Protokoll der Sitzung vom 07.12.2023

(Beifall Gruppe der FDP)

Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie wichtig es ist, das Thema Migration auf den Boden der Tatsachen zu holen und so zu organisieren, dass wir den humanitären Ansprüchen des Asylrechts, dem Zuwanderungsbe

darf und dem Sicherheitsanspruch innerhalb der EU, Deutschlands und auch Thüringens gerecht werden.

(Beifall Gruppe der FDP)

Thüringen ist jetzt hier an der Stelle das Stichwort. Wir kommen zu dem Gesetzentwurf der CDU. Grundsätzlich begrüßen wir die Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde. Das war auch Bestandteil unserer Forderungen, als es um das Amt für Migration ging. Eine solche zentrale Ausländerbehörde gibt es auch in anderen Bundesländern und sollte durch den Einsatz entsprechender Fachleute in der Lage sein, eben die Ausländerbehörden auf der kommunalen Ebene zu entlasten. Hier können bestimmte Fallgruppen zum Beispiel gebündelt werden, organisatorische Prozesse vereinheitlicht werden, was ein sehr wichtiger Punkt wäre, und auch überhaupt soll die Abstimmung der Ausländerbehörden untereinander verbessert werden. Wie das genau aussehen soll und ob die im Gesetzentwurf beschriebenen Strukturen und Aufgaben dazu

helfen, das müsste man sich sicherlich noch einmal genau anschauen, denn nur diese zentrale Ausländerbehörde jetzt einzuführen, ohne den Gesamtkomplex anzugehen, dafür braucht es uns am Ende auch nicht. Das kann die Landesregierung allein machen.

(Beifall Gruppe der FDP)

Und ob die zentrale Ausländerbehörde diejenige sein sollte, die das Thema Bleibeperspektive regelt oder regeln sollte, das stelle ich auch in Frage. Das habe ich ausgeführt im Zusammenhang mit den Entwicklungen, die sich da in der EU ergeben. Wir haben auch unsere Schwierigkeiten mit diesen Aufnahmezentren, die zum dauerhaften Wohnsitz derjenigen mit schlechter Bleibeperspektive werden sollen. Das hat mit unter

schiedlichen Aspekten zu tun. Einmal mit der Frage: Was ist eigentlich eine schlechte Bleibeperspektive? Woran halten wir das fest? Das zweite ist: Für wie lange sollen die denn da wohnen? Wann ist das Asylverfahren nun eigentlich beendet? Vor dem Widerspruch, nach dem Widerspruch? Da sind die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen komplex und dauern ja auch entsprechend lange. Insofern teile ich die Sorge, dass dort eine Sicherheitslage an Orten entsteht, die wir vielleicht so auch nicht haben wollen. Eine andere Herausforderung im Gesetzentwurf sehen wir auch bei der Verpflichtung zu Arbeit, die durch die zentrale Ausländerbehörde umgesetzt werden soll. Das finden wir schwierig. Nicht weil wir es den Menschen nicht gönnen, einer Aufgabe nachzugehen, aber Verpflichtung zur Arbeit finden wir irgendwie rechtlich unangemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Das können die Landkreise auch anders machen und besser machen und machen es bereits ja schon. Über die Arbeitsgelegenheiten, die die Landkreise in ihren Aufgaben umsetzen – da ergeben sich gute Erfahrungen, auch was die Akzeptanz dann in der jeweiligen Bevölkerung angeht.

(Unruhe CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um kurz auf den Punkt zu kommen. Wir würden das mit in den Ausschuss nehmen, um die Themen zu besprechen. Wir werden es nicht ohne den Blick auf den Gesamtzusammenhang auf EU- und Deutschlandebene betrachten können und vor allem nicht, ohne den Blick in das, was die Landesregierung aktuell vorhat und da weitermachen will. Dass das da auch zusammenpasst. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gruppe der FDP)

Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Marx das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Baum, herzlichen Dank für Ihren sehr sachlichen Beitrag. Davon bräuchten wir mehr in diesem Haus. Jetzt haben wir den Gesetzentwurf der CDU ganz eilbedürftig eingebracht. Das soll jetzt unbedingt noch auf die Spur gehoben werden.

Der Forderung nach einer zentralen Ausländerbehörde kann man durchaus auch positive Seiten abgewinnen. Da läge es daran, das im Detail zu überprüfen, denn das ist schon auch unbefriedigend, weil es halt große Unterschiede gibt, wie die einzelnen kommunalen Gebietskörperschaften mit dieser Aufgabe und ihrer Bewältigung umgehen und zurechtkommen – aus den verschiedensten Gründen. Da sperren wir uns nicht gegen eine Prüfung, uns das genauer anzuschauen.

(Abg. Baum)

Allerdings trägt zum effektiven Management des Ankunftsgeschehens, das Sie als Mantra sozusagen über Ihre Initiative gestellt haben, der Gesetzentwurf insgesamt nichts bei. Das Gesetz zielt schwerpunktmäßig auf Zurückschiebung, Abschiebung, Rückführung, Ausweisungen, Vorbereitungs- und Sicherungshaft sowie die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Geflüchteten. Das sind alles Zitate aus Ihrem Gesetzentwurf und aus Ihren vorgelegten Paragrafen, insbesondere in Artikel 1 § 2 Abs. 4. Wie dabei humanitäre Standards der Flüchtlingsunterbringung gewahrt werden sollen, darüber verlieren Sie in Ihrem Gesetzentwurf kaum ein Wort.

Die aktuelle Praxis, wie Geflüchtete in Thüringen derzeit untergebracht werden, ist sicherlich in Teilen zum Haareraufen. Das geben wir zu und deswegen gibt es jetzt auch Bedingungen und Vorkehrungen, dass wir das kurzfristig hoffentlich etwas bessern können. Aber sich jetzt gar keine Gedanken zu machen – wie Sie –, ist erst recht keine Lösung.

Sie wollen AnkER-Zentren nach bayerischem Modell und haben dann entsprechende Regelungen zu den Aufnahme- und Rückführungszentren von der entsprechenden bayerischen Vorschrift kopiert. Das ist in Artikel 2 des bayerischen Aufnahmegesetzes zu finden. Allerdings gibt es inzwischen auch die problematischen Erfahrungen, die in Bayern gemacht wurden. Die Lebensbedingungen in solchen Einrichtungen sind insbesondere nicht auf die Bedürfnisse von Kindern und Familienangehörigen ausgelegt. Statt einer ruhigen Lernumgebung und kindgerechter Freizeit erwartet Minderjährige in ANKER-Zentren Isolation von der Außenwelt, wenig Privatsphäre und Konflikte rund um sie herum, weil es eine Sammelunterbringung mit sehr hohen Unterbringungszahlen sein würde.

Sie haben in Ihrer bayerischen Copy-and-paste-Vorschrift zwar eine Regel, die wohl darauf abzielen soll, dass Kinder und ihre Familien nicht länger als sechs Monate – Bundeshöchstfrist – zum Aufenthalt im AnkER-Zentrum verpflichtet sein sollen. Diese Rechtslage hat in Bayern nach den Erfahrungen der Wohlfahrtsverbände aber nicht verhindert, dass Kinder und ihre Angehörigen trotz dessen teils über einem Jahr in AnkER-Zentren untergebracht worden sind. Außerdem hat sich im Fall Bayern gezeigt, dass die in AnkERZentren untergebrachten Geflüchteten zum Teil keinen vernünftigen Zugang zu einer Rechtsberatung hatten. Und – das hören Sie zwar nicht gern – das Grundrecht auf Asyl ist ein Grundrecht und das Grundrecht

auf Rechtsschutz gilt auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Es liegt bereits auf der Hand, dass Geflüchteten ohne eine juristisch kompetente Beratung droht wegen Sprachbarriere und der mangelnden Erfahrung mit unserem Rechtssystem ausgeliefert zu werden.

Ihr Gesetzentwurf krankt aber nicht nur an humanitären Defiziten, sondern lässt vor allen Dingen auch den organisatorischen Mehrwert vermissen, den Sie als übergeordneten Ansatz vorangestellt haben. Sie wollen die AnkER-Zentren anstelle der kommunalen Gemeinschaftsunterkünfte errichten, die die Landesregierung in den verschiedenen Planungsregionen einrichten möchte. Aber damit leisten Sie überhaupt gar keinen Beitrag dazu, Standorte für eine Unterbringungseinrichtung zu finden. Auch bei einem AnkER-Zentrum müssten Sie das erst mal auf die Beine stellen. Und wenn Sie da in Bayern noch mal schauen: In Bamberg will der Bürgermeister das AnkER-Zentrum nicht über 2025 hinaus betreiben, weil er dezentrale Unterbringung bevorzugt, weil er die Fläche für sozialen Wohnraum braucht und weil diese Art der Massenunterbringung für Konflikte gesorgt hat. Der Standort in Donauwörth wurde aus den gleichen Gründen bereits vor mehreren Jahren geschlossen.

Die Frage, wo man einen kommunalen Standort findet, braucht also auch im Fall von einem AnkER-Zentrum sehr viel Überzeugungsarbeit, Vertrauensbildung und Verhandlungsgeschick gegenüber den Kommunen und dazu leisten Sie überhaupt keinen Beitrag.

Jetzt noch mal zum christlichen Menschenbild:

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Oh!)

Da kommt Sie immer mit „Oh“, wenn man das anspricht. Ich möchte nur mal sagen: Ich komme aus der ökumenischen Morgenandacht, Kollege Walk ist da regelmäßig unser Gast. Dort in einem Fürbittgebet, aus dem ich zitieren möchte, war der Satz enthalten: Bewahre uns vor der Sünde der Torheit nach der wohlfeilen Suche nach Sündenböcken. – Das haben wir hier auch und Herr Schard, ich würde Sie auch nicht darauf ansprechen, wenn Sie sich jetzt nicht auch wieder damit gebrüstet hätten, dass Sie in den letzten Tagen in Ihrem Wahlkreis, der ja auch mein Wahlkreis ist, 1.400 Adventskalender an Kindergärten zugestellt haben, womit also der kommenden Geburt von Jesus Christus gedacht wird, der – wie gesagt – in einem Stall geboren wurde. Also auch da muss man nach den humanitären Werten fragen. Und in Ihrem Wahlkampf, in dem letzten Landtagswahlkampf haben Sie sich auch am Heiligen Abend an den Ausgang unserer, meiner Kirche gestellt, um die Kollekte zu sammeln für „Brot für die Welt“, für die Ärmsten der Armen. Wenn Sie diesen humanitären Ansatz vielleicht auch mal auf Ihr Gesetzeswerk zugrunde legen könnten, dann würden wir hier weniger verhärtete Fronten finden und weniger Verbrüderung mit den Herren und den wenigen Damen von rechts außen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erhält die fraktionslose Abgeordnete Frau Dr. Bergner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, liebe Zuhörer, nachdem die Landesregierung mit all ihren Versuchen gescheitert ist, das Thema „Migration und Asyl“ in einer eigenen und dafür zuständigen Behörde mit allen Belangen zu vereinen, hat die größte Oppositionsfraktion im Landtag sich dem angenommen und einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zumindest einen gangbaren Weg aufzeigt, die Misere möglicherweise in den Griff zu bekommen.

Dabei soll die Kompetenz dort gelassen werden, wo sie jetzt bereits ist, beim Landesverwaltungsamt. Dort sollen dann zwei Referate zu der zentralen Ausländerbehörde zusammengefasst werden und weitere Zuständigkeiten und Kompetenzen im Rahmen ihrer Aufgaben erhalten. Wenn jegliche ideologisch motivierte Zuordnung von Integrationsaufgaben entfällt und sich die neu zu schaffende Behörde auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren kann, kann sie die bei einer Integration anstehenden Prozesse auch besser lösen.

Ich hatte eigentlich noch was Anderes vorbereitet zu sagen. Aber ich muss sagen, nach den Beiträgen, die ich jetzt hier gehört habe: Ich habe letzte Woche in Argentinien verbracht. Argentinien ist ein Zuwanderungsland, und das seit Jahrzehnten. Ich habe dort gesehen, wie Menschen zuwandern. In Argentinien kann jeder zuwandern. Buenos Aires ist eine Stadt, die zu 80 Prozent aus Immigranten besteht. Aber es gibt einen ganz gewaltigen Unterschied zu uns. In Argentinien ist jeder, der einwandert, dafür zuständig, dass er sich integriert, und hier wird immer diskutiert, dass es unsere Aufgabe ist, andere Menschen zu integrieren, sie zu bevormunden. Ich denke, wir sollten an dieser Stelle mal darüber nachdenken, einen Wechsel in unserer Denkweise zu vollführen, dass es ein Miteinander ist. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Nach dem, was ich wahrnehme, sowohl von Mitarbeitern in Behörden als auch von verantwortlichen Landräten, haben die Immigranten oder viele Immigranten, die zu uns kommen, nicht das Bedürfnis, sich hier zu integrieren, sondern einfach nur abzuzocken und zu fordern.

(Abg. Marx)

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Das ist etwas, wo ich der Meinung bin, dass es hier einen Paradigmenwechsel braucht. Möglicherweise kann so was auch mal gemacht werden. Ich habe es in Argentinien erlebt, ich habe es gesehen, wie Menschen integriert worden sind. Argentinien war auch zur Zeit der Nazi-Diktatur in Deutschland ein großes Aufnahmeland für Juden, für Kommunisten.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Und für Nazis!)

Die sind alle dort aufgenommen worden und haben sich integriert und es ging hervorragend.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, mit einem Paradigmenwechsel und möglicherweise diesem Gesetzentwurf von der CDU können wir hier in Thüringen auch etwas bewegen und ein Signal setzen. Danke.

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Schard das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn etwas nicht funktioniert, dann ist es die Aufgabe von Politik und auch die Pflicht von Politik, genau das zu ändern. Gerade in Thüringen funktioniert im Zusammenhang mit der Aufnahme, der Verteilung, mit der Migrationspolitik, aber auch mit der Rückführung von Flüchtlingen so einiges eben nicht.

(Beifall CDU)

Auf meine einfache Anfrage in der letzten Plenarsitzung, was die bis dato zuständige Migrationsministerin zur Verbesserung der Zustände erreicht habe, konnte sie mir keine Antwort geben und auf die zugesagte schriftliche Antwort warte ich bis heute. Das geht dem Kollegen Malsch, wie wir das gestern gehört haben, auch so. Dieses Bild der Sprachlosigkeit ist symptomatisch für die vollkommen gescheiterte Asyl- und Migrationspolitik der gesamten Landesregierung.

(Beifall CDU)

Wir erleben katastrophale Zustände in der Erstaufnahme, wir erleben eine ständige Überbelegung der EAE, das Außerachtlassen von brandschutzrechtlichen Bestimmungen, wir erleben Matratzen auf dem Flur, und das Unterbleiben von Registrierungen und Gesundheitschecks. Bei alldem stellen sich Vertreter von Rot-Rot-Grün hier hin und wollen uns immer wieder und ständig was über angebliche Inhumanität erzählen. Wissen Sie, Sie haben seit zwei Ministern, seit Jahren die Krise nicht in den Griff gekriegt.

(Beifall CDU)

Die Zustände in den Einrichtungen sind menschenunwürdig und Sie sind an Ihren eigenen moralischen Ansprüchen gescheitert.

(Beifall CDU)

Da können Sie sich nicht hier hinstellen, wenn wir versuchen, ebendiese Zustände zu verbessern, das als inhuman abzukanzeln. Das stimmt einfach nicht. Mehr chronischer Illusionismus, meine sehr geehrten Damen und Herren, und mehr anhaltende Traumtänzerei geht in diesem Fall nicht.

(Abg. Dr. Bergner)