Protokoll der Sitzung vom 15.03.2024

Abgegebene Stimmzettel 72, ungültige Stimmzettel 2, gültige Stimmzettel 70. Auf den Wahlvorschlag entfallen 18 Jastimmen, 49 Neinstimmen. Es liegen 3 Enthaltungen vor. Damit ist die Mehrheit der abgegebenen

gültigen Stimmen nicht erreicht.

Nachdem sämtliche Wahlvorschläge auch in einer jeweiligen ersten Wahlwiederholung nicht die notwendige Stimmenmehrheit erreicht haben, sind weitere Wahlwiederholungen nur nach Vorberatung in einem Gremium außerhalb des Plenums, beispielsweise im Ältestenrat, möglich. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Meine Damen und Herren, damit kommen wir zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 25. Entschuldigung. Das war jetzt ein Zahlendreher, die 52, und nicht nur ein Zahlendreher, sondern auch die falsche Seite. Augenblick, ich blättere, ich hatte es schon. Es ist immer sehr gut, wenn man gute Unterstützung im Rücken hat. Da wird man auch beim Mausen erwischt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 52

Thüringer Gesetz zur Erstattung von Mehrkosten nach dem Zweiten, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für das Jahr 2024 aufgrund des Rechtskreis

wechsels von aus der Ukraine Geflüchteten (ThürRKwErstG 2024) Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/9423 - dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 7/9474 -

(Vizepräsident Bergner)

dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9671 -

Das Wort erhält Frau Abgeordnete König-Preuss aus dem Innen- und Kommunalausschuss für die Berichterstattung zu dem Gesetzentwurf. Bitte schön.

Liebe Kolleginnen, liebe Zuschauerinnen sowohl auf der Tribüne als auch am Livestream, liebe Präsidentin! Ich betone das hier so, weil ich als Berichterstatter angekündigt wurde und deswegen verwende ich jetzt kontinuierlich die weibliche Form, wenn sozusagen auf der Drucksache die männliche für mich verwendet wurde.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin vom Innen- und Kommunalausschuss als Berichterstatterin beschlossen wurden. Das läuft im Innenund Kommunalausschuss so, dass, wer nicht da ist, Berichterstatterin wird. Das ist ein Problem, wenn man dann doch mal nebenbei noch einen Paralleltermin hat.

Wir haben am 1. Februar 2024 das Gesetz von Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen bekommen und haben in unserer 55. Sitzung im Februar dazu beraten, eine schriftliche Anhörung beschlossen, insgesamt fünf Anzuhörende dazu gehabt, die Anhörung logischerweise auch ausgewertet und dann in der Sitzung am 7. März den Beschluss gefasst, den Gesetzentwurf heute zur Annahme zu empfehlen. Es lag ein Änderungsantrag der CDU vor, den die CDU in der Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses zurückgezogen hat. Ansonsten würde ich noch – die Präsidentin hat ja vorhin schon die Langform verwendet – den Zuschauerinnen noch erklären, wie die Kurzform dieses Gesetzes ist, nämlich ThürRkwErstG 2024. Ich freue mich auf die Beratung, danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin König-Preuss, für die Berichterstattung. Jetzt eröffne ich die Aussprache. Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schard für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube über die Situation der finanziellen Verhältnisse muss man gar nicht viel sagen und auch generell dürfte die Situation jedem bekannt sein. Vor allem auch vor dem Hintergrund der weltweiten Krisen und auch nach dem Ende der Coronapandemie sind die Zugangszahlen von Asylbewerbern auf dem höchsten Niveau seit 2016. Darüber hinaus ist aufgrund des fortdauernden Krieges zwischen Russland und der Ukraine weiterhin ein kontinuierlicher Zugang von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zu verzeichnen. Die hohen Zugangszahlen belasten insbesondere auch die Kommunen, das wissen wir. Unterbringung, Versorgung und auch Integration – das sind Aufgaben, die die Kommunen in Thüringen nicht nur, aber vor allem an ihre finanziellen Grenzen bringen. Deshalb ist es wie in den Jahren zuvor natürlich auch wichtig, dass wir regeln, wie die finanziellen Leistungen hier erstattet werden können.

(Vizepräsident Bergner)

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Erstattung der Mehrkosten, die den Kommunen aufgrund des Rechtskreiswechsels entstehen, ist wie in den letzten Jahren richtig und auch notwendig. Dadurch geben wir den Kommunen Handlungs-, Planungs- und nicht zuletzt auch Rechtssicherheit.

Meine Damen und Herren, wir wiederholen jetzt diesen Prozess seit zwei Jahren, denn zwei Jahre sind seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine vergangen. Seit zwei Jahren ist der dadurch bedingte Zugang ukrainischer Kriegsflüchtlinge kontinuierlich hoch. Deutschland hat von allen Ländern in Europa die meisten Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten seit dem 1. Juni 2022 Leistungen nach dem Zweiten bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Sie sind also nicht mehr leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Auch mit unserem Entschließungsantrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, schlagen wir vor – das wurde bei der Anmoderation gesagt –, dass der Rechtskreiswechsel für Ukrainer nicht mehr erfolgen soll, jedenfalls was die Zukunft betrifft. Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig nach unserer Auffassung wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und nicht automatisch in den Bürgergeldbezug fallen. Ende Dezember sagte auch eine Mehrheit der Deutschen im Deutschlandtrend, dass bei Sparzwängen auch das Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge betroffen sein muss. Die Besserstellung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge wird auch aus vollkommen unterschiedlichen Blickwinkeln skeptisch betrachtet. In der Bevölkerung wird zunehmend kritisch unter anderem darüber diskutiert, dass die Menschen sofort die gleichen Leistungen erhalten wie jemand, der gegebenenfalls über einen langen Zeitraum in die hiesigen Sozialkassen eingezahlt hat. Und wenn man sich ehrlich macht, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann führt dieser Umstand dazu, dass auch die Aufnahme von Beschäftigung als unattraktiv erscheint und aus rationalen Gründen auch nicht unbedingt für erforderlich gehalten wird.

Bundesarbeitsminister Heil hat im vergangenen Herbst den sogenannten Job-Turbo ausgerufen. Die Bundesregierung wollte ukrainische Kriegsflüchtlinge zum Arbeiten motivieren, aber der Erfolg diesbezüglich hat sich nicht eingestellt und ist ausgeblieben. Wenn wir in andere Länder schauen, so ergibt sich ein durchaus differenziertes Bild. Polen zum Beispiel ist mit Deutschland das Land, in dem im europäischen Vergleich die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer untergekommen sind.

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Polen ist das Land mit den meisten Ukrainern!)

Vielleicht können wir mal auf die Geschäftsordnung schauen, dass die Einwürfe von der Regierungsbank an dieser Stelle nicht gestattet sind. Danke schön.

Die Erwerbstätigenquote unter Ukrainern in Polen beträgt ca. 65 Prozent. Das ist meines Wissens, Herr Prof. Hoff, die höchste Quote in der EU. Vielleicht können wir uns darauf einigen. In Polen kann auf Antrag derzeit eine Einmalzahlung sowie monatlich Kindergeld ausgezahlt werden. Darüber hinaus gibt es dann keine Sozialhilfe mehr. Natürlich führt auch das dazu, dass die Menschen aufgrund dieser Umstände letztlich auch gezwungen sind, eine Arbeit aufzunehmen. Im Vergleich dazu gehen in Deutschland lediglich etwa 19 Prozent arbeiten. Das hat natürlich Gründe. Die höheren staatlichen Zuwendungen führen ganz eindeutig dazu, dass es sich schlichtweg nicht lohnt, arbeiten zu gehen bzw. auch manche Arbeitsmöglichkeiten aufzunehmen. Diese Umstände – das mag nicht jedem gefallen – sind aber Realitäten und lassen sich auch nicht wegleugnen. Die ursprünglichen Erwartungen hinsichtlich der Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt sind nicht erfüllt worden und es ist natürlich wichtig, diese Ursachen dafür anzuerkennen und auch zu analysieren. Wenn etwas nicht funktioniert, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann ist es natürlich auch in erster Linie Aufgabe der Politik, die Umstände dahingehend zu ändern, damit es funktioniert, es sei denn, man

verfolgt den Zweck zur Arbeitsmotivation letztlich nicht mehr, wovon ich aber abraten würde, auch im Kontext des gesamtgesellschaftlichen Friedens.

Die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren, ändert sich nicht durch deren Leugnen. Und die Probleme verschwinden auch nicht, wenn man sie lediglich negiert, und Politik beginnt meines Erachtens eben bei der Wahrnehmung der Realität. Rund 700.000 ukrainische Flüchtlinge erhalten derzeit in Deutschland Bürgergeld. Auch die Berichte – und das sind auch eben solche Realitäten – über Sozialbetrug durch Ukrainer häufen sich. Insofern ist es natürlich wichtig, zum Beispiel auch die Schilderungen der Landräte, derer, die an vorderster Stelle die Organisation treffen, die an vorderster Stelle diese Erfahrungen machen, ernst zu nehmen und natürlich gegenzusteuern. Die Schilderungen vieler vor Ort Verantwortlicher reichen von der Inanspruchnahme von Bürgergeld durch Menschen, die mitunter auch gar keine Ukrainer sind. Ebenso sind die vielen Fälle, in denen Ukrainer über einen längeren Zeitraum unbemerkt wieder in ihre Heimat zurückkehren, aber weiterhin Leistungen erhalten, auch Realität. Und allen ist bekannt, dass das Jobcenter bzw. die letztlich Zuständigen Schwierigkeiten haben, den Aufenthaltsort von Ukrainern zu ermitteln. Hinzu kommt, dass es ebenso beispielsweise nicht gelingt, sich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse der ukrainischen Antragsteller zu verschaffen. Das ist im realistischen Kontext schlichtweg oftmals nicht möglich. Und bei Ukrainern werden die Vermögensverhältnisse zwar abgefragt, aber eine Kontrolle ist

letztlich faktisch kaum oder nicht möglich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, diese Realität mag Ihnen, mag uns allen nicht gefallen,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja nur Ihre Realität!)

aber wir haben natürlich die Verantwortung dafür – auch Sie, Frau Henfling, haben die Verantwortung dafür –, etwas zu ändern, was nicht funktioniert. Sie können das noch so leugnen und das ist, glaube ich, auch Ihr Problem, indem Sie ständig an der Realität vorbeiargumentieren und sich die Welt so malen, wie Sie Ihnen vielleicht gefällt, aber die Welt in Wirklichkeit eben anders ist.

(Beifall CDU)

Deshalb erwarten diese Bürger, die Bürger dieses Landes, zu Recht, dass insbesondere dann, wenn Leistungen gewährt werden, deren Zwecke zum großen Teil nicht erfüllt werden, dass dann gegengesteuert wird. Das hat nichts mit Inhumanität zu tun, das hat nichts mit ausbleibendem Hilfewillen zu tun. Aber das ist eben eine Seite und das ist eine dunkle Seite der Medaille, und die muss man am Ende natürlich ändern, der muss man sich stellen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schard. Weitere Wortmeldungen sehe ich keine. Doch, dann bitte schön, Frau Kollegin Henfling.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Ich finde, nach diesem Redebeitrag kann man hier einige Sachen so nicht stehen lassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Schard)

Herr Schard, Sie reden immer von Realitäten. Das Problem ist, dass Sie bestimmte Dinge in Ihre Realität pressen, wie Sie sie gerade haben wollen. Ich finde es wirklich problematisch, dass Sie hier Argumentationen übernehmen, die auch genauso gut heute von der AfD hätten kommen können. Und ja, da können Sie jetzt wieder komisch gucken, aber das Problem ist ja, dass Sie überhaupt nicht wahrnehmen, was Sie hier machen. Sie hetzen hier in einer und Weise gegen eine Gruppe von Menschen, die ich höchst problematisch finde.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind sich sogar nicht zu schade dafür, auf einmal das Asylbewerberleistungsgesetz anzuführen, um darüber zu reden, dass es eine Ungleichbehandlung von Asylsuchenden und Geflüchteten in Deutschland gibt. Und das finde ich mehr als unredlich,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil, Sie sind es, die auch sehr massiv am Asylbewerberleistungsgesetz festhalten. Wenn es nach uns gehen würde, hätten wir das Asylbewerberleistungsgesetz auf Bundesebene schon längst abgeschafft,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil, die Menschen, die zu uns kommen, sollen eben keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse sein. Es ist eine Errungenschaft und es ist gut, dass über die Massenzustrom-Richtlinie – ich mag den Begriff nicht, weil ich den schwierig finde –

(Unruhe CDU, AfD)

die Menschen bei uns in Deutschland tatsächlich eben nicht in das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sondern Bürgergeldbezug bekommen. Das ist eine Errungenschaft, das ist ein großer Schritt, den wir da gegangen sind, und der ist richtig. Ich finde es schwierig, dass Sie einfach pauschal allen Ukrainerinnen und Ukrainern, die zu uns kommen, vorwerfen, dass sie nicht arbeiten wollen.

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Das stimmt nicht!)

Sie ignorieren dabei komplett die Hemmnisse, die wir in Deutschland bei der Arbeitsaufnahme haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da reden wir von Integrations- und Sprachkursen, die nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Und da reden wir auch davon, dass viele der Ukrainerinnen und Ukrainer durch diese Forderung, die Sie hier aufmachen, unter anderem in den Billiglohnsektor gedrückt werden. Das ist nicht okay!