Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

Ich möchte einige Zuschriften zitieren, damit Sie einen Eindruck bekommen, was es an Auswirkungen gab, zum Beispiel von der Marie-Seebach-Stiftung Weimar – Zitat –: „Ein relativ kurzer Lockdown in einem Teil des Heimes hat erneut zu einer sichtbaren Unterversorgung der Pflegebedürftigen mit sinnstiftenden Angeboten geführt. Jede ‚Absonderung‘, einzeln oder etagenweise, jedes Besuchsverbot bringt eine essentielle Unterversorgung mit sich, die viel weniger beachtet wird als die rein physischen Elemente des sogenannten ‚täglichen Lebens‘. Menschen in Absonderung oder mit Besuchsverbot, einzeln oder in Gruppen, leiden extrem unter dieser Isolation. Diese Vereinsamung wirkt sich psychisch und physisch aus, z.B. sichtbar durch Bewegungsmangel, Appetitlosigkeit, allgemeine Schwäche, depressive Stimmungslage, Resignation. Ein Mensch in Absonderung wird zusätzlich zu hygienisch notwendigen Trennungen auch sonst gemieden, im Tagesablauf ‚rationalisiert‘, die Häufigkeit an Begegnung, Gespräch und Beziehung sinkt. Ohne das restlos beweisen zu können, erhöht dieser Prozess möglicherweise sogar die Sterberate. Auch Mitarbeiter erleben Angst, Anspannung, Schlafmangel, Sorge um die eigene Familie, Zweifel an der Fähigkeit, die Situation zu meistern usw. Die Phase solcher Erlebnisse dauert nun bereits rund 20 Monate.“ – Die Zuschrift stammt aus dem November 2021. – „Die Fokussierung auf eine Impfpflicht für die Berufsgruppe als ‚einzige Lösung‘ der Krise könnte den negativen Druck erhöhen. Anstelle der ‚moralischen Keule‘ vermisse ich“ – also aus Sicht der Stiftung geschrieben – „wirkliche Aktivitäten der wissenschaftlich fundierten Aufklärung des Personals durch die Politik.“

Auch andere Zuschriften belegen diesen Eindruck, beispielsweise die Alzheimer Gesellschaft Thüringen: „[...] aus unserer Sicht haben gerade Demenzkranke unter fehlenden Kontakten sehr gelitten, – sie benötigen vor allem Kontakte auf emotionaler Ebene mit Angehörigen, – es wurden sogar Ehepaare monatelang getrennt, – in der Sterbephase war eine Begleitung in vielen Fällen nicht möglich.“ Und jetzt am Ende: „Aus unserer Sicht/den Rückmeldungen aus unseren Beratungen [...] haben die Besuchsbegrenzungen sehr zur Einsamkeit beigetragen. Bedauerlicherweise tun sie das immer noch:“ – wie gesagt, aus dem November 2021 – „Konkretes Bsp.: (Erfurt): Mutter zweifach geimpft im Pflegeheim, Tochter, 3-fach geimpft. Trotzdem durfte die Tochter ihre Mutter nicht besuchen.“

(Abg. Eger)

Diese schrecklichen Schicksale haben die Coronamaßnahmen verursacht und darum lehnen wir sie vollumfänglich auch für die Zukunft ab, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Und weil das für uns in der Coronaphase schon sehr früh erkennbar war, was hier in die falsche Richtung geht, haben wir bereits am 4. November 2020 unseren Antrag „Vereinsamung und Erkrankungen von Senioren durch Corona-Einschränkungen verhindern“ eingebracht. Eine Forderung damals war unter Punkt II.4., „dass die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen unter Einhaltung der Hygienevorschriften uneingeschränkt Besuch empfangen können.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zuschriften bestätigen unsere Position von damals.

(Beifall AfD)

Es wäre viel Leid verhindert worden, hätte man damals auf uns gehört. Nun, der Antrag zog sich eine ganze Weile hin, er wurde aufgrund der umfangreichen Tagesordnung nicht im Plenum behandelt, sodass wir ihn dann veraltet im Sommer 2021 zurückgezogen haben. In der Zwischenzeit gab es Alternativanträge von CDU und Rot-Rot-Grün. Dazu gab es eben wie angesprochen die Anhörung, in der dann zu Ihren einzelnen Alternativanträgen Stellung genommen wurde.

Ich möchte auch aus diesen Stellungnahmen einmal zitieren, zum Beispiel vom Landesseniorenverband Thüringen e. V. – Zitat –: „[Der] Landesseniorenverband Thüringen e.V. begrüßt die Tatsache, dass sich der Landtag mit seinen Ausschüssen mit den seelischen Wohlbefinden und Impfungen und Pflege befasst. Leider lösen die die Anträge und Befragungen das Problem nicht. […] Die Pfleger/innen sind an der Belastbarkeitsgrenze und die Patienten haben nervliche Belastungen, weil Kontaktbeschränkungen dadurch entstehende Einsamkeit nicht durch irgendwelche Programme und Angebote ausgeglichen werden […].“

Stellungnahme von wir pflegen! Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger e. V. – Zitat –: „Ich möchte […] [weitere] Fragen aufzeigen, auf die es […] keine [konkreten] Antwort[en] gab: Was passiert, wenn der Pflegedienst wegen Quarantäne nicht mehr kommt? Wer macht die Wundversorgung und setzt Spritzen am Tag, an dem der Anruf gekommen ist und an den nächsten Tagen? Wie kann man seiner Berufstätigkeit nachgehen, wenn die Tagespflege über Monate geschlossen ist? Wann kann man mal kurz Luft holen oder auch nur Lebensmittel einkaufen gehen oder selbst zum

Arzt?“ Weder in den zwei Einzelanträgen noch in dem gemeinsamen Antrag dazu bisher ein Wort.

Dann ein weiteres Zitat aus ebendieser Zuschrift: Es sei wichtig, „dass die Auswirkungen auf die psychische [und physische] Gesundheit pflegebedürftiger Menschen thematisiert werden sollen.“ Das steht auch so in Ihrem gemeinsamen Antrag und das wird in dem gemeinsamen Antrag auch so getan. Aber: „Aus unserer Sicht sollte dabei aber beachtet werden, dass es bei dieser Gruppe nicht nur um Senioren geht, da Pflegebedürftigkeit häufig ausschließlich in Verbindung mit Alter gesehen wird. Ähnlich wie bei Berichten über die Situation von Kindern, bei denen auch die Folgen für die Eltern thematisiert werden, müssten auch hier die sorgetragenden Angehörigen einbezogen werden.“ Dies geschieht in Ihrem gemeinsamen Antrag und in den Einzelanträgen nicht.

Zuschrift Alzheimer Gesellschaft e. V.: „pflegende Angehörige von Demenzerkrankten wurden bisher eher vergessen“, so auch in Ihrem gemeinsamen Antrag. Auf die Frage, wie in der Pflegeeinrichtung sichergestellt werden kann, dass unter Pandemiebedingungen die Selbstbestimmungsfähigkeit pflegebedürftiger Menschen erhalten bleibt, wird von der Alzheimer Gesellschaft der Wunsch geäußert: „Besuche weiterhin ermöglichen“. In Ihrem Antrag steht: Besuche „in ausreichendem Maße“ ermöglichen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist für uns nicht akzeptabel. Was „in ausreichendem Maße“ bedeutet, müssen schon die Angehörigen und die Betroffenen selbst entscheiden und nicht die Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Und zu guter Letzt der Beauftragte der Evangelischen Kirche beim Landtag: „verordnete Einsamkeit sowie ein einsames Leiden und Sterben ohne sozialen Kontakt zu nahen Angehörigen tangiert elementar die Menschenwürde sowohl des Pflegebedürftigen als auch seiner Angehörigen“ – auch dazu nichts in Ihrem Antrag.

Es gibt aber durchaus auch positive Aspekte, beispielsweise, dass endlich dafür eingetreten wird, dass Interessenverbände und Interessenvertretungen mitbestimmen können/sollen, beispielsweise im Landespflegeausschuss und über den Verband Thüringen für gute Pflege. Darum werden wir diesem Alibiantrag zwar nicht zustimmen, aber wir werden uns der Stimme hier enthalten, weil uns ein ganz bestimmtes und wichtiges Bekenntnis in Ihrem Antrag fehlt, nämlich das Bekenntnis dazu: nie wieder Lockdown und nie wieder Kontaktbeschränkungen in Seniorenheimen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Jetzt erhält die fraktionslose Abgeordnete Frau Dr. Bergner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordneten, liebe Zuhörer, wir Menschen sind alle soziale Wesen, sozialer Kontakt ist ein wichtiges Lebenselixier. Viel Leid ist durch die Maßnahmen entstanden. Ich finde es schade, dass meine Vorschläge aus dem Juni 2020, die ich dem Sozialministerium unterbreitet habe, kein Gehör gefunden haben. Denn genau diese Vorschläge hätten viel Leid verhindert. Diese Vorschläge habe ich mit Fachleuten erarbeitet, die nicht dem Mainstream der sozialen Kontaktbeschränkungen entsprachen. Es ist aber gut, dass hier eine Lernfähigkeit einsetzt und die Einsicht kommt. Nur für manche Leute kommt es zu spät.

Hier werden jetzt andere Rahmenbedingungen gesetzt. Das ist gut, das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber auch in diesem Vorschlag bleiben noch viele Wünsche offen. Ich werde an dieser Stelle nicht müde, erneut einzufordern, dass gerade in Alten- und Pflegeheimen eine regelmäßige Vitamin-D-Kontrolle stattfinden sollte und durch Sublimierung oder UVB-Bestrahlung der Spiegel der Bewohner aufgebessert wird. Wir wissen, dass ca. 75 Prozent der Heimbewohner unter akutem Vitamin-D-Mangel leiden. Die Immunität dieser Menschen muss gestärkt werden. Das mit dem Vitamin-D taucht auch in Pflegehinweisen der KV aus dem November 2020 auf. Ich würde mir wünschen, dass das konsequenter umgesetzt wird. Ich nehme das auch zum Anlass, auch bei anderen Maßnahmen kritische Stimmen mehr ernst zu nehmen, das anzumahnen, um nicht in ein bis zwei Jahren wieder zu sagen: Ach, wir müssen viel verzeihen. Mehr Offenheit gegenüber kritischen Stimmen würde viel Leid vermeiden. Vielen Dank.

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor, auch die Landesregierung hat sich nicht zu Wort gemeldet, sodass wir jetzt abstimmen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will noch mal ganz kurz zusammenfassen: Es gab jetzt zwei Anträge, die zurückgezogen wurden. Das ist einmal der Alternativantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 7/2168. Damit fällt auch die Beschlussempfehlung in der Drucksache 7/5584 zu diesem Alternativantrag weg. Und zurückgezo

gen ist der Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 7/3728. Damit fällt auch die Beschlussempfehlung dazu in der Drucksache 7/5585 weg, sodass wir nur noch über den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der CDU in der Drucksache 7/5641 abstimmen.

Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen, die Gruppe der FDP und die CDU. Frau Abgeordnete Bergner stimmt dem Antrag auch zu. Gibt es Gegenstimmen? Das sehe ich nicht. Gibt es Enthaltungen? Das ist die Fraktion der AfD. Damit ist diesem Antrag stattgegeben und zugestimmt.

(Beifall SPD)

Wir können dann diesen Tagesordnungspunkt schließen und damit auch die heutige Plenarsitzung. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Wir setzen morgen fort um 9.00 Uhr mit Tagesordnungspunkt 12.

Ende: 19.13 Uhr