Protokoll der Sitzung vom 25.04.2024

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Oder beschäftigt sich man tatsächlich mit dem Inhalt des Thüringen-Monitors

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ja, ja, ist klar!)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Nebelkerzen!)

und leitet daraus tatsächlich Antworten für die Thüringer Bevölkerung ab? Herr Voigt, das haben Sie hier nicht getan. Das Einzige, was Sie getan haben, ist, Sie haben eine ganz große Keule rausgeholt, haben auf

(Präsidentin Pommer)

alles draufgehauen und das Ergebnis von großen Keulen ist meistens, dass man Dinge kaputtmacht, nicht, dass man sie besser macht oder dass sie hinterher irgendwie besser für die Menschen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Problem und ich glaube, das haben Sie nicht begriffen. Sie haben diese Wahlkampfstrategie gewählt, ich halte die für falsch. Sie wollen aber von uns auch keine Beratung. Deswegen beende ich an dieser Stelle auch meine Beratung für die CDU-Fraktion und komme tatsächlich zum Inhalt des ThüringenMonitors.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch unser Dank von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht wieder an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die den Thüringen-Monitor wieder auf den Weg gebracht haben und uns damit wichtige Erkenntnisse liefern, was die Thüringerinnen und Thüringer tatsächlich beschäftigt und wo wir in vielen politischen Fragen nachbessern müssen.

Die Autorinnen und Autoren des Thüringen-Monitors beschreiben den Befragungshintergrund völlig zu Recht als Vielfachkrise: ein geringes Wirtschaftswachstum, Protestaktionen der Landwirtinnen, branchenübergreifende Streiks, Klimawandel und der andauernde Krieg in der Ukraine sowie der Krieg im Nahen Osten. Vor dem Hintergrund dieser Vielfachkrise, der Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, der deutlichen Zunahme an antisemitischen Vorfällen seit dem von der Hamas initiierten Angriff am 7. Oktober auf Israel, aber auch der Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus wurde die Befragung nach den politischen Einstellungen der Thüringerinnen durchgeführt und dementsprechend müssen wie Befunde auch gelesen werden. Dennoch müssen uns die Ergebnisse eher beunruhigen. Sie bedürfen unserer politischen Aufmerksamkeit. Deshalb möchte ich darauf heute in aller Kürze eingehen.

Zwar befindet sich die Zustimmung zur Demokratie als Staatsform nach wie vor auf einem hohen Niveau. Jedoch sinkt die Zufriedenheit mit der Praxis der Demokratie das dritte Jahr in Folge. Ich habe gerade schon angesprochen, dass das erst mal kein neues Phänomen ist, wir haben in dem Befragungszeitraum – und das ist das Gute am Thüringen-Monitor, dass wir seit vielen Jahren Dinge miteinander vergleichen können und sie uns auch sehr genau anschauen können und daraus unsere Lehren ziehen können – in den letzten

Jahren immer mal wieder solche Schwankungen gehabt. Wir hatten sogar Zufriedenheitsumfragewerte, die unter 45 Prozent von jetzt lagen, also sogar nur bei 37 Prozent. Ich glaube, wir müssen uns da sehr genau angucken, woran das liegt. Also ist da eine monokausale Ableitung nötig oder überhaupt möglich, so wie das Herr Voigt gerade gemacht hat, der gesagt hat: An allem ist Rot-Rot-Grün schuld und die Landespolitik ist schuld. Ich glaube, so einfach sollten wir es uns alle miteinander nicht machen, weil man da nicht zu guten Lösungen kommt und vor allem Dingen ist die Analyse wahrscheinlich falsch. Ich glaube, wir müssen uns mehr anschauen, was diese Krisen mit den Menschen machen.

Ich will da vielleicht auch noch mal die gestern veröffentlichte Studie zur Befragung von jungen Menschen heranziehen. Wenn Sie sich die angucken, sieht man auch noch mal sehr deutlich, dass junge Menschen momentan unter einem sehr hohen Stressniveau leiden, dass sie sehr viele Selbstzweifel haben und dass sie vor allem auch Angst vor Krieg haben. Das hat natürlich was mit der momentan auch globalen Situation zu tun. Das heißt also, eine monokausale Ableitung, der ist schuld, weil das und das passiert, die hilft uns an dieser Stelle nicht weiter, Herr Voigt, vielleicht schreiben Sie das noch mal in Ihr Stammbuch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnlich verhält es sich mit dem Vertrauen in demokratische Institutionen. Auch da haben wir sinkende Werte, auch das müssen wir uns genau angucken. Wie gesagt, es ist schon mehrfach hier angesprochen

worden, es gibt momentan einen massiven Vertrauensverlust auch an die Bundesregierung. Bisher hat ein Fünftel der Personen noch Vertrauen in die Bundesregierung, aber auch da sage ich: Diesen Wert hatten wir schon mal 2005 mit 15 Prozent, Kabinett Merkel. Ich würde nicht zu dem Ergebnis kommen, Herr Voigt, und sagen, da war jetzt die Frau Merkel dran schuld, das wäre nicht meine logische Konsequenz. Ich glaube, es wäre besser zu gucken, was in 2005 noch alles passiert ist.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Was war denn 2005? Da war doch Bundestagswahl!)

Genau.

Es würde uns aber vielleicht weiterhelfen, wenn wir aufhören, genauso zu agieren, wie Sie das hier gerade gemacht haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, dass die Zahlen alarmierend sind an dieser Stelle, und wir alle wissen auch aus der Geschichte, was passieren kann, wenn eine Gesellschaft das Vertrauen in die politischen Institutionen und in die Demokratie verliert. Dementsprechend muss es unser aller Anstrengung sein, als Politikerin und Politiker, aber eben gemeinsam mit anderen Akteurinnen, denn wir sind auch nur ein Akteur in dieser ganzen Geschichte. Wir müssen genauso mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit den Gewerkschaften, mit der Zivilgesellschaft darüber ins Gespräch kommen, wie wir da tatsächlich etwas dagegen tun können.

Wir müssen einerseits rausarbeiten, dass extrem rechte Parteien wie die AfD eine Bedrohung für die Staatsform der Demokratie sind und dahin gehend sich nicht weiter als Gesprächspartner auf Augenhöhe normalisieren. Das wäre zum Beispiel etwas, Herr Voigt, was man ganz einfach selber machen kann.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben da was in der Hand, was Sie aber tatsächlich nicht nutzen. Auf der anderen Seite brauchen gerade Menschen in Ostdeutschland Selbstwirksamkeitserfahrungen in Bezug auf die Demokratie, ob im Betrieb oder in der Beachtung durch die Bundespolitik. Das zeigt der Thüringen-Monitor auch ganz gut. Der Hemmer, also das, was sozusagen verhindert, dass Menschen populistische, rechtspopulistische Einstellungen haben, extrem rechte Einstellungen haben, ist Beteiligung, sozusagen das Gefühl oder das tatsächliche Beteiligtwerden an bestimmten Prozessen. Und da sind wir – das müssen wir ehrlicherweise konstatieren – in den Schulen noch nicht an dem Punkt, wo wir sagen, es gibt eine tatsächliche Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern, dass sie also Demokratie nicht nur erzählt bekommen, dass das eine gute Sache ist, sondern dass sie alltäglich erleben, dass Demokratie und dass Mitbestimmung, dass das Entscheidungentreffen, das Mutigsein eine gute Sache ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen das, der Minister hat es gesagt, wir haben 8 Prozent Betriebsräte. Das ist zu wenig und da zeigt sich eben auch, wir brauchen da mehr Mitbestimmung. Betriebsräte sind wichtig, weil sie eben genau diese Mitbestimmung auch möglich machen und weil sie damit Selbstwirksamkeitseffekte erzielen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das heißt doch für uns, dass wir noch viel stärker als Politikerinnen und Politiker, Unternehmerinnen und Unternehmer und Mitarbeiterinnen tatsächlich motivieren müssen, Betriebsräte zu gründen und sie nicht als Gegnerinnen der eigenen unternehmerischen Kultur zu verstehen, sondern als Bereicherung für ein Unternehmen, weil ein Unternehmen, was im Team arbeitet, wo Menschen sich tatsächlich wohlfühlen und

wo sie das Gefühl haben, sie können mitbestimmen, wo sie auch wirklich mitbestimmen können, bessere Unternehmen sind. Das wissen wir, da müssen wir nichts neu erfinden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen natürlich auch, dass die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen ist, und auch das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine Überraschung. Die Zustimmungswerte für Migrations- und Muslimenfeindlichkeit sind aus meiner Sicht sehr bedenklich und viele Menschen, die in Thüringen leben und eine Migrationsgeschichte haben, Musliminnen und Muslime, machen sich massive Sorgen. Wir hatten am Wochenende ein Treffen

der Migrantinnenorganisationen und gerade die Migrantinnenorganisationen, die muslimische Menschen vertreten, machen sich sehr große Sorgen und nehmen sehr stark wahr, dass sie viel stärker angegriffen werden, genauso wie Jüdinnen und Juden das auch wahrnehmen. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, diesen Menschen tatsächlich eine Perspektive in Thüringen zu geben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn nach dem 1. September sich hier die politische Lage weiterhin verschärft, dann werden viele dieser Menschen, die übrigens hochqualifiziert sind, das sind Ärztinnen und Ärzte, im Ernstfall Thüringen verlassen. Das ist nicht abstrakt: „Ich denke darüber nach“, sondern diese Menschen machen sich konkrete Pläne, wo sie hingehen, wenn hier am 1. September die politische Lage noch schärfer wird, als sie jetzt schon ist. Und die rassistischen Debatten der vergangenen Monate sind auch verantwortlich für diese aufgeheizte Stimmung gegen Migrantinnen und sie führen teilweise zu handfester Gewalt und, meine sehr geehrten Damen und Herren, da gilt es tatsächlich abzurüsten, auch in der Sprache. Das haben wir gestern auch noch mal deutlich gesehen bei der Debatte hier um die sogenannte Kriminalitätsstatistik. Wir merken das bei der Debatte um die Bezahlkarte, wo bestimmten Gruppen von Menschen bestimmte Eigenschaften zugewiesen werden, nämlich, dass sie angeblich krimineller wären als die Deutschen oder dass sie fauler wären als die Deutschen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das führt dazu, dass Menschen stigmatisiert werden, dass ihnen mehr Rassismus begegnet, und es führt letztendlich dazu, dass mehr Gewalt gegen diese Menschen angewendet wird. Diesen Diskurs, den sollten wir schnellstmöglich verlassen, wenn wir tatsächlich hier gemeinsam Verantwortung für alle Menschen in Thüringen übernehmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Klar wird auch, dass der Antisemitismus in seinen verschiedenen Ausprägungen in dieser Gesellschaft weiter zugenommen hat. Auch hier möchte ich sehr dafür werben, dass wir aufhören, den Antisemitismus ausschließlich zu externalisieren, und gleichzeitig natürlich darüber reden, dass Menschen, die auch hierher kommen aus bestimmten Ländern, antisemitische Einstellungen haben. Ich finde, das ist etwas, was man nicht gegeneinanderstellen muss, sondern was man gemeinsam bearbeiten muss. Der Antisemitismus, der sehr tief eingewoben ist in diese Gesellschaft, ist genauso bedrohlich für Jüdinnen und Juden wie der Antisemitismus, der von anderen Menschen aus anderen Ländern mitgebracht wird. Das muss in gleicher Weise bearbeitet werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hilft nicht, das gegeneinander auszuspielen, und es hilft auch nicht, das eine gegen das andere zu ignorieren, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Insbesondere auch die gestiegenen Einstellungen des Rechtsextremismus und des Ethnozentrismus sind besorgniserregend. Dagegen hilft aus unserer Sicht aber nur eine ganzheitliche Strategie, die nachhaltige

Wirksamkeit entfaltet, beispielsweise mit einer stärkeren Demokratieförderung, einer Zentralstelle bei der Staatsanwaltschaft und klaren Maßnahmen in den Kommunen, Fortbildung von Verwaltungsmitarbeiterinnen sowie Nachschärfungen im Beamtenrecht.

Wir müssen unsere Demokratie resilient aufstellen, wir haben damit an einigen Stellen begonnen, aber wir sind damit noch lange nicht am Ende.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie im Vorjahr ist die Zustimmung zu Populismus und antielitären Auffassungen in Thüringen weiterhin sehr hoch. Und auch das ist eine Gefahr für unsere Demokratie, denn Populismus an sich ist ein Gegenentwurf zu einer liberalen Demokratie. Auch hier kann uns die Entwicklung der USA seit Trump ein abschreckendes Beispiel dafür sein, was passiert, wenn sich antielitäre Auffassungen verfestigen und versucht wird, ein Gegeneinander von demokratischen Institutionen und Bevölkerung herbeizuschwören. Populistische Politik will scheinbar einfache Antworten auf schwierige Probleme geben, allerdings tragen diese Antworten nie wirklich weiter, Herr Voigt.

Und leider muss ich sagen, dass wir seitens der Oppositionspartei in den letzten Jahren sehr viel Populismus und wenig an der Sache orientierte Politik gesehen haben. Das ärgert mich, vor allem, dass Sie das nach außen Dingen so darstellen, denn der Minister hatte ja auch einen Punkt: Im Ernstfall bekommen wir es ja tatsächlich hin, uns hier zu einigen. Immer dann, wenn es nicht die große Bühne ist, bekommen wir es ja hin, Einigung zu erzielen. Und ich verstehe nicht, warum Sie als demokratische Opposition es nicht als Mehrwert begreifen, dass wir es schaffen, Kompromisse hinzubekommen, dass wir es schaffen, uns zu einigen, auch wenn die Kompromisse manchmal wehtun. Dass Sie das nicht als Mehrwert nach außen stellen können innerhalb einer demokratischen Gesellschaft, das macht mir auch große Sorgen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn damit diskreditieren Sie das, was wir hier eigentlich tagtäglich machen. Wir diskutieren miteinander, wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir kommen am Ende zu einem Ergebnis. Nach außen machen Sie aber immer ein Gegeneinander auf. Das finde ich wirklich bedenklich. Es ist bezeichnend, Herr Voigt, dass der Minister hier reingeht und genau das betont und Sie eigentlich gelobt hat – das haben Sie gar nicht mitbekommen. Der Minister hat Sie gelobt, er hat gesagt: Wir schaffen es, uns zu einigen in dieser schwierigen politischen Konstellation hier. Und was machen Sie? Sie holen hier die Keule raus, Sie hauen drauf und machen wieder ganz viel kaputt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Schwerpunkt in dieser Befragung ist unter anderem die Transformation der Arbeitswelt, also die Sicht der Thüringerinnen auf die zentralen Herausforderungen der

Digitalisierung, des Fachkräftemangels und einen klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Der Minister hat schon dazu ausgeführt, dass im Prinzip ein Großteil der Menschen tatsächlich gar kein großes Problem damit hat, Fachkräftezuwanderung zu machen. Zwei Drittel sagen: Es ist in Ordnung, wenn Menschen aus dem Ausland hier zu uns kommen. Damit liegen wir im Bundesdurchschnitt, damit unterscheiden wir uns faktisch nicht wirklich von anderen Bundesländern.

Ich finde, man muss aber noch mal genauer hinschauen. Es gibt die Antworten auf den Fachkräftemangel, die, glaube ich, auf der Hand liegen, die alle Leute geben. Die Menschen wollen mehr Work-Life-Balance, sie wollen ein besseres Lohnniveau sowohl zwischen Männern und Frauen als auch zwischen Ost und West. Das sind, glaube ich, Befunde, die wir schon immer auf dem Tisch liegen haben, dass die Leute natürlich sagen: Bezahlt uns gut! Gestern waren die Erzieherinnen und Erzieher hier von Ver.di, die auch