Ich habe von vielen Rednerinnen und Rednern gehört, dass es um die STIKO geht. Die STIKO wird in den nächsten zehn Tagen eine Empfehlung geben. Sie hat noch keine Empfehlung abgegeben. Es gibt Andeutungen, was sie empfehlen wird. Aber was sie konkret sagen wird, weiß niemand. Ich weiß es nicht, Sie wissen es auch nicht. Sie haben hier Verschiedenes behauptet. Aber das ist nicht Fakt. Deswegen kann ich nur eins sagen: Warten wir mal ab, was die Ständige Impfkommission ganz konkret empfehlen wird. Sie analysiert, wird Daten deutschlandweit und weltweit vergleichen und dann ihre Aussagen treffen. Ich kann aber sagen, wenn die STIKO eine Empfehlung ausspricht, ob zurückhaltend oder klar befürwortend, heißt das noch lange nicht, dass es entweder ein klares „Go“ oder ein klares „Nein“, ein klares „No“ für das Impfen gibt. Das ist immer noch eine Empfehlung, die freie Entscheidung. Die Kolleginnen und Kollegen sind im Einzelnen darauf eingegangen.
Was folgt daraus? Daraus folgt, dass wir uns entscheiden müssen. Sowohl wir in der Politik, aber auch jede einzelne Familie muss sich entscheiden, welchen Weg sie geht. Ich kann nur wiederholen, wie verschiedene Rednerinnen und Redner das hier auch getan haben: Es geht um ein Impfangebot an die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien. Ich denke, das Signal aus diesem Hohen Haus kann sein: Ja, liebe Familien, beredet die Sache, entscheidet euch bewusst für eine Impfung, um dann auch dazu beizutragen, dass der Einzelne, die Familien und auch die Gesellschaft insgesamt geschützt werden. Empfiehlt die STIKO etwas nicht, ist das also dann nicht empfehlenswert? Nein, das ist nicht die richtige Schlussfolgerung. Sondern die Schlussfolgerung ist, dass man sich dann mit diesem Angebot auseinandersetzt und das auch ganz konkret annimmt. Allen 12- bis 18Jährigen sollte ein entsprechendes Impfangebot gemacht werden. Ich bin der Überzeugung, das ist der richtige Weg, dass wir bis Ende August genau dieses Impfangebot machen können.
Deswegen will ich hier nochmal betonen: Haben wir etwa vergessen, was in den vergangenen 15 Monaten passiert ist? Also ich stelle immer wieder fest, dass wir eine tagesaktuelle Diskussion führen. Das ist ja auch richtig. Aber haben wir vergessen, wie lange uns hohe Infektionszahlen so dramatisch eingeschränkt haben? Thüringen war lange Zeit das Land mit der höchsten Inzidenz in Deutschland. Haben Sie das alle schon wieder vergessen? Haben wir vergessen, wie die Überlastung der Kliniken aussah – eigentlich sind wir gerade noch so vorbeigeschrammt, auch wenn Patientinnen und Patienten verlegt werden mussten. Haben wir vergessen, wie viele an und mit Corona verstorben sind, wie viele Sorgen und Nöte die Einschränkungen für Familien gebracht haben? Haben wir vergessen, wie oft es hieß, lasst die Schulen und die Kindergärten zu, denn die Kinder sind gefährlich?
Die Kinder sind gefährlich – diese pauschale Aussage hat mich als Bildungsminister oft erschreckt. Und ich bin mir sicher, bei vielen Kindern ist diese Aussage auch genauso angekommen: Ihr seid gefährlich! – Wir haben gemeinsam in der Landesregierung anders gehandelt. Wir haben uns darüber verständigt und wir haben genau diese Maxime „Ihr seid gefährlich“ nicht zu unserer Maxime gemacht. Wir haben natürlich geschaut, wie das Infektionsgeschehen sich entwickelt, wir haben beobachtet, wir haben abgewogen. Und auch die Landrätinnen und Landräte, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister haben abgewogen, was geht und was nicht geht. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, es war richtig, dass wir zu regionalen Entscheidungen gekommen sind, als die Inzidenz über 150
stieg und dann vor Ort die Entscheidungen getroffen worden sind. Die Bundesnotbremse hat dann dieses Verfahren beendet. Wir haben ein gutes Verfahren entwickelt, um zwischen Gesundheitsschutz und Bildung genau abzuwägen, um das alles unter einen Hut zu bringen.
Meine Damen und Herren, wir sollten jetzt wirklich alles dafür tun, damit Kinder und Jugendliche geimpft werden können. Das ist meine Überzeugung, dafür trete ich ein. Alles andere ist für mich nicht akzeptabel.
Herr Wolf ist schon auf die COSMO-Studie eingegangen, auf die will ich jetzt nicht weiter fokussieren. Mir ist aber Folgendes noch mal wichtig: Die Kinder und Jugendlichen – das zeigt genau diese Studie – wissen, dass die Impfung der Weg aus der Pandemie ist. Sie wissen, dass unter dem Damoklesschwert eines gefährlichen Virus, der dazu noch mutiert, kein verlässlicher Alltag zu organisieren ist. Sie wissen, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten müssen, dass die eine Bevölkerungsgruppe die andere schützen muss. Sie wissen, dass es Oma und Opa waren, die in Gefahr schwebten, dass es die Mama oder der Papa mit Vorerkrankungen war, die oder der besonderes gefährdet war. Sie wissen, dass es auch manche ihrer Freundinnen und Freunde und ihrer Schulkameradinnen und Schulkameraden treffen kann. Das ist zwar selten der Fall, aber auch das gibt es. Und sie wissen, dass es nur das Impfen ist, was die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Krankheitsverlaufs über einen längeren Zeitraum senkt. Viele Kinder und Jugendliche wissen das. Trotzdem – ja, trotzdem – muss aufgeklärt, beraten werden, um eine bewusste Entscheidung in den Familien treffen zu können.
Unsere Kinder haben ihren Beitrag geleistet: Sie haben verzichtet, um andere zu schützen, sie haben entbehrt, sie haben Stress auf sich genommen, sie haben Einschnitte und auch Not erlebt. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass es jetzt nur fair und gerecht ist, die Solidarität der Gesellschaft genau auf diese Gruppe, auf die Kinder und Jugendlichen, zu richten. Wer als Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen das schnelle Impfangebot nicht geben möchte, der hat entweder überhaupt kein Konzept, wie er die Pandemie bewältigen möchte, oder nimmt billigend in Kauf, dass es in dieser Bevölkerungsgruppe still und heimlich zur Durchseuchung kommt, also zu einem völlig unkontrollierbaren Effekt.
Ich möchte ganz deutlich sagen: Es ist meine feste Überzeugung, allein auf die Durchseuchung unserer Kinder zu setzen, ist keine tragfähige Strategie. Die Wissenschaft hat diesen Impfstoff für Kinder
entwickelt. Der Impfstoff für die Kleineren wird ebenfalls entwickelt. Ich vertraue der Wissenschaft. Deswegen glaube ich, ist es richtig, zu impfen, um das Virus auszutrocknen, es von den Infektionsmöglichkeiten und damit auch von den Mutationsmöglichkeiten abzuschneiden.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend zum Ausdruck bringen, dass ich mich als Bildungsminister zuvorderst immer für die Interessen der Kinder und Jugendlichen eingesetzt habe. Aber es galt abzuwägen, welches Recht – das Recht auf Gesundheitsschutz oder das Recht auf Bildung – die Priorität hat. Das ist das, was uns in den letzten 15 Monaten begleitet hat, was zu den Diskussionen geführt hat, die nachvollziehbar sind. Am Ende ging es darum, zu entscheiden. Ich möchte nicht in eine Situation kommen, dass der Schulbetrieb oder der Kindergartenbetrieb durch Virusmutationen beeinträchtigt wird, dass Schulen und Kindergärten wieder geschlossen werden müssen und dass Mutationen eine solche Wirkung auf die Kinder haben, dass sich das Virus rasant verbreitet und möglicherweise Kinder ernsthaft und mehr erkranken, als wir zurzeit statistisch feststellen müssen. Das muss verhindert werden. Dazu brauchen wir den Impfschutz, freiwillig. Deswegen brauchen wir eine Bundesregierung, die ihre Ankündigung und ihr Versprechen einhält. Wenn versprochen wird, dass es zusätzlichen Impfstoff gibt, dann muss es diesen zusätzlichen Impfstoff geben.
Wir haben, meine Damen und Herren, den Impfgipfel durchgeführt, um uns auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass sich Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahre impfen lassen können. Das war eine gute Entscheidung. Wir haben mit den Beteiligten Verabredungen getroffen. Wir stehen in den Startlöchern, wir stehen mit den Beteiligten in den Startlöchern. So können wir verantwortungsbewusst agieren, in die Zukunft schauen. Wir können Kindern und Jugendlichen eine optimistische Aussicht geben, dass Kindergarten, Schule, ihr Alltag in der Familie, in der Freizeit, im Sport, in der Musik, in der Kultur und sonst wo wieder gut funktionieren kann. Deswegen halte ich das Impfen für so wichtig, nicht nur wegen des Schutzes unter uns allen, sondern auch für eine gute Entwicklung der Kinder in Thüringen. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Minister. Da die Landesregierung deutlich über die 10 Minuten gekommen ist, haben alle Fraktionen zusätzlich 2 Minuten. Gibt es noch weitere Wortmeldungen? Herr Jankowski.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Holter, ich finde es sehr interessant, dass Sie immer wieder sagen, dass wir nur Verschwörungstheorien verbreiten würden, zum Beispiel zu dem Impfwahnsinn. Da möchte ich ganz klar sagen: Kennen Sie eigentlich die Verordnung? Die Verordnung müssten Sie kennen. Das Konzept heißt „Flächendeckendes Angebot zur SARS-Cov-2-Impfung […] an Jugendliche“. Das ist wohl letzte Woche vom Gesundheitsministerium und Ihrem Haus vorgestellt worden. Da können Sie auf Seite 3 gucken. Da haben Sie einen schönen Passus. Ich darf zitieren: „[…] Aufklärung auch darüber, ob und ggf. unter welchen Umständen eine minderjährige Person auch ohne Einwilligung der Eltern auf eigenen Wunsch geimpft werden kann.“ Natürlich wird man da hellhörig, wenn man so etwas hört, denn Sie spielen unter Umständen die Kinder gegen die Eltern aus.
Wir wissen doch, wie so etwas läuft. Sie kennen doch Ihre Kampagne. Dann wird in den Schulen gesagt: Denn wenn ihr euch nicht impfen lasst, dann sterben die Großeltern – usw. Dann wird sozialer Druck aufgebaut, dann hat man den Gruppenzwang. Dann ist wirklich die Frage: Wie freiwillig ist denn das Ganze noch? Wir wissen doch bei allen Corona-Maßnahmen, dass es immer erst langsam eingeführt wurde. Wir hatten zunächst die freiwilligen Tests an den Schulen; zappzarapp waren es verpflichtende Tests. Natürlich ist man da besorgt, dass auch diese Impfung vielleicht irgendwann mal verpflichtend sein könnte.
Wir haben es doch überall im Leben. Natürlich haben wir die Impfpflicht momentan nicht, aber wenn ich nicht geimpft werden kann, habe ich andere Nachteile. Ich kann nicht in die Gastronomie gehen, ich kann nicht in den Einzelhandel gehen usw. Also man hat de facto eine Impfpflicht. Das ist genau das Problem. Und das, sagen wir ganz klar, möchten wir an den Schulen definitiv nicht haben.
Mit solchen Paragraphen oder mit solchen Formulierungen, wie sie hier in diesem flächendeckenden Angebot für die Impfungen vorgestellt werden, ist natürlich die Besorgnis da, dass Sie am Ende die
Eltern gegen die Schüler ausspielen, dass am Ende eine Kampagne gefahren wird, wo den Kindern Angst gemacht wird und sie schreiend nach außen rennen und sich im Zweifelsfall gleich impfen lassen wollen, auch gegen den Willen der Eltern. Das darf nicht passieren und dagegen werden wir uns entschieden einsetzen. Vielen Dank.
Herr Jankowski, und wieder würde man sich wünschen, Sie hätten sich mal ein bisschen informiert. Die Frage, ob ich mich ohne Einwilligung der Eltern als Minderjähriger impfen kann, die ist doch nicht erst seit Corona interessant. Die gibt es spätestens seit der Einführung der HPV-Impfung. Da gibt es nämlich für junge Mädchen die Empfehlung, am besten vor dem ersten sexuellen Kontakt sich impfen zu lassen. Und natürlich möchten viele Mädchen nicht unbedingt mit ihren Eltern das vorher ausdiskutieren.
Deswegen gibt es für sie die Möglichkeit, sich gegen HPV impfen zu lassen, auch wenn sie a) minderjährig sind und b) die Eltern nicht einwilligen. Die Kinder und Jugendlichen sind ab einem gewissen Alter einfach mal geschäftsfähig – eingeschränkt – und das gilt auch für solche Entscheidungen. Herr Jankowski, das ist doch kein Skandal. Das ist normal. Wenn die Kinder das Recht haben, sich auch ohne ihre Eltern zu entscheiden,
dann gehört es dazu, dass sie über dieses Recht informiert werden. Keiner sagt, dass die 12-Jährigen das dürfen. Das hat Herr Holter nicht gesagt. Er hat nicht gesagt, die 12-Jährigen können losgehen und sich impfen lassen – die 14-Jährigen und die 16-Jährigen gegebenenfalls aber schon und deswegen eine Information über die Rechte, auch die Information darüber, dass beispielsweise die 12-Jährigen die Einwilligung ihrer Eltern brauchen.
Auch das gehört zur Information dazu, Herr Jankowski. Immer das Negative anzunehmen und immer das zu unterstellen, genau das zeichnet die
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es hat mich noch mal hier vorgetrieben. Wenn aus einer Empfehlung der Landesregierung zitiert wird, dann muss man auch die Grundlagen kennen, Herr Jankowski. Die kennen Sie offensichtlich nicht. Ich zitiere jetzt noch mal die COSMO-Studie, und zwar die Empfehlung für die Impfung der jungen Menschen – sehr geehrte Frau Präsidentin, ich zitiere –: „Kinderimpfungen gegen COVID-19 sollten mit einfach verfügbaren und gut verständlichen Informationen unterstützt werden. Aus der vorigen Befragung wissen wir, dass Eltern besonders Informationen zur Sicherheit und Risiken der Impfung wichtig sind sowie über Krankheitsrisiken und den Schutz anderer […]. Um die Interessen der Kinder zu bedienen sollte das Material auch Informationen über die Rückkehr zum Alltag beinhalten. Dies betrifft auch den Umgang Geimpfter miteinander […].“ usw. Lesen Sie es, begreifen Sie es, wenn Sie es überhaupt können. Vielen Dank.
Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit würde ich jetzt den fünften Teil der Aktuellen Stunde schließen und in die Lüftungspause eintreten. Wir treffen uns hier wieder um 18.38 Uhr zum letzten Teil der Aktuellen Stunde. Der erste Redner ist dann Abgeordneter Kemmerich für die FDP-Fraktion.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir würden dann fortfahren. Ich rufe auf den sechsten Teil der Aktuellen Stunde
f) auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Neustart der Thüringer Wirtschaft beginnt in den Köpfen: Gründergeist im Freistaat nutzen.“
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kollegen Abgeordneten, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zeit für einen Neustart der Thüringer Wirtschaft ist gekommen, die Inzidenzwerte verbessern sich zusehends. Die Normalisierung vor Augen müssen wir jetzt den Neustart für den Wirtschaftsstandort Thüringen vornehmen, letztlich natürlich für ganz Deutschland. Heute schon an morgen denken, Stärkung der Gründerkultur durch zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik. Existenzgründer beleben den Wettbewerb und halten so den Effizienzdruck auf etablierte Unternehmen hoch. Durch die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen unterstützen sie den dringend notwendigen strukturellen und technologischen Wandel. Gründer spielen eine wichtige Rolle für Wachstum, Beschäftigung und die Zukunftsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft.
Die Gründungstätigkeit in Deutschland und auch in Thüringen ist im Jahr 2020 zurückgegangen. Nicht verwunderlich, denn mit dem ersten Shutdown im Frühjahr 2020 wurde klar, dass die Pandemiebekämpfung harte und wenig planbare Maßnahmen verlangt hat. Das hat die Unsicherheit massiv erhöht, deshalb wurden viele Gründungen natürlich erst mal verschoben. Nun ist es aber Auftrag der Politik, wieder Mut zum Risiko zu belohnen und es denen, die zukünftig Arbeitsplätze von morgen schaffen, einfach zu machen. Potenzielle Gründer benötigen ebenso wie Unternehmensnachfolger einen verlässlichen Handlungsrahmen, und da ist zunächst die Vereinfachung von Verwaltungsdienstleistungen zu nennen. Stoppen wir endlich den Behördenmarathon, sei es beim Gründen, sei es beim Übernehmen! Bis zu 75 Tage dauern Behördengänge, die der Unternehmensgründer zurzeit in Deutschland absolvieren muss; Thüringen ist dort nicht besser. Leider ist es immer noch Realität, dass die Gründer in den USA in der Garage gründen, die Gründer in Deutschland, in Thüringen auf dem Amt.
Lassen Sie uns endlich oft im Wahlprogramm stehende Nonstop-Shops und effektive Anmeldeverfahren etablieren. Hier gibt es Länder, die uns da