Protokoll der Sitzung vom 02.10.2020

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP)

Sie von der AfD hätten ja wenigstens mal nachschauen können, worum es in dem Gesetzentwurf geht. Das ist einfach nur peinlich, was Sie hier gerade vorgetragen haben. Weder stimmt das, was Sie eben zu den Vorbereitungszeiten gesagt haben mit Blick auf die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer, noch das, was Sie sonst so ausgeführt haben. Außerdem ist auch die Lebensrealität und die Lernrealität an unseren Grundschulen längst eine ganz andere. Es wird längst binnendifferenziert unterrichtet. Vielleicht dürfen Sie die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer nicht länger unterschätzen. Was meinen Sie denn, womit die arbeiten? Sie arbeiten beispielsweise längst mit Wochenplänen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wo jedes Kind einen anderen Plan gemäß dem eigenen Lernrhythmus und dem eigenen Lernstand hat. Das machen sie ganz selbstverständlich, weil es ihre Aufgabe ist, jedes Kind bereits in der Grundschule zum bestmöglichen Erfolg zu führen.

Ich bin wirklich entsetzt, weil das, was Sie hier vorgetragen haben, überhaupt nichts mit dem Gesetzentwurf zu tun hat. Und ich muss auch noch auf einen zweiten Punkt eingehen, weil der tatsächlich den Unterschied macht zu vielen anderen Bundesländern, nämlich den Schulgartenunterricht.

Lieber Herr Tischner, an der Stelle muss auch ich Sie korrigieren, denn am Schulgartenunterricht selbst wird sich nichts ändern. Es geht nur um die Ausbildung, dass nämlich die Ausbildung für das Fach Schulgarten jetzt im Fachbereich Heimat- und Sachkunde mit stattfinden soll. Ich glaube, auch das ist völlig richtig.

Insofern freue ich mich auf eine dann hoffentlich sachliche Debatte im Ausschuss. Vielleicht lesen die Kollegen von der AfD ja bis dahin mal, worüber hier der Herr gerade gesprochen hat. Das hatte jedenfalls nichts mit der Realität zu tun. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Nächster Redner ist Abgeordneter Schaft, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Erst mal vielen Dank an Kollegin Rothe-Beinlich, die noch mal einiges klargestellt hat. Wir widmen uns ja heute hier einer Phase der Lehrerinnenbildung, die nicht allzu oft im Mittelpunkt der bildungspolitischen Debatten steht. Deswegen finde ich es fast ein bisschen schade, dass wir mit dem vorgelegten Entwurf der Koalitionsfraktionen am Ende nur einen ganz kleinen Teilbereich neu regeln, aber ich denke, in der Ausschussanhörung werden wir vielleicht noch mal die Möglichkeit haben, auf das eine oder andere Themenfeld dazu einzugehen.

Worum es geht, ist auch schon dargestellt worden. Ich will vielleicht eine kurze Klarstellung zum Verfahren machen, weil Kollege Tischner hinterfragt hatte, warum der Gesetzentwurf von den Koalitionsfraktionen eingereicht wird und nicht von der Landesregierung. Das hat ganz einfach zeitliche Gründe, weil ja nicht nur die Frage der Anpassung an den Mobilitätsbeschluss der KMK notwendig ist,

(Abg. Jankowski)

sondern auch das Ziel verfolgt wird, der Universität Erfurt das Grundschullehramt zum Wintersemester 2021/2022 erfolgreich zu reakkreditieren. Wir müssen im Prinzip den Spielraum für die Frage des Anteils Bildungswissenschaften und der fachdidaktischen Anteile entsprechend schon jetzt in dieser Phase noch bis Ende des Jahres regeln, damit der Zeitplan für das Reakkreditierungsverfahren dann tatsächlich eingehalten werden kann. Das vielleicht zum Hintergrund – also keine böse Absicht.

(Beifall DIE LINKE)

Vielleicht noch mal zum Thema „Mobilität“: Auch da würde es vielleicht helfen, wenn die AfD-Fraktion Beschlüsse der KMK richtig liest, weil hier so suggeriert wurde, mit der Integration des Fachs Schulgarten in den Bereich Heimat- und Sachkunde würde im Prinzip die Flexibilität abnehmen und würde das zu einer Schwächung der Lehrerinnenbildung in Thüringen führen. Ziel des Mobilitätsbeschlusses der KMK ist genau das Gegenteil, ist nämlich, zu sagen, der Berufszugang für die Studierenden und Absolventinnen muss in den Bundesländern so gestaltet werden, dass es eine möglichst hohe Mobilität und damit auch eine Erhöhung der Flexibilität gibt. Auch da lohnt noch mal der Blick in die KMKBeschlüsse, bevor man hier von Dingen redet, von denen man offensichtlich keine Ahnung hat.

Zur Frage „Schulgarten“ ist schon gesagt worden – das ist auch unsere Position –, wir brauchen keine Angst haben, dass es verschwindet. Es wird in den Heimat- und Sachkundeunterricht integriert. Ich glaube, wir müssen davon ausgehen, was wir auch in vielen anderen Bereichen, was wir im Bereich der politischen Bildung in Schulen beispielweise diskutieren, auch Schulgarten, wo beispielsweise frühzeitig eine Sensibilisierung für das Thema „Nachhaltigkeit, Umwelt, gesunde Ernährung“ stattfindet, ist am Ende Querschnittsthema und nicht nur daran gebunden, dass es in einem Ausbildungsfach tatsächlich irgendwie gebündelt ist, sondern wird dann auch querschnittsübergreifend im Heimat- und Sachkundeunterricht, im Schulgarten, aber auch in anderen Fächern in der Grundschule sicherlich durchaus eine Rolle spielen. Da geht es dann um die Frage, wie am Ende diese Themen, die Bedeutung von Natur und Umwelt, auch im Grundschullehramt vermittelt werden.

Ein Aspekt im vorliegenden Gesetzentwurf, den ich aber noch vergleichsweise wichtiger finde, ist die Frage, wie wir mit den Bildungswissenschaften umgehen. Es wurde schon gesagt, die Studienanteile sollen erhöht werden. Auch da widerspricht sich übrigens die AfD-Fraktion. Auf der einen Seite wird hier gesagt, die Lehrerinnen und Lehrer an der Grundschule werden beispielsweise mit dem The

ma „Inklusion“ alleingelassen. Aber was macht denn dieser Gesetzentwurf? Es geht doch darum, mit diesem Gesetzentwurf die gestiegenen Anforderungen an den Lehrerinnenberuf ganz konkret anzufassen, denn der Lernort Schule ist doch mittlerweile geprägt von vielen Herausforderungen, die eben nicht vor der Schultür haltmachen. Die Schlagworte „Digitalisierung“, „Inklusion“, „Vielfalt“ sind uns allen bekannt. Der falsche Weg wäre es, den zu begehen, wie es die AfD will, nämlich die Augen zu verschließen und so zu tun, als könne man so weitermachen wie bisher. Der richtige Weg ist es aber, den Lehrkräften frühzeitig das Handwerkszeug mitzugeben, damit eben diese drei Schlagworte nicht am Ende ein Schreckgespenst sind, sondern ganz selbstverständlich in den Arbeitsalltag der Lehrerinnen und Lehrer vor Ort eingebunden werden können, wie es jetzt schon geübte Praxis ist. Das soll sich dann auch in der Ausbildung widerspiegeln.

Diesen Weg will die Universität Erfurt gehen. Damit setzt sie unseres Erachtens völlig zu Recht den Fokus darauf, bereits ab dem ersten Tag der Ausbildung der künftigen Lehrkräfte, diese Anforderungen tatsächlich auch mit in der ersten Phase der Lehrerinnenbildung aufzugreifen. Als Mitglied im Beirat der Erfurt School of Education konnte ich mir diese Ideen auch schon mal vorstellen lassen. In der Beiratssitzung haben wir uns davon ein Bild gemacht – aus dem Bereich der Digitalisierung sei das Projekt BildungDigital an der Universität Erfurt oder Digitale Lehre in einer heterogenitätssensiblen Lehrerinnenbildung genannt – und am Ende geht es auch darum, die Erfahrungen aus bestehenden Projekten in die Regelausbildung zu überführen.

Als Fraktion Die Linke begrüßen wir das ausdrücklich. Schon in der vergangenen Legislatur haben wir in verschiedensten Fachgesprächen darüber diskutiert, wie wir das schaffen, die genannten Herausforderungen tatsächlich auch in der Lehrerinnenbildung abzubilden. Es geht dabei auch nicht darum, jetzt zu sagen, dass am Ende jede Lehrkraft rundum Experte oder Expertin für Inklusion, Vielfalt, Mehrsprachigkeit oder Digitalisierung sein muss, aber es geht darum, dass jede Lehrkraft ein pädagogisches Grundlagenwissen hat, um mit diesen Themenbereichen am Ende ganz selbstverständlich umzugehen und eben nicht vor der Herausforderung zurückzuschrecken, sondern das als Chance zu verstehen.

Deshalb war es auch schon die letzten Jahre eine Forderung von uns, zu gucken, wie der Spielraum im Thüringer Lehrerinnenbildungsgesetz bei den Rahmenvorgaben zu Bildungswissenschaften, Fachwissenschaft erhöht werden kann, damit die

Lehramtsauszubildenden in Universitäten in die Lage versetzt werden, ihre Konzepte zur diversitätssensiblen und medienkompetenten Lehrerinnenbildung umzusetzen. Damit gehen wir jetzt einen kleinen Schritt spezifisch für die Universität Erfurt im Rahmen der Reakkreditierung.

Die grundlegende Reform der Lehrerinnenbildung, wie wir uns das als Fraktion Die Linke wünschen, ist der Gesetzentwurf noch nicht. Aber an anderen Punkten – wir hatten ja die Anhörung im letzten Bildungsausschuss – liegen auch noch andere Anträge zur Anhörung vor, da ploppen immer wieder Handlungsfelder auf, die wir noch haben. Ich glaube, das schaffen wir in dieser Legislatur wahrscheinlich nicht mehr. Aber die ersten Punkte/ Handlungsfelder sind uns aufgezeigt. Da würde es uns freuen, wenn wir quasi jetzt diese Novellierung des Lehrerinnenbildungsgesetzes als Auftakt nehmen, die Handlungsbedarfe zu identifizieren und gemeinsam zu gucken, welche Weichen in den nächsten Jahren noch gestellt werden müssen. In diesem Sinne bitte ich Sie darum, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zu überweisen, und freue mich auf die intensive Debatte dann dort.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Baum, FDP-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete hier im Haus, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich freue mich, dass wir über das Lehrerbildungsgesetz sprechen, weil Lehrerbildung eine der Grundlagen sein wird, um moderne Schule und die Schule der Zukunft zu gestalten. Wir Freien Demokraten stehen ganz deutlich hinter der Harmonisierung der Ausbildungsinhalte deutschlandweit. Es macht überhaupt gar keinen Sinn, dass Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer, die in Thüringen ausgebildet werden, völlig anders ausgebildet werden als in anderen Bundesländern. Insofern unterstützen wir, dass hier die Vorgaben der KMK umgesetzt werden.

Es geht an der Stelle gar nicht darum, das Fach Schulgarten in irgendeiner Form abzuschaffen – das haben die Kollegen vorhin auch schon gesagt –, sondern tatsächlich eine Einbindung in den Heimat- und Sachkundebereich zu machen, Herr Jankowski. Und dann hilft das wahrscheinlich auch,

die Sache mit den Möhren und den Kokosnüssen und der Heimatverbundenheit an der Stelle zu erläutern.

Uns geht es aber in erster Linie auch darum, dass wir hier in Thüringen Fachkräfte für das Grundschullehramt anwerben wollen. Das Ziel muss sein, dass Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer aus anderen Bundesländern auch in Thüringen durchstarten können. Zwar werden die Abschlüsse anerkannt, aber bisher wandern die Kolleginnen und Kollegen nach dem Studium, aber auch nach dem Referendariat immer noch ab. Da kann Thüringen sicher noch etwas tun.

Was uns sehr gut gefällt, ist, den Bereich „Digitales“ frühzeitig in das Lehramtsstudium mit aufzunehmen, genauso wie den Bereich „Inklusion und Heterogenität“. Allerdings habe ich mich gefragt, warum wir das nur für das Grundschullehramt nehmen. Sie haben in Ihrer Einführung erklärt, Herr Wolf, dass es einen Hinweis aus der Hochschule gab. Vielleicht können wir in der Diskussion im Ausschuss darüber noch mal sprechen, ob sich gerade der Bereich „digitales Lernen“ auch noch auf die anderen Schularten ausweiten ließe. Das fände ich grundsätzlich sehr sinnvoll. Wir verstehen diesen Vorschlag hier jetzt als ein Puzzleteil bei der Frage, wie wir die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern neu aufstellen müssen, um sie zukunftsfähig zu machen, und unterstützen da die Überweisung in den Bildungsausschuss. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Aus den Reihen der Fraktionen liegen mir jetzt keine weiteren Redemeldungen vor. Möchte die Landesregierung sprechen? Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Ich habe vernommen, dass der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport überwiesen werden soll. Gibt es weitere Ausschüsse? Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir über die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport ab. Wer ist dafür? Das sind Stimmen aus den Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der FDP und der CDU. Wer ist dagegen? Das sind die Stimmen der AfD. Damit ist die Überweisung mit Mehrheit beschlossen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen nun zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 8

(Abg. Schaft)

Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 7/1636 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Frau Ministerin Werner.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Thüringer Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist eine wichtige Arbeitsgrundlage für die örtlichen sowie für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Mit dem Ihnen vorliegenden Entwurf eines Änderungsgesetzes sollen die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen an das derzeit geltende Bundesrecht angepasst werden. Nachfolgend möchte ich Ihnen die wesentlichen Änderungen kurz skizzieren und noch mal darauf hinweisen: In dem Fall geht es um die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Wie Sie wissen, ist im Bundesteilhabegesetz die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt. Es gibt dazu verschiedene Umsetzungsstufen. Ziel ist, dass Menschen mit Behinderungen teilhaben können und vor allem selbstbestimmt teilhaben können.

Wie Sie vielleicht wissen, trat am 1. Januar 2020 die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Kernstück dieser Reformstufe war die Überführung der bisher im Fürsorgesystem der Sozialhilfe geregelten Eingliederungshilfe in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch. Dadurch müssen Zuständigkeitsregelungen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe angepasst werden. Diejenigen Zuständigkeitsregelungen, die sich bisher im Ausführungsgesetz auf die Eingliederungshilfe bezogen, sind nunmehr gegenstandslos und sind daher aufzuheben. Weitere erforderliche Anpassungen betreffen die Korrektur der im Ausführungsgesetz zitierten Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, die zwischenzeitlich geändert wurden. Des Weiteren enthält das Ausführungsgesetz in § 6b eine Regelung, welche der Umsetzung eines Erstattungsverfahrens nach § 136a SGB XII dient. Im Rahmen dieses Erstattungsverfahrens müssen die Länder bzw. die örtlichen Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmte Meldungen vornehmen. Da die hierfür maßgeblichen Meldezeiträume und Meldetermine geändert wurden, ist eine entsprechende

Aktualisierung der Ausführungsvorschriften notwendig. Schließlich sieht der Gesetzentwurf die Einführung eines anlassunabhängigen Prüfrechts für die Träger der Sozialhilfe in Bezug auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der mit den Leistungserbringern vereinbarten Leistungen vor. Ein Prüfrecht aus einem konkreten Anlass ergibt sich bereits aus dem Bundesgesetz. Der Bundesgesetzgeber räumt den Ländern jedoch die Möglichkeit ein, darüber hinaus anlassunabhängiges Prüfrecht zu regeln. Ich halte ein solches anlassunabhängiges Prüfrecht, das den Trägern der Sozialhilfe die Durchführung von Stichproben ermöglicht, im Interesse einer effektiven Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung für geboten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich eröffne die Aussprache. Es liegt mir lediglich eine Redemeldung aus den Reihen der FDP vor. Herr Abgeordneter Montag.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Thüringen macht von der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 SGB XII Gebrauch und schlägt die Umsetzung und Implementierung der Änderung des Bundesteilhabegesetzes hier für uns vor. Nach Gesprächen mit Trägern, mit Betroffenen dieser Regelung wundere ich mich schon, dass ich hier scheinbar zunächst mal der Einzige bin, der sich zu dieser Umsetzung äußert, denn wir haben eben nicht nur positive Rückmeldungen zu dem Vorhaben der Landesregierung hier bekommen.

Ein großer Kritikpunkt war, dass die Landesregierung zukünftig eine anlasslose Prüfung der Leistungserbringer einführen will. Anlasslos heißt für uns, es ist ein Misstrauen, ein generelles Misstrauen gegenüber denjenigen, die aus unserer Sicht in überwiegendem Maße gute Arbeit verrichten. Vor allen Dingen wird in der Begründung darauf verwiesen, Frau Ministerin, dass man damit eine effektive Prüfung und eine wirtschaftliche Verwendung von Steuergeldern sicherstellen will. Nun ist es einmal so, dass die Fragen der Pauschalen und Vergütung verhandelt werden, die Leistung wird erbracht, sie wird abgerechnet. Wie man da grundsätzlich eine anlasslose Prüfung rechtfertigen möchte, erschließt sich uns nicht, denn bei einem zweiten Punkt sehen wir auch kritisch, was die Landesregierung vorhat. Denn es soll zukünftig auch die Wirksamkeit der

(Vizepräsident Worm)

Maßnahmen geprüft werden und das ist schon ein spannender Ansatz. Wir kennen eine ähnliche Diskussion bei der Qualität in Krankenhäusern oder beim Benchmarkingsystem von Arbeitsämtern, Arbeitsagenturen und Jobcentern. Aber es bleibt doch immer die Frage, ob nicht die Leistung, die ja zugeschnitten ist auf einen ganz bestimmten komplexen Personenkreis, nicht so individuell ist, dass man

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Das haben die Betroffenen gesagt!)

nicht am Ende eben die Leistung des Erbringers allgemein prüfen kann, sondern die Frage der Qualität eine so aufwendige Frage ist, die sich eben nicht in einem reinen Prüfkriterium und Katalog ergeben kann, wie das beispielsweise in der Pflege einfach nur über Dokumentation ist. Also die Frage ist, wie man hier tatsächlich die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen will; das erschließt sich uns auch nicht. Und es ist auch nicht definiert, ob und wie gegebenenfalls dann die Vergütung als Sanktion gekürzt, ausgesetzt oder ganz und gar zurückgefordert werden kann oder werden soll.

Die Träger befürchten also hier zu Recht eine unklare Rechtslage bis hin zu – das Wort fiel auch – Behördenwillkür. Auch die Frage von Doppelstrukturen und Doppelzuständigkeiten ist angesprochen, denn man hat es versäumt, gleich bei dieser Novellierung diese Doppelstruktur zu beseitigen und klare Zuständigkeiten zu schaffen. Zuständig im Grunde ist als Kostenträger zunächst der Kreis bzw. die kreisfreie Stadt. Das Landesverwaltungsamt ist aber wiederum zuständig für den Abschluss von Vereinbarungen für stationäre und eben teilstationäre Leistungen und Einrichtungen, allerdings im Einvernehmen mit dem örtlich zuständigen Kostenträger.

Zum Zweiten: Auch die Kommunikation bei Nachfragen zu den Leistungen, für die der zuständige Kostenträger der Kreis bzw. die kreisfreie Stadt ist, läuft über das Landesverwaltungsamt. Die Erfahrungen sind aber so, dass das Landesverwaltungsamt lediglich die Antwortmails der eigentlich zuständigen Kostenträger kopiert und weiterleitet. Aus unserer Sicht ist das weder effizient noch wirtschaftlich.

Aus unserer Sicht: Hier ist Luft nach oben, hier wollen wir nachbessern. Und insofern hoffe ich, dass wir mit diesen kritischen Bemerkungen eben doch eine Debatte angestoßen haben, die wir gern natürlich im Ausschuss gemeinsam fortsetzen. Vielen Dank.