Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Herr Höcke, im Gegensatz zu all dem, was Sie hier in Ihrer unendlich langen Redezeit erzählt haben, ist die große Stärke des Thüringen-Monitors, dass er sich damit auseinandersetzt. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich hoffe, dass das

(Abg. Hey)

noch einige hören können hier im Haus, die Herrn Höcke zuhören mussten, oder Schulklassen, die dazu vielleicht arbeiten werden –, wenn man sich das anschaut, was Herr Höcke erzählt hat, und einfach die Seiten 51 bis 55 nimmt – das ist wirklich nicht viel Lesestoff –, in denen alles zu den Dimensionen des Rechtsextremismus und rechter Einstellungen erklärt ist, dann sind dort alle Fragen erklärt, die Sie hier hämisch und meiner Meinung nach in einer gespielten Dümmlichkeit dargestellt haben. Alle Fragen sind beantwortet.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie müssen doch definieren können, was „rechts“ ist! Das gibt’s doch nicht!)

Und Sie, Herr Höcke, stellen Ihre alberne anekdotische Evidenz gegen die Wissenschaft, gegen die Wissenschaft in diesem Land.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da will ich mal sagen: Ich stelle mich vor alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Erfurt, an der Universität Jena, an jeder unserer Fachhochschulen und sage, der Höcke hat keine Chance, euch etwas zu tun, weil die Wissenschaftsfreiheit, die verteidigen wir von Rot-RotGrün, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Was ist denn jetzt „rechts“, Herr Adams?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, rechte Einstellungen lassen sich vor allen Dingen aus zwei Dimensionen erarbeiten. Und, Herr Höcke, dann gibt es noch etwas, was mich echt ärgert und was ich unglaublich frech finde: dass aus Ihrer Fraktion heraus ständig irgendwie gefordert wird, dass man einen ordentlichen Umgang haben müsste. Sie sind diejenigen, die diesen Umgang permanent vermissen lassen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Wo denn?)

Wenn ich dreimal ansetze, um Ihnen zu erklären, wie die Dimensionen des Rechtsextremismus zu benennen sind, was man auch nachlesen kann, dann höre ich Ihre ulkigen Fragen nur mit großem Kopfschütteln. Die beiden Dimensionen dieses Rechtsextremismus sind einmal Ethnozentrismus. Hinter dem verbirgt sich ein Gedanke, den man mit Fragen erfassen kann, ein Gedanke, der sagt: Wir in Deutschland, wir sind einfach besser. Hinter den Leistungen der Bundesrepublik oder der Menschen in der Bundesrepublik können sich die anderen Länder aber dicke verstecken. Das ist der Gedanke

des Ethnozentrismus und der wird mit verschiedenen Fragen abgefragt.

Die andere Dimension ist der Neonationalsozialismus – und da wird es ein bisschen härter. Da geht es nämlich um Fragen wie „unwertes Leben“, da geht es um die Fragen: Gibt es wertige Menschen und unwertigere Menschen? Da geht es um das klare Bekenntnis oder das Beantworten mit Ja, wenn man die Frage gestellt bekommt: Hat der Nationalsozialismus auch gute Seiten gehabt? – Wie würden Sie in der AfD-Fraktion entscheiden? Die Frage stelle ich Ihnen. Dazu hätte ich gern mal was gehört.

Das ist eine Dimension des Rechtsradikalismus. Wir sehen in den Messungen des Thüringen-Monitors über viele Jahre hinweg, dass ein Viertel bis ein Fünftel – das geht immer mal ein bisschen hin und her – hier dazu eine stabile Position hat. Und wir finden das beunruhigend. Wir finden insbesondere beunruhigend und stellen das hier in die Debatte, dass früher der Ethnozentrismus – also dieses Stolz-Sein, dieses überzogene, dass man sagt, die anderen können das nicht so gut wie wir und das liegt irgendwie daran, dass wir Deutsche sind – in den Hintergrund getreten ist und die Dimension des Neonationalsozialismus – nämlich: Na klar gibt es unwertes Leben –, dass diese Position in den Vordergrund tritt. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das Neue am diesjährigen Thüringen-Monitor und das ist beunruhigend und das benennen wir hier. Dagegen muss man ankämpfen und dagegen wollen wir ankämpfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Thüringen-Monitor ist für mich eine Studie, die jährlich erscheint, die uns jährlich vor Augen führt, wie die Menschen über unsere Demokratie denken. Es ist natürlich absolut unterreflektiert, was Herr Höcke hier zu der Frage der Demokratiezustimmung oder der Demokratiezufriedenheit gesagt hat. Er hat gesagt: Das kann ja gar keiner verstehen, das kann alles gar nicht sein.

(Unruhe AfD)

Aber er hat sich einfach überhaupt nicht bemüht, die Grafik auf Seite 40 anzusehen, ihre beiden Aussagen mal ganz nüchtern gegeneinanderzustellen und sich darüber Gedanken zu machen und hier darüber zu sprechen: Er ist lieber unscharf zwischen den Begriffen geblieben, um seine Ideologie in die Lücke dieser Unschärfe reinzupacken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor ist ein einzigartiges Produkt, das

uns über die Jahre hinweg immer wieder sagen kann, dass es eine Differenz gibt zwischen Menschen, die sagen, Demokratie unterstütze ich, Demokratie ist überhaupt die beste Staatsform, und aber sagen, wie zufrieden sie denn jetzt gerade mit dem Zustand der Demokratie sind. Das ist eine interessante Frage, der wollen wir uns auch stellen: Warum sagen Leute, Demokratie ist an sich eine tolle Sache, aber im Augenblick fehlt es mir an Demokratie? Was fehlt den Menschen da? Ist es die Möglichkeit, in Planungssituationen mitwirken zu können? Ist es die Möglichkeit, sich an Wahlen beteiligen zu dürfen? Was fehlt da? Ist es die Möglichkeit, sich sicher zu fühlen?

Demokratie hat für meine Begriffe, meine sehr verehrten Damen und Herren, unendlich viele Dimensionen, unendlich viele Spielarten, was Menschen darunter verstehen. Aber eines ist ganz klar – und da sind wir uns alle einig, sind wir sehr froh –, dass sich die Menschen in Thüringen zur Demokratie bekennen. Aber immer häufiger müssen wir uns die Frage stellen, was sie darunter verstehen.

Herr Höcke hat auch vollkommen wahrheitswidrig hier behauptet, dass der jetzige Thüringen-Monitor keine Antwort mehr darauf gebe, warum die Demokratiezufriedenheit weiter hochgehen würde. Er hat so ein bisschen gesagt: Haha, beim letzten Mal wurde noch geschrieben, dass wir es sind, die AfD, die für diese Demokratiezufriedenheit sorgt, und dieses Mal würde im Thüringen-Monitor dort nichts stehen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das stimmt nicht!)

Aber ich kann Ihnen ganz einfach sagen – die Seitenzahl habe ich jetzt nicht, ich zitiere und liefere die Seitenzahl nachher sehr gern nach –, was der Thüringen-Monitor dazu sagt, nämlich diesen Widerspruch zwischen dem zunehmenden Wunsch nach Demokratie und Vertrauen in die Demokratie und dem, hier nicht mehr als Hemmwirkung gegen den Rechtsradikalismus zu stehen. Früher war es so, dass der Rechtsradikalismus runtergegangen ist, wenn die Demokratiezufriedenheit hochging. Früher war es so, dass die Demokratiezufriedenheit abgesunken ist, wenn Rechtsradikalismus höher gemessen wurde.

Die Verfasser des Thüringen-Monitors versuchen eine Analyse dazu. Sie sagen: „Die fehlende Hemmwirkung der Demokratieunterstützung könnte – so unsere Vermutung –“, also sie stellen eine wissenschaftliche These auf, ganz normales gutes wissenschaftliches Arbeiten, „durch die Propagierung und Verbreitung eines ‚ethnokratischen‘ Demokratieverständnisses durch rechtspopulistische Perso

nen und Gruppen bedingt sein.“ Ich glaube, sie haben Sie damit gemeint. Das ist der Oppositionsführer dieser AfD, das ist der Oppositionsführer – in Anführungsstrichelchen – hier im Thüringer Landtag, der damit gemeint ist. Und nichts anderes haben Sie heute hier gemacht, nichts anderes haben Sie versucht. Sie haben versucht, Demokratie verächtlich zu machen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Ihre Anhänger haben dabei immer wieder applaudiert. Sie versuchen, uns weiszumachen, dass das mit der Demokratie keiner mehr versteht und dass damit irgendwas nicht in Ordnung sein kann. Wir sagen: Die Demokratie in diesem Land ist super in Ordnung und wir werden sie stärker machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Demokratie hat immer viele Dimensionen. Es geht um Gleichheit, es geht um Wohlfahrt. Viele Menschen sagen, Demokratie besteht nur dann – Kollege Hey ist darauf sehr intensiv eingegangen –, wenn ich mir bestimmte Dinge auch leisten kann, wenn ich in der Situation, wo meine Gesundheit angekratzt ist, auch sicher sein kann, dass ich Hilfe bekomme. Demokratie ist für viele Menschen Sicherheit, die Sicherheit zu wissen, dass, wenn mir jemand etwas klaut, die Polizei kommt und mir auch hilft, natürlich auch darauf vertrauen zu können, eine freie Presse zu haben. Zur Pressefreiheit gehört auch nicht nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Journalistinnen und Journalisten frei schreiben, frei senden dürfen, welcher Meinung sie auch immer sind, und frei ihre Standpunkte äußern dürfen. Zur Pressefreiheit gehört auch, dass wir verpflichtet sind, uns der Presse und der Öffentlichkeit zu stellen und zu sagen, was wir wollen. Das ist ein eklatanter Unterschied zwischen den demokratischen Fraktionen in diesem Haus und dem Gebaren der AfD, die nämlich sagt: Wir reden doch gar nicht mehr mit denen, wir lehnen das einfach ab, die Fragen zu beantworten, weil wir überhaupt kein Interesse daran haben, dass die Bevölkerung in diesem Land weiß, was wir tun wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier wird die Axt an die Wurzeln unserer Demokratie gelegt. Für uns Grüne bedeutet diese Frage nach Gleichberechtigung immer wieder, wie wir es schaffen können, dass schwule, lesbische Menschen, biund transsexuelle Personen sich in dieser Gesellschaft, nachdem sie Hunderte Jahre verteufelt wurden, wieder in Ruhe zeigen dürfen, dass sie in die

Mitte der Gesellschaft gehören, dass wir nicht zulassen, dass sie an den Rand gedrängt werden oder von Ihnen veralbert werden. Das ist unser Widerstand und unser Kampf für Demokratie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gehört für uns dazu, für die Frauenrechte zu kämpfen, weil Gleichberechtigung in der Verfassung und Gleichstellung im Alltag zwei Dinge sind, die immer noch auseinanderklaffen. Dafür wollen wir kämpfen und das ist gut, dass wir die Demokratie so starkmachen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

indem wir definieren und für uns die Meinung vertreten, in diese Richtung unsere Demokratie weiterentwickeln zu wollen. Demokratie ist für viele Menschen auch die Frage nach der Meinungsfreiheit. Es ist ein beliebtes Thema für die AfD geworden, wo sie auch – wie ich das vorhin schon dargestellt habe – Demokratie verächtlich macht, unser Land verächtlich macht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer behauptet, dass keine Meinungsfreiheit bestünde, und sich dabei hinter Studien versteckt und sagt, dass das ja andere Leute gesagt haben, und es deshalb auf seine Plakate schreibt, versündigt sich an unserer Demokratie, ist ein Demokratiefeind und wird von uns auch so benannt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

Herr Höcke, Ihnen spreche ich jetzt ganz persönlich ab, über die Zeit zu reden, die viele hier im Raum erlebt haben, wo es keine Meinungsfreiheit gab. Ihnen persönlich spreche ich das ab.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben keine Ahnung, was es bedeutet hat, frei die Meinung zu äußern. Sie haben keine Ahnung, was es bedeutet hat, sich frei dazu zu bekennen, an jedem Sonntagmorgen zur Kirche zu gehen und genau zu wissen, dass die Stasi weiß, wer da hingeht, und genau zu wissen, dass sich die Schulkameraden darüber lustig machen werden, und genau zu wissen, dass man dafür bei der Berufswahl hinten angestellt wird, dafür keinen Studienplatz bekommen wird. Die AfD sieht gelangweilt weg und sagt: Ah! – Das ist Ihre Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Wir wollen eine echte Auseinandersetzung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer Meinungsfreiheit propagiert und sie haben will – und

ich glaube, das machen Sie auch –, muss sich dem Meinungsstreit stellen. Denn Meinungsfreiheit ist immer die Freiheit des jeweils Andersdenkenden. Man muss sich als AfD auch dem stellen, dass sich der Polizeipräsident aus Augsburg in Augsburg sehr deutlich gegen die Vereinnahmung – so wie Sie es vorhin gemacht haben – dieser schrecklichen Tat gewehrt hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Polizeipräsident sagte sehr deutlich: Diese Vereinnahmung durch Rechte, durch die AfD ist das Gift für die Gesellschaft. Sie sind das Gift in der Gesellschaft, weil Sie solche Straftaten vereinnahmen und nicht das Opfer als einzelne Person sehen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Oppositionsführer sind Sie – das ist heute schon mehrfach deutlich geworden – ein Feind der Wissenschaftsfreiheit. Wer seine anekdotische Evidenz – wenn Sie sich hier herrschaftlich hinstellen und sagen,