Das sind die Menschen, die an der Supermarktkasse sitzen, Lkw, Bus oder Straßenbahn fahren, im Hotel oder in Restaurants arbeiten, Autos und Häuser bauen und viele Unternehmen leiten. Viele der Menschen, die Sie ausbürgern wollen, haben in Deutschland Unternehmen gegründet,
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lade Sie ein – aber da werden Sie nicht hingehen – zum Einbürgerungsfest, das wir in Thüringen regelmäßig für die Menschen veranstalten, die eingebürgert sind, die im Stillen oder auf der großen Bühne unser Land bereichern: die Pianistin aus Litauen, die Agrarwis
senschaftlerin aus Israel, die Kinderärztin aus dem Iran, der Maschinenbauer aus Syrien. Diese Liste, meine sehr geehrten Damen und Herren, ließe sich lange fortsetzen. Aber statt gemeinsam mit anderen an unserem Land und unseren Werten zu bauen, will der rechte Rand Hass und Missgunst schüren, um an die Macht zu kommen.
Meine Damen und Herren, Sie werden es nicht schaffen, das werden wir gemeinsam verhindern, die demokratischen Kräfte in diesem Land. Ich sage Ihnen, wir sind aufgeschmissen, wenn es nicht gelingt, zusätzliche Arbeitskräfte ins Land zu holen und diese in unserem Land vollumfänglich zu integrieren. So, wie auch Demonstrationen gehört werden, brauchen wir jetzt ein breites Bündnis quer durch die Bevölkerung,
quer durch Unternehmen – und ich habe ja gesagt, dass das schon stattfindet –, Kultur und Gesellschaft, ein Bündnis gegen Extremismus und für die Demokratie.
Wir alle wissen, ein solches Bündnis allein kann noch nicht den Unterschied machen. Demonstrationen ersetzen nicht die Politik, aber die Demonstrationen können den Blick auf das lenken, was uns verbindet. Es kann uns Mut machen, gemeinsam Verantwortung zu zeigen und ich danke allen, die das getan haben. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. Entschuldigung, Herr Abgeordneter Höcke, eine Schande ist das Benehmen Ihrer Fraktion gerade gewesen.
Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und MittelbauDora Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/9186 - korrigierte Fassung -
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir bleiben thematisch im Prinzip dabei. Vor wenigen Tagen hatten wir hier gemeinsam den Auftritt des Holocaustüberlebenden Naftali Fürst beeindruckend erleben können und haben der Millionen Opfer der NS-Terrorherrschaft gedacht. Einmal mehr ist uns, glaube ich, allen auch bewusst geworden, wie beeindruckend es ist, wenn Zeitzeugen vor einem stehen, aber auch eben, dass diese Zeit endlich ist. Mit dem Ende der Zeitzeugenschaft und mit dem grassierenden Geschichtsrevisionismus von rechts beschäftigt sich auch die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora täglich in ihrer Arbeit. Sie ist nicht nur in Thüringen ein zentraler Akteur in der Aufarbeitung der NS-Diktatur, sondern sie genießt auch international großes Ansehen für ihre Bildungsarbeit und ihre Forschungsarbeit. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken.
Die Stiftung wurde im Jahr 2003 per Gesetz als öffentliche Stiftung errichtet. Nach nun 20 Jahren ist es unseres Erachtens Zeit, dass wir das Gesetz entsprechend anpassen. Wir haben uns hier mit der Stiftung auch sehr eng abgestimmt, auch mit dem Stiftungsdirektor.
Folgende Anliegen haben wir bei der Änderung des Gesetzes: Zum Ersten soll der Stiftungszweck angepasst werden. Er soll um das Museum der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus erweitert werden. Wie sie wissen – und das hatten wir auch schon letzten Freitag hier als Thema – wird das Haus am 8. Mai dieses Jahres eröffnet.
Zweitens berät die Stiftung seit Langem bürgerschaftliche und kommunale Initiativen zur NS-Geschichte in Thüringen und diese wichtige Aufgabe möchten wir nun auch im Gesetz verankern.
Drittens geht es darum, den Stiftungszweck zu schärfen. Neben dem Gedenken an die zahllosen Opfer des NS-Regimes soll explizit die wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Massenverbrechen und deren Folgen festgehalten werden.
Viertens soll der Stiftungsrat um einen Vertreter respektive eine Vertreterin des Zentralrats der Sinti und Roma erweitert werden und dieses ist aus unserer Sicht von größerer Bedeutung, denn mit 500.000 Ermordeten waren sie die zweitgrößte Opfergruppe der rassistischen NS-Vernichtungspolitik.
Und fünftens wollen wir die Stiftung vor den Feinden unserer liberalen Demokratie schützen und so soll eine
Klausel zur persönlichen Eignung von Stiftungsratsmitgliedern aufgenommen werden. Nach dieser müssen sich die Stiftungsratsmitglieder klar zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und sich entschieden von Antisemitismus, Rassismus oder anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit abgrenzen.
Sehr geehrte Damen und Herren, „Nie wieder ist jetzt“ – das ist das Motto der Stunde, auch hier in unserem Land und angesichts der spürbaren Bedrohung von rechts benötigen wir mehr denn je engagierte Akteure wie eben die Stiftung Mittelbau-Dora und Buchenwald. Sie klärt ein breites Publikum verlässlich – und das nun schon seit so vielen Jahren – über die NS-Terrorherrschaft und deren Massenverbrechen auf und mit
der vorliegenden Gesetzesänderung wird ihre unverzichtbare Arbeit noch mal nachhaltig gestärkt. Deshalb bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Beer. Wir waren bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, zu dem Gesetzentwurf die erste und die zweite Beratung durchzuführen, wenn keine Ausschussüberweisung beschlossen wird. Wir beginnen deshalb mit der ersten Beratung, zu der ich die Aussprache eröffne. Das Wort erteile ich Herrn Abgeordneten Gleichmann für die Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste hier vor Ort und auch am Livestream! Wer hätte gedacht, dass wir am heutigen Tag zum einen noch über diesen Tagesordnungspunkt reden und zum anderen, dass er so eine Relevanz hat. Denn hinter dem sperrigen Titel „Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ steht doch ein sehr zeitgeschichtlich auch wichtiger Aspekt. Denn neben „Nie wieder ist jetzt“, worüber wir uns jetzt schon verständigt haben, hieß es doch auch immer, „Währet den Anfängen“. Und ich kann mich erinnern, dass vor Kurzem bei der feierlichen Einweihung eines Gedenksteins in Kahla in Erinnerung an die Bücherverbrennung dort ein Vertreter der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald gesagt hat, „Währet den Anfängen“ ist schon vorbei, es ist schon zu spät, wir sind schon wieder mittendrin in dieser Mühle, die auch im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts Deutschland erfasste. Da muss man eben feststellen, dass es nicht losging mit der Vernichtung in den Gaskammern oder Arbeitslagern, sondern es ging los mit Ausgrenzung, es ging los mit der Definition, wer wie nach Deutschland passt oder eben nicht passt und wer hier nützlich ist und wer nicht nützlich ist. Es ging los mit dem Arbeitszwang für Angehörige des Deutschen Reichs, mit der „Aktion Arbeitsscheu Reich“, wo über 100.000 Menschen, die so genannt wurden, in Arbeitslager gebracht wurden und das alles unter Führung der NSDAP, deren Bezüge noch heute auch zur hiesig sitzenden Fraktion nicht mehr wegzudenken sind. Und es ging weiter mit Zwangsarbeit aus dem Ausland – Hunderttausende Zwangsarbeiter, später Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Ausland wurden hier nach Deutschland gebracht –, erst in der Landwirtschaft, später vor allen Dingen in der Wirtschaft und Rüstung, sodass es spätestens im Jahr 1944 auch in Thüringen zum Alltag gehörte. Über 500.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in Deutschland allein in Thüringen in den Betrieben eingesetzt. Und das betraf alle, das betraf Betriebe von Altenburg, der HASAG zum Beispiel, das ging weiter über Berga, Rüstungsverlagerung Schwalbe V, das ging weiter über die HESCHO-Werke
in Hermsdorf, die Porzellanwerke in Kahla, Schwarza, Chemiedreieck, BMW Eisenach – alle möglichen Firmen haben sich der Zwangsarbeit bedient und haben damit auch Profite gemacht. Man muss sagen, viele Menschen haben weggeschaut, haben diese Verwertung und Vernichtung von Millionen von Menschen mitgemacht und eben nicht ihre Stimme erhoben und gesagt, jetzt reicht es uns. Das ist eine wichtige Lehre, die wir aus der Geschichte gezogen haben und die wir ziehen wollen und die sich heute auch wieder gezeigt hat.
Und es geht noch einen Schritt weiter – um den Bezug zu Thüringen zu stärken und warum es auch so wichtig ist, dass eben die Stiftung jetzt diese Erweiterung des Stiftungszwecks für dieses Museum Zwangsarbeit bekommt –: All das, diese ganze Zwangsarbeit ist organisiert worden aus Thüringen heraus
bzw. von Fritz Sauckel als Gauleiter von Thüringen und später dann auch Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Unsere Thüringer Landesvertretung in Berlin war damals Hauptpunkt der Organisation dieses Arbeitseinsatzes von Millionen von Menschen, die nach Deutschland gebracht wurden, und von Millionen von Menschen, die ihre Heimat nie wieder gesehen haben, weil sie auf den Baustellen oder in den Betrieben zu Tode gekommen sind durch schlechte Behandlung, durch Typhus, Tuberkulose, Krankheiten, durch den Arbeitsdruck und vor allen Dingen auch durch die Vernichtung durch Arbeit, die sie vor den Wachmannschaften einzustecken hatten.
Das war eben nicht nur die SS, das waren nicht irgendwelche vom Mond hergekommenen Menschen, die irgendwie der Meinung waren, sie müssen die Menschen versklaven. Nein, es waren alle, die gesamte Zivilgesellschaft. Denn viele der Betriebe waren zivilgesellschaftlich organisiert. Viele der Rüstungsbetriebe waren zivilgesellschaftlich organisiert, und das zeigt eben auch, wie wichtig es ist, daran nicht nur zu erinnern und zu gedenken an Gedenktagen. Das haben wir ja jetzt die letzten 79 Jahre gemacht, aber so richtig erfolgreich scheint es ja nicht gewesen zu sein, wenn man sich das heute anschaut.
Insofern ist es wichtig, diese Gedenkarbeit in die Mitte, in das Zentrum von Thüringen zu bringen, und da ist Weimar ein sehr, sehr wichtiger Ort. Deswegen ein Dank auch an die Stiftung, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das seit Jahren betreuen und die auch quasi an der Erarbeitung der ursprünglichen Ausstellung – das war ja eine mobile Wanderausstellung, die in Europa und auch weltweit unterwegs war – gearbeitet haben, um eben auch deutlich zu machen, Zwangsarbeit war etwas, was es überall, in jedem Dorf gab. Man konnte sich dieser nicht entziehen, jeder hat mitbekommen, dass es das gab. Und auch heute gibt es wieder den Wunsch nach Zwangsarbeit. Menschen, die vielleicht nicht in unser Weltbild passen, Menschen, die sich entschieden haben, ihr Leben anders zu leben, auch die werden heute wieder als arbeitsscheu bezeichnet. Deswegen ist es wichtig zu erinnern, wozu es führte, und eben dieses „Nie wieder“ zu stärken.