In dieser Kontinuität befinden wir uns meiner Meinung nach auch noch heute angesichts männlich dominierter Parlamente, die genau über diese Frage dann entscheiden.
Eine bessere Art der Lösung, nämlich eine Fristenregelung, gab es bereits in der DDR. War es auch in der DDR lange Jahrzehnte ein Tabu, so wurde im März 1972 mit dem Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft eine Fristenregelung eingeführt. Die Wiedervereinigung Deutschlands vor mehr als 30 Jahren machte eine Neuregelung der Abtreibungsgesetze notwendig. Ostdeutsche Feministinnen und Feministen gingen damals auf die Barrikaden, weil sie wussten, dass die gesamtdeutsche Gesetzgebung für sie einen Rückschritt bedeuten würde. Und genauso kam es: Am Ende brachte der Bundestag 1992 ein Kompromissgesetz auf den Weg, welches den Strafrechtsparagrafen zwar entschärfte, der § 218 blieb aber im Strafgesetzbuch. Damit war klar, Abtreibung bleibt in Deutschland weiterhin grundsätzlich verboten. Sie wird nur nicht bestraft, weil ein verklausulierter § 218a eingeführt wurde, der Straffreiheit festhält, wenn der Eingriff innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate vorgenommen wird und sich die
In Thüringen gibt es Beratungsstellen an 32 Standorten, damit sind wir vergleichsweise gut versorgt. Aber ein anderer wichtiger Aspekt ist die ausreichende Zahl von Ärztinnen und Ärzten bzw. Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Und da steuern wir auf ein Problem zu: Einerseits lässt die Entwicklung vor allem im ländlichen Thüringen ein generelles Versorgungsproblem in der ärztlichen Versorgung befürchten. Hier müssen wir aber auch auf die derzeit sehr aktuelle Debatte um den § 219a des Strafgesetzbuchs kommen. Dieses sogenannte Werbeverbot kommt übrigens aus einer ganz finsteren Zeit. Der § 219 wurde durch Hitlers Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 eingeführt. Allein deshalb gehört er auf den Müllhaufen der Geschichte.
Dann gab es vor zwei Jahren den Versuch der GroKo, den § 219a zu reformieren, der allerdings nichts verändert hat. Weiterhin ist es so, dass zwar jede Person den allergrößten Blödsinn über Schwangerschaftsabbrüche ins Netz stellen darf, aber Ärztinnen und Ärzte – also die, die in diesem Bereich wirklich die meiste Kompetenz haben dürften – dürfen auf ihrer Website nach wie vor nicht einmal darüber informieren, wie sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Geschätzte Kollegen und weniger geschätzte Kollegen, liebe Zuschauer im Netz, sehr geehrte Pressevertreter, angesichts des hier eben Vorgetragenen wünsche ich der einen oder anderen Vortragenden, sie möge bitte niemals Mutter werden.
Die Aktuelle Stunde der Linkspartei lässt erkennen, dass wir uns offenbar bereits im Bundestagswahlkampf befinden, zumindest auf der linken Seite des Spektrums. Da gilt es, Truppen zu mobilisieren und die entsprechenden Themen abzugrasen. Ich möchte aber an der Stelle erwähnen, dass der Thüringer Landtag für dieses Thema und die Strafrechtsgesetzgebung nicht zuständig ist, wie Frau Kollegin Meißner dankenswerterweise auch schon erwähnt hat.
Deswegen müssen wir uns trotzdem damit beschäftigen. Die Sache ist zu ernst, als dass wir einfach darüber hinweggehen können. Die Begründung, die Die Linke ihrer Aktuellen Stunde beigefügt hat, ist überaus lehrreich und sagt viel über Die Linke aus. Es zeigt sich hier die gesamte Verachtung des Rechts, die in den Reihen der vormaligen SED herrscht. Gegenüber dieser Verachtung des Rechts gilt es auch im Zusammenhang mit dem Thema „Abtreibung“ daran zu erinnern, dass der Rechtsstaat mehr ist als ein willfähriges Instrument zur Erreichung politischer Ziele.
Verräterisch ist es, wenn Die Linke schreibt, dass es um eine menschenrechtsbasierte Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs gehe, dass dabei allein und ausschließlich die werdenden Mütter in den Blick genommen werden. Da ist es wohl angemessen, daran zu erinnern, dass auch ungeborene Personen Menschenrechte genießen. Ich durfte letztens erfahren, dass die Geschlechtsbestimmung befruchteter Eier ab 2024 nicht mehr zugelassen ist, weil die kleinen Lebewesen ab dem sechsten Tag post conceptionem in den Eiern Schmerzen empfinden. Ich finde das in Ordnung, das ist völlig okay. Aber wir reden hier niemals über das ungeborene Kind, sondern lediglich über die Rechte der ungewollt schwangeren Frauen.
Weil Die Linke diesbezüglich Nachholbedarf hat, erlaube ich mir hier mal, die geltende Verfassungsrechtslage ins Gedächtnis zu rufen. Es gibt dazu ein Urteil vom BVerfG vom 28. Mai 1993. In dessen Leitsätzen heißt es – und auch hier wieder mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –: „Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG; ihr Gegenstand und […] ihr Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt. Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu. […] Dieses Lebensrecht wird nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet.
[…] Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf menschliches Leben allgemein. […] Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die […] Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen.“ Soweit das Bundesverfassungsgericht.
Auf der Grundlage dieses Urteils wurde seinerzeit ein Gesetzeskompromiss gefunden, der sich im Großen und Ganzen bis heute bewährt hat. 100.000 Abtreibungen können davon ein beredtes Zeugnis ablegen. Diese nach Beratung erfolgten Erlaubnisse haben durchaus verschiedene Notlagen, die als Indikation anerkannt werden. Das ist auch in Ordnung. Allerdings muss man auch sagen, dass immer wieder versucht wird, diese bestehende Rechtslage auszuhöhlen und zu unterlaufen, indem zum Beispiel Vereine wie pro familia staatliche Gelder für Abtreibungsberatungen bekommen.
Es hat also längst nicht alles seine gute Ordnung im Abtreibungsrecht. Man könnte mit Blick auf die Nöte mancher werdenden Mutter – wobei sich sicher die eine oder andere durchaus wieder von ihrem Vorhaben abbringen lässt – auch von der Politik mehr tun. Es wäre eine Politik, die sich einer ausdrücklichen Willkommenskultur für Kinder verpflichtet weiß,
so wünschenswert wie eine Familienpolitik, die dafür sorgt, dass Kinder als Reichtum begriffen werden und kein Armutsrisiko sind. Hier gibt es so viele Handlungsmöglichkeiten. Und Geld dafür ist auch vorhanden. Was wir aber sicher nicht brauchen, ist eine ebenso nihilistische wie verfassungsfeindliche Ideologie, die schlicht und ergreifend das Lebensrecht von ungeborenen Kindern zur Disposition stellt. Vielen Dank.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich unterbreche an der Stelle unsere Debatte. Nach unserer Lüftungspause um 16.20 Uhr geht es weiter, und zwar mit der Fraktion der FDP, Herrn Abgeordneten Montag. 16.20 Uhr setzen wir fort.
Meine Damen und Herren, wir fahren dann mit der Beratung fort. Wir sind immer noch im Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde Teil c). Das Wort hat
Geht es jetzt? – Wunderbar. Also wie gesagt, die Debatte ist so alt wie der Paragraf selbst – 150 Jahre, das wurde schon gesagt. Aber mit der Neuregelung des § 218 von Juni 1995, der nach intensivster Debatte, nach Freigabe auch der Abstimmung, 486 Abgeordnete des damaligen Bundestags zur Mehrheit verholfen haben, ist eben hier ein Kompromiss gefunden, der schon Ergebnis einer sehr kontroversen, jahrzehntealten Debatte ist. Und „jahrzehntealt“ ist eigentlich untertrieben – Sie sagen es ja in Ihrer Überschrift zur Aktuellen Stunde –, es geht eigentlich schon seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871, als der § 218 im Reichsstrafgesetzbuch in Kraft getreten ist. Damals sah er bei jedweder Abtreibung eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Das ist Gott sei Dank tatsächlich dann nur noch in historischen Büchern nachzulesen. Denn seither hat er im Kampf für das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung Gott sei Dank schon umfassendere und zahlreichere Formen durchlaufen. Allein zwischen 1920 und 1926 befasste sich der damalige Reichstag sechsmal mit einer entsprechenden Neufassung des § 218 Strafgesetzbuch.
Aber es gab auch Rückschritt – das haben wir schon in der Rede von Frau Wahl gehört. Natürlich während der NS-Zeit. Danach, gerade in den 60erJahren, kam der Reformdruck mit der sexuellen Revolution am Ende der 1960er-Jahre, dann in den 70ern der Streit um die sogenannte reine Fristenlösung, dann ab 1976 die Debatte um die sogenannte Indikationsregelung, also Schwangerschaftsabbrüche straffrei machen, wenn eine medizinische, soziale, ethnische bzw. kriminologische Indikation dafür gegeben war.
All das sage ich deswegen so ausführlich, um noch mal deutlich zu machen, dass die Debatte, die 1995 zum entsprechenden Ergebnis geführt hat, was heute noch Rechtsgrundlage ist, eben nicht im freien Raum entstanden ist, sondern doch schon aus einer intensiven Debatte hervorgegangen ist. Es ist auch schon angedeutet: Auch das war nicht anlasslos, denn 1992 gab es schon mal eine andere Regelung, die dann allerdings durch das Verfassungsgericht 1993 aufgehoben worden ist, weil die sogenannte reine Fristenlösung tatsächlich zwar das Selbstbestimmungsrecht der Frau achtet, aber eben nicht in notwendiger Weise genug das Recht auf Leben Ungeborener.
Daran kann ich leider nichts ändern, Frau RotheBeinlich, dass ich ein Mann bin. Und trotzdem wäre es, glaube ich, in Ordnung, wenn Sie mir weiter zuhören würden. Denn das Recht schützt auch Frauen vor den Übergriffen – wie wir es ja schon häufig genug auch in der Geschichte gesehen haben –, gerade von Männern auf ihre Partnerin, die gegebenenfalls zwanghaft versuchen, einen Abbruch einzuleiten. Mit dem Kompromiss der vorausgehenden Beratung durch Beratungsstellen hat sich ein engmaschiges Beratungsnetz erschlossen, auch in Thüringen. Das muss man natürlich evaluieren, ob das in der Dichtheit ausreichend ist. Auch die Zusammenarbeit von Beratungsstellen und Ärzten funktioniert erfahrungsgemäß gut.
Auf einen Punkt will ich allerdings noch mal eingehen – das ist tatsächlich auch aus Sicht der Freien Demokraten reformbedürftig –, das ist die Fragestellung des § 219a. Denn die Regelung ist weder sach- noch zeitgemäß. Sie wissen ja, wenn ein Arzt/eine Ärztin auf einer Homepage usw. darauf hinweist, Beratung durchzuführen, wird dieser Hinweis als Werbung gedeutet und das ist strafbewehrt. Das ist natürlich überhaupt nicht zeitgemäß. Denn jeder braucht Aufklärung, bevor er einen Eingriff bei sich und an seinem Körper vornehmen lassen wird. Und ich möchte natürlich auch dann dorthin gehen, wo entsprechende Information und Kompetenz ist, und das ist bei unseren Ärztinnen und Ärzten.
Da sehen wir tatsächlich eine Regelungskompetenz, anderweitig ist es problematisch. Wir haben als Landtag natürlich keine Regelungskompetenz. Insofern ist das eher etwas für den Bundestag, aber auch dort findet die Debatte rege statt. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich finde es sehr schön, dass wir endlich wieder in gemütlicher Runde hier im Plenarsaal sind.
Meine Vorredner haben schon die wechselvolle 150-jährige Geschichte dieses § 218 angesprochen. Ich als Frau und Mutter muss ehrlich sagen, ich finde es mehr als frustrierend, dass wir heute wie „täglich grüßt das Murmeltier“ – oder manche mögen meinen: „täglich grüßt Alice Schwarzer“ – wieder über diesen Paragrafen reden müssen, immer noch über diesen Paragrafen reden müssen, so, wie es vielleicht auch meine Urgroßmutter oder meine Ururgroßmutter oder Großmutter oder Mutter getan hätte. Es ist ein Paragraf, der seit 150 Jahren in Kraft ist. Ich bin keine Juristin, aber ich glaube, es gibt wenige Gesetze, die so eine lange Überlebensdauer haben. Meiner Meinung nach – und das sehe ich anders als Herr Montag – geht es hier durchaus um die Frau, und zwar um die Frau genauso wie um den Mann, denn wir sind alle Menschen. In unserem Grundgesetz…
Ja, Sie haben gesagt, das wäre zu kurz gedacht oder so. – Es steht in Artikel 3 Abs. 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Ich weiß, Männer können keine Kinder kriegen, sie können nicht schwanger werden. Aber ich glaube schon, dass Männer sich gleichermaßen an der Seite von Frauen dafür einsetzen können, dass Frauen selbstbestimmt über sich entscheiden können,