Protokoll der Sitzung vom 02.10.2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch ganz kurz auf das Thema „Politisch motivierte Kriminalität“ eingehen. Vielleicht haben wir da ein ähnliches Problem wie mit der Extremismustheorie. Die Frage stellt sich nämlich, ob die Erhebungen, wie sie in dieser Statistik tatsächlich stattfinden, geeignet sind, um Phänomenbereiche explizit zu beschreiben. Wenn sie nämlich alltägliche rassistische Gewalt gegen Menschen, vorgelagerte Gewalt beispielsweise zu der antifaschistischen Demonstration, ausblenden, bekommen Sie kein analytisch tiefgehendes und vor allen Dingen kein breites Bild. Vielleicht sollten Sie sich dann eben mal fragen, ob die Informationen, die Sie vonseiten der Landesregierung und dem Verfassungsschutz an dieser Stelle bekommen, wirklich dazu beitragen, dass wir ein gutes, differenziertes Bild auf die Thüringer Geschehnisse bekommen. Das ist doch die Frage, die Sie sich an dieser Stelle stellen müssen.

Ich sage Ihnen noch mal, und das haben wir in der Diskussion auch schon häufiger gehabt, auch mit einem Antrag, den Sie gemacht haben: Die Grundlage „politisch motivierte Kriminalität“ ist aus meiner Sicht absolut nicht geeignet, um tatsächlich genau dieses Bild zu zeichnen, weil sie verkürzt ist und weil sie teilweise Sachen gleichstellt, die nicht gleichzustellen sind. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Die Redezeit der Fraktionen ist vollumfänglich erschöpft. Möchte die Landesregierung noch mal reden? Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aussprache und den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7

Gesetz zur Änderung des Thüringer Lehrerbildungsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/1633 - ERSTE BERATUNG

Wünscht jemand aus den Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen das Wort zur Begründung? Herr Abgeordneter Wolf.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete der demokratischen Fraktionen, liebe Zuschauer am Livestream! Mit dem Gesetzentwurf, der jetzt hier in der Beratung steht, möchten wir als Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Wünschen der Universität Erfurt und ihrer School of Education entsprechen sowie den KMK-Vorgaben für das Grundschul- und Primarstufenlehramt gerecht werden. Für das Wintersemester 2021 steht eine Reakkreditierung der Studiengänge an, die mit der Ausbildungspraxis im Vorbereitungsdienst in Übereinstimmung gebracht werden sollen. Die Änderungen sehen die Umstellung des Grundschullehramtsstudiums an der Universität Erfurt in der Ausbildung in vier Fächern zur Ausbildung in drei Fächern vor. Zudem werden Vorgaben mit den Staatsprüfungsordnungen für das Regelschul- und Gymnasiallehramt hinsichtlich des Umgangs mit Heterogenität, Inklusion, Digitalisierung und Grundlagen der Förderdiagnostik im bildungswissenschaftlichen Teil synchronisiert. Schließlich bleiben die Fächer Deutsch und Mathematik im Pflichtbereich erhalten. Das thüringenspezifische Fach Schulgarten wird im Fach Heimat- und Sachkunde integriert und die Möglichkeit geschaffen, das Fach Werken als Schwerpunktfach zu studieren. Dabei bleibt die Wahl eines Schwerpunktfachs generell erhalten, dessen Studienumfang auch einen Einsatz in der Sekundarstufe I ermöglicht. Darüber hinaus sind Übereinstimmungen notwendig, um Studierenden so auch Vertrauensschutz und einen ordentlichen Abschluss nach der Studienordnung, mit der sie begonnen haben zu studieren, zu gewährleisten. Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte zu den notwendigen hier vorliegenden kleinen Änderungen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache und als erster Redner hat Herr Abgeordneter Tischner, Fraktion der CDU, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Studium für das Lehramt an Grundschulen an der Universität hier bei uns in Erfurt an bestehende KMK-Vorgaben angepasst werden. Künftig soll das Studium lediglich drei Fächer umfassen, nämlich Deutsch, Mathematik und ein weiteres Fach. Das

Studium im Fach Schulgarten wird in Heimat- und Sachkunde integriert, so ist es eben vom Kollegen Wolf begründet worden. Es sei von uns angemerkt, dass es uns schon ein bisschen überrascht, dass so ein Gesetzentwurf dann nicht durch die Landesregierung vorgelegt wird, wenn es sich hier um KMK-Vorgaben handelt. Ich möchte es auch gleich vorneweg sagen: Wir werden sehr genau in der kommenden Anhörung hinterfragen, warum das Fach Schulgarten als eigenständiges Fach im Grunde infrage gestellt wird, denn das war ein gutes, vernünftiges Alleinstellungsmerkmal, worum uns viele Bundesländer tatsächlich auch beneidet haben.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, grundsätzlich ist gegen eine Anpassung – wenn es sich um KMK-Vorgaben handelt – nichts einzuwenden, doch ebendiese Reduzierung auf drei Fächer lässt, neben der Einschränkung für das Fach Schulgarten, auch befürchten, dass unsere Grundschullehrer zukünftig eine verringerte Verwendungsbreite haben werden. Dies gilt es ebenfalls in der Anhörung herauszufinden.

Meine Damen und Herren, die Intention der Universität Erfurt bei der anstehenden Reakkreditierung der Studiengänge ist aus unserer Sicht näher zu beleuchten und zu hinterfragen, denn auch, wenn schon jetzt der Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen in Thüringen lediglich in drei Ausbildungsfächern erfolgt, erwirbt der Lehramtsanwärter mit erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes durch das Ablegen des zweiten Staatsexamens zumindest die Lehrbefähigung im dritten Fach und damit auch eine große Aufwertung.

Außerdem bietet es sich an, im Rahmen der weiteren Beratungen dieses Gesetzentwurfs auch noch einmal die Frage der Verkürzung des Vorbereitungsdiensts für das Lehramt Grundschule in Thüringen vor einigen Jahren kritisch zu diskutieren und gegebenenfalls auch hier im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens noch einmal eine Änderung einzubringen. Für die Kolleginnen und Kollegen, die nicht so tief in den bildungspolitischen Diskussionen drinstecken, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Thüringen eines der wenigen – wenn nicht sogar das einzige – Bundesland ist, in dem Grundschulreferendare theoretisch nur zwölf Monate, praktisch aber wahrscheinlich nur acht, neun Monate ihr Referendariat absolvieren. Das ist deutlich zu wenig. Das sind die Rückmeldungen, die wir von Fachleitungen, aber auch von den Referendaren bekommen. Das sollte aus unserer Sicht mit Blick auf die Qualität unserer Lehrerausbildung

im Rahmen dieses Verfahrens auch noch mal wirklich hinterfragt werden.

Im Übrigen freut sich die CDU-Fraktion auf die Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und wir gehen da ergebnisoffen hinein. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Jankowski, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, liebe Gäste am Livestream, in der vorgelegten Gesetzesänderung soll es vorrangig um die Umsetzung der Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz gehen. An solche Rahmenvereinbarungen sollen sich die Bundesländer anlehnen, selbst aber einen gewissen Spielraum behalten. Gemeinsame Beschlüsse sind wichtig, aber noch wichtiger ist, dass Bildung Ländersache ist und gemeinsame Beschlüsse nur befolgt werden dürfen, wenn sie keine Nachteile mit sich bringen. Bundesländer wie Bayern und Sachsen legen dies auch immer wieder in Protokollen dar, wenn sie von der Meinung der anderen Bundesländer abweichen. Bei der vorgelegten Änderung sehen wir aber sehr wohl Nachteile für das Thüringer Bildungssystem.

Wir sehen vor allem die schleichende Abwertung des Heimat- und Sachkundeunterrichts sehr kritisch. Und wenn es ein weiteres Prüfungsfach von vielen ist, dann werden es auch künftig weniger Studenten studieren. Dann heißt es nachher in zehn Jahren: Wir haben nicht mehr genug Lehrer für dieses wichtige Fach. Im Heimat- und Sachkundeunterricht und auch im Schulgartenunterricht wurde den Kinder grundlegendes Wissen über den Wohnort und die Region, über das menschliche Zusammenleben und auch die Natur beigebracht. Ein kleines Beispiel über die Wichtigkeit des Faches liefert der Jugendreport Natur. Laut Jugendreport Natur 2016 können deutschlandweit nur 12 Prozent der Kinder mehrere essbare Waldfrüchte benennen. Dafür ordneten sie aber als Herkunft von Banane, Mango und Kokosnuss unsere heimischen Wälder zu. Das kann niemandem egal sein. Es zeigt, wie wichtig gerade der Heimat- und Sachkundeunterricht ist.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Klima- wandel?)

Also Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass durch den Klimawandel hier schon Kokosnüsse im heimi

(Abg. Tischner)

schen Wald sind. Ich bitte Sie, das ist doch wohl schon lachhaft.

Aber abgesehen vom Heimat- und Sachkundeunterricht gewinnen wir nichts durch die Reduzierung von vier auf zukünftig drei Ausbildungsfächer. Tatsächlich verlieren wir jede Menge Flexibilität. Denn wenn Lehrer weniger Fächer studieren, dann werden sie auch entsprechend in den nächsten Jahren weniger Nebenfächer unterrichten können und wir werden mehr Unterrichtsausfall erleben. Und das kann nicht das Ziel sein.

(Beifall AfD)

Das Grundschullehramt wird nicht dadurch attraktiver und mehr Zulauf gewinnen, wenn wir an der falschen Stelle sparen. Was ist denn aber die Aufgabe von Schule? Die Aufgabe der allgemeinbildenden Schulen ist zuallererst, dass Wissen und Fertigkeiten vermittelt werden, um die Kinder bestmöglich auf die Welt vorzubereiten. Gerade diese allgemeinen Kenntnisse werden vor allem in der Grundschule vermittelt und müssen deswegen in der Lehrerausbildung auch Priorität genießen. Es muss also gerade darum gehen, was allen nützt, und nicht darum, wie bestmöglich mit gescheiterten Ideologieprojekten umgegangen werden kann.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wissen Sie eigentlich, worum es in dem Gesetzentwurf geht?)

Sehr gut, dazu komme ich gleich noch.

So sollen unter anderem mit der Gesetzesänderung im Fach Deutsch zu den fachwissenschaftlichen oder auch fachdidaktischen Studienanteilen nun zukünftig auch noch grundlegende Studienanteile für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache einfließen. Der reguläre Unterricht in der Grundschule ist aber nicht der richtige Ort für das Erlernen von Deutsch als Fremdsprache. Es muss sichergestellt werden, dass vor einer Beschulung die sprachliche Fähigkeit geprüft und gegebenenfalls im ausreichenden Umfang vermittelt wird. Grundschullehrer dürfen nicht zum Ausfallbürgen einer gescheiterten Migrationspolitik werden.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Zur Sache, Herr Kollege, zur Sache!)

Das Gleiche gilt beim Thema „Inklusion“, welches nun verstärkt in die Ausbildung einfließen soll. Ja, es ist ein wichtiges Problem für viele Lehrer, dass sie sich immer mehr um Kinder mit Förderbedarf kümmern müssen. Das Problem ist doch aber, dass die komplette Inklusion übereilt vorangetrieben wird, sodass in den meisten Klassen Inklusionsbe

treuer fehlen, die eigentlich nötig wären, um die Lehrer im Unterricht zu unterstützen. Das ist das eigentliche Problem, denn da werden die Lehrer alleingelassen. Die Landesregierung muss da endlich ihre Hausaufgaben machen und sicherstellen, dass, wenn Kinder mit Förderbedarf in den normalen Unterricht kommen, vorher dafür gesorgt wird, dass auch die nötigen Inklusionsbetreuer vorhanden sind. Das würde den Grundschullehrern wirklich helfen.

(Beifall AfD)

Um offen zu benennen, was die Lehrer im Studium zur Inklusion lernen sollen, gebe ich mal ein kleines Beispiel: Theoretiker und Befürworter der Inklusion haben sich überlegt, dass Lerninhalte und Aufgaben nicht mehr für alle Kinder gleich sein sollen, soll heißen, man hat ein Grundthema, jedoch haben die verschiedenen Kinder verschiedene Lernziele. Wir sind zwar auch der Meinung, dass Kinder mit zum Beispiel Förderbedarf „Lernen“ oder vielleicht Förderbedarf „geistige Entwicklung“ andere Lernziele haben, aber gerade deswegen benötigen sie eine besondere Beschulung in den entsprechenden Förderschulen. Die Befürworter und Theoretiker der Inklusion haben sich auch überlegt, dass sich nicht nur die Lernziele bei den Kindern innerhalb einer Klasse unterscheiden sollen, nein, auch die Aufgaben. Der Lehrer soll den verschiedenen Kindern verschiedene Aufgaben stellen. Das wird ein riesiger Spaß für einige Lehrer bei 20 bis 30 Kindern in der Klasse, dann auch noch ein oder zwei Dutzend verschiedene Aufgaben zu konzipieren. Dann braucht er aber auch noch deutlich mehr Vorbereitungszeit für den Unterricht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das funktioniert schon wunderbar! Sie haben echt überhaupt keine Ahnung!)

Solche theoretischen ideologischen Ideen führen in der Praxis meistens zu Konflikten unter den Schülern und zu einer weiteren Überforderung unserer Lehrer.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schon mal einen Wochen- plan gesehen?)

Und wenn das Thüringer Lehrergesetz nun auch angepasst werden soll, muss natürlich auch wieder das Thema der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes diskutiert werden, da bin ich ganz bei Ihnen, liebe CDU. Und wieder: Auch das fehlt komplett in dem Gesetz. Die CDU änderte 2008 das Lehrerbildungsgesetz und verkürzte den Vorberei

tungsdienst für das Grundschullehramt von 24 auf 18 Monate. Ich finde es gut, dass Sie das jetzt als Fehler anerkennen. Bei allen anderen Lehrämtern sind wir zum Glück noch bei 24 Monaten.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das stimmt auch nicht! Sie haben keine Ahnung!)

Gerade aber im Grundschulbereich übernehmen die Lehrer eine besondere Verantwortung für die Entwicklung der Kinder. Für die AfD-Fraktion war deswegen die damalige Verkürzung ein Fehler. Wir wollen, dass im Grundschulbereich die Verlängerung der Ausbildung der Grundschullehrer wieder ermöglicht wird.

Der hier vorgelegte Gesetzentwurf geht aus unseren Augen schon komplett in die falsche Richtung und deswegen werden wir dem nicht zustimmen und auch einer Ausschussüberweisung nicht. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke sehr. Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich jetzt gar nicht zu Wort melden, weil wir die Fachdiskussion sicherlich im Ausschuss führen werden. Aber ich bin schon einigermaßen fassungslos, dass sich hier jemand von der AfD ans Pult stellt, der den Gesetzentwurf offenkundig nicht einmal gelesen hat.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP)