Protokoll der Sitzung vom 15.03.2024

Da reden wir von Integrations- und Sprachkursen, die nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Und da reden wir auch davon, dass viele der Ukrainerinnen und Ukrainer durch diese Forderung, die Sie hier aufmachen, unter anderem in den Billiglohnsektor gedrückt werden. Das ist nicht okay!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf aus dem Hause)

Doch!

Das Problem ist: Wenn wir uns angucken, in den Ländern, wo tatsächlich die Ukrainerinnen und Ukrainer mehr Arbeit aufnehmen, dann muss man sich eben auch angucken: Wie funktionieren dort die Verwaltungen und welche Unterstützungsleistungen gibt es eigentlich für diese Menschen dort? Was Sie komplett ausblenden – und das nehme ich Ihnen wirklich übel –, ist, dass wir von Menschen sprechen, die vor einem Krieg geflohen sind, die teilweise wirklich schlimme Sachen erlebt haben. Sie tun so, als würde das in deren Lebensrealität und in deren Alltag überhaupt keine Rolle spielen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Es geht um die Leistungen!)

Das tut es aber. Hier sind Frauen mit Kindern da, deren Männer teilweise im Krieg sind. Glauben Sie, dass die nicht vielleicht am Tag auch andere Probleme haben, als sich damit zu beschäftigen,

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Darum geht es nicht!)

eine Arbeit zu suchen und sich durch den Bürokratiedschungel in Deutschland zu wühlen? Ich finde das wirklich unredlich, was Sie da machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Sie wollen doch selbst, dass die Menschen eine Arbeit aufnehmen!)

Ja, ich möchte, dass die Menschen arbeiten. Ich werfe den Menschen aber nicht vor, dass, wenn Sie nicht nach zwei Monaten eine Arbeit aufnehmen, dass es an ihnen liegt, sondern ich sage: Das ist ein komplexes Problem, und das könnte eben auch daran liegen, dass wir es in Deutschland Menschen, die hierherkommen, extrem schwermachen, Arbeit aufzunehmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der entscheidende Punkt. Ich glaube, da ist Integration eben keine Einbahnstraße, sondern da müssen wir als Gesellschaft einfach mal endlich begreifen, dass wir eine Migrationsgesellschaft sind, und die Schritte gehen, die es dafür auch tatsächlich braucht.

Und zuletzt: Sie erwähnen ja auch immer die Verdachtsfälle von Betrug. Wir haben 560 Verdachtsfälle. Verdachtsfälle – das heißt nicht, dass diese Menschen tatsächlich Betrug begangen haben. Fünf von diesen Fällen sind bestätigte Fälle. Da sind unter anderem Fälle dabei, wo es um doppelte Staatsbürgerschaften geht, wo Menschen eine EU-Staatsbürgerschaft haben, beispielsweise aus Ungarn. Es kann also gut sein, dass diese Leute gar nicht wussten, dass sie nicht berechtigt sind, Bürgergeld zu beantragen, weil es eben höchst kompliziert ist. Und zu unterstellen, dass sie das sozusagen tun, weil sie mutwillig oder böswillig

betrügen wollen, finde ich unterirdisch, Herr Schard.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin es wirklich leid, diese Debatte jedes Mal so zu führen. Sie führen eine vorurteilsgeleitete Diskussion und das ist nicht Sinn und Zweck dieser Migrationsdebatte. Wir müssen endlich mal dazu kommen, diese Migrationsdebatte nach vorn zu führen. Diese Menschen sind hier, sie werden auch eine ganze Zeitlang hierbleiben, weil dieser Krieg wird übermorgen nicht zu Ende sein.

Vielleicht bewegen wir uns mal als Mehrheitsgesellschaft, um mit dieser Sache umzugehen und tatsächlich eine offene Gesellschaft zu werden, Herr Schard.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Schard, CDU: Sie wollen Probleme tatsächlich nicht hören!)

Vielen Dank. Herr Kollege Schard, auch wenn ich verstehe, dass Sie emotional dabei sind, Ihre Redezeit ist vorbei und jetzt wird erst mal hier vorn diskutiert. Jetzt habe ich die Wortmeldung von Frau Abgeordneter König-Preuss.

(Abg. Henfling)

Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauerinnen! Meine Kollegin Madeleine Henfling hatte gerade schon ein paar Punkte benannt. Ich will – auch wenn es mir so vorkommt, als ob wir das zum zweiten, zum dritten, zum vierten, zum fünften Mal hier machen müssen, weil es vermutlich nicht durchdringt bei denjenigen, die hier heute diesen Entschließungsantrag vorgelegt haben – noch mal auf Fakten und Daten verweisen, die es zu dem Thema „Arbeitsaufnahme und Arbeitsmöglichkeiten“ und den Gründen, warum es in Deutschland so viel weniger Menschen aus der Ukraine sind, die hier arbeiten, als in anderen europäischen Ländern, ausführen. Es gibt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung – herzlichen Dank an der Stelle –, die vergleichend versucht, einmal darzustellen, wie sind denn die Arbeitsverhältnisse von Ukrainerinnen unter anderem in Deutschland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Italien, Großbritannien

und dann beispielsweise auch noch in Dänemark und – ich meine – auch in Schweden. Und ja, es ist richtig, dass in anderen europäischen Ländern Ukrainerinnen in einem viel höheren Maße bereits in Arbeit sind. Ich glaube, 78 Prozent der geflüchteten Ukrainerinnen in Dänemark arbeiten. In Polen und in Tschechien sind es ca. zwei Drittel. Sie hatten jetzt, glaube ich, nur auf Polen verwiesen. Aber auch in Großbritannien, Italien und der Slowakei sind es über 50 Prozent. In Deutschland hingegen sind es um einiges weniger. Die Gründe dafür können nicht und liegen nicht – das führt diese Studie aus – an dem Thema „Sozialleistungen“ oder wie Sie es bevorzugen, Sie wollen ja die Abschaffung, liegen. Warum das so ist, will ich Ihnen jetzt ein weiteres Mal erklären. Ich meine, ich habe das schon mal im Dezember gemacht und ich habe es auch schon mal im November gemacht. Hintergrund, warum diese Logik in Ihrem Entschließungsantrag nicht passen kann, ist, dass sowohl in Dänemark, aber auch in Schweden und in den Niederlanden entsprechende Sozialleistungen gezahlt werden. Trotzdem sind dort – ich hatte es gerade erwähnt –, in Dänemark 78 Prozent der ukrainischen Geflüchteten in Arbeit. Die bekommen in Dänemark ähnlich hohe Leistungen wie hier in Deutschland. Anstelle sich jetzt zu fragen, warum das so ist, oder auch mal entsprechende Studien zur Kenntnis zu nehmen – wie gesagt, ich hatte es Ihnen schon mal dargestellt –, gehen Sie wieder auf diese einfache und am Ende an rassistische Ressentiments andockende CDU-Logik – das ist ja nicht mal wirklich eine Logik, sondern das ist eine CDU-Logik – und versuchen, mindestens im rechtsoffenen Raum sozusagen Stimmen zu fangen, indem Sie erklären: Ja, die arbeiten deswegen nicht, weil die hier so viel Grundsicherung bekommen. Das stimmt nicht. In Dänemark – wie gesagt –, aber auch in anderen europäischen Ländern bekommen die eine ähnlich hohe Grundsicherung und trotzdem arbeiten 78 Prozent, zwei Drittel mehr als 50 Prozent.

Hintergrund des Ganzen ist, dass die Möglichkeiten in diesen Ländern, in Arbeit zu kommen, um einiges einfacher sind, um nicht zu sagen, ein sehr niedrigschwelliger Zugang zum Arbeitsmarkt. Das fängt damit an, dass es dort digitalisiert ist und man sozusagen auch alles sofort digital durchführen kann, wenn man als

Geflüchteter kommt. Das geht aber damit weiter, dass man als Arzt, Ärztin, als Pflegekraft nicht ein teils anderthalb Jahre dauerndes Berufsanerkennungsverfahren durchlaufen muss, sondern in den Krankenhäusern oder auch in entsprechenden Praxen angestellt werden kann.

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das ist in Deutschland auch möglich!)

Es gibt zum Teil ein sehr lange währendes Berufsanerkennungsverfahren. Sie dürfen nicht davon ausgehen, Herr Montag, dass alle, die im Krieg flüchten, sofort eins zu eins ihre perfekten Bewerbungsunterlagen gestapelt, übersetzt und notariell beglaubigt bei sich haben. Da funktioniert es in anderen Ländern einfach besser. Das hat was mit der Digitalisierung zu tun, das hat aber auch was damit zu tun, dass diese Länder verstanden haben, Zuwanderungsland und Einwanderungsland zu sein und Menschen, die aus unterschied

lichsten Gründen in die Länder kommen – sei es, weil sie fliehen, oder sei es, weil sie dort arbeiten wollen –, ganz anders aufgenommen und ganz anders empfangen werden.

Ich fände es gut, wenn Sie die Zahlen, die Sie hier verbreiten, zumindest vorher noch mal gegenprüfen. Weil auch die Zahl, die Sie verbreitet haben, Herr Schard, dass 19 Prozent arbeiten würden, stimmt nicht. Es gibt aktuelle Studien von der Bundesagentur für Arbeit, es gibt aber auch aktuelle Studien, die von Instituten veröffentlicht wurden. Ich nehme jetzt mal die von der Bundesagentur für Arbeit: Mindestens 21 Prozent arbeiten. Hinzukommt, dass von den 636.000 ukrainischen Menschen, die im Januar 2024 in der Grundsicherung waren, 124.000 aktuell in Sprachkursen, Integrationskursen sind, diese voraussichtlich im Sommer 2024 abschließen werden. Der Rest wird vermutlich … Andersrum: Dreiviertel werden voraussichtlich im Sommer abschließen, der Rest dann spätestens Anfang des Jahres 2025.

Und was Sie auch immer wieder unterschätzen: 40 Prozent der hier nach Deutschland gekommenen Menschen aus der Ukraine sind alleinerziehende Frauen mit Kindern. Ich glaube, auch da sollte man die besondere Situation von Frauen berücksichtigen – Frau Henfling hat gesagt –, deren Männer im Krieg kämpfen, bei einigen sind die Männer auch im Krieg gestorben, bei einigen haben die Kinder eine sehr hohe Traumatisierung und benötigen eine besondere Aufmerksamkeit, eine besondere Pflege, einen besonderen Schutz und Sicherheit unter anderem durch die noch lebende Mutter. Ich glaube, das sollte man alles mit bedenken.

Das machen Sie nicht. Sie gehen in Ihrem Antrag auch ehrlicherweise an keiner Stelle auf die von mir gerade erneut dargestellten Daten und Fakten ein, sondern handeln und agieren erneut mit diesen rassistischen Ressentiments im Hinblick auf die Abschaffung des Grunderwerbs für die Geflüchteten aus der Ukraine.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Henfling hat es gesagt, ich kann mich da nur anschließen: Auch wir wollen die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das wäre die richtige Maßgabe, genauso wie es eine weitere richtige Maßgabe wäre, endlich mal dahin zu kommen, dass Leute hier in Deutschland einfach unkompliziert in Arbeitsverhältnisse kommen.

Und dann ein weiterer entscheidender Punkt: Deutschland setzt darauf, dass Sprache eine entscheidende Zugangsvoraussetzung ist, nicht nur, um arbeiten zu können, sondern auch, um sich integrieren zu können. Die Sprachkurse und die Integrationskurse sind voll. Sie sind so voll, dass es Menschen gibt, denen jetzt schon gesagt wird, dass sie erst im nächsten Jahr im Sommer einen Sprach- bzw. Integrationskurs beginnen können. Anstelle sich daran zu machen und beispielsweise auch im Thüringer Landeshaushalt entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, nehme ich von Ihnen nur eins wahr – und das dockt dann an Ihre Aktuelle Stunde am Mittwoch an –: ein kontinuierliches, immerwährendes geäußertes Misstrauen gegenüber Menschen aus anderen Ländern, die hierherkommen und an keiner Stelle das, womit Sie Ihre Aktuelle Stunde überschrieben hatten, nämlich Solidarität. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Merz für die SPD-Fraktion das Wort.

(Abg. König-Preuss)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen, die CDU hat es wie schon zur ersten Lesung geschafft, dass nicht mehr das Gesetz, das wirklich ein sehr gutes Gesetz ist, was wir hier heute auf den Weg bringen wollen, im Fokus der Debatte steht,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern wiederholt Ressentiments gegenüber Geflüchteten, in diesem Fall aus der Ukraine.

Ich will aber kurz und knapp darauf zurückkommen, was wir heute, ich hoffe, mit einer großen Mehrheit beschließen werden. Wir werden zum dritten Mal, also im dritten Jahr den sogenannten Rechtskreiswechsel in den Kommunen begünstigen, sodass die Kommunen für Ukrainer im Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII Unterstützung erhalten. Wir nehmen dafür – das war eine Vereinbarung am Rande des Landeshaushalts, dort sind die eingestellt – 30 Millionen Euro in die Hand. Ich sage es auch ganz deutlich: Rot-Rot-Grün hat sich im Verlaufe der Haushaltsverhandlungen gewünscht, dafür wie bisher ca. 45 Millionen Euro für Abschlagszahlungen schon im Haushalt einzuplanen. Das war mit der CDU nicht möglich, das ist dann anderen Töpfen zum Opfer gefallen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So viel gehört auch zur Wahrheit dazu. Wir hätten gern die Mittel, die der Bund leider in diesem Jahr nicht mehr gibt, kompensiert, aber ich denke, auch hier sind wir mit 30 Millionen Euro erst einmal auf einem guten Weg und ich hoffe, dass wir das heute mit großer Mehrheit beschließen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht vor. Ich würde dann die Aussprache zum Gesetzentwurf und zum Entschließungsantrag beenden.

Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD und

Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 7/9423 in zweiter Beratung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD und weite Teile der CDU. Wer ist dagegen? Da sehe ich keine Stimmen. Wer enthält sich? Das sind die Stimmen aus der Parlamentarischen Gruppe der FDP und der AfD. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Wer dafür ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Das sind die Abgeordneten aus den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU. Wer ist dagegen? Das ist niemand. Wer enthält sich? Das sind die Abgeordneten aus der Gruppe der FDP und der AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung angenommen.