Protokoll der Sitzung vom 02.10.2020

Aus unserer Sicht: Hier ist Luft nach oben, hier wollen wir nachbessern. Und insofern hoffe ich, dass wir mit diesen kritischen Bemerkungen eben doch eine Debatte angestoßen haben, die wir gern natürlich im Ausschuss gemeinsam fortsetzen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Möchte die Landesregierung noch mal zu ihrem Gesetzentwurf reden, Frau Ministerin Werner? Nein. Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Wird Ausschussüberweisung gewünscht?

(Zuruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Af- SAGG!)

Wir stimmen darüber ab: Wer für eine Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind alle Fraktionen. Damit ist die Überweisung beschlossen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 9

Gesetz zur Sicherung des medizinischen Nachwuchses im ländlichen Raum und im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Thüringen – Thüringer Landarztgesetz (ThürLArztG) Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 7/1644 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, werte Damen und Herren und Zuhörer am Livestream! „Ein Arzt, der kein Künstler ist, ist auch kein Arzt.“ So sagte einst der deutsch-schweizerische Schriftsteller und Schauspieler Kurt Goetz. Der Hausarzt ist in Deutschland der erste Ansprechpartner bei allen gesundheitlichen Problemen. Von der Prävention über die Kuration bis zur Palliation decken die Hausärzte das ganze Spektrum des Lebens ab. Sie koordinieren und überwachen sämtliche Behandlungsschritte. Angesichts zunehmender Spezialisierung und Fragmentierung im Gesundheitswesen sind die Hausärzte als Generalisten wichtiger denn je. Familienmedizin ist dabei eine wichtige Aufgabe. Im Zentrum der Tätigkeit steht dabei die langfristige und vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung. Nicht selten betreut der Hausarzt die ganze Familie generationenübergreifend.

Thüringen leidet unter einem immer stärkeren Ärztemangel, besonders im ländlichen Raum. Aber auch in der Stadt wird es zunehmend schwieriger, Vertragsarztsitze wieder zu besetzen und die Ver

(Abg. Montag)

sorgung zu gewährleisten. In 20 der insgesamt 40 Planungsbereiche herrscht bereits Unterversorgung bei der hausärztlichen Versorgung. In Thüringen gibt es derzeit 52 offene Hausarztstellen, gleichzeitig wächst das Durchschnittsalter. 31 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre und älter. Die Problemlage wird sich absehbar weiter verschärfen.

Ein zügiges und geschlossenes Handeln ist mehr als überfällig. Es wird in Zukunft immer schwieriger, die ärztliche Versorgung der Bevölkerung gerade im ländlichen Raum sicherzustellen. Diese Versorgungsprobleme werden sich nicht nur auf die Hausärzte beschränken, sondern auch auf weitere ärztliche Fachdisziplinen erstrecken. Genannt seien beispielsweise die Augenärzte und die Zahnärzte. Aber auch die Zunahme psychischer und psychosomatischer Erkrankungen fordert unser Gesundheitssystem heraus. Bundesweit fehlen bereits heute 7.000 Kassensitze für Psychotherapeuten. Patienten in Thüringen sind davon am stärksten betroffen. Sie müssen am längsten auf einen Therapiebeginn warten.

Auf diese Problematik hat die AfD-Fraktion bereits im Juni in ihrem Alternativantrag hingewiesen. Gesund werden, gesund bleiben – das ist hausärztliche Versorgung in Thüringen. Diese müssen wir auch in Zukunft in ganz Thüringen sicherstellen.

(Beifall AfD)

Hierzu leistet der vorgelegte Gesetzentwurf der AfD einen Beitrag. Die Landarztquote ist sicherlich nicht allein die Ultima Ratio. Aber sie kann in Verbindung mit weiteren Maßnahmen wie zum Beispiel mit dem von uns geforderten Modellstudiengang „Landarzt“ einen Beitrag zur Lösung des medizinischen Fachkräfteproblems leisten.

(Beifall AfD)

Alternativ zu Tätigkeiten einer Klinik oder Praxis, in der Pharmaindustrie oder im universitären Bereich bietet der Öffentliche Gesundheitsdienst ein interessantes und vielfältiges Arbeitsgebiet. Neben der stationären und ambulanten Versorgung, stellt der ÖGD die dritte Säule des deutschen Gesundheitswesens dar. Die Corona-Krise offenbart einmal mehr, wie sträflich der ÖGD in den letzten Jahrzehnten behandelt wurde. Am Beispiel COVID-19 lässt sich mit großer Klarheit demonstrieren, was passiert, wenn Einrichtungen der Daseinsfürsorge zusammengespart oder privatisiert werden. Der ÖGD ist wie andere Einrichtungen der öffentlichen Fürsorge und Daseinsvorsorge auch unter dem Einfluss eines neoliberalen Zeitgeistes ausgeblutet worden. Am ÖGD wurde massiv gespart. Es kam zu einer Ausdünnung des Personals und der Ausstattung. Diese stiefkindliche Behandlung rächt sich

nun. Der ÖGD kämpft mit massiven Nachwuchssorgen. Schuld daran sind nicht nur die Einsparungen der Länder und Kommunen im öffentlichen Dienst. Ein Hauptproblem liegt im Tarifgefälle von Ärzten, wie zum Beispiel der Unterschied zu diesen in Krankenhäusern. Deswegen braucht es gezielte Förderinstrumente im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs. Die vorgeschlagene ÖGD-Quote beschreitet diesen Weg. Wir freuen uns auf die Aussprache. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass dieser Tagesordnungspunkt auf Verlangen der Fraktion der AfD in einfacher Redezeit beraten wird. Ich erteile Herrn Abgeordneten Zippel, Fraktion der CDU, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, als erste Reaktion, als ich den Gesetzentwurf gesehen habe, dachte ich mir: Guten Morgen, liebe AfD. Die Problemlage ist hier im Saal wahrscheinlich allen bekannt. Und alle, die Politik nicht nur als Showveranstaltung betreiben, arbeiten auch schon seit geraumer Zeit an genau dieser Lösung. Der erste Schritt dazu liegt sogar auch schon in diesem Plenum vor.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das wird ja auch mal Zeit!)

Vielleicht sollten Sie mal die Tagesordnung auch bis Punkt 18 durchlesen!

Thüringer Landarztgesetz klingt bei Ihnen zwar ganz nett, aber das war es auch schon. Ich frage mich ganz ehrlich – und ich habe das auch schon in den Reihen gehört –: Keiner versteht, was dieser Antrag eigentlich soll. Vor allem: Was soll er jetzt, wo nach langen Verhandlungen auch ein Kompromiss zu dem Thema „Studienplatzerhöhung und Landarztquote“ vorliegt! Der Entwurf enthält schlichtweg nichts Originelles, keine neuen Ideen, geschweige denn neue Erkenntnisse. Außerdem fehlt das Thema „Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze“ völlig in Ihrem Entwurf. Sie haben also offensichtlich den Fachexperten in Thüringen nicht zugehört. Eine Quote allein – sei es für Landärzte, sei es für den ÖGD – wird eben nicht ausreichen. Wir müssen die Zahl der Mediziner insgesamt erhöhen. Wir kommen später heute im Plenum auch noch mal darauf zu sprechen, aber unser gemeinsamer Antrag sieht vor, die Ausbildungskapazität im Fach Medizin an der Friedrich-Schiller

(Abg. Dr. Lauerwald)

Universität Jena um 10 Prozent zu erhöhen. Die Erhöhung der Studienplatzkapazität für Zahnmedizin und Pharmazie wollen wir ebenfalls anstoßen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass diese Quoten überhaupt greifen.

Zur Landarztquote: Ab dem Wintersemester 2021/2022 wollen wir eine Quote von zunächst 6 Prozent auf den Weg bringen, perspektivisch prüfen, ob 20 Prozent möglich sind, und zwar für Hausärzte ebenso wie für Fachärzte in unterversorgten Gebieten. An der Stelle springen Sie nämlich zu kurz. Der Ärztemangel auf dem Land betrifft eben nicht nur Hausärzte, sondern auch Augenärzte, Kinderärzte, um nur weitere Beispiele zu nennen. Ein häufiger Kritikpunkt an der Landarztquote oder Quoten im Medizinstudium allgemein ist nun mal, dass Bewerber mit schlechteren Noten die Quote ausnutzen könnten und sich aus der Verpflichtung herausklagen könnten. Es wird tatsächlich eine Kunst sein, das auch rechtssicher zu gestalten. Aber ich sage Ihnen: So wie es in Ihrem Entwurf steht, geht es garantiert nicht. Formulierungen wie „besondere Härte“ oder „schwerwiegende soziale Gründe“ sind viel zu schwammig formuliert. Auch das Thema „Zusätzliche Kriterien zum Numerus clausus“ fassen wir an. Ehrenamtliche und/oder berufliche Vorerfahrungen werden als zusätzliches Kriterium herangezogen, denn wer sich in einer Region ehrenamtlich engagiert, plant dort mit höherer Wahrscheinlichkeit auch seine berufliche und private Zukunft.

Neben der Landarztquote fordern Sie auch eine ÖGD-Quote. Ich bin ehrlicherweise erstaunt, dass sich die AfD auf einmal so für Quotenpolitik erwärmen kann, aber das ist ein anderes Thema. Im Ernst: Den Ärztemangel in den Gesundheitsämtern werden wir nicht durch eine Quote lösen können. Das A und O – und das haben schon Anhörungen der letzten Jahre hier im Landtag gezeigt – ist und bleibt die Attraktivität der Stellen im ÖGD oder – um es auf den Punkt zu bringen – die Bezahlung. Wenn wir hier bestimmte Blockaden aufbrechen und die Bezahlung im Öffentlichen Gesundheitsdienst endlich konkurrenzfähig gestalten, dann brauchen wir auch keine ÖGD-Quote. Eine Bemerkung am Rande: Für die Attraktivität des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ist es sicher auch nicht hilfreich, wenn die Landesregierung im Haushalt 2021 das Geld für die Gesundheitsämter reduziert, in Erwartung, dass der Bund dann hier hoffentlich einspringt.

Aber zusammenfassend gesagt: Das Thüringer Landarztgesetz Ihrer Fraktion ist vielleicht eine Fleißarbeit, allerdings sehr uninspiriert. Im TOP 18 haben wir heute noch einen Antrag, der tatsächlich

Probleme löst und das Thema „Medizinische Versorgung auf dem Land“ wirklich voranbringt, und zwar seriös und handwerklich sauber. Der Entwurf ist eigentlich überflüssig, aber als Gesetzentwurf werden wir ihn dennoch an den Fachausschuss überweisen, um ihm dort die entsprechende Würdigung zukommen zu lassen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Dr. Klisch, SPD-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, mir persönlich liegt eine gute, dauerhafte medizinische Versorgung in allen Regionen von Thüringen wirklich sehr am Herzen, und das nicht zuletzt, weil ich selber Ärztin bin. Ich glaube, da sind wir uns auch alle einig: Gesundheit ist das höchste Gut, was es gibt. Man kann es eigentlich nicht bezahlen. Wir wissen auch nicht erst seit Corona, dass wir alle gemeinsam wirklich unser Möglichstes tun sollten und leisten sollten, damit unser Gesundheitssystem gestützt und gestärkt wird. Das ist die erste Pflicht der Politik: die Sicherheit, der Schutz unserer Bürger und eine bestmögliche Gesundheitsversorgung an jedem Ort, zu jeder Zeit in Thüringen. Dass dies aufgrund der demografischen Entwicklung, der unterschiedlichen Bevölkerungsverteilung und auch der sich wandelnden medizinischen Versorgungslandschaft in den nächsten Jahren wirklich auch eine Herausforderung werden kann, da sind wir uns auch fraktionsübergreifend in dem Sinne, wie Sie es gerade angesprochen haben, Herr Dr. Lauerwald, einig und dessen sind wir uns bewusst.

Aber, Herr Dr. Lauerwald, ich bin mir zum Beispiel nicht sicher – und mein Vorredner sagte das gerade –, ob Sie zum Beispiel als Arzt diesen Gesetzentwurf maßgeblich begleitet haben oder ob es nicht vielleicht wieder ein Werbeprodukt Ihrer Fraktionsjuristen ist oder vielleicht der Copy-and-pasteFunktion am Computer.

(Beifall CDU)

In jedem Fall fühle ich mich von diesem Entwurf betrogen, denn – ich sage jetzt mal so – Fake News sind eigentlich nichts dagegen, denn Sie missbrauchen dieses ernste Thema einzig für eine Schaufensternummer mit einem wirklichen schönen und auch sehr effektvollen Namen „Landarztgesetz“ und auch mit einer sehr schönen Platzierung in der Ta

(Abg. Zippel)

gesordnung, nämlich vor dem TOP 18, der da kommt und zu dem sich viele Fraktionen in den letzten Monaten sehr viele Gedanken gemacht haben. Also mal abgesehen davon, dass wir heute diesen TOP 18 haben, der wirklich – und mein Vorredner sagte es gerade – deutlich über eine Quotenregelung hinausgeht, ein Antrag, der sich sozusagen ebenfalls mit der Verbesserung der Nachwuchsgewinnung für die ärztliche Versorgung in Thüringen auseinandersetzt und der von fünf Fraktionen unterstützt wird, abgesehen davon – wenn wir diesen Antrag in TOP 18 heute hoffentlich abstimmen können –, dass damit auch Maßnahmen schneller wirksam werden können, und abgesehen davon, dass wir in den Ausschüssen – also ich nehme jetzt mal den Wissenschaftsausschuss, Gesundheitsausschuss – genau zu diesen Fragen in den letzten Monaten sehr viel diskutiert haben und Sie sich aber kein einziges Mal diesbezüglich zu Wort gemeldet haben, abgesehen davon strahlt Ihr Gesetzentwurf wirklich den Charme eher von einem – ich sage jetzt mal – hohlen Bürokratiemonster aus. Ich habe den Eindruck, Sie haben sich noch nicht mal die Mühe gemacht, diesen Gesetzentwurf wirklich auf Thüringer Beine zu stellen, sondern Sie haben ein Retortenbaby quasi aus Gesetzentwürfen aus Bayern und NRW produziert. Sie haben sich also noch nicht mal die Mühe gemacht, das so zu ertüchtigen, dass überhaupt dieses Gesetz laufen könnte.

Aber Sie haben sich plakativ für wirklich zwei angesagte Schlagwörter entschieden, Sie haben zwei angesagte Schlagwörter herausgepickt, nämlich „Landärzte“ und „Öffentlicher Gesundheitsdienst“. Zu Ersterem, den Landärzten, vielleicht nur so viel – ich weiß nicht, wer sich von den Gesundheitsausschussmitgliedern erinnert –: Wir haben am Dienstag eine Anhörung gehabt, eine Anhörung zur medizinischen Versorgung der Krebspatienten in Thüringen. Da hat unter anderem Herr Prof. Stier vom Helios-Klinikum Erfurt Folgendes gesagt bzw. er hat seine Ausführungen damit begonnen zu sagen, dass sich 1950 das medizinische Wissen noch circa alle 50 Jahre verdoppelt hat. Heute sprechen wir von einer Verdoppelung des medizinischen Fachwissens innerhalb von zweieinhalb Monaten. Wenn wir diesen Fakt einmal auf uns, auf die Frage des Landarztes, mit dem sich ja dieses Gesetz beschäftigt, projizieren, dann bedeutet das in jedem Fall, dass wir in den nächsten Jahren einen Wandel vieler ärztlicher Berufsbilder erleben werden. Das heißt, dass es den von uns – sicherlich von uns allen – wirklich geschätzten und manchmal vielleicht auch so ein bisschen verklärten klassischen Landarzt wirklich nur noch im Vorabendprogramm im Fernsehen oder in Rosamunde-Pilcher-Büchern ge

ben wird. Die nächste Generation unserer Landärzte wird weitaus multiprofessioneller, flexibler und digitaler aufgestellt sein, als es jetzt noch der Fall ist. Erste Hinweise sehen wir bereits heute schon. Nehmen wir mal die Corona-Pandemie: Es gibt viele Patienten, die dankbar sind, dass sie reguläre Rezeptabholungen nicht direkt beim Arzt tätigen müssen, sondern diese digital übertragen bekommen können, dass sie digital bei der Apotheke anfragen können und dann ihr Medikament nach Hause vor die Tür geliefert bekommen. Es gibt Diabetespatienten, die bereits heute ihre Blutzuckerwerte einfach digital an ihren Arzt übertragen und dieser im Rahmen einer digitalen Sprechstunde dann ihre Medikamenteneinstellung vornimmt. Es gibt hausärztliche Assistenzprogramme – VERAH in Thüringen –, die durch digitale KI-Helfer verstärkt werden und damit auch professioneller aufgestellt werden.

Also wir sehen hier erste zarte Reformansätze und ich hoffe, dass genau diese Art von Reform Hausund Fachärzte in Zukunft entlasten wird, sodass sie sich mehr auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren können. Damit wird natürlich der Landarzt in Zukunft eher ein Kopf eines multiprofessionellen Teams sein. Dieser Entwicklung allein mit einer Quote begegnen zu wollen, das wirkt auf mich, als wenn Sie einen Flächenbrand quasi mit einer kleinen Wasserpistole auspusten wollen. Das reicht eben nicht – und das hat mein Vorredner treffend gesagt –; diese Maßnahme allein wird niemals reichen, um dem Problem zu begegnen.

Doch da wir über Haus- und Fachärzte für unterversorgte Gebiete und nicht nur über Landärzte noch unter TOP 18 ausführlich reden werden, möchte ich mich noch einmal ganz kurz auf den zweiten Teil Ihres Gesetzentwurfs, nämlich die Nachwuchsgewinnung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, konzentrieren. Sie haben in diesem Gesetzentwurf die Sicherung des medizinischen Nachwuchses an ein Prozedere gekoppelt. Dieses Prozedere haben Sie in §§ 2 bis 9 beschrieben. Ich bin selbst keine Juristin, ich habe nur jahrelang Medizinstudenten ausgebildet und bin selbst als niedergelassene Fachärztin auch tätig, also ich bin eher Praktikerin. Deswegen möchte ich voranstellen, dass es für mich nicht immer ganz leicht war, aufgrund der ganzen Paragrafen, Aufzählungen und Querverweise das wirklich gut lesen zu können, aber vielleicht war das ja auch Absicht, dass es nicht so einfach verständlich war.

Zum Beispiel steht in § 7 Abs. 1, wenn ich jetzt mal alle Aufzählungen und Verweise ausklammere: „Soweit […] Studienplätze […] im Rahmen der Vorabquote […] zur Verfügung stehen, werden Bewerber nach Maßgabe von § 9 zugelassen […]“, sofern ihre Eignung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst

festgestellt wurde. Nur verstehe ich nicht so ganz, was „Soweit […] Studienplätze […] im Rahmen der Vorabquote […] zur Verfügung stehen […]“ eigentlich dann konkret bedeuten soll. Geht es jetzt hier um einen Studienplatz, geht es um 40 Studienplätze, um wie viele geht es? Und sofern ihre Eignung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst festgestellt wurde – wann und wie ist man denn mit 18 Jahren zum Beispiel mehr für den Öffentlichen Gesundheitsdienst geeignet als für den Landarzt? Das ist ja die gleiche Quote, die Sie da noch in dem Gesetz verankert haben. Und wer entscheidet das? Und wenn Sie, wie unter § 2 beschrieben, laut Artikel 9 Abs. 1 des Staatsvertrags über die Hochschulzulassung die definierte Vorabquote als Instrument für die Platzbereitstellung nutzen möchten, was machen Sie dann eigentlich mit den anderen gesetzlich vorgeschriebenen Bewerbergruppen, die auch für diese 20-Prozent-Vorabquote vorgesehen sind? Solche sind zum Beispiel Bundeswehrkandidaten, Härtefälle, Zweitstudienbewerber und ausländische Studenten. Heißt das, dass wir dann keine Ärzte mehr für die Bundeswehr ausbilden, oder wie haben Sie sich das vorgestellt?

Weiter heißt es in der Begründung zu § 7: „Die Einkommensnachteile einer ärztlichen Tätigkeit im ÖGD sind so gravierend, dass der ÖGD im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs chancenlos ins Hintertreffen geraten ist.“ Hier haben Sie – und mein Vorredner hat das auch angesprochen – pointiert einen Hauptfaktor herausgenommen, der wirklich für den Personalmangel im Öffentlichen Gesundheitsdienst verantwortlich ist, den wir sicherlich benennen müssen. Aber – und das verstehe ich nicht – anstatt aus dieser Erkenntnis abzuleiten, dass das Gehaltsgefüge im Öffentlichen Gesundheitsdienst überprüft und den Wettbewerbsrealitäten angepasst werden muss oder dass wir zum Beispiel die Arbeitsbedingungen bei ständig zunehmender Aufgabenlast im Öffentlichen Gesundheitsdienst durch Digitalisierung oder durch den Ausbau von Netzwerkstrukturen verbessern müssen, sagen Sie, die einzige Lösung für dieses Problem ist, dass wir jetzt also mit viel Aufwand ein spezielles Nadelöhr als Zugang für das Medizinstudium schaffen, dass die Kandidaten dann mal zusammengezählt nach ca. 20 bis 25 Jahren – also wenn sie dann 40 bis 45 Jahre alt sind – vielleicht selbst frei über eine qualifizierte Entlohnung nachdenken dürfen. Das heißt, es ist Ihnen vollkommen egal, wie und zu welchen Konditionen die Quotenärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst nach Abschluss ihres Studiums die ersten 15 Jahre arbeiten oder entlohnt werden. Also für mich klingt das jetzt nicht nach einem guten Plan und für mich klingt das eher danach, dass man hier wirklich die Not der Bewerber

einfach kaltblütig ausnutzt und sie im Regen stehen lässt.

In den Begründungen zu § 8 und § 10 – und jetzt komme ich auch zum Ende – widersprechen Sie sich dann komplett. Einerseits sagen Sie in der Begründung zu § 8, dass ein konkreter Bedarf aufgrund der großen zeitlichen Differenz – und ich habe ja gerade ein bisschen versucht, über das Zeitfenster auszuführen, wir reden von 10 bis 20 Jahren – noch nicht feststehen kann. Das stimmt, da gebe ich Ihnen recht. Andererseits fordern Sie dann in der Begründung zu § 10 eine Berichtspflicht gegenüber dem Landtag erstmalig in drei Jahren, also zum 31.12.2023, um „Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Maßnahmen ziehen zu können“. Also, ich frage mich bezüglich der „Rückschlüsse auf die Wirksamkeit“, wie man nach so kurzer Zeit wirklich valide Daten für einen weiteren Entscheidungsprozess generieren wollen kann. Das erschließt sich mir nicht. Für mich klingt das nach Kaffeesatzlesen und nicht nach wirklich seriöser und verantwortungsvoller Politik. Und man könnte es jetzt vielleicht auch anders beschreiben – und dieser Begriff ist schon öfter genannt worden –, man könnte es auch mit Ihrem großen amerikanischen Bruder sagen: Es klingt einfach nur fake. In diesem Sinne würde ich sagen: Für mich klingt das nach einem Fake-Gesetzentwurf und deshalb werden wir diesen auch ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Dr. Lauerwald, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, ich möchte am Anfang erst einmal auf die Redebeiträge meiner beiden Vorredner eingehen.