25.000 Menschen sind im Jahr 2015 gekommen. Von den 25.000 Menschen sind 7.000 mittlerweile in Lohn und Brot, zahlen ihre Steuern, zahlen die
Sozialabgaben. Sie machen das, was wir von ihnen erwarten, nämlich ein guter Nachbar von unseren Bürgern zu sein. Sie tun mit am Wohlstand, der in diesem Land erarbeitet wird. Was mich ärgert, ist, dann einfach zu sagen, ja, wenn es denn so viele gäbe. Wir haben – ich habe das in meiner Regierungserklärung ausgeführt – die Schallmauer von 5 Prozent Arbeitslosigkeit unterschritten. Das heißt, wir brauchen jeden und jede, die wir kriegen können: jeden und jede. Und das reicht nicht mal. Deswegen ist es auch die große Chance, Menschen mit Behinderungen jetzt auch endlich Arbeitsmöglichkeiten zu geben, die vorher aus dem Arbeitsmarkt immer rausretiriert worden sind.
Und die Olympiareifen, die es vorher immer brauchte. Nein, endlich besinnt sich auch die Wirtschaft und sagt, wir brauchen Wissensträger. Zu den Wissensträgern gehört auch das soziale Wissen, die soziale Kenntnis. Das heißt, auch derjenige, der nicht mehr ganz so leistungsfähig ist, bleibt in Lohn und Brot und hat gute Chancen.
Wir gehen auf eine demografische Entwicklung zu. Das ist das, was ich so schlimm finde, dass man einfach diesen Teil ausblendet. 345.000 Menschen in Thüringen gehen in den wohlverdienten Ruhestand. Die gehen in den Ruhestand. Sie behaupten immer, wir sollen doch mal hingehen und mit den Menschen reden. Allein wenn ich mit den Unternehmerinnen und Unternehmern rede, sagen die mir: Wir können so nicht weitermachen. Wir brauchen Zuwanderung als Prinzip.
Wir müssen uns darauf konzentrieren. Wir brauchen Rückholung. Natürlich, jeden von den 400.000 aus Thüringen, die nach der Wende gegangen sind, hätte ich gern wieder; sie kommen nur nicht. Es wäre schön, wenn dann vielleicht ihre Kinder kämen, die jetzt gerade im Westen in die Schule gehen. Wir würden uns über jeden und jede freuen und nicht sagen: Wir organisieren jetzt erst mal, ob sie blond und blauäugig sind, ob sie die richtige Abstammung haben und Ähnliches. Das sind die Tonarten, die ich meinte mit dem Hinweis auf Gauland, wenn er vom „Vogelschiss“ der Geschichte redet und wenn diese Art der Präsentation hier wieder stattfindet.
Dann wird über den Fall von Augsburg geredet, der eine wirklich böse Form der Ermordung von einem Feuerwehrmann war. Und da wird einfach unterstellt und zitiert, darüber würde nicht geredet werden. Ich bin ganz irritiert.
Überall kann man diesen Fall von Augsburg nachlesen. – Was heißt denn „Gott sei Dank“? – Überall kann man es nachlesen, es hat überhaupt niemand versucht, darüber zu schweigen, sondern es ist für jeden erkennbar. Und dann wird einfach gesagt: Aber dieser Fall ist etwas ganz Besonderes.
Denn wir unterscheiden ja jetzt, es ist ja ein deutscher Staatsbürger, der der Täter war, aber er ist ausländischer Abstammung und genau deswegen ist diese Tat passiert. Nein, dieser Täter hat eine Tat begangen und dafür muss er geradestehen. Und es ist schlimm für die Angehörigen, was da passiert ist.
Und in der Tat, was mich ärgert, ist, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, er könnte woanders geboren sein, dann wird es auf einmal thematisiert mit dem Hinweis, das seien die Denkverbote. Wenn der Täter möglicherweise woanders geboren ist, ist das die Rechtfertigung dafür, dass man Nichtdeutschen das Recht abspricht, in unserem Land mit uns zu leben. Das ist die Art und Weise, wie eine komplette Akzentverschiebung stattfindet.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein Beispiel sagen aus dem Jahr 2018. Im Jahr 2018 sind 123 Frauen in Deutschland von ihrem Ex-Partner, ihrem Lebensgefährten oder sich in Scheidung befindlichen Partner ermordet worden, vom netten Nachbarn von nebenan, in der Wohnung nebenan. Das heißt, jeden dritten Tag in Deutschland ist eine Frau ermordet worden innerhalb der Auseinandersetzung um Trennung, Scheidung oder neue Wege zu gehen, also wenn die Emotionen im Familiengeflecht so hochgradig belastet sind, dass es gefährlich wird für die Frauen – 123 Frauen. 113.000 Frauen sind allein im Jahr 2017 von ihren Ehepartnern oder Lebensgefährten körperlich angegriffen worden. Da kommt es gar nicht darauf an, wo derjenige geboren ist, da ist jede Tat eine Tat zu viel, jede Ermordung eine Ermordung zu viel.
Und komischerweise reden wir über Femizide nicht. Das Wort „Femizide“ ist allein schon wieder so ein böses Unwort, statt zu sagen, wir müssten uns mit jeder Kriminalität auseinandersetzen, und jede Tat und jeder Mord ist ein Mord zu viel. Wer also dazu behauptet, dass es Denkverbote gibt und Sprachverbote gibt, der will ein bestimmtes Bild erzeugen, nach dem Motto: Wenn die weg sind, dann werden die Straftaten weniger werden. Deswegen habe ich das mit den 123 ermordeten Frauen einfach mal erwähnt. Die wären froh, wenn sie nicht ermordet worden wären. Die wären froh gewesen, wenn es eine Situation gegeben hätte, eine gesellschaftliche, dass man bei Ehespannungen vorher so Hilfe bekommt, dass diese Ehespannungen sich nicht in einer Gewalttat gegen den eigenen Partner Bahn brechen.
Eine letzte Bemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren – das fand ich auch nicht redlich, was Herr Höcke da gemacht hat; ich will es noch mal in aller Deutlichkeit sagen: Ich habe als Ministerpräsident seit meinem Amtsantritt immer wieder darauf hingewiesen, dass jede Schändung, jeder Anschlag auf ein Wahlkreisbüro eine Katastrophe für die Demokratie ist, und dass jede eingeschlagene Scheibe eines Wahlkreisbüros – und zwar aller Wahlkreisbüros – eine Schande für die Demokratie sind.
Weil da sollen Abgeordnete eingeschüchtert werden. Und deswegen war der Farbangriff auf Herrn Heym, auf seine Familie, auf Herrn Kemmerich und seine Familie genauso verurteilenswert wie Demonstrationen vor Privathäusern von Abgeordneten, Fraktionsvorsitzenden, Mitgliedern dieses Landtags. Ich habe das in aller Deutlichkeit gesagt. Und da bin ich auch, Herr Kemmerich, von Linken – nicht von der Linken, sondern von Leuten, die sich dann selbst „die Linken“ nennen – attackiert worden, nachdem ich das so klar formuliert und gesagt habe: Vor Privathäusern gehört sich keine Demonstration, vor Privathäusern von Funktionsträgern, Abgeordneten, Parlamentariern, Bürgermeistern, Landräten. Jeder, der für unsere Demokratie einsteht auf seine Art, wo er steht, hat den Respekt von uns verdient, dass seine Privatsphäre unberührbar ist.
Und das sage ich nicht an der Stelle mal so gewertet und mal so gewertet, weil ich habe es gesagt aus dem Anlass der Demonstration, die bei Herrn Höcke vorm Haus angemeldet war. Das fand auch
nicht jeder witzig. Aber ich fand es auch nicht witzig, vor Herrn Höckes Haus und in der Privatsphäre zu demonstrieren, so wie ich es falsch finde und im Höchstmaß bedenklich finde, wenn Herrn Kemmerichs Auto angegriffen wird, das Haus angegriffen wird oder Herr Heym.
Und da kann ich jetzt einfach mal sagen: Da schließt sich der Kreis. Ich habe heute meine Regierungserklärung mit dem Ostersonntag 2000 begonnen. Der Ostersonntag begann damit, dass wir uns gemeinsam vor der Synagoge versammelt haben, weil wir Gesicht zeigen wollten gegen die, die in der Nacht noch Hitlers Geburtstag gefeiert haben. Als ich abends nach Hause kam, hatte ich den Mordaufruf und die Mordankündigung gegen meine Person auf meinem Anrufbeantworter. Und meine Kinder haben dann gelernt, wie man sich in einer Wohnung benimmt, weil man Kind eines Politikers ist. Ich hätte das meinen Kindern gern erspart. Die haben von der Polizei erläutert gekriegt, wenn man in diese Wohnung kommt, soll man das Licht auslassen und erst die Gardinen zumachen und all solche Sachen. Da waren meine Kinder noch klein. Das sind für mich Gründe, warum ich sage: Unabhängig davon, ob ich mit irgendeiner Meinung von Herrn Höcke übereinstimme, bleibe ich dabei: Wir müssen aufpassen, dass bei keinem zu Hause so eine Situation eintritt,
dass sich die Menschen am Ende nicht mehr dafür entscheiden, sich für die Demokratie hinzustellen. Das ist meine Grundhaltung und die habe ich immer deutlich gemacht.
Mir das heute hier vom Pult her abzusprechen, als wenn ich das gar nicht gesagt hätte, das finde ich nicht in Ordnung und deswegen wollte ich das noch mal klarstellen. Meine Haltung bleibt da gleich. Wer die Demokratie schützen will, muss auch alle Menschen in der Demokratie schützen, die für die Demokratie den Rücken gerade machen.
Eine letzte Bemerkung sei mir gestattet: Den Thüringen-Monitor als unwissenschaftlich zu verunglimpfen, macht nur deutlich, warum ich gar kein Diskussionsinteresse mit einer Partei habe, die so was durchgängig formuliert. Da sehe ich keine Grundlage, auf welcher Basis man miteinander diskutieren sollte. Den Grund für meine Äußerung, die ich in meiner Regierungserklärung dargelegt habe, haben Sie im Nachhinein geliefert. Und deswegen sage ich: Darüber hätten Sie noch mal Grund nach
Ich glaube, unser Land braucht Kraft, braucht Zukunftsperspektiven, braucht gute Geschichten und dieses Land braucht ein Klima, in dem sich die Menschen gegenseitig unterhaken und sich gegenseitig starkmachen. Seit 30 Jahren haben die Menschen das hier hervorragend gemacht und den Erfolg sollten wir gemeinsam weiterführen. Das ist unsere Pflicht und dafür will ich einstehen. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. Es hat sich jetzt noch einmal Abgeordneter Montag für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, vielleicht noch mal ganz kurz zu unserem Hobbyphilosophen hier im Raum, der Wittgenstein zitiert hat, wonach – ich glaube, Wittgenstein hat auch recht – aus der bloßen Interpretation von Sprache keine Rückschlüsse auf unsere reale Welt zu führen sind. Aber ich würde mich natürlich freuen, wenn man einen philosophischen Exkurs fährt oder anstößt, dass man sich nicht nur mit dem Buchrücken beschäftigt, sondern sich auch darüber hinaus damit auseinandersetzt.
Ich bin kritischer Rationalist. Insofern stehe ich einem Mann wie Popper ideengeschichtlich und in der Denkschule da auch sehr nahe. Sie haben uns ja den „Tractatus“ von Wittgenstein zur Lektüre empfohlen. Da darf ich Ihnen auch eine Buchempfehlung geben, nämlich das Hauptwerk von Popper: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.
Auf ein paar Aspekte will ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt noch mal inhaltlich eingehen, die aus meiner Sicht durchaus hätten den Hauptteil unserer Debatte bilden müssen. Zu der Frage, wie wir Gesundheitspolitik gestalten, haben Sie, Herr Ramelow, durchaus episch ausgeführt, was in Ihrer Regierungs- oder Amtszeit durch die Landesregierung geleistet worden ist. Ich will nur noch kurz darauf hinweisen, dass die Frage der Stiftung schon deutlich älter ist, auch das Förderprogramm für Landärzte. Frau Taubert war damals die zuständige Ministerin. Auch diese Dinge wurden natürlich schon vor Rot-Rot-Grün in Recht gesetzt und zur Umsetzung gebracht.
Wenn man sich mal einen Punkt herausgreift: Für mich ist tatsächlich die Frage E-Health-Projekte immer ganz spannend, weil ich glaube, dass das in der Debatte dazu, wie wir Gesundheit tatsächlich besser machen wollen, noch viel zu wenig Raum einnimmt. Da haben Sie Tele-Verah usw. genannt. Wenn man aber genau gelesen und zugehört hat, haben Sie in den Haushaltsjahren 2018/2019 bei einem 11-Milliarden-Euro-Haushalt 3 Millionen Euro für E-Health-Projekte zur Verfügung gestellt. Da kann am Ende nur ein Etikett hängen bleiben. Das ist am Ende eine ambitionslose Politik, will man Thüringen tatsächlich zu einem Hotspot innovativer Gesundheitsversorgung machen. Wenn man sich die Zahlen anschaut, wie hoch die einzelnen Förderungsteile sind – beispielsweise Tele-Verah 120.000 Euro, ZNS-Konsil 250.000 Euro –, da müssen wir deutlich machen, dass wir in dieser Frage nach Lösungen suchen – gerade wenn es darum geht, wie wir Versorgung tatsächlich bekommen, die in den Regionen nicht mehr stattfinden kann. Im September dieses Jahres gab es in Jena beispielsweise eine sehr innovative Veranstaltung, den sogenannten Hackathon. Auch da waren Sie als Landesregierung nicht federführend, sondern es war eine Initiative von Professorinnen und Professoren aus Jena, gemeinsam mit dem health innovation hub des Bundesministeriums für Gesundheit.
Mich ärgert an diesen Debatten, dass man zwar die Problemlagen anspricht, aber die Lösungen nicht. Vielleicht muss ich mich auch noch daran gewöhnen. Ich versuche es jedenfalls, werde das aber trotzdem anders halten. Deswegen ist meine Frage an die Landesregierung, wie sie mit der Erkenntnis umgehen will, dass wir einem demografischen Wandel unterliegen, der strukturelle Auswirkungen auf so viele Bereiche in Thüringen hat. Das haben Sie eben nicht getan, weil Sie beispielsweise bei der Krankenhausbeplanung nicht den Versorgungsbedarf geplant haben, sondern weiterhin die Bettenauslastung.
(Zwischenruf Werner, geschäftsführende Mi- nisterin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Das stimmt nicht!)
Wir kommen somit weiterhin zu einer Struktur, die den Regionen die Mittel zur Versorgung nicht adäquat zu den Versorgungsbedarfen an die Hand gibt. Es gibt auch kein Projekt aus Thüringen, das im sogenannten Innovationsfonds des Bundesministeriums für Gesundheit beim Gemeinsamen Bundesausschuss angesiedelt ist. Da sind vor der Vergabe von 400 Millionen Euro Ministerpräsidenten und Minister zu Prof. Hecken gefahren und haben für die Projekte aus der eigenen Region geworben. Andere Bundesländer waren deutlich erfolgrei
Auch in der Frage der sektorübergreifenden Versorgung lässt Thüringen Chancen liegen, wenn wir gerade den Fall Bad Frankenhausen sehen. Das wäre eine optimale Möglichkeit gewesen, diesen Ansatz der sektorübergreifenden Versorgung in einer neuen Versorgungsstruktur zu etablieren, wie es in anderen Bundesländern in IGZ oder ambulant-stationären Zentren schon umgesetzt wird. Auch hier müssen wir mit den Akteuren viel schneller handlungsfähig werden. Da wünsche ich mir auch eine Landesregierung, die das für sich zuvorderst als Aufgabe sieht.
Es gibt in Thüringen auch keine Innovationsplattform, wo die Akteure aus der Gesundheitsbranche freiwillig zusammenkommen, um gemeinsam innovative Versorgungsmodelle umzusetzen. Deswegen, meine Damen und Herren, ist scheinbar der Minister mit dem größten Geschäftsbereich in der jetzt noch geschäftsführenden Landesregierung derjenige, der den Namen „Man müsste mal“ trägt. Das ist leider für fünf Jahre Gesundheitspolitik deutlich zu wenig.
Aber was sind denn aus meiner Sicht die Grundprinzipien, wonach wir tatsächlich Gesundheitspolitik ausgestalten können? Das ist einmal der Erhalt der Freiberuflichkeit. Das heißt, es muss auch Schluss sein mit dieser Hybris der Politik, die glaubt, tief in das ureigenste Handlungsfeld von Ärztinnen und Ärzten hineinregieren zu können. Dieser Etatismus ist etwas, das, glaube ich, auch die Freude am Beruf verleiden kann. Wir müssen zusehen, dass es weiterhin die freie Arztwahl gibt. Wir müssen sehen, dass die Rahmenbedingungen auch so sind, dass nicht nur mehr medizinische Fachkräfte ausgebildet werden, sondern dass man auch die Bürokratie im Griff behält, eine angemessene Vergütung zahlt und das auch am Ende dazu führt, dass die Dinge, die heute noch häufig über staatliche Institutionen gemacht werden – beispielsweise Qualitätskontrolle, Weiterentwicklung – in der Hand der Berufsstände verbleiben. Insofern: Nicht nur wer das Land ernährt, sondern vor allen Dingen wer es versorgt, verdient Respekt.