. Wie gehen wir eben mit europäischen Außengrenzen um? Wie gehen wir damit um, wie auch ein Teil der Kollegen von uns jeweils in Berlin regiert? Da merken wir auch eine veränderte Situation. Das sind Diskussionen, die auch von den Mitgliedern der Ampel diskutiert werden, die die Vertreter der CDU äußern, dass ja dort ein Umdenken stattgefunden hat. Es gibt Äußerungen von Bundeskanzler Scholz, die sehr in die Richtung dessen gehen, was wir gerade diskutieren. Ich habe es eben schon mal gesagt, auch Vertreter der Grünen werden inzwischen so zitiert. Von den Linken habe ich noch nichts gehört, die sagen ja auf ihren Parteitagen noch: Wir sind die einzigen, die eine humanitäre Flüchtlingspolitik machen. – Ich weiß nicht, inwieweit ein Überlaufen der Erstaufnahmeeinrichtungen humanitär ist, oder auch das – darauf komme ich gleich noch mal zurück –, was Frau Henfling hier gesagt hat. Also, die Migrationspolitik in der wahrgenommenen Weise, in der durchgeführten Weise ist gerade gescheitert.
Ich habe das eben schon mal ausgeführt: Das hat auch damit zu tun, wie wir das nach wie vor meinen, lösen zu müssen, nämlich mit dem Asylbegriff, der uns allen, glaube ich, gemein ist, aber in der Situation auf dieser Welt eben überhaupt nicht mehr zustande kommt. Die Situation der Krisenherde in großen Teilen von Afrika, in großen Teilen der Welt ist eben nicht mit der Krisensituation in der Ukraine zu vergleichen. Den
Flüchtlingen aus der Ukraine können wir nur auf europäischem und dann auch auf deutschem Boden helfen, aber den Rest der Krisenherde werden wir nicht bewältigen können. Deshalb noch mal ganz ausdrücklich: Da können Sie die Bilder bewegen, wie Sie wollen. Ja, wir müssen eins gewährleisten und deshalb ist es so wichtig, dass wir die europäischen Außengrenzen schützen, und zwar auch im Sinne derjenigen schützen, die sich auf den Weg machen. Wir müssen doch verhindern, dass die Menschen auf die Nussschalen klettern. Wir müssen verhindern, dass Menschen damit ein Geschäft machen, diesen Leuten zu sagen: Gib mir 5.000, 10.000 Dollar, Euro oder was auch immer und ich versichere dir eine angeblich sichere Passage nach Europa. – Das ist doch das Modell, was da läuft.
Und das unterstützen wir noch und da wollen wir ein klares Bekenntnis aller haben, zu sagen, die Seenotrettung, wie wir sie zurzeit machen – schlimmer Weise immer noch unterstützt mit deutschem Steuergeld –, ist nicht hinnehmbar. Klar müssen wir die Leute vor dem Ertrinken retten – keine Frage.
Es ist aber humaner, dann zu sagen, wir bringen sie an den Ablandepunkt zurück. Wenn das permanent passieren würde – siehe Australien –, fährt keiner mehr los auf der Nussschale und begibt sich eben nicht mehr in die Gefahr, dass das zum lebensgefährlichen Experiment verkommt. Dieses muss beendet werden.
Und wenn wir darüber hinaus noch zum Thema „Arbeitsmigration“ das klare Signal senden: Nimm diese 5.000 bis 10.000 Dollar, investiere sie in dich selbst, das machen die Familien doch, und zwar nicht in die Bewegung der Flucht, sondern in die Qualifikation, die deutsche oder eine europäische Sprache zu lernen, eine Fertigkeit zu erlernen, die wir in Europa brauchen. Dann investieren die Menschen in sich selbst und dann können wir außerhalb der europäischen Grenzen Asylverfahren besprechen und natürlich auch die Frage der Arbeitsmigration. Und diejenigen, die die Sprache und die Fähigkeiten mitbringen, laden wir herzlich ein, das mit zu lösen, was wir auch haben, nämlich eine Fachkräftesituation. So kommen wir dem Problem vielleicht ein Stück näher, das ist Teil unserer Forderung.
Die Zeit verrinnt ja. Ich will dann noch mal auf die Frage der Bezahlkarten eingehen. Wir wissen, wie weit die Situation eingeschätzt wird aufgrund der Gewährung der Leistungen nach Asylbewerbergesetz in bar. Das Geld wird ins Ausland transferiert. Wir wissen nicht, wie viel und wie oft das vorkommt. Es gibt immer wieder die Situation, dass Menschen, die dann auch ihren Ausweis nicht mehr haben, von Schlepperbanden gesagt bekommen, du kriegst deinen Ausweis wieder, wenn du mir dafür Geld gibst. Das macht der mit dem Geld, was sie ihm vorher gegeben haben. Das sind doch Geschäftsmodelle, die laufen. Da müssen wir doch nicht die Augen davor verschließen. Deshalb, auch da ist die Geldkarte wichtig, guthabenbasiert. Wir können auch nicht den Gästen unseres Landes uneingeschränkte Freiheit geben, dass sie hier kaufen können, was sie wollen.
Ja, das ist harter Tobak für den einen oder anderen, aber die Waren des täglichen Bedarfs sind die Waren des täglichen Bedarfs und nicht darüber hinaus. Wir haben die Möglichkeit, dass jeder hier Arbeit leistet und durch die Arbeit sich dann auch meinetwegen die weiteren Dinge gewähren kann. Es bleibt genug liegen, und wenn es nur Blätter hier vor der Tür sind oder wenn es Koffer in Frankfurt sind. Das sind Beispiele, die wollen Sie alle nicht hören, aber das ist tagtägliche Praxis. Und wenn wir nicht aufpassen, dann entgleitet uns die Zustimmung der Bevölkerung zu dem, was wir als Integration von Menschen zurzeit behaupten. Das ist mir, das ist uns ein ganz wichtiger Aspekt, dass wir den Konsens in der Gesellschaft wiederherstellen, wie
wir die Probleme lösen. Kontrolle über das Geschehen außerhalb der Grenzen, damit wir Kontrolle innerhalb der Grenzen von Deutschland bekommen, damit die Leute vor Ort wieder auch das Gefühl haben, es ist kontrolliert und für mich eine sichere Situation, wie mein Leben, das Leben meiner Kinder, wie das Leben meiner Großeltern oder meiner Eltern gestaltet wird. All das ist das, wenn Sie draußen laufen, was zurzeit infrage gestellt wird. Vieles, was wir hier aufgeschrieben haben, was wir da umsetzen wollen und müssen in unseren Augen, das brauche ich alles nicht vorlesen. Aber die Leute wollen eins draußen hören, dass wir das ernst nehmen, was man draußen spürt und an uns als Aufforderung stellt, denn dafür sind wir gewählt, um deren Probleme zu lösen. Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. Sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Zuschauende auf der Tribüne und auch diejenigen am Livestream!
Kompetenz per Zwischenruf hat sich gerade bemerkbar gemacht, alias Inkompetenz, aber das ist ja nichts Neues bei der AfD.
Sie haben die ganze Zeit davon gesprochen, dass Chaos herrscht, dass Unordnung herrscht, dass Ordnung wiederhergestellt werden müsste und Ähnliches mehr. Ich will mal ganz kurz, bevor ich zum Inhaltlichen komme, eins sagen: Das, was die CDU heute hier fabriziert hat, ist absolutes Chaos. Denn es gibt einen Antrag aus Januar 2023, in dem geht es um das Landesaufnahmeprogramm Afghanistan, das die CDU beenden will. Wir haben gestern in den Postfächern eine Neufassung gehabt, dann haben wir heute die nächste Neufassung gehabt. Dann gab es vor einer Stunde einen Alternativantrag zum eigenen eingebrachten Antrag vom 18. Januar 2023, und dann gab es noch vor, weiß ich nicht, gefühlt 20 Minuten einen weiteren Alternativantrag der CDU zum Antrag der FDP. Wenn Sie von Chaos reden, das Sie beenden wollen, fangen Sie vielleicht mal bei den Formalien an
und wie Sie hier im Landtag agieren. Vor allem, wenn es um das Thema „Migration“ geht und Sie das wirklich ehrlich debattieren wollen, dann bringen Sie nicht innerhalb von zwei Stunden drei unterschiedliche Anträge ein, wo Sie selber nicht mehr wissen, was jetzt eigentlich die Neufassung, was der Alternativantrag und was der Änderungsantrag ist, die teils inhaltlich deckungsgleich sind. Das ist, glaube ich, dem Thema absolut nicht angemessen.
Es wird in einem der Anträge der CDU darauf verwiesen, dass in Thüringen in diesem Jahr 40.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen wurden und ca. 6.100 Menschen, die einen Asylantrag laufen haben.
Damit wird anhand der Zahlen erklärt, dass wir überfordert wären. Was Sie nicht machen – und ich finde das fatal, da schließe ich mich der Kollegin Henfling an –, ist, mal darauf hinzuweisen: Woher kommt das eigentlich alles, was ist eigentlich passiert, was ist Ursache, was ist Grund? Wir haben einen verbrecherischen Angriffskrieg Putins seit letztem Jahr in der Ukraine. Deswegen kommen Menschen aus der Ukraine: 40.000 in diesem Jahr und – wenn ich es richtig im Kopf habe – auch ca. dieselbe Anzahl von Ukrainerinnen im letzten Jahr, die hier in Thüringen Sicherheit suchen und Sicherheit gefunden haben – zum Glück. Im letzten Jahr kamen darüber hinaus ca. 6.000 Menschen, die eine Asylantrag gestellt haben und in diesem Jahr bisher ca. 6.100 Menschen. Und Sie reden von Überforderung bei der Zahl von 6.100. Auch da schließe ich mich meiner Kollegin Henfling an: Wenn man in der Öffentlichkeit seit Monaten, wenn man ehrlich ist, sogar seit Jahren – beginnend mit der rassistischen AfD und dann aufgesprungen CDU, als Nächstes aufgesprungen FDP, als Nächstes aufgesprungen leider Teile der SPD,
als Nächstes aufgesprungen leider Teile der Grünen, zumindest auf Bundesebene –, als Einziges im Themenfeld „Migration“ noch hört, dass die Kommunen überfordert wären, dass die Gesellschaft überfordert wäre, dass man damit nicht mehr zurechtkommen würde, und das die Erzählung der politischen Verantwortungsträger in diesem Land ist, dann ist klar, dass irgendwann die Gesellschaft sagt: Ja, wenn die das sagen, wird das ja wohl auch so sein.