Ja, Sie haben gesagt, das wäre zu kurz gedacht oder so. – Es steht in Artikel 3 Abs. 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Ich weiß, Männer können keine Kinder kriegen, sie können nicht schwanger werden. Aber ich glaube schon, dass Männer sich gleichermaßen an der Seite von Frauen dafür einsetzen können, dass Frauen selbstbestimmt über sich entscheiden können,
selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden können. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir das gemeinsam tun, Herr Montag. Ich kann das auch im Namen meiner Partei vehement vertreten, denn wir sind eine sehr alte Partei und auch schon sehr lange in der Politik. Deswegen, glaube ich, geht unsere Geschichte mit dem § 218 wirklich schon bis auf die Weimarer Republik zurück, als wir angeregt hatten, diesen Paragrafen abzuschaffen. Wir haben das dann in den 70er-Jahren weiter forciert. Damals gab es eine Aktion – daran musste ich vorhin bei den Worten von Frau Herold denken, als sie so von der „guten Ordnung“ sprach, der es bedarf. Also ich denke mal, so vor 50 Jahren – es ist fast auf den Tag genau – hatte der „Stern“ einen Leitartikel mit 374 Frauen herausgebracht, die gesagt haben: „Ich habe abgetrieben.“ Damals wurde wahrscheinlich die gute Ordnung zerstört, das war ein Skandal, das war für alle dramatisch und man konnte das nicht so angehen – wahrscheinlich nur nicht für die Frauen in der DDR. Frau Stange sprach es an: In der DDR galt damals 1972 eine ganz andere Gesetzgebung, nämlich die, für die wir hier einstehen
wollen, dass sich die Frau in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen selbst für ihr Kind oder eben auch gegen ihr Kind frei entscheiden kann.
Ich glaube, Frau Meißner, ich würde es dann mal mit Willy Brandt halten. Willy Brandt hat in den 70er-Jahren gesagt, es gehe am Ende um soziale Wahrheit. Und die Frage ist doch: Soziale Wahrheit – ist es wirklich so, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Auffassung ist, dass, wenn eine Frau in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen abtreibt, sie einen Mord und eine schwere Straftat begeht, dass sie dafür letztendlich kriminalisiert wird, dass sie auch gedemütigt wird und letztendlich in ihrer freien Entscheidung eingeschüchtert wird? Ist das wirklich die Wahrheit, dass die deutsche Bevölkerung das so sieht? Wir als SPD glauben das nicht. Wir glauben, dass dieser wirklich absolut wirkungslose Paragraf zum Schutz menschlichen Lebens überflüssig ist, dass er ein Relikt aus dem vorvorhergehenden Jahrhundert ist und deswegen abgeschafft gehört. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Dr. Klisch. Damit sind wir durch die Reihe der Abgeordneten durch. Frau Ministerin Werner hat signalisiert, für die Landesregierung zu sprechen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es wurde schon gesagt, vor 150 Jahren wurde der § 218 des Strafgesetzbuchs des Deutschen Reichs aufgenommen und damit die zuvor schon kriminalisierte Abtreibung strafrechtlich bewehrt. Es ist schon mehrfach darauf eingegangen worden: In diesen 150 Jahren sind zahllose Frauen an unsachgemäß durchgeführten Abbrüchen gestorben oder für immer unfruchtbar geworden. In diesen 150 Jahren sind unzählige Frauen an den gesellschaftlichen und sozialen Lebensverhältnissen verzweifelt. Natürlich können wir nicht die Situation im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und schon gar nicht im Nationalsozialismus mit heute vergleichen: damals Todesstrafe für jene, die die sogenannte Lebenskraft des Volkes schwächten, indem sie Abtreibungen an sogenannten arischen Frauen vornahmen, und andererseits Abtreibungen – hier nehme ich den AfDSprech – und Euthanasie an sogenanntem unwerten Leben, was zur guten Ordnung gehörte. Das
sind Zustände aus dem Gruselkabinett der Deutschen Geschichte, mit denen die Rechtslage in der heutigen Bundesrepublik nichts zu tun hat.
Heute werden Schwangerschaftsabbrüche medizinisch und damit relativ sicher durchgeführt. Es droht in der Regel weder Frauen noch Ärztinnen und Ärzten eine Bestrafung. Heute gibt es ein ungleich dichteres Netz für Kinder, die nicht mehr in den Straßen verhungern wie Anfang des 20. Jahrhunderts. Es gibt ein tragfähiges Netz für Frauen. Sie haben Zugang zu Beratung und Unterstützung. Hier sind vor allem die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen zu nennen, die auf der Grundlage der Bundes- und Landesgesetze zu allen Fragen einer Schwangerschaft, nicht nur in Konfliktsituationen, umfänglich beraten. In Konfliktsituationen sind sie wertvolle Partner. Sie informieren und vermitteln Unterstützungsangebote, zum Beispiel zu Leistungen in Thüringen aus den Sozialgesetzbüchern, zu der Stiftung HandinHand, zu der Möglichkeit der vertraulichen Geburt, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie usw. Sie informieren und vermitteln gleichermaßen Unterstützung nach einem Abbruch, insbesondere im Umgang mit den psychischen Folgen, die nicht selten zeitversetzt, Jahre später auftreten.
Es gibt legale Verhütungsmöglichkeiten, medizinische Versorgung, soziale Absicherung und den straffreien Abbruch. Man könnte also meinen, es gibt bereits jetzt Recht statt Verurteilungen. Doch müssen wir uns diese Punkte im Einzelnen ansehen. Noch immer steht der Abtreibungsparagraf im Strafgesetzbuch, sind Frauen, Ärztinnen und Ärzte von Geld- und Gefängnisstrafe bedroht. Noch immer gibt es Unsicherheiten bezüglich öffentlich zulässiger Informationen über Möglichkeiten und Methoden des Abbruchs und unzulässiger Werbung, das Entscheidungsrecht der Frauen, ob und wie sie sich ihr Leben mit einem Kind vorstellen können, und zwar respektiert, nicht aber grenzenlos gewährt. Eine Konfliktberatung ist verpflichtend vor einem Abbruch vorgeschrieben.
Sicher, heute gibt es Kindergärten, in die ein Großteil der Kinder geht, Schulen, in denen häufig ein Essen angeboten wird, Kindergeld und Krankenversicherung. Vor 100 oder 150 Jahren hätten viele Frauen davon gar nicht zu träumen gewagt. Dennoch müssen wir auch heute noch Situationen bewältigen, in denen eine Schwangerschaft nicht gewollt ist, in denen Frauen sich ein Leben mit gegebenenfalls mehreren Kindern nicht vorstellen können, in denen das Armutsrisiko auch heute noch eng mit Kindern verbunden sein kann. Vor allem Alleinerziehende sind deutlich häufiger von Armut betroffen als Familien mit zwei Elternteilen. Immer
noch sind Frauen und Kinder in der gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt, weil sie sich Kultur und Freizeitangebote schlicht nicht leisten können. Noch immer ist die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine entscheidende Karrierebremse, die nur die Frauen trifft, weshalb nach wie vor viele Akademikerinnen keine oder erst relativ spät Kinder bekommen. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen wird gerade an der Stelle eingeschränkt, wenn es um Geburt und Familiengründung geht. Eine Frau, die sich gegen ein Kind entscheidet, muss entweder teure Verhütungsmittel bezahlen, findet kaum einen Arzt oder eine Ärztin, die vor ihrem 30., nicht selten sogar erst vor ihrem 35. Geburtstag eine Sterilisation durchführen würde oder unterliegt bei einer Abtreibung dem Risiko der Strafbarkeit. Sicher, diese Strafe wird nach der vorgeschriebenen Beratung nicht verhängt. Aber nach wie vor steht der § 218 im Strafgesetzbuch und manifestiert damit das grundsätzliche Verbot dieser Handlungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Androhung von Strafen hilft niemandem, wenn es um existenzielle Entscheidungen geht. Wenn wir uns die Situation der Frauen ansehen, die ihr Kind nicht bekommen wollen, müssen wir feststellen, dass es in über 90 Prozent aller Fälle soziale und nur in seltenen Fällen medizinische Gründe sind, die den Ausschlag für diese Entscheidung geben. 99.948 Schwangerschaften wurden im Jahr 2020 beendet. Das sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts 59 Abbrüche je 10.000 Frauen. 99.948 Schwangerschaftsabbrüche: Das ist eine Zahl, mit der Abtreibungsgegner gern auf die aus ihrer Sicht praktizierte Unmenschlichkeit hinweisen. Für mich aber ist diese Zahl ein gesellschaftliches Versagen. Für mich zeigt diese Zahl vor allem, wie viele Frauen sich in einer persönlichen Notlage sehen und für sich mit einem Kind keine gemeinsame Zukunft erkennen. Wer diese Zahlen nachhaltig reduzieren will, muss Maßnahmen ergreifen, die verhindern, dass Frauen durch eine Schwangerschaft in eine persönliche Notlage geraten.
Frauen müssen selbstbestimmt entscheiden können, ob sie grundsätzlich ein Leben ohne Kinder führen wollen. Dafür brauchen wir den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln. Zudem darf es nicht die Entscheidung von Ärztinnen und der Krankenversicherung sein, ob und wann ihnen eine Sterilisation zugestanden und bezahlt wird. Sicher, eine solche Entscheidung beeinflusst das zukünftige Leben der Frau grundsätzlich, aber auch die Entscheidung für oder gegen ein Kind beeinflusst das zukünftige Leben jeder Frau grundsätzlich. Frauen müssen selbstbestimmt entscheiden können, ob sie eine Schwangerschaft fortsetzen oder beenden
wollen. Das vorhandene Beratungs- und Unterstützungsnetz kann sie bei dieser Entscheidung immer noch unterstützen, Frau Meißner, auch wenn der § 218 abgeschafft wäre.
Sehr geehrte Damen und Herren, wer Abbrüche verhindern will, muss unsere Gesellschaft noch kinderfreundlicher machen, muss Armut bekämpfen, alle nur denkbaren Rahmenbedingungen verbessern, aber eben auch Frauen in ihrer Entscheidung, mit oder ohne Kind leben zu wollen, akzeptieren.
Lassen Sie uns also weiterhin den § 218 in all seinen Facetten infrage stellen. Die Forderung nach seiner Abschaffung hat nichts mit einer grundsätzlich gesellschaftlichen Ablehnung von Kindern zu tun. Es wäre fatal, das miteinander zu vermischen. Nein, bei der Neuregelung des § 218 geht es um die Akzeptanz einer selbstbestimmten Lebensführung von Frauen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich schließe den dritten Teil und rufe den vierten Teil der Aktuellen Stunde auf
d) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Versorgungsengpässe und Preisentwicklung bei Roh- und Baustoffen in Thüringen: Wirtschaftlicher Neustart mit angezogener Handbremse“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/3394 -
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Rohstoff-Rally wird zum Risikofaktor für die Thüringer Wirtschaft. Und wenn wir uns vor Augen führen, dass die Materialknappheit mittlerweile im Handwerk und in der Industrie dazu führt, dass die wirtschaftliche Corona-Erholung gefährdet ist, dann muss das das entscheidende Thema hier im Hohen Haus sein, weil Fachkräftemangel und die Frage von Material- und Rohstoffgewinnung ganz zentral sind.
Ich bin dem Wirtschaftsminister dankbar, dass er auf dieses Thema auch schon in öffentlicher Diskussion hingewiesen hat, weil es wichtig ist, dass wir dafür Sorge tragen, dass unser Handwerk und unser Mittelstand florieren. Ich habe erst in dieser Woche wieder eine E-Mail von einem betroffenen Handwerker bekommen, der mir schrieb: In einzelnen Wohnungsunternehmen haben wir schon Baustopp. Bei anderen gehen die Handwerker im Juni trotz voller Auftragsbücher wegen angekündigt fehlenden Materials in Kurzarbeit. Das Kabel wird vom Großhändler zugeteilt. Das kennen wir doch. Handwerker müssen uns Jahresrahmenverträge kündigen, weil die darin vereinbarten Preise nicht gehalten werden können. Fazit: Diese Situation behindert Investitionen und sie schadet dem Wirtschaftsstandort Thüringen. Deswegen müssen wir alles unternehmen, dass wir dort erfolgreich sind.
Baumaterialien sind knapp und teuer. Häuslebauern kann kein fester Preis mehr garantiert werden. Kaum ein Metall, was nicht mehr als 10 Prozent an Wert zugelegt hat im letzten Jahr. Wenn wir uns anschauen, allein der Kupferpreis hat sich verdoppelt. Das wirkt sich auf Baustellen, das wirkt sich auf die Automobilindustrie, das wirkt sich auf die Frage von Infrastrukturprojekten aus. Wir haben bei Eisenerz Höchstpreise, auch im Holzmarkt. „Gut Holz!“ wurde mir gerade beim Laufen hier nach vorn zugerufen. Es ist der entscheidende Punkt. Sie können es im Baumarkt merken. In den USA kann man es auch an der Holzpreisbörse ablesen. Der Preis hat sich in einem Jahr versechsfacht. In Deutschland legen Schiffe an Häfen mit deutschem Holz ab, um dann in den USA verbaut zu werden. Das kann nicht der Zustand sein. Genau aus dem Grund muss es auch für uns darum gehen, zu überlegen, was adäquate Maßnahmen sind, das kurzfristig und langfristig abzufangen. Denn der astronomische Anstieg ist ein Anzeichen für die Überhitzung der Weltwirtschaft, ist aber auch ein Zeichen dafür, dass die sinkenden Corona-Zahlen und die steigenden Impfquoten dazu führen, dass eine gewisse Öffnungseuphorie entsteht, zumindest in den Industrieländern. Genau aus dem Grund ist es richtig, diese Frage aufzuwerfen. Da gibt es keine einfachen und eindeutigen Lösungen, sondern es ist ein vielfältiger Strauß an Dingen, der da möglich ist. Es muss darum gehen, Produktionsausweitungen zu betreiben. Das Bundeswirtschaftsministerium ist gerade auch im Bereich der Halbleiterindustrie in Direktgesprächen, wenn es um Taiwan oder andere Länder geht. Aber hier vor Ort muss es natürlich auch darum gehen, Transportbeschränkungen, die
jetzt momentan durch Corona entstanden sind, wieder zu lockern, damit wir die Gelegenheit geben, Rohstoffe schneller nach Deutschland zu liefern.
Der Grundsatz ist aber die Frage, wie wir den Standort Deutschland und auch den Standort Thüringen stärken. Das bedeutet einerseits Ausweitung der Stahl- und Kunststoffproduktion. Das bedeutet andererseits, dass auch mehr Fertigung hier bei uns im Land stattfinden muss. Das ist eine ganz zentrale Frage einer modernen Wirtschaftspolitik: der Standort. Es geht um einen viel klareren industriepolitischen Fokus. Wir brauchen auch eine Thüringer Rohstoffstrategie, die einerseits darauf abzielt, Rohstoffe hier im Land zu gewinnen. Ich weiß, dass auch die Gipsabbauunternehmen mittlerweile darunter leiden. Deswegen muss es für uns auch darum gehen, dort Planungssicherheit zu gewähren, genauso wie wir andererseits auch in moderne Forschung investieren. Gipsrecycling – um beim Beispiel zu bleiben – haben wir als CDU-Fraktion auch mit in den Haushalt hineinbringen können. Ein Forschungsinstitut in Nordhausen ist auf den Weg gebracht, auch mit Bundesmitteln.
All das ist der Weg: Rohstoffe sichern und abbauen, aber andererseits auch moderne Wege des Recyclings offenlegen. Es geht um Wertschöpfung vor Ort und regionale Wertschöpfungskreisläufe. Ob Exportbeschränkungen – wie es der Wirtschaftsminister in die Runde geworfen hat – am Ende der Lösung letzter Schluss sind, lasse ich mal dahingestellt. Darüber kann man gern diskutieren. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass Lieferketten in Takt bleiben. Für uns als CDU und für uns hier im Hohen Haus muss es aber um eine simple Frage gehen: Es muss darum gehen, dass wir schnell dafür Sorge tragen, dass Rohstoffe für unsere Handwerker und für den Mittelstand verfügbar sind, weil nur das sicherstellen wird, dass wir die Corona-Erholung gemeinsam hinbekommen. Schönen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Thüringerinnen und Thüringer – insbesondere aus den betroffenen Branchen, die sich vielleicht hier im Livestream eingeschaltet haben –, Versorgungsengpässe und Preisentwicklungen bei Roh- und Baustoffen in Thüringen hat die CDU heute als Thema dieser Aktuellen Stunde angemeldet. Dieses wichtige Thema wurde auch
schon im Wirtschaftsausschuss mit Blick auf den Holzmarkt intensiv diskutiert. Wir als Linksfraktion sehen ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. Ich denke, zumindest in diesem Punkt sind wir uns einig.
Der Rohstoffmarkt wird seit Monaten durch eine dynamisch wachsende Nachfrage geprägt, die bei einem kaum veränderten Angebot die Preise stark in die Höhe treibt. Zwei Drittel der Industriebetriebe und der Bauwirtschaft sehen inzwischen in der Energie- und Rohstoffpreisentwicklung ein Risiko für ihre wirtschaftliche Gesamtentwicklung, ein Risiko für ihre Entwicklung als Firmen. Und das sind deutlich mehr als zum Jahresbeginn. Trotz voller Auftragsbücher – der Vorredner sprach es an – müssen Firmen befürchten, in den kommenden Wochen zur Kurzarbeit gezwungen zu werden. Das liegt nicht immer nur daran, dass kein Material vorhanden ist – das ist gerade bei Holz in Thüringen nicht so –, sondern weil das freie Spiel von Angebot und Nachfrage den Markt extrem verzerrt; manche fassen das auch kurz als Kapitalismus zusammen. Das Risiko, das damit die Post-Corona-Aufschwungshoffnung massiv gefährdet wird oder teilweise ganz ausfällt, wächst mit jeder Woche – ein Zustand, den wir als Linke nicht passiv hinnehmen können. Politik steht jetzt in der Verantwortung, diese Extremsituation zu regulieren, die Folgen abzumildern und Existenzen zu schützen. Das Spannende an dieser Aktuellen Stunde der CDU ist dann die Frage: Wer hat dafür hier im Landtag welche Vorschläge? Prof. Voigt sprach von schnellen Vorschlägen. Davon habe ich jetzt hier nicht so viel gehört. Allein das Warten auf den Markt, der alles wieder reguliert – wann, wie: unbekannt –, ist für uns keine Option.
Die Situation beim Holz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist inzwischen mehr als kritisch. Handwerksmeister bekommen aktuell teilweise gar keine Angebote mehr auf ihre Anfragen für Lieferungen von Leimholz oder OSB-Platten. Das ist der letzte Warnschuss. Die Hoffnung, die damit verbunden ist, ist, dass es schnelle Hilfe durch die Politik gibt. Nur einmal heute hier darüber reden, Prof. Voigt, das hilft der Bauwirtschaft in Thüringen nicht.
Wir sind der Meinung, wir sollten über konkrete Vorschläge reden. Die Forderung des Thüringer Wirtschaftsministeriums nach einer Exportbeschränkung für Holz ist nach unserer Auffassung richtig. Sie reicht aber bei weitem nicht aus, um das Problem nachhaltig in den Griff zu bekommen und für diese Defizite eine Gegenstrategie zu entwickeln. Wir wissen aus all diesen Diskussionen – auch in den letzten Monaten während der Corona-Pande
mie –, dass wir einen neuen Ansatz zur Stärkung der regionalen und Kreislaufwirtschaft brauchen. Das habe ich jetzt auch hier sehr wohl in Ihrer Rede vernommen.
Wir können uns vorstellen, dass es beim Thema „Holz“ mithilfe der Wirtschaftsförderung eine echte Chance gibt, beide Seiten zusammenzuführen. Auf der einen Seite liegt bei Holzproduzenten – einschließlich der Forstanstalt – nach wie vor viel Holz auf Lager, auf der anderen Seite suchen Firmen händeringend Holz für Baustellen. Der Flaschenhals ist aktuell die Sägeindustrie. Lassen Sie uns doch prüfen, welche Förderprogramme noch in diesem Jahr genutzt werden können, um Sägewerken oder Forsterzeugergemeinschaften anzubieten, die Verarbeitungskapazität zu erhöhen oder neu zu schaffen, um kurzfristig diese Möglichkeiten aktiv werden zu lassen. Wir sind als Linksfraktion überzeugt, dass das ein Vorschlag ist, der es wert ist, diskutiert zu werden. Das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen tun, sowohl mit den Erzeugern als auch mit dem Handwerk.
Im Ergebnis wollen wir die regionale Kreislaufwirtschaft in Thüringen stärken, um zum Beispiel die Verfügbarkeit von Holz zu verbessern, aber eben nicht nur. Das Thema „Rohstoffknappheit“ – es wurde zu Recht das Stichwort „Gips“ genannt – ist kein kurzfristiges Phänomen. Deshalb brauchen wir nachhaltige Abhilfe, und die schaffen wir nach unserer Überzeugung nur, wenn diese Lösungsansätze wie Recycling, ressourcensparendes Bauen konsequent über die Fördermittelarchitektur abgebildet werden. Mit der neuen EU-Fördermittelperiode und deren Untersetzung mit Operationellen Programmen bekommen wir eine neue Chance, diesen Problemen durch verantwortungsvolle Politik zu begegnen.
Regionales Wirtschaften, Kreislaufwirtschaft sind nicht nur extrem wichtige Aspekte bei der Rohstoffsicherung für die Thüringer Wirtschaft, sondern spart auch CO2 durch Verkürzung der Lieferketten. Zudem wird diese Art des Wirtschaftens deutlich mehr Stabilität in den Markt bringen. Das muss also in diesen neuen Operationellen Programmen, die wir jetzt in Thüringen diskutieren werden, klar angezeigt werden, dass wir dort für Kreislaufwirtschaft, für Eigenproduktion deutlich die Schwerpunkte, die Parameter vorsehen. Lassen Sie uns diese Weichen so stellen. Das wird Stabilität in die Märkte bringen. Das wäre eine ganz konkrete Antwort auf die Hilferufe aus der Thüringer Bauwirtschaft, hier im Konkreten bei Holz. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Zuhörer, Zuschauer an den Möglichkeiten, die die moderne Zeit bietet, wir erleben aktuell die ersten Lockerungen seit Monaten. Die Infektionszahlen sinken deutlich und das gesellschaftliche Leben erwacht langsam. Auch die Wirtschaft nimmt langsam wieder Fahrt auf. Die Tendenz ist am Arbeitsmarkt sichtbar. In Deutschland gab es im Mai 84.000 Menschen weniger in Arbeitslosigkeit; das sind 0,2 Prozent. Die gleiche Tendenz gibt es in Thüringen, wo knapp 3.000 Menschen wieder Arbeit gefunden haben, mehr als im April und über 5.500 Menschen zum Vorjahr.
Aber ausruhen dürfen wir uns auf diesen Schritten nicht. Vieles ist ein Rückholeffekt. Insofern bin ich Kollegen Dr. Voigt sehr dankbar, dass wir über dieses Thema sprechen, denn hier – auch nach zwei Beiträgen – sieht man die Trennlinie, die uns umgibt, wie wir denn zu diesem Neustart zügig, verantwortungsbewusst und nachhaltig kommen. Da sind Unterschiede, wie man den Reden meiner Kollegen entnehmen kann. Viele Volkswirtschaften auf der Welt laufen deutlich besser, deutlich intensiver wieder an, als es in Deutschland passiert. China, USA boomen – das ist Teil des Problems – und in Deutschland diskutieren wir weiterhin über eine Homeofficepflicht. Ich glaube, das ist das falsche Zeichen. Preise entstehen in der sozialen Marktwirtschaft und auf den Weltmärkten durch Angebot und Nachfrage. Deshalb, Herr Tiefensee, finde ich die Idee, jetzt mit einem Thüringer Exportstopp den Weltmarkt zu beeinflussen, schwierig.