Jetzt steht dem aber eins entgegen: Es gibt eine aktuelle Studie – wenn ich es richtig im Kopf habe – aus August dieses Jahres vom Mediendienst „Integration“. Sie haben bundesweit alle Kommunen angeschrieben – alle Pressestellen – und haben die gefragt: Wie ist es denn, seid ihr überfordert oder seid ihr nicht überfordert? Und etwas mehr als 600 Kommunen haben geantwortet.
Wissen Sie, Ihre rassistischen Zwischenrufe, mit denen Sie versuchen Ihre rassistische Erzählung zu stärken, können Sie lassen. Wenn es Sie interessieren würde, was das Ergebnis der Studie ist, würden Sie zuhören. Aber es interessiert Sie nicht, weil Sie so in Ihrem Rassismus verfangen sind, dass Sie an jeder Stelle versuchen, diesen im Parlament irgendwo unterzubringen und deutlich zu machen.
Das Ergebnis dieser Studie ist: 60 Prozent der befragten Kommunen beschreiben die Lage als herausfordernd, aber machbar. Wenn man dann tiefer reinschaut – auch das ergibt sich aus dieser Studie –, sieht man, dass es dann noch Differenzen gibt, je nachdem, wen man fragt: Die politischen Verantwortungsträger – also die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen – sind nämlich diejenigen, die sagen: Ja, wir sind überfordert. Diejenigen, die in dem Bereich arbeiten – die Fachkräfte in den Ausländerbehörden –, sind die, die im viel geringeren Anteil sagen: Wir sind überfordert. Da merkt man, inwieweit sich die gesellschaftlich seit Monaten aufputschende rassistische Debatte eben beginnt zu verfangen. Und ich halte es für notwendig, dass wir uns dem entgegenstellen und dass
wir nicht auf diese rassistische Debatte noch aufspringen, sondern uns mit pragmatischen Lösungen den Herausforderungen stellen. Pragmatische Lösungen sind zum Beispiel:
Es braucht in Deutschland massive Investitionen in den Wohnungsbau – in den sozialen Wohnungsbau, aber auch in weiteren Wohnungsbau.
Das hat übrigens erst mal gar nichts mit Geflüchteten zu tun, sondern das hat was damit zu tun, dass der Wohnungsbau in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten massiv vernachlässigt wurde – 700.000 Sozialwohnungen fehlen aktuell. Die Präsidentin vom VdK sagt sogar, 5 Millionen bräuchten wir an Sozialwohnungen zusätzlich in Deutschland, um alle, die ein Anrecht haben, auch entsprechend unterzubringen. Und da reden Sie über 6.100 Menschen, die hier einen Asylantrag in Thüringen stellen, und sagen, Sie sind überfordert, wir schaffen das nicht, abschieben, anstelle das Problem, die Ursache zu erkennen, und das bedeutet massive Investitionen in die soziale Infrastruktur, nicht nur in Thüringen, sondern in Deutschland. Das heißt, Bundesmittel, Landesmittel müssen zusammengepackt werden und es muss nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch im Bereich der Kindergärten, im Bereich der Schulen, aber auch im Bereich der Beratungsstellen für Menschen, die hierher nach Deutschland fliehen, investiert werden, das heißt sowohl Investitionen in den Bau, aber auch Investitionen in Menschen, die wir brauchen, um die Integration hier vor Ort zu gewährleisten und durchzuführen. All das taucht in Ihren Anträgen und in Ihren Ergänzungen, Änderungs-, Alternativ- und Neufassungsanträgen an keiner Stelle auf. Sie versuchen nämlich nicht, an die Probleme heranzugehen, die gar nichts mit den Geflüchteten zu tun haben, sondern Sie versuchen, die Probleme auf dem Rücken der Geflüchteten auszutragen und damit Handlungsfähigkeit zu suggerieren, die Sie nicht haben, außer, dass Sie damit sich eben dieser rassistischen Stimmungsmache hingeben.
Ich will noch einen anderen Punkt sagen. Diese rassistische Debatte ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass in der Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag der Länder – heute stattgefunden – kein Angebot von der Arbeitgeberseite gemacht wurde mit der Begründung, die Kommunen seien aufgrund der Geflüchteten gerade finanziell so stark belastet, dass man kein Angebot an die Arbeitnehmerseite machen könnte. Man warte jetzt die Ministerpräsidentenkonferenz am Montag ab, und was sich dort sozusagen als Ergebnis
dann herausstelle, je nach dem würde man dann im Nachgang vielleicht ein Angebot machen. Das heißt, die Interessen der Beschäftigten werden gegen die Interessen der Geflüchteten, gegen eine humanitäre Flüchtlingspolitik ausgespielt. An der Stelle sind wir mittlerweile schon in Deutschland. Und derjenige, der das gesagt hat, ist der Verhandlungsführer für die Länder, der SPD-Finanzsenator aus Hamburg. Ich glaube, an der Stelle kann man wirklich sagen, es ist beschämend, was hier mittlerweile in diesem Land vor sich geht.
Ich weiß, dass die AfD nicht damit zurechtkommt, wenn man auch eigene Strukturen kritisiert. Ich finde ja, das ist etwas Herausragendes in linken Strukturen, dass man da kritisiert, wo zu kritisieren ist und darüber in die Debatte geht und versucht, sich im Konstruktiven gegenseitig immer weiter nach vorn zu bringen. Das ist etwas, was unter anderem auch Rot-Rot-Grün auszeichnet im Gegensatz zu dem weiteren Teil hier des Plenarsaals, insbesondere rechts außen.
Sie reden darüber, dass ganz viele Menschen gar kein Anrecht hätten, hier in Deutschland zu sein. Die bereinigte Schutzquote im Jahr 2022 betrug laut Angaben des Bundesamts für Migration und Flucht 72,3 Prozent. Die aktuelle bereinigte Schutzquote bis September 2023 beträgt ebenso wieder 70 Prozent. Das heißt, Sie müssen auch mal klarmachen, worüber Sie reden und was Sie nach außen suggerieren,
die hätten hier alle kein Anrecht zu sein, die hätten hier alle kein Anspruch zu bleiben. Dem ist eben genau nicht so. Die absolute Mehrheit hat das Anrecht hierzubleiben, die absolute Mehrheit bekommt in Asylverfahren die Anerkennung zugesprochen. Und um das dann auch hinzubekommen, brauchen wir eben diese Investitionen, brauchen wir die Unterstützung. Noch mal: Sie reden an keiner Stelle darüber, wie die Kommunen unterstützt werden sollen, Sie reden nur darüber, dass die Geflüchteten abgeschoben werden sollen, abgeschoben werden müssten, als ob das die Kommunen an irgendeiner Stelle wirklich real entlasten würde, und das vor dem Hintergrund, es geht nicht nur um Geflüchtete, es geht generell um die Investitionen in die sozialen Infrastrukturen.
Neben Wohnen geht es im Übrigen auch um Integration, geht es auch um Beratung für Geflüchtete, geht es auch um Sprachkurse und geht es auch darum, die Arbeit zu erleichtern, das heißt, dass eben Arbeitsmöglichkeit für Geflüchtete gegeben wird, anstelle wie aktuell mit Arbeitsverboten zu agieren.
Was man feststellen muss: Auf Bundesebene findet in den Bereichen eine massive Kürzung im Bundeshaushalt statt. Allein im kommenden Jahr ist davon auszugehen, dass 30 Prozent weniger in die Beratungsarbeit für Geflüchtete zur Verfügung gestellt wird, das heißt, wir werden im Integrationsbereich an ganz vielen Stellen massiv Probleme bekommen. Ebenso werden wir Probleme bekommen im Bereich der Unterstützung für traumatisierte Geflüchtete, die ein Bleiberecht hier haben. Sie reden die ganze Zeit von humanitärer Unterbringung und humanitärem Asylrecht, ich lese es an keiner Stelle in Ihren Anträgen, an keiner Stelle. Vielleicht sollten Sie mal überlegen, inwieweit das, was Sie nach außen hier vorn am Pult versuchen darzustellen, sich auch in Ihren Anträgen wiederfindet. Es findet sich nämlich nicht wieder. Und auch zum Antrag der FDP, Bargeld für Geflüchtete sozusagen abzuschaffen und dafür auf Karte zu gehen – die CDU geht ja noch einen Schritt weiter und argumentiert in Teilen sogar wieder mit den alten Sachleistungen. Sie legen ja sonst so viel Wert auf das, was die Kommunen sagen: Der Städtetag hat sich ganz klar dagegen ausgesprochen. Der Städtetag hat gesagt: Keine Sachleistungen, weil es eine absolute Belastung – zusätzliche Belastung – der Kommunen und der Verwaltung wäre und überhaupt nicht zu stemmen wäre. Ebenso sagt der Städtetag, dass auch eine Karte, mit der nur noch bestimmte Sachen möglich sind, nur, wenn sie sozusagen die Freiheit beinhaltet zu entscheiden, wo ich wann was damit bezahle und einkaufe, wirklich eine Entlastung darstellen würde. Das gibt es übrigens schon als Möglichkeit. Dafür braucht es keinen Beschluss bei der MPK, dafür braucht es keine Änderungsanträge, Neufassungen und Alternativanträge, weil das schon mit dem Basiskonto möglich ist, wozu die Sparkassen verpflichtet sind, das für Menschen, die in Deutschland, in Europa ihren Wohnsitz haben, umzusetzen und einzuführen, das gibt es schon.
Und an der Stelle: Diese Theorie vom Push- und Pullfaktor, die hier wieder in den Raum gestellt wurde: Meine Güte, lesen Sie mal Studien, und zwar Studien von Leuten, die sich teils seit Jahrzehnten mit dem Themenfeld „Migration“ befassen, die unter anderem in Oxford entsprechend lehren oder auch an anderen Universitäten. Sie können wie die AfD behaupten, das seien ja alles Linke und das wäre ja alles Quatsch, was die erzählen würden, aber ich will auf einen, den man nun wirklich nicht als selben wie der Linken nahe verdächtigen kann, verweisen, nämlich auf Hein de Haas. Das ist der international anerkannteste Migrationsforscher,
ein Soziologe. Er hat jetzt erst ein Buch herausgegeben – das ist, glaube ich, vor zwei oder drei Wochen auf Deutsch erschienen –, wo es unter anderem um die Mythen geht im Themenbereich „Migration“. Er sagt –
ich will jetzt nur zwei Sätze dazu verlesen –: Die Maßnahmen, mit denen die Zuwanderung eingeschränkt werden soll, sind zum Scheitern verurteilt, weil sie von einem falschen Verständnis der Migration ausgehen. Weil Politiker einseitig nur darauf schauen, wie viele Menschen ins Land kommen, sehen sie nicht, wie sich ihre Entscheidungen auf Rückströme und die Zirkulation auswirken. Die Daten zeigen, dass der politische Wunsch nach einer Begrenzung mit der Zirkulation und der Rückkehr der Arbeitsmigration unvereinbar ist. – Lesen Sie doch mal Studien, nehmen Sie doch mal Experten und
Expertinnen ernst und hören Sie auf, auf einer selbst erzeugten Stimmungsmache innerhalb der Gesellschaft sich dann draufzusetzen, hier vorn hinzustellen und zu sagen: Ja, die Gesellschaft kommt nicht mehr zurecht. Das stimmt nicht. Große Teile der Gesellschaft kommen weiterhin damit zurecht, große Teile der Gesellschaft leisten seit Jahren Unglaubliches, um im Bereich der Migration und Integration zu stützen – ehrenamtlich und dann aber ebenso auch im Bereich der Ausländerbehörden beispielsweise.
Und das als Letztes zum Thema „Landesaufnahmeprogramme abschaffen“: Das werden wir nicht machen. Solange wir hier eine Einflussmöglichkeit haben, werden diese Landesaufnahmeprogramme bleiben, nicht nur, weil wir Familiennachzug für ein Grundrecht halten, wir jedem Menschen wünschen, seine Familie bei sich zu haben – vorausgesetzt, er oder sie will das auch –, weil Familie Integration erleichtert und weil Familiennachzug noch ein anderer sehr positiver Punkt eben auch ist. Und da bringe ich Ihnen jetzt – Sie sagen ja, wir sollen mal mit den Leuten in den Landkreisen, in den Ausländerbehörden usw. reden. Das haben wir gemacht. Wir waren im August in mehreren Landkreisen unterwegs, auch in Landkreisen, die einen Landrat von der CDU haben, haben auch mit CDU-Dezernenten und -Landräten usw. gesprochen. Ich bringe Ihnen ein schönes Beispiel: Es gibt mehrere Ärzte aus Syrien, die nach Thüringen gezogen sind – schon vor mehreren Jahren –, die hier in Thüringen in Kliniken als Ärzte arbeiten. Sie sind nach Thüringen gezogen, weil Thüringen das Landesaufnahmeprogramm „Syrien“ hat, weil sie ihre Familie hierherholen konnten, und deswegen sind sie hier in Thüringen und deswegen bleiben sie hier in Thüringen und sind an Thüringer Kliniken dazu da und setzen sich dafür ein, um unter anderem auch Sie und Ihre Verwandten, Ihre Bekannten, Ihre Freundinnen und Kolleginnen medizinisch zu behandeln. Diejenigen, die überhaupt in der Lage sind, das Landesaufnahmeprogramm Syrien oder auch Landesaufnahmeprogramm Afghanistan zu erfüllen, die Voraussetzungen dafür zu stemmen – man muss nämlich für fünf Jahre alles finanzieren –, sind diejenigen, die als die sogenannten Fachkräfte von Ihnen eigentlich gewollt sind. Wenn Sie die unterstützen wollen, dann sorgen Sie dafür, dass die ihre Familien hierherbringen können. Herzlichen Dank.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen noch, wahrscheinlich von den Älteren, weiß, wer Hermann Josef Abs gewesen ist. Hermann Josef Abs war ein Chef der Deutschen Bank in den Nachkriegsjahren 70er, 80er, 90er. Der war sehr bekannt. Talkshows gab es damals noch nicht, aber Hermann Josef Abs war eine Marke. Der hat mal gesagt: Ich hätte so gern im 18. Jahrhundert gelebt. Und auf die Frage, warum, hat er gesagt: Da gab es so wunderschönes Porzellan. Warum erzähle ich Ihnen das? Weil der Hermann Josef Abs als Banker/Magnat selbstverständlich
davon ausgegangen ist, dass er, hätte er im 18. Jahrhundert gelebt, jemand gewesen wäre, der Zugang zu diesem Porzellan gehabt hätte. Das war aber im 18. Jahrhundert nicht allen vergönnt, auch nicht in unseren wunderbaren deutschen Landen.
Deswegen – das wurde hier auch schon mal gesagt –, wir haben alle, die wir hier sitzen, einen wertvollen deutschen Pass. Wir haben es nicht nötig, darüber nachzudenken, wohin wir gehen wollten oder wohin wir gehen könnten, wenn wir mal flüchten müssten. Wir meckern herum – das ist auch unser gutes Recht – an allem, was wir in unserem Land gern anders oder besser hätten, aber wir haben weder Hunger noch Durst und wir haben in der Regel auch ein Obdach. Wir haben einen gesetzlichen Anspruch darauf und wir leben eigentlich recht gut in unserem Thüringen und das betonen wir auch immer gern, weil es hier so schön ist.
Da gibt es nun Leute in der Welt, die aus den verschiedensten Gründen Schutz brauchen, und zwei der wichtigsten Gründe sind natürlich Krieg und Verfolgung. Die Zahl der eigentlichen Asylbewerber außerhalb der Kriegsflüchtenden, die in den letzten Jahren eben aus der Ukraine massiv auch in Thüringen Schutz gesucht haben, ist eigentlich gar nicht so groß. Die 6.000 – Kollegin König-Preuss hat es schon gesagt – ist eine Zahl, die wir in Thüringen sehr gut aufnehmen, sehr gut integrieren, auch sehr gut brauchen können, wenn sie länger hierbleiben, wenn sie dann arbeiten und sich hier wohlfühlen können, dann helfen die uns auch in vielen Bereichen, wo wir sie brauchen können.
Jetzt haben wir noch ukrainische Flüchtende, oft Flüchtlingsfamilien, die hierhergekommen sind und eigentlich ganz schnell wieder nach Hause wollten. Ich habe hier mal ein Erlebnis gehabt, ein Integrationskurs war hier als Besuchergruppe zu Gast. Das werde ich nie vergessen, es waren zwei junge Frauen mit ihren Kindern, die gesagt haben: Wir wissen jetzt gar nicht, was wir machen sollen, die müssten jetzt hier in Thüringen in die Schule, aber zu Hause sind die in Mathematik ein Jahr weiter, und jetzt überlegen wir, ob es nicht besser wäre, dass wir weiter den Digitalunterricht zu Hause mitmachen, und das können wir aber nicht gleichzeitig, wenn die hier in die Schule gehen, und hier machen die einen viel schlechteren Abschluss. Ist es denn eigentlich überhaupt das Richtige, wenn wir dann eines Tages in die Ukraine zurückkönnen, wo wir eigentlich hinwollen? Nur mal so, um Ihnen zu beschreiben, welche Menschen das sind. Das sind nicht welche, die einfach nur hierherkommen, um irgendwie Geld abzuzocken. Das sind Menschen, die sich
Sorgen um ihre Familien und die Kinder machen und die auch ihren Lebensstandard, den sie in der Ukraine hatten, mit dem vergleichen, was sie hier vorfinden, und da ist nicht alles so super, toll, viel besser, außer dass hier natürlich – und das ist natürlich in dem Falle entscheidend, weil es nicht mehr lebendbedrohend ist – keine Bomben fliegen und man auch sicher sein kann, dass das Haus noch eine ganze Weile stehenbleibt. Jetzt kommen wir und sagen: Das sind aber ein bisschen viele, und da haben wir planerisch auch nicht alles getan, was wir hätten machen müssen, das ist unbenommen, da müssen wir auch uns selber kritisieren und gucken, was wir hätten anders machen sollen. Das ist jetzt wirklich ein bisschen viel, jetzt wird es ein bisschen ärgerlich, jetzt wird es ein bisschen streng, jetzt müssten wir Leute, die eigentlich Schutz brauchen – und das haben wir im Grundgesetz verbürgt, aus Erfahrungen, die viele auch nicht mehr kennen, was man ihnen auch gönnen soll, dass sie es nicht kennen –, etwas schlechter behandeln, nämlich möglichst so schlecht, dass sie bei uns keinen Schutz mehr suchen. Das ist eine moralisch sehr schwierige Position, das möchte ich hier noch mal abstrakt oder auch relativ konkret feststellen, darüber reden wir gar nicht. Jetzt ist dann das Ziel, damit wir quasi diese Leute abschrecken, dass wir in einen Unterbietungswettbewerb eintreten, dass wir die Standards absenken, damit Leute sagen: Na ja, also Thüringen, wir haben zwar immer gewusst, dort ist es schön, haben wir immer gehört, nein, aber ist es doch nicht, also gerade für uns nicht, wenn wir als Flüchtende hierherkommen oder auch als Kriegsflüchtlinge, die mögen uns nicht, wir bleiben besser weg.
Was erreichen wir denn eigentlich damit? Dass wir unser Image verlieren, was wir uns in den letzten Jahren mühsam aufgebaut haben, und dass wir mittel- und langfristig im Übrigen auch unseren Wirtschaftsstandort gefährden, wenn wir sagen: Wir wollen euch nicht, wir können es uns nicht leisten, euch Schutz zu gewähren. Wir müssten sehr viel mehr Anstrengungen gemeinsam unternehmen und nicht gegeneinander arbeiten, und jetzt versuchen, mit Pseudoanfassern das Problem zu lösen. Weil wir ja auch landesrechtlich nur bestimmte wenige Zuständigkeiten haben, machen Sie es sich sehr einfach und sagen: Wir nehmen jetzt zwei Sachen raus, nämlich die Landesaufnahmeprogramme, und wir müssen die Abschiebungen verstärken. Bei den Landesaufnahmeprogrammen haben Sie die Zahl von Kollegin Henfling schon gehört, es sind genau zwei noch aufgenommen worden mit dem Landesaufnahmeprogramm Afghanistan.
Ich will auch noch mal darauf hinweisen, es war ein besonderes Anliegen, die Ortskräfte in Afghanistan,
die in den letzten zehn Jahren dort wirklich auch dafür gesorgt haben, sich an dem Versuch zu beteiligen, unsere Leute unterstützt haben, unsere Leute beschützt haben, für unsere Leute gedolmetscht haben, dass wir die nicht da allein hängen lassen. Und wenn Sie sich vielleicht noch erinnern wollen und ein bisschen Menschlichkeit noch übrig geblieben ist, dann erinnern Sie sich vielleicht an die Szenen am Flughafen in Kabul, als binnen kürzester Zeit der Einsatz der ausländischen Kräfte in Afghanistan beendet wurde und die Menschen mit ihren Familien nicht mehr rausgekommen sind. Da blieben ganz viele Ortskräfte zurück, deren Leib und Leben bedroht sind, und gerade für die haben wir dieses Aufnahmeprogramm gemacht. Da kommen viel zu wenige, weil man aus Afghanistan nicht mehr rauskommt. Jetzt zu behaupten, wenn wir das in den Antrag schreiben und auch das andere Aufnahmeprogramm noch beseitigen, dann haben wir hier die Thüringen Kommunen entlastet, das ist schon ziemlich krass.
Ähnlich verhält es sich mit den Abschiebungen – das haben wir auch schon tausendmal erklärt –: Die Zahl derjenigen, die hier wirklich abgeschoben werden können, ist nicht so groß, dass da eine riesengroße Entlastung eintreffen würde. Also Sie betreiben hier ein gewisses Schattenboxen und nehmen Punkte in Ihre Anträge auf, die das, was Sie dem Volk versprechen, nämlich Leute, die Schutz suchen/brauchen, so abzuschrecken, dass die nicht mehr kommen. Das ist der eigentliche moralische oder unmoralische Anspruch, nur mit dem könnten Sie eigentlich punkten, das trauen Sie sich nicht, dazu sind wir landesrechtlich auch gar nicht zuständig. Und da nehmen Sie zwei Sachen raus, die Sie sich nicht trauen.
Jetzt kommt das Allerschönste, und deswegen sind auch Ihre Anträge immer weiter mit weiteren Lieblingspunkten angewachsen, weil Sie jetzt nun auch schon, wie Sie es gestern gemacht haben, überlegt haben: Da ist ja noch die AfD, mit der zusammen können wir das jetzt machen. Da hätten wir theoretisch eine Mehrheit gegen die Koalitionsfraktionen und da können wir doch jetzt mal alles durchbringen. Jetzt ist Ihnen schon viel erzählt worden über die AfD, was Sie aber alles nicht interessiert. Aber gerade, weil wir die meisten Schwierigkeiten oder Herausforderungen wegen der großen Anzahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge haben: Ist Ihnen eigentlich klar, dass Ihre Partner, Ihre Sparringspartner von der AfD, mit denen Sie heute uns hier niederzwingen wollen, die Putinversteher sind,
diejenigen, die also Putin verteidigen und bei denen es bundesweit Untersuchungen zu Sympathie- und Finanztransaktionen gibt, dieser Putin, der diesen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt? Und jetzt wollen Sie mit den Putinverstehern zusammen die Zahl der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eindämmen. Das muss man sich moralisch auch erst mal richtig geben wollen. Was machen Sie da eigentlich?
Es ist mir nicht so richtig klar. Ich weiß nicht, Sie haben immer noch das C im Namen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Christlich Demokratischen Union. Wir hatten als Sozialdemokraten mit Ihnen auch immer mal Koalitionen, es war nicht alles schlecht, es war aber auch ein bisschen christlicher als heute oder – ich würde mal sagen – sehr viel christlicher. Dass Sie jetzt Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit denen zusammen wieder zurückschieben wollen, die Versteher dieses Krieges sind, das finde ich das Allerkrasseste heute Abend und das beschert uns hier die vierte und fünfte und die sechste Neufassung. Überlegen Sie noch mal, was Sie da tun. Danke.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Gäste, ich habe mich über die Antragsflut, die heute kam, natürlich auch eine ganze Zeit lang ziemlich gewundert, und so ein bisschen hat es mich an Ihre Anträge zur Kernkraft erinnert. Das, was Sie in den letzten 10, 15 Jahren im Bund verbockt haben, dazu halten Sie jetzt Schaukämpfe hier im Thüringer Landtag dagegen ab, um sozusagen das Gegenteil auszustrahlen. Kurz vor einer Wahl ist das aus meiner Sicht ziemlich durchschaubar.