Protokoll der Sitzung vom 10.06.2022

Für die Landesregierung antwortet erneut das Finanzministerium, Frau Ministerin Taubert.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt …

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Heute mit dem Dienstfahrrad da!)

Nein, es gibt ja in der Tat …

Bitte hören Sie mit den Zwischenrufen auf. Wir haben so viele Fragen, es ist immer irgendwie lustig, aber nicht sehr nett gegenüber denen, die auch noch Fragen haben.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Entschuldigung, Frau Präsidentin!)

Zunächst mal wäre zu klären, ob man sich in der Anfrage tatsächlich auf Dienstreisen bezieht oder ob man in dem Fall nicht eher von Dienstgängen reden müsste.

Ich möchte wie folgt antworten, zu Frage 1: Bis zum 31. Dezember 2005 gab es auch in Thüringen bei Nutzung eines Fahrrads eine Wegstreckenentschädigung von 5 Cent je gefahrenem Kilometer. Diese wurde mit der Neufassung des Thüringer Reisekostengesetzes durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 mangels praktischer Relevanz und des Missverhältnisses zwischen dem Verwaltungsaufwand bei der Abrechnung und dem zahlungsrelevanten Betrag der Reisekostenvergütung mit Wirkung vom 1. Januar 2006 abgeschafft. Seitdem wurde eine Entschädigung für die Nutzung von Fahrrädern anlässlich von Dienstreisen kaum thematisiert und daher auch die Abschaffung der Entschädigung nicht evaluiert.

(Ministerin Taubert)

Zu Frage 2: Bislang bestehen keine Überlegungen, eine der Bundesvorschrift vergleichbare Bestimmung in das Thüringer Reisekostengesetz aufzunehmen und diese durch Verwaltungsvorschrift zu konkretisieren, zumal auch viele Dienststellen zwischenzeitlich Dienstfahrräder beschafft haben, die für Dienstreisen – aber mehr für Dienstgänge, weil eine Dienstreise meistens über eine weitere Strecke stattfindet – am Dienstort genutzt werden können. Hinzu kommt, dass durch die Wegstreckenentschädigung ein dienstreisebedingter Mehraufwand erstattet werden soll. Das ist der Sinn. Dieser ist anders als bei verbrauchsabhängigen Kraftfahrzeugen bei Nutzung eines Fahrrads jedoch nicht ermittelbar und daher auch nicht bezifferbar. Zur Höhe der zu erwartenden Kosten ist keine Aussage möglich, da nicht bekannt ist, wie viele Bedienstete tatsächlich ihr privates Fahrrad für Dienstreisen einsetzen und dann die pauschale Entschädigung – beim Bund sind das 5 Euro pro Monat – auch im Wege der Abrechnung geltend machen würden. Die Erstattung von Kosten bei Mietfahrrädern anlässlich von Dienstreisen ist im Übrigen über § 4 Abs. 3 Thüringer Reisekostengesetz möglich, soweit für deren Nutzung triftige Gründe vorliegen.

Zu Frage 3: Anreize wurden vor allem durch die Beschaffung von Dienstfahrrädern geschaffen, welche durch die Beschäftigten für kurze Dienstreisen oder Dienstgänge genutzt werden können.

Zu Frage 4: Für die meisten Dienstreisen wird die Nutzung des Fahrrads nicht möglich sein, da dienstliches Gepäck mitzunehmen oder regelmäßig weite Strecken zurückzulegen sind. Bei kurzen Strecken kann die Fahrradnutzung dagegen eine Alternative darstellen. Ob eine Beförderung der Mobilitätswende durch die Gewährung einer so geringfügigen Pauschalentschädigung, wie sie der Bund beispielsweise vorsieht, zu erwarten ist, bleibt dagegen fraglich. Herzlichen Dank.

Gibt es Nachfragen? Frau Dr. Lukin.

Könnten Sie ungefähr die Zahl der Fahrräder aufführen, die angeschafft wurden? Nicht jetzt, sondern einfach deswegen, weil es tatsächlich eine sinnvolle Alternative zu sein scheint?

Wir werden Abfragen in den Ministerien vornehmen.

Ungefähr, danke schön.

Danke.

Weitere Nachfragen? Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Ministerin, ich habe tatsächlich noch mal eine Nachfrage, weil wir sicherlich alle gemeinsam darum bemüht sind, dass auch wir in Thüringen als fortschrittliche Regierung das ausstrahlen wollen, bei den Verwaltungsorganisationen, die wir hier im Land organisieren. Vor dem Hintergrund war mir das eine oder andere Argument nicht so eingängig. Können Sie mir zustimmen, dass es tatsächlich eine ganze Reihe von Entwicklungen gibt, die sich sicherlich auch bei den Angestellten und Beamten des Landes umschlagen, zum Beispiel wenn wir an E-Bikes denken, die einen privaten Erwerb eines Fahrrads, eines hochwertigen Fahrrads sozusagen in der Folge dann auch zu einer dauerhaften Nutzung, vielleicht auch auf einem Dienstgang zur Folge haben können, die dann eine Frage einer Entschädigung im Sinne auch einer Abnutzung oder sogar eines tatsächlichen Verbrauchs von Elektroenergie, wenn wir an ein E-Bike denken, tatsächlich vorstellbar machen und dann dieses Argument, das Sie genannt haben, dass das nicht bezifferbar oder vorstellbar wäre und dass da möglicherweise auch Mietfahrräder zur Disposition stünden, dann doch noch mal in einem anderen Licht erscheinen lassen? Kurzum die Frage: Sehen Sie auch aufgrund der aktuellen Entwicklung keinerlei Anlass, noch mal über die Möglichkeit nachzudenken, eine ähnliche Regelung wie im Bundesreisekostengesetz vorgesehen für Thüringen aufzunehmen?

Zunächst muss ich sagen, dass das Thüringer Reisekostengesetz nicht nur für den Freistaat Thüringen, also für die Beschäftigten des Landes gilt, sondern natürlich auch für alle Gemeinden. Das muss man erst mal sehen, es ist etwas breiter Gestreutes.

Zum Zweiten hatte ich gesagt, dass wir über § 4 Abs. 3 Reisekostengesetz bereits jetzt die Kosten für Mietfahrräder anlässlich von Dienstreisen ermöglichen. Das ist schon da, wenn ein triftiger Grund vorliegt. Ich habe Ihnen auch genannt, war

(Ministerin Taubert)

um das nicht immer möglich ist, weil die meisten natürlich Gepäck mithaben. Sie sehen ja die Mitarbeiter, die manchmal mit großen Koffern kommen, das müsste ja dann gegebenenfalls mit einem Lastenfahrrad passieren. Was Sie ansprechen, ist einfach nicht im Reisekostengesetz abzubilden, sondern was Sie ansprechen, ist eher die Förderung von Anschaffungen hochwertiger Fahrräder. Das meinen Sie nicht? Na gut, dann höre ich auch auf, dazu zu reden.

Mir ging es um die Frage, ob Sie aufgrund dieser aktuellen Entwicklungen, die ich versucht habe zu skizzieren, dass sich Menschen tatsächlich bewusst auch für dieses Transportmittel Fahrrad entscheiden und das dann auch bei Dienstgängen nutzen wollen, nämlich ihr eigenes, möglicherweise ein E-Bike, dass das momentan überhaupt nicht in so einer Art Abrechnung über diese Thüringer Reisekostenregelung erfolgt. Und damit war die Frage verbunden, ob Sie nicht aufgrund der aktuellen Entwicklungen noch mal einen Anlass sehen zu überprüfen, ob diese Regelungen des Bundesreisekostengesetzes nicht auch in Thüringen zur Anwendung kommen können.

Ich kann das momentan nicht erkennen aus den Gründen, die ich genannt habe, vielleicht ist das durchgerutscht. Das Thema ist tatsächlich unverhältnismäßig in der Abrechnung, deswegen haben wir es eingestellt. Und letztlich heißt das ja, ich gebe jedem – also ich kann ja nicht sagen, jeder, der in Erfurt ein Fahrrad hat und der in einem Ministerium oder einer Behörde arbeitet, bekommt im Jahr 60 Euro auf das Konto überwiesen. Sondern der Kollege, die Kollegin müssen dieses Fahrrad ja regelmäßig als Dienstfahrrad für den Dienstgang einsetzen.

Zweimal im Monat ist im Bundesreisekostengesetz vorgesehen, zweimal im Monat.

Es gibt nicht noch weitere Nachfragen.

Deswegen sehen wir, das ist nicht unsere vordringliche Aufgabe. Ich habe viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Tag mit dem Fahrrad auf die Arbeit kommen und die auch dieses Fahrrad für

solche Dienstgänge nutzen. Es ist nicht so, dass sie deswegen entweder öffentliche Verkehrsmittel oder ein Dienstauto dazu nutzen. Das ist wirklich unerheblich. Im ländlichen Raum können Sie sicher sein, dass da der Einsatz noch geringer sein wird.

Ich habe vorhin versprochen, dass wir die zurückgestellte Frage 3 jetzt am Ende dieser Fragestunde noch mal aufrufen. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Walk in der Drucksache 7/5574. Das ist dann die letzte Frage für heute. Damit hätten wir gerade mal neun Fragen geschafft und die restlichen werden dann schriftlich beantwortet. Herr Walk.

Ich bedanke mich, Frau Präsidentin.

Fälle von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Thüringen

Medienberichten zufolge sind im vergangenen Jahr deutlich mehr Kinder und Jugendliche Opfer von sexualisierter Gewalt geworden. Demnach waren im Jahr 2021 durchschnittlich 49 Minderjährige jeden Tag betroffen. Mehr als verdoppelt hätten sich die entdeckten Fälle von Missbrauchsdarstellungen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit der Opferspezifik Kinder und Jugendliche – also nach §§ 176 ff. Strafgesetzbuch – wurden in den Jahren 2019 bis 2021 in Thüringen verübt? Bitte nach Jahresscheiben gliedern.

2. Wie viele Straftaten nach den §§ 184 b und c Strafgesetzbuch wurden in den Jahren 2019 bis 2021 in Thüringen verübt? Bitte nach Straftatbestand und Jahresscheiben gliedern.

3. Wie hoch waren dabei jeweils die Aufklärungsquoten in den Jahren 2019 bis 2021? Bitte nach Straftatbeständen zu Frage 1 und 2 und Jahresscheiben gliedern.

4. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der Fallzahlen in den genannten Phänomenbereichen?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Inneres und Kommunales, Herr Staatssekretär Götze.

(Ministerin Taubert)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Freistaats Thüringen für das Jahr 2019 wurden 578 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und 37 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen erfasst. Die Aufklärungsquote betrug 87 bzw. 94 Prozent. In der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2020 wurden 441 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und 44 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen erfasst. Die Aufklärungsquote betrug 89,1 bzw. 100 Prozent. In der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2021 wurden 455 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und 42 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen erfasst. Die Aufklärungsquote betrug 90,1 bzw. 92,9 Prozent.

Antwort zu Frage 2: In der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden 296 Straftaten nach § 184 b Strafgesetzbuch für das Jahr 2019, 356 für das Jahr 2020 und 786 für das Jahr 2021 erfasst. Die Aufklärungsquote betrug 94,6 Prozent für das Jahr 2019, 95,5 Prozent für das Jahr 2020 und 94,5 Prozent für das Jahr 2021. Darüber hinaus wurden 30 Straftaten nach § 184 c Strafgesetzbuch für das Jahr 2019, 53 für das Jahr 2020 und 107 für das Jahr 2021 registriert. Die Aufklärungsquote betrug 96,7 Prozent für das Jahr 2019, 90,6 Prozent für das Jahr 2020 und 94,4 Prozent für das Jahr 2021.

Antwort zu Frage 3: Hier möchte auf die Antworten zu Fragen 1 und 2 verweisen.

Und zu Frage 4: Wie dargestellt haben wir in Thüringen wie übrigens auch im Bund insbesondere bei Verbreitung, Erwerb und Besitz von Inhalten, die den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen darstellen, erhebliche Steigerungen der Fallzahlen um mehr als 100 Prozent festzustellen. Das ist besorgniserregend. Der Grund für die statistische Zunahme der Fallzahlen dürfte maßgeblich auf die verbesserte internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Aufklärung zurückzuführen sein. Hier spielen insbesondere die Hinweise amerikanischer Nichtregierungsaktionen eine wichtige Rolle. Der statistische Anstieg der Fallzahlen ist insoweit positiv, als er mit der Verlagerung von Fällen aus dem Dunkel- ins Hellfeld einhergeht. Gleichwohl ist jeder Fall einer zu viel.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Gibt es Nachfragen? Herr Walk.

Danke zunächst an Herrn Staatssekretär. Herr Staatssekretär, es ist zumindest auffällig, im Jahr 2019 im Bereich von § 184b von 296 auf insgesamt dann 786 Fälle zwei Jahre später. Das ist fast eine Verdreifachung. Jetzt haben Sie erklärt, dass möglicherweise die verbesserte internationale Zusammenarbeit als eine der Ursachen infrage kommt, aber damit ist doch nicht die Steigerung von mehr als 100 Prozent zu beziffern. Können Sie das vielleicht noch mal ausführen? Sie hatten ja auch die Non-Profit-Organisation angesprochen, diese amerikanische Einrichtung.

Das ist sicher ein wesentlicher Aspekt. Daneben haben wir natürlich auch in Thüringen unsere Aufklärungsarbeit intensiviert. Was jetzt die konkrete Steigerung angeht, die Sie angesprochen haben, hätte ich die Bitte, dass ich das noch mal nachrecherchieren kann. Ich bin mir da nicht so ganz sicher, wo genau die Gründe dieser Steigerung zu verorten sind. Ich werde das recherchieren und Sie bekommen hierzu eine ergänzende schriftliche Antwort.

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Die verbliebenen elf Mündlichen Anfragen werden gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung schriftlich innerhalb von einer Woche ab dem Tag der Fragestunde durch die Landesregierung zu beantworten sein.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe erneut die Tagesordnungspunkte 14 und 18 bis 21 auf, um die Wahlergebnisse bekannt zu geben.