Protokoll der Sitzung vom 02.06.2021

sehr weit voraus sind, das sollten wir uns in Thüringen als Benchmark nehmen.

Unternehmensnachfolgen: Lassen Sie uns endlich dazu übergehen, auch hier mit Bestandsschutz zu arbeiten, Vertrauen zu schaffen in das Werk der Eltern, auch für die Behörden zu schaffen, denn es schreckt einfach die Übernehmer ab, wenn sie an dem Punkt der Übernahme vor zwei Entscheidungen stehen: Entweder wird das Lebenswerk des Vorgängers nahezu wertlos durch die Zukunftsinvestitionen, die zu tätigen sind, oder die Zukunftsinvestition wird fast unmöglich, weil nicht bezahlbar. Deshalb ist die Bestandsschutzgarantie bei Betriebsübernahmen ganz wichtig.

(Beifall FDP)

Lukratives erstes Jahr – wir nennen es gern „Welpenschutz“ –: Auch hier sollten wir uns mal einen Ruck geben und den Unternehmensgründern vertrauen, dass sie selbstverständlich die Vorschriften einhalten. Aber als Erstes sollte stehen, die Idee zu entwickeln und nicht Bürokratie zu befriedigen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Vorsicht!)

Man muss auch loben, was in Thüringen passiert:

Herr Minister Tiefensee, in dieser Woche wurde das Quantum Hub in Thüringen gegründet – tolle Sache, wirklich Gratulation. Die bm-t macht einen sehr guten Job. Sicherlich kann man das alles noch verstärken. Die einzige Kritik, die ich bei der bm-t habe: Das weiß nicht ganz Deutschland. Vielleicht würden noch ein paar Gründer nach Thüringen gelockt werden, weil wir da wirklich ein sehr gutes Angebot haben.

(Beifall FDP)

An den Universitäten, denke ich, brauchen wir mehr Gründerwerkstatt, noch mehr Gründerwerkstatt. Ich weiß, jeder hat einen Gründungslotsen an den Universitäten. Ich weiß, das sind auch sehr engagierte Menschen, die diesen Job ausfüllen, aber oftmals fehlt denen die Vernetzung mit der Wirtschaft, weil sie doch eher aus dem universitären Betrieb kommen und die Nahtstellen zur Wirtschaft nicht mit sich bringen. Das ist kein Vorwurf an diejenigen, die es machen, aber im angelsächsischen Raum, in den USA, in Amerika und in England, kommen sie mehr aus den Netzwerkfamilien. Das sind fast kleine Start-ups, die sicherlich auch gegen Provision arbeiten. Das muss man einfach noch mehr der Marktwirtschaft – dem schlimmen Wettbewerb – öffnen. Aber hier sollte jeder Interesse haben, dass die tollen Ideen, die wir auch an den Thüringer Universitäten gründen, schnell zur Marktreife entwickelt werden, um hier mit neuen Ideen, neuen Pro

(Vizepräsidentin Henfling)

dukten, neuen Dienstleistungen für die Zukunft neue Marktführer aufzubauen. Wir merken, in vielen Bereichen haben wir Krisensituationen. Die werden jetzt durch die Pandemie noch wie durch ein Brennglas verstärkt. Da wird es höchste Zeit, dass wir wieder Produkte entwickeln, die als „Made in Thüringen“, „Made in Germany“ auf dem Weltmarkt bestehen können. Wir haben auch in unserem Land viele Hidden Champions. Auch die brauchen eine Zukunft. Deshalb heute schon an morgen denken und die Weichen in die Zukunft derart stellen, dass wir hier wettbewerbsfähig bleiben.

(Beifall FDP)

Ideen gibt es genug. Drei habe ich hier kurz angerissen. Wir haben weitere Anträge für das Plenum vorbereitet. Wir werden sie demnächst sicherlich auch diskutieren. Statt Lastenräder anzupreisen...

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kemmerich.

Lassen Sie mich das mit den Lastenfahrrädern noch bringen.

Nein, eigentlich ist Ihre Redezeit zu Ende.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir da nicht die falsche Priorität setzen, sondern tatsächlich auf Innovation. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt Abgeordneter Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Gäste, die Thüringer Wirtschaft braucht keinen allgemeinen Neustart. Weite Bereiche haben zum Glück auch unter den Bedingungen der Pandemie gut und solide weiterarbeiten können, teilweise sogar mit besseren Ergebnissen als in den Jahren zuvor. Dennoch, den Gründergeist im Freistaat zu nutzen, ist nie falsch und es gibt dazu sicherlich auch keinen falschen Zeitpunkt. So weit gehe ich bei dem Antrag der FDP mit.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor ein paar Tagen forderte die FDP bereits in einer Pressemitteilung, dass Thüringen eine zentrale Anlaufstelle für Nachfolgerinnen bräuchte. Konsequenterweise folgt nun daraus die Aktuelle Stunde zu den Gründerinnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Schöne daran ist, eine solche Stelle haben wir bereits in Thüringen: das ThEx. Also das Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum ist die Thüringer Agentur und zentrale Anlaufstelle, die sich einerseits um Gründerinnen, aber eben auch um Nachfolgerinnen kümmert. Warum möchte die FDP nun ein Problem lösen, das es als Struktur nicht gibt? Nun will ich niemanden mit diesem Drang aufhalten, aber wenn es das ist, was die FDP-Fraktion unter Tempo für Thüringen versteht, dann steht der MacLaren als Zeitmaschine wahrscheinlich schon vollgetankt vor der Tür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem grünen Lastenrad werden Sie das nie schaffen.

Allein einen Blick auf die Internetseite des ThEx werfen und dann sehe ich, dass die Angebote sich an der aktuellen Diskussion jenseits der FDP orientieren. Denn momentan geht es bundesweit darum, für Migrantinnen, die oftmals ein anderes Risikoverständnis beim Gründen haben, die notwendigen Hilfestellungen zu geben. Oder das Thema „ECommerce“, denn durch die Verlagerung des Handels ins Internet ist das für viele Gründerinnen wie Nachfolgerinnen eine dauerhafte Option geworden. Allerdings werden auch die klassischen Themen angeboten, wie Nachfolgegründerinnen bei Betriebsübernahmen, ein Thema, dem wir uns stellen müssen, um die Vielzahl von Betriebsübergängen zu organisieren und hier Hilfestellungen richtig zu platzieren. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass die Thüringer Gründerinnen im Vergleich mit anderen Bundesländern wirklich gut dastehen. Beispielsweise kürt das Magazin „Top 50 Start-ups“ seit 2015 die erfolgreichsten neuen Unternehmen. Zuletzt belegen drei Thüringer, nämlich die SPACEOPTIX GmbH, die rooom AG und die Polytives GmbH die Plätze 6, 11 und 15. Das bedeutet nicht, dass wir uns hier im Freistaat ausruhen können, aber wir wissen damit auch, dass unsere Gründerinnen-Förderung richtig konzipiert ist und dort ansetzt, wo sie auch gebraucht wird.

Mit dem System der Gründerlotsen in Thüringen sind wir bisher einen guten und erfolgreichen Weg gegangen. Für besonders innovative Gründerinnen gibt es außerdem das Inkubator- und AcceleratorProgramm in Thüringen, das wiederum vom ThEx

(Abg. Kemmerich)

innovativ in Kooperation mit beispielsweise Ernst & Young betrieben wird. Auch die wirtschaftsnahen Forschungsinstitute FTVT haben mit „Get started 2gether“ seit mehreren Jahren ein Instrument, um Start-ups in einem Wettbewerb noch einmal speziell und zielgerecht zu fördern. Dieser Accelerator besteht schon, da hatten andere noch keine Ahnung davon, was überhaupt ein Accelerator-Programm ist.

Liebe Kollegeninnen der FDP, Sie sehen, wir haben schon vor geraumer Zeit die Weichen für Innovation, Start-up-Förderung oder Nachfolgerinnen-Förderung gestellt und somit möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für die Aktuelle Stunde bedanken, denn sie gab uns die Möglichkeit, noch einmal auf die vielfältigen Angebote des Freistaats hinzuweisen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächstes erhält das Wort Abgeordneter Henkel für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Abgeordnete, mit dem Gründergeist hat die FDP ein Thema in den Mittelpunkt gestellt, das uns als CDU ebenfalls sehr am Herzen liegt. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Befassung mit diesem Thema.

(Beifall FDP)

Fakt ist doch eins, entsprechend der amtlichen Gewerbeanzeigestatistik wurde im Zeitraum von 2011 bis 2020 deutschlandweit ein Rückgang der Gewerbeanmeldungen von insgesamt 19,8 Prozent verzeichnet. In Thüringen fiel dieser Rückgang ganz besonders deutlich aus. Mit minus 33,1 Prozent verzeichnet Thüringen den deutschlandweit zweithöchsten Rückgang bei den Gewerbeanmeldungen in den letzten zehn Jahren.

(Beifall FDP)

Hinzu kommt, dass nicht alle Unternehmen einen Neustart nach Corona erleben werden, es wird Insolvenzen geben. Manche Händler werden einfach nicht mehr öffnen. Gerade in diesen schwierigen Zeiten braucht es mutige Menschen, die Verantwortung übernehmen und vorangehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Thüringens wertvollste Ressource sind die Menschen und ihre Ideen.

(Beifall FDP)

Für Innovationskraft sorgt eine lebendige Start-upSzene einerseits und ein gesunder Mittelstand andererseits. Gründungen müssen vereinfacht und die Lust am Gründen geweckt werden. Die Themen „Selbstständigkeit“ und „Unternehmertum“ sollten auch an Schulen und in Universitäten eine Rolle spielen durch Seminare, durch Werkstätten und durch Behandlung im Unterricht. Ein besonders wichtiger Punkt ist, wir müssen ein positives Bild von Unternehmen etablieren. Unternehmer sind Fachkräfte mit hoher Bedeutung für die Gesellschaft und das sollte sich auch in mehr gesellschaftlicher Wertschätzung widerspiegeln.

Doch leider herrscht in Teilen der regierungstragenden Fraktionen ein ganz anderes Bild vom Unternehmer vor, nämlich das des bösen Ausbeuters. Meine Damen und Herren, dem werden wir entschieden entgegentreten. Wir haben bereits im vergangenen Jahr im Haushalt Maßnahmen zur Förderung von Gründungen mit eingebracht, Unternehmergymnasium, Jugend-Unternehmenswerkstätten und auch die Meistergründungsprämie. Dabei soll Meistern der Weg in die Selbstständigkeit durch eigenständige Prämien dauerhaft ermöglicht werden. Minister Tiefensee hat in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses angekündigt, dass es beim vorgesehenen Zeitplan bleiben wird und die abgestimmte Richtlinie Ende Juni veröffentlicht werden soll. Als CDU sind wir froh darüber, denn dieses Programm war uns ein Bedürfnis gewesen. Denn es ist sowohl Starthilfe und auch als Anerkennung für die Bedeutung der beruflichen Bildungslaufbahnen notwendig. Eine Karriere mit der Ausbildung zu beginnen, sollte gesellschaftlich den gleichen Stellenwert haben wie ein Studium, denn unser Land braucht beides.

Sehr geehrte Damen und Herren, Gründer brauchen sowohl finanzielle Mittel als auch regulatorische Freiräume. Wir sollten in Thüringen für beides sorgen. Wir brauchen mehr staatliches wie auch privates Wagniskapital zur Förderung von Unternehmensgründungen und -erweiterungen. Zudem brauchen wir in Thüringen deregulierende Erprobungsräume, insbesondere, damit digitale Geschäftsmodelle nicht voreilig eine Absage erhalten werden – wie so oft. Beim Thema „Regulierung“ kommen wir gar nicht umhin, festzustellen, dass diese Landesregierung regelmäßig das Gegenteil tut: mehr Bürokratie, mehr Gängeleien, mehr Einschränkungen. Das muss aufhören! Wir brauchen weniger Vorschriften und mehr Freiheit für Unternehmen und nicht umgekehrt. Da muss ich fragen: Warum werden die Unternehmen von dieser Landesregierung mit immer neuen Vorschriften und Bürokratie belastet? Die Antwort ist klar: Es liegt am Unternehmerbild. Das Unternehmerbild wesentli

(Abg. Müller)

cher Teile der Regierungsparteien – nicht aller drei Parteien zwar, aber doch wesentlicher Teile – ist geprägt von Misstrauen und Vorbehalten und nicht von Wertschätzung. Es ist dieses grundsätzliche Misstrauen, das Sie zu immer neuen Kontroll- und Gängelvorschriften veranlasst. Ein konkretes Beispiel ist das mit vergabefremden Kriterien überladene Vergabegesetz. Wir werden morgen darüber diskutieren. Es ist notwendig, dass hier nachjustiert wird. Allein im Wettbewerb zu anderen Bundesländern muss da was passieren. Denn wenn wir das so belassen, wie es jetzt ist, wird Thüringen weiter den Anschluss verlieren.

Sehr geehrte Abgeordnete, lassen sie mich noch einen Blick auf die Situation mit Corona werfen. Wer durch Corona seine Soloselbstständigkeit oder sein kleines Unternehmen aufgeben musste, der sollte auch die Chance zur Rückkehr haben, und zwar unbürokratisch und ohne lange Genehmigungsverfahren. Es darf nicht sein, dass wir die wirtschaftliche Wiederbelebung in Thüringen verschlafen, weil wir erst noch einen Papierkrieg gewinnen wollen. Wir brauchen weniger Bürokratie, mehr Mut und mehr Unternehmergeist. Darauf wird es ankommen, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall CDU, FDP)

Für die Fraktion Die Linke erhält jetzt der Abgeordnete Schubert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen und alle Interessierten an den Bildschirmen! Herr Kollege Henkel, wer sich darüber beschwert, dass Klischees den Blick auf das Wesentliche verstellen, sollte nicht ständig neue produzieren. Deswegen kann ich sozusagen nur davor warnen, wieder Klischees einzuführen, was die Sichtweise der Landesregierung auf Unternehmer und Unternehmen anbelangt, die mit nichts, aber auch gar nichts belegt werden. Es ist ja ein bisschen lustig gewesen, dass man sich selbst im Wirtschaftsausschuss wundert, dass sich Die Linke auch mit Businessplänen beschäftigt. Vielleicht sollten Sie da noch mal ihre eigenen Klischees überprüfen.

Die Begründung zur Aktuellen Stunde, die die FDPFraktion hier initiiert hat, thematisiert einmal mehr vermeintliche Defizite und Probleme die Thüringer Wirtschaft betreffend. Ohne auch hier die Weisheit infrage zu stellen, dass das Bessere der Feind des Guten ist, seien zwei Vorbemerkungen grundsätzlicher Natur gestattet. Wirtschaft, auch in Thüringen,

braucht Verlässlichkeit, auch und gerade in der Politik, die die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setzt. Das lernt man eigentlich überall, Herr Kemmerich, vielleicht haben Sie das aber erfolgreich verdrängt. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich jemals selbst gefragt haben, wie groß der Beitrag für politische Stabilität in Thüringen durch die FDPFraktion im Thüringer Landtag, der Sie ja vorsitzen, Herr Kemmerich, tatsächlich hätte sein können. Stichwort: 5. Februar 2020. Nur Sprüche klopfen allein ist eben zu wenig.

Zweitens ist festzustellen, dass es in der gesamten Zeit der Pandemiebekämpfung, seit letztem Jahr, seit März vergangenen Jahres, eine außerordentlich engagierte und mit dem Wissen von heute auch sehr erfolgreiche Arbeit gegeben hat, die Pandemiefolgen auch für die Wirtschaft in Thüringen und damit für die Arbeitsplätze zu minimieren. Es wurden auch Dank der Thüringer Bausteine im Hilfsprogramm Existenzen geschützt und

Entschuldigung, Herr Abgeordneter Schubert. Darf ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe im Saal bitten?