Protokoll der Sitzung vom 15.03.2024

Das eine ist die Frage „Ehrenamt“. Ich glaube, da gibt es Konsens in diesem Hause, und diesen Konsens sollten wir auch in politische Mehrheiten umwandeln können.

(Beifall Gruppe der FDP)

Der zweite Punkt ist die elektronische Verkündung. Das ist marginal, aber nicht ganz unbedeutend, weil es uns tatsächlich die Möglichkeit gibt, dass Gesetze Rechtskraft erlangen, nicht nur, wenn sie im „Staatsanzeiger“ quasi per Papier druckfrisch vorliegen, sondern dass das auch auf elektronischem Weg möglich ist. Das ist jetzt nicht die Weltrevolution, die sich vielleicht mancher noch erhofft, aber es ist ein kluger Schritt, das zu tun, weil sie staatliches Handeln effizienter und effektiver macht und der Zugriff für die, die mit Rechtstexten und Rechtsetzung umgehen müssen, sofort möglich ist.

(Beifall Gruppe der FDP)

Der dritte Punkt ist die Änderung des Artikel 20 unserer Verfassung, in dem tatsächlich noch immer das Wort „Behinderte“ steht – ich will das gleich erklären –, was unsere Verfassungsmütter und -väter in ihrer Zeit in ihrer Sprache auch verständlich für alle niedergeschrieben haben. Aber da ist es nach 30 Jahren Zeit tatsächlich an uns, daraus „Menschen mit Behinderungen“ zu machen, weil „Behinderte“ heute diskriminierend verstanden wird. Wir haben das sogar schon in der Verfassung, etwas weiter oben in dem Paragrafen. Auch das ist nicht die erhoffte Weltrevolution oder die befürchtete Weltrevolution,

(Beifall Gruppe der FDP)

wenn ich an den Redebeitrag des Kollegen Möller denke. Und – das wird Sie jetzt alle nicht wundern, dass ich auf den Punkt ganz besonders zu sprechen komme – da ist natürlich die Frage des Europabezugs, der ist natürlich von der FDP.

(Beifall Gruppe der FDP)

Sie merken an meinem leicht jovialen Unterton, dass es mir auch große Freude macht, denn es hat explizit

gezeigt, wie wir auch miteinander eigentlich in diesem Hause umgehen können, dass wir nämlich die Fragen nicht nur im Verfassungsausschuss anhören, sondern dass wir erkennen, dass das Weiterung hat, Möglichkeiten hat, auch Änderungsbedarf hat für unsere parlamentarische Arbeit, nämlich für die Stellung des Europaausschusses, dass wir dann die Kolleginnen und Kollegen des Europaausschusses um Mitberatung bitten, deren Expertise aufnehmen und am Ende sogar ein abgestimmter Änderungsantrag zu einem Gesetzentwurf der FDP vorliegt, der am Ende nicht nur den Europabezug herleitet – da könnte man ja sagen, es sei Lyrik, das ist aber in dem Fall nicht so –, sondern daraus sich konkret ein Mehrwert für unsere politische Arbeit und für das Recht von Parlamentariern in Thüringen und damit den Vertreterinnen und Vertretern für Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ableitet, weil wir Mitbestimmungsrechte an Europapolitik festschreiben.

(Beifall Gruppe der FDP)

Europa ist deswegen fern, weil wir es zulassen, fern zu sein.

(Beifall Gruppe der FDP)

Mit dieser Änderung der Verfassung, liebe Kolleginnen und Kollegen, holen wir Europa näher an Thüringen heran.

(Beifall Gruppe der FDP)

Und deswegen – ich habe sogar noch 5 Minuten Zeit –, für manche klingt das wie eine Drohung, für andere nicht. Aber wenn wir schon diese Fragen hier in aller Ausführlichkeit diskutieren, bitte ich doch darum, aus dieser Debatte keinen Kindergarten werden zu lassen.

(Beifall Gruppe der FDP)

Das heißt, eigentlich nur zur Vernunft Unfähige fangen an, sich um Förmchen zu streiten oder mit dem Finger aufeinander zu zeigen, du hast angefangen, du bist schuld. So ist es doch, glaube ich, angemessen, wenn es um Verfassungsfragen geht, dass sich jeder ein wenig in der Tonalität aber auch in der eigenen Positionierung bescheidet und unserer, dieser Verfassungsfrage den Respekt gibt, den Verfassungsfragen benötigen. Deswegen ist mein Petitum an alle in diesem Hause: Weniger Streit, mehr Blick auf das politisch Machbare und am Ende die Verfassung aus dem Jahr 1990 endlich ins Jahr 2024 holen. Vielen Dank.

(Beifall Gruppe der FDP)

Vielen Dank. Auch wenn ich die Analogie zum Kindergarten immer schwierig finde, ich finde, die Kinder im Kindergarten sind immer sehr konstruktiv miteinander.

(Beifall DIE LINKE)

Dann habe ich jetzt auf meiner Liste Frau Bergner als fraktionslose Abgeordnete stehen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, liebe Zuhörer, eine Modernisierung der Verfassung, ja, die brauchen wir. Aber die Frage ist, auf welche Weise. Was muss denn wirklich in einer Verfassung stehen und wozu reicht es, Gesetze zu machen? Für mehr Demokratie, mehr Bürgerbeteiligung, dafür stehe ich. Da gibt es zum Beispiel Punkte, auch für mehr Transparenz in der Politik.

In unserer Verfassung steht zum Beispiel: Die Wahl des Ministerpräsidenten findet geheim und ohne Aussprache statt. Ich frage mich: Wieso ohne Aussprache? Das hat nichts mit Transparenz zu tun. Das öffnet Tür und Tor für Klüngelei in Hinterzimmern. Hier könnten die Worte „ohne Aussprache“ sofort gestrichen werden.

Wir haben Volksbegehren, die niederschwelliger werden sollen, auch dafür bin ich. Aber dazu braucht es keine Verfassungsänderung. Dazu reicht es, die ausführenden Gesetze zu ändern. Die Verfassung garantiert Grundrechte aller und sie darf keine ausgrenzenden Elemente enthalten, so wie es Frau Müller fordert.

Was auch zu ändern wäre, um mehr Demokratie hier reinzubringen, wäre zum Beispiel die Aufhebung der Verschränkung der drei Säulen der Demokratie – Exekutive, Legislative und Judikative. Wir würden wesentlich besser demokratisch vorankommen, wenn diese drei Säulen separiert und nicht verschränkt wären. Wir wissen alle, dass eine gute Verfassung die Grundlage für gute Gesetzgebung ist. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass es einer Zweidrittelmehrheit bedarf, um diese zu ändern.

Ich möchte an einem Beispiel erläutern, wie eine falsche Verfassungsänderung in unser Leben eingreift, was man auf dem ersten Blick mitunter gar nicht wahrnimmt. Und zwar am Beispiel der Kinderrechte. Wohl niemand hier in diesem Hohen Haus hat etwas gegen den Schutz der Kinder und der entsprechenden Rechte. Kinder sind schutzbedürftig. Je kleiner sie sind, umso stärker.

(Abg. Montag)

Die vornehmste Aufgabe der Gesellschaft ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ihnen und ihren Eltern ermöglichen, eine kindgerechte und freie Entwicklung zu erleben.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Steht in der UN-Kinderrechtskonvention!)

Dies als Staatsziel zu formulieren, ist in jedem Falle zu unterstützen. Aber wie? Im Gesetzentwurf wird erwähnt, dass sich der Gesetzentwurf an die Formulierungen der UN-Kinderrechtskonvention anlehnt.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Genau!)

Das trifft aber nur auf einige Passagen zu. Es fehlt dann in der Verfassungsänderung etwas Wesentliches, nämlich der Bezug auf Artikel 5, Respektierung des Elternrechts, und dies ist alles andere als lapidar. Für Kinder sind die Eltern die wichtigsten Personen in ihrem Leben. In einer gut funktionierenden Familie können sich die Kinder am besten entwickeln. Das wissen wir alle. Gute Eltern, und das sind die allermeisten, wollen auch das Beste für ihre Kinder. Doch von all dem ist in dem Gesetzentwurf nichts zu lesen, und das ist ein eklatanter Mangel. Das möchte ich hier auch begründen.

Wenn in den Staatszielen nur von den Rechten der Kinder, und, so wörtlich, „vor allem dem Teilaspekt der Mitsprache in eigenen Belangen“ die Rede ist und staatliche Stellen diese umfassend umzusetzen haben, die Eltern jedoch mit keinem Wort Erwähnung finden, sind Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Wer entscheidet denn, was das Beste für die Kinder ist? Wie sollen sich die Eltern schützend vor ihre Kinder stellen können, wenn diese mal wieder mit Masken gequält werden? Wenn, so wie geschehen, den Kindern vom Staat und den Medien Angst gemacht wird und ihnen sogar die Verantwortlichkeit für den Tod der eigenen Großeltern eingeredet wird. Wenn eine staatliche Impfkampagne wie bei Corona über Angst gesteuert wird und die Kinder sich von dieser Angst mangels Wissen und Lebenserfahrung leiten lassen, können dann diese Kinder vielleicht gegen den Willen der Eltern geimpft werden?

Was ist, wenn sich die Kinder beeinflussen lassen, dass sie Pubertätsblocker haben wollen, sich vielleicht sogar einer Geschlechtsumwandlung unterziehen wollen? Dürfen Eltern dem dann einen Riegel vorschieben oder werden ihnen die Kinder dann im Fall eines Widerstands gegen die staatlichen Maßnahmen entzogen?

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Schreiben Sie diesen Blödsinn eigentlich selbst auf oder wer macht das?!)

Natürlich nur unter dem Deckmantel des Kinderschutzes und der freien Willensentfaltung. Ich wiederhole die entsprechende Passage im Gesetzentwurf: vor allem dem Teilaspekt der Mitsprache in eigenen Belangen. Das Wichtigste für die Kinder, kindliche Entwicklung, ist die elterliche Fürsorge. Wir alle wissen, dass Kinder leichter zu manipulieren sind. Medien, sozialer Druck können sie zu teils irrationalen Wünschen und Entscheidungen bewegen, und gerade in der Pubertät kommen dazu noch hormonell bedingte Probleme. Auch ohne Genderwahn und Diversity-Hype wissen sie in dieser Zeit nicht immer, was mit ihrem Körper gerade passiert. Wenn Eltern aber dann ihre Kinder vor unüberlegten Maßnahmen schützen wollen, machen sie sich dann irgendwie strafbar? Werden sie dann daran gehindert?

Die Formulierung des Gesetzestextes lässt das zu. Natürlich steht das so nicht in der Verfassung. Aber sie bildet ja, wie gesagt, die Grundlage für die Landesgesetzgebung. Und wie ich gerade hier die Interpretationsbreite von Gesetzestexten erlebe, macht mir das real Angst.

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das ist aber bei jedem Recht so!)

So können mit Verweis auf die Passagen in der Thüringer Verfassung dann entsprechende Gesetze erlassen werden, wenn es dafür die politischen Mehrheiten gibt. Wenn also die elterliche Fürsorge bei der

geplanten Verfassungsnovelle keinen angemessenen Platz findet, ist das weder tragbar noch UN-Kinderrechtskonventions-konform.

Kommen wir zum zweiten Beispiel: das Absenken des allgemeinen Wahlalters auf 16 Jahre. Wir wissen alle, dass Strafmündigkeit nach wie vor erst mit 21 Jahren beginnt.

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Nein, mit 14!)

Es gibt also bereits – Stand heute – eine Diskrepanz zwischen Strafmündigkeit und dem Wahlalter von drei Jahren. Dies ist alles andere als belanglos. Wenn die volle Strafmündigkeit mit der Begründung einer noch nicht komplett ausgebildeten Persönlichkeit erst mit 21 Jahren besteht, warum soll dann diese Persönlichkeit gut genug ausgebildet und entwickelt sein, um Entscheidungen für politische und gesellschaftliche Entwicklungen in unserem Land zu fällen?

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Sie wollen das Wahlalter ab 21 erhöhen?)

Wenn nun das Wahlalter noch auf 16 Jahre abgesenkt wird, erhöht das diesen Gap noch auf fünf Jahre. Die jungen Menschen sind also nicht strafrechtlich voll umfänglich für ihr Verhalten verantwortlich, aber voll umfänglich in der Lage, die Geschicke des Landes zu bestimmen.

Handwerklich frage ich mich übrigens, wie diese Diskrepanz zwischen dem passiven Wahlrecht und dem aktiven Wahlrecht mit 18 und 16 Jahren in dem Gesetzentwurf zu erklären ist. Sie haben offensichtlich kein Zutrauen in die Gestaltungskraft der jungen Menschen, dass sie auch im Amt die richtigen Entscheidungen treffen können. Wählen sollen sie aber können. Wahrscheinlich glaubt die links-grüne Seite des Landtags, mit einer Absenkung des Wahlalters ideologisch verblendete und von Angst geprägte Jugendliche dazu zu bewegen, die drohende Abwahl zu verhindern.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Das ist ja wirklich Gehirndiarrhö!)

Wenn wir also konsequent sein wollen, dann müssen Rechte und Pflichten in Einklang gebracht werden. Wer junge Menschen bereits mit 16 Jahren als wahlmündig betrachtet, muss sie auch für fähig halten, einen Pkw ohne Aufsicht zu steuern und vor allem auch nach Erwachsenenstrafrecht für alle Taten selbst die Verantwortung zu übernehmen. Die Palette geht weiter. Dann sollten Menschen ab 16 Jahren auch heiraten dürfen und Sex zwischen 16 und 18 Jahren darf dann nicht mehr unter Strafe gestellt werden. Hier sollte man sich mal der Komplexität der Reife eines Menschen bewusst sein und eine ganzheitliche Betrachtung vornehmen.

Ich komme damit zu diesem Thema zum Ende. Im Sinne der wichtigen Fortschritte in der Verfassung appelliere ich hier an alle Fraktionen, die Verschränkung der Themen zur Verfassungsänderung aufzuheben und sich darauf zu konzentrieren, wo es Konsens gibt, und dann wenige Konsenspunkte in eine modernere Verfassung einzubringen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Als Nächstes erhält Abgeordnete Marx für die Fraktion der SPD das Wort.