Protokoll der Sitzung vom 08.12.2023

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP)

Gut, aber ich hatte es gesehen.

Also die Redezeit für alle, 13 Minuten, verteilt sich auf die Fraktion und die Gruppe. Herr Kemmerich für die Gruppe der FDP, Sie haben das Wort.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin und Herr Ministerpräsident, es ging gar nicht darum, das Coronavirus oder den Umgang damit im Nachhinein lächerlich zu machen. Aber es sind natürlich ein paar Dinge, bei denen auch zwischen uns einfach unterschiedliche Auffassungen bleiben und auch bleiben können. Das ist ja nicht weiter schwierig.

Ich habe immer kritisiert, dass dieser Fetisch „Kontaktbeschränkungen“ der falsche ist, denn da sind relativ willkürliche Grenzen gebildet worden über politische Kreise, regionale Kreise. Aber es haben ja andere Länder – ich zitiere trotzdem noch mal Schweden, ich zitiere letztlich auch große Teile der Vereinigten Staaten.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da schauen Sie sich doch mal die Sterbera- te an! Das ist doch nicht Ihr Ernst!)

Es gibt als Beispiel North Dakota – South Dakota, die unterschiedlich …

Haben Sie mal Respekt vor jemandem, der redet, dass Sie einfach mal den Mund halten, verdammt noch mal!

(Beifall AfD, Gruppe der FDP)

Das ist ja ungeheuerlich! Hören Sie mal zu!

Insofern müssen wir das, wenn wir das auswerten, auch stehenlassen, dass wir diese unterschiedlichen Auffassungen haben. Vielleicht kommen wir dann für die Zukunft zu einer besseren Wertung. Das ist das, was wir meinen.

Zu der Frage „Schule und junge Menschen“: Es ist ja auch erwiesen, dass im Nachhinein zwar die jungen Menschen vielleicht Überträger gewesen sein könnten, aber natürlich von der Risikogruppe sehr zurückhaltend waren.

Zum Thema „Impfpflicht“: Viele Mediziner – oder der überwiegende Teil der Mediziner, zumindest wie ich gelesen habe – haben gesagt: Das Risiko für Menschen unterhalb des Jahres 60 – es sei denn, es liegen besondere Merkmale vor – ist sehr gering. Das ist etwas, das tief in der Bevölkerung drinsteckt, Impfpflicht überhaut aufzurufen, Genesenenstatus, es gab den Impfstoff – einmal reicht aus. Der Genesenenstatus wurde reduziert von sechs Monaten auf drei Monate, gleichzeitig erhöhte die Schweiz auf zwölf Monate.

Das ist es ja, was tief in der Bevölkerung drinsteckt, wo die Leute sich von der Politik enttäuscht fühlen. Sie haben vieles getan in der ersten Zeit, wo wir wirklich alle nicht wussten, was passiert – da nehme ich die Zeit von März bis Mai 2020. Aber im Herbst/im Winter 2020, als die Gastro geschlossen hatte, als der Einzelhandel geschlossen hatte: Sie haben es gesagt, die Leute standen vor verschlossenen Türen, 80 Quadratmeter, es durfte nicht mal ein Kunde rein – völlig in meinen Augen ungefährlich. Das sind so Dinge, die müssen wir mit der Bevölkerung diskutieren – relativ unaufgeregt, neutral – und ich glaube, dann tun wir uns allen einen Gefallen: die, die sicherlich einer Auffassung waren, die viel härter ist, als ich die vertreten habe, als wir die vertreten haben, aber auch Leute, die das zu sehr mit Aluhut machen, um das mal zu bemühen. Es wird nie alle befriedigen, aber ich glaube, ein großer Teil der Bevölkerung ist einfach zufrieden, wenn wir uns der Diskussion stellen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

„Unaufgeregt“ ist das Stichwort. Natürlich sind Zwischenrufe erlaubt, aber solange, wie sie nicht auf die Rede wirken, dass der Redner hier vorn nicht mehr das Wort bekommt. Die Dialoge untereinander gehören nicht dazu, ich will darauf noch mal verweisen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Montag für die Gruppe der FDP.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf einen Punkt will ich auch noch mal hinaus, wo, glaube ich, viel Verunsicherung während dieser Zeit der Unwägbarkeiten, der Unsicherheiten entstanden ist im Land. Ich glaube, niemand wird hier ernsthaft – und kann, wenn er politische Diskussionen ernsthaft führen will und im Respekt auch vor den Erkenntnissen, die damals in der Zeit vorlagen – eine solche Rede halten wie Herr Lauerwald. Das ist eine Unverschämtheit,

(Beifall DIE LINKE, Gruppe der FDP)

auch vor denjenigen, die tatsächlich wissenschaftlich arbeiten. Und wenn ich dann Zwischenrufe höre, dass es in der Wissenschaft keinen Diskurs gäbe, sondern nur Fakten, dann muss ich wirklich fragen: Auf

welchem Planeten leben Sie?

(Beifall Gruppe der FDP)

Diskurs gehört natürlich auch zur Wissenschaft – Sie wissen das vielleicht nicht –, unterschiedliche Schulen mit unterschiedlichen Anhängern, aber sei es drum.

Der Punkt, auf den ich noch mal hinaus möchte, ist einer, der tatsächlich zu Verwirrung, zu Unfrieden geführt hat, der eine strukturelle Ursache hat, und das ist der Zustand des öffentlichen Gesundheitsdienstes gewesen,

(Beifall Gruppe der FDP)

denn viele Maßnahmen und die Ableitung auch aus den Landesplänen und aus den Infektionsschutzmaßnahmen wurden ja sehr unterschiedlich ausgelegt und auch juristisch unterschiedlich gelesen. Warum? Weil es keine einheitliche Lesart einer landesweit gültigen Verordnung gab. Und dass im Wartburgkreis anders entschieden worden ist als beispielsweise in Schmalkalden-Meiningen, wenn nicht das Kriterium „Inzidenz“ der Grund war, hat eben zu Unfrieden und zu Verwirrungen geführt.

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Das lag aber am CDU-Landrat!)

(Abg. Kemmerich)

Da haben Sie als Landesregierung natürlich bereits 2016 auch angekündigt, eigentlich den öffentlichen Gesundheitsdienst so neuordnen zu wollen, wie das in anderen Bundesländern längst der Fall ist. Deswegen möchte ich auch hier noch mal daran erinnern und dafür plädieren, dass wir mit dem Gesetzentwurf, den wir beispielsweise vorgelegt haben – danach auch Rot-Rot-Grün –, tatsächlich uns dieser Aufgabe noch einmal stellen, gerade in Voraussicht dessen, was Sie angesprochen haben, das Gutachten bei der Frage „Pandemie 2012“, meine ich bereits vorgelegt haben, und auch da tatsächlich staatliche Institutionen sich eben nicht ausreichend bemüht haben, sich auf einen solchen Fall vorzubereiten, das heißt nämlich auch Gelder zu investieren, damit wir diesen Fehler in Thüringen, der strukturell noch immer besteht, beheben. Das muss ein erster wichtiger Anspruch sein, um für das nächste Mal gut und besser gerüstet zu sein. Das ist ein Petitum von mir, ein Appell an alle, sich noch mal gemeinsam zusammenzusetzen und darüber zu diskutieren, wie wir mit den Gesetzentwürfen umgehen und vielleicht auch noch vor der Landtagswahl zu einer Lösung zu kommen, die das nächste Mal Pandemiebewältigung oder andere Herausforderungen ein Stück weit einfacher macht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Gruppe der FDP)

Herr Ministerpräsident hat noch mal um das Wort gebeten. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Kemmerich, lieber Herr Montag, das war mein Petitum, dass wir die Dinge in Ruhe und unaufgeregt anschauen. Jetzt bin ich noch mal vorgekommen, um noch mal an zwei Dinge zu erinnern. Die nächtlichen Ausgangssperren, Herr Kemmerich, sind uns damals mit der Mobilität der Bevölkerung begründet worden und damit, dass die Mobilität der Bevölkerung reduziert werden muss. Da sind mir komplette Mobilitätsdaten vorgelegt worden, bevor ich diese Entscheidung überhaupt getroffen habe. Es sind die Funkzellen betrachtet worden, wie sich Menschen hin- und herbewegen, all diese Sachen. Ich teile Ihre Auffassung, dass man über die Frage der Kontakte unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen kann. Ich teile auch ausdrücklich die Geschichte, dass die Kinder in der Gefährdung wesentlich geringer waren und immer nur als Träger des Virus betrachtet worden sind. Deswegen habe ich eben auch noch mal gesagt, dass Helmut Holter massiv darum gekämpft hat, die Kindereinrichtungen und die Schulen nicht zu schließen.

Ich erinnere mich an meine erste Sitzung der MPK mit der Bundeskanzlerin, als ich morgens losgefahren bin und gesagt habe: Niemals in meinem Leben werde ich eine Kindereinrichtung schließen. Ich war der festen Überzeugung. Und dann kamen die Zahlen, die mir dort an Gefährdungspotenzialen offeriert worden sind. Ich habe noch am Abend eine Telefonschalte mit dem Kabinett gemacht und musste dann sagen: Ich werde angesichts dieser Bilder, die einerseits aus Italien kamen, und andererseits der Zahlen, die uns offeriert worden sind, einen Kollaps des Gesundheitssystems nicht akzeptieren können. Wir müssen den Kollaps abwehren und das geht nur durch Kontaktvermeidung. Das ist die Begründung in dem Kontext. Aber ich bin Kaufmann, ich bin kein Virologe. Ich bin darauf angewiesen, dass man mir Informationen so aufbereitet, dass ich Entscheidungen treffen kann. Deswegen sage ich, mit dem Erkenntnisprozess, der dann kam, und noch mal die Frage, Bargeld oder nicht Bargeld, da wurde gesagt: Tröpfcheninfektion. Wie soll ich das beurteilen? Dann kamen diese ganzen Geschichten mit diesen Plastikschildern und all so was, auch das gehört dazu.

Aber ein Punkt, Herr Montag: Sormas X. Das war vor der Pandemie. Da habe ich noch eine Pressekonferenz gemacht und habe festgestellt, da hatten wir eine Begutachtung aller Amtsarztstellen in Thüringen,

(Abg. Montag)

wie viele Amtsarztstellen in Thüringen nicht besetzt waren. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch in der Illusion, dass wir mit der Digitalisierung der Gesundheitsämter in Deutschland ganz vorn wären, um dann festzustellen, wir waren auf einmal ganz hinten. Also am Anfang lagen wir theoretisch vorn und dann haben mir Landkreise erklärt, also jetzt in der Pandemie stellen sie nicht auf digital um. Und Sormas X, das in der ganzen Welt angewendet worden ist, in Deutschland entwickelt worden ist – ich habe Ärzte, Amtsärzte bei der Arbeit gesehen, wo das Mittel der Übertragung des Faxgerät war und ich die Frage meiner digitalen Bescheinigung, dass ich positiv bin, auf einmal per Fax nachliefern lassen musste, damit ich selber unter Quarantäne gestellt werde.

All diese Sachen haben mir deutlich gemacht, dass die Frage, ob Pandemieabwehr von den zuständigen Stellen und ob die zuständigen Stellen ermutigt worden sind, sich darauf gut zu vorbereiten, zu diesem Zeitpunkt niemand hören wollte. Also ein Teil unserer Debatten auch, wenn es darum geht, wer im übertragenen Wirkungsbereich für was zuständig ist, ist zumindest vor der Pandemie auf relativ verschlossene Ohren gestoßen. Ich weiß noch, dass ich in der Pressekonferenz am Ende gesagt habe: Ich hoffe, dass wir keine Epidemie kriegen, und einige Monate später haben wir die Pandemie gehabt. Und auf einmal wollte keiner mehr was davon wissen: Wie viele Amtsärzte brauchen wir? Wie leistungsfähig sind die Gesundheitsämter? Wie durchdigitalisiert sind sie? Ich erwähne das deshalb, weil die gleiche Frage im Moment mit dem Ausländerrecht besteht, mit den Ausländerämtern besteht, mit der Überlastung der Ausländerämter. Die Frage, wie wir unsere Verwaltung modernisieren, ist immer noch das durchgängige Thema, bei dem wir genauso nachdrücklich arbeiten müssen wie mit Ihrem Appell gerade zum öffentlichen Gesundheitsdienst. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Lauerwald für die AfD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Vorsitzende. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie erwähnten vorhin die Bilder aus Italien, von Bergamo, und das hatte auch damals der Herr Hey von der SPD erwähnt. Dazu möchte ich noch etwas sagen. In Bergamo wollten 13 Lkws mit Leichen durch die Nacht – in Wahrheit war das Militär nicht etwa eingesetzt worden, weil Berge von Leichen nicht anders hätten transportiert werden können. Die Anzahl der Verstorbenen war damals nicht höher als bei manchen Grippewellen in Italien. Aus Angst vor dem Killervirus wurde beschlossen, alle an COVID Verstorbenen einzuäschern. Normalerweise werden in Italien aber nur die Hälfte aller Verstorbenen eingeäschert. Deshalb reichten die Kapazitäten des Krematoriums in Bergamo nicht aus und die Leichen mussten in umliegende Orte transportiert werden. Fünf Tage nach dem Bild aus Bergamo wurde in Deutschland der Lockdown noch einmal verschärft, obwohl die Reproduktionszahl gerade stark gefallen war.

Dann hatten Sie gesagt – ist er noch da? –, wenn ich es richtig verstanden hatte, dass die Impfpflicht nicht die Politik festlegen sollte, sondern die Ärzte. Dazu möchte ich sagen, wir als Ärzte sind dem Grundgesetz verpflichtet, das heißt, die Unversehrtheit des menschlichen Körpers zu gewährleisten. Und wir richten uns natürlich auch nach unserem ärztlichen Ethos und wir werden nie eine Pflicht festlegen wollen, die einen Patienten verpflichtet, sich impfen zu lassen. Das ist überhaupt ein Unding. Wir sind immer mit dem Patienten im Einvernehmen und im Konsens und da gehört eine Übertragung der Impfpflicht auf Ärzte überhaupt nicht dazu, das lehnen wir strikt ab. Ich denke, da kann ich für alle Ärzte sprechen.

(Ministerpräsident Ramelow)

(Beifall AfD)

Die Zitate, die ich damals brachte, wir hatten vor einer möglichen Impfpflicht gewarnt. Man hätte ja ganz ruhig gegenargumentieren können – nein, wir glauben nicht, dass es eine Impfpflicht geben wird. Dann wäre ja alles in Ordnung gewesen. Aber nein, es wurde diese Situation benutzt, um uns zu beschimpfen, zu beleidigen, zu diffamieren. Und da halte ich Ihnen den Spiegel vor und damit müssen Sie leben, was Sie damals aus diesem Thema gemacht haben. Das war verwerflich.

(Beifall AfD)

Herr Dr. Lauerwald, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Montag?

Nein.

Nein.

Es gab keine fachliche Diskussion und keinen Diskurs, wie es der Herr Montag vorhin angeregt hatte, dass das hätte stattfinden sollen. Es wurde ja gerade abgelehnt. Es gab ja nur Beschimpfungen und keinen Diskurs und es gab auch keine Überweisung an den Ausschuss, wo man hätte diskutieren können.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Was haben wir denn im Ausschuss gemacht? Diskurs!)

Herr Dr. Lauerwald, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. König?

Nein.