Protokoll der Sitzung vom 07.03.2025

4. Wann erfolgt in Thüringen die Anerkennung der weiteren Todesfälle rechter Gewalt, welche durch die wissenschaftliche Überprüfung als solche eingeordnet wurden?

(Staatssekretär Bausewein)

Danke schön. Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Bausewein bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste auf der Tribüne, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König-Preuss beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die wissenschaftliche Überprüfung von Todesfällen mutmaßlicher rechter Gewalt in Thüringen ist noch nicht abgeschlossen. Nachdem sich im August 2024 im Hinblick auf die Erfüllung der Kriterien der Leistungsbeschreibung des Auftrags ein Überarbeitungsbedarf des vorgelegten Berichtentwurfs ergeben hat, wurden die offenen Punkte gemeinsam mit dem Auftragnehmer erörtert. Dieser legte im Dezember 2024 einen überarbeiteten Bericht vor. Die hausinterne Prüfung, ob nunmehr eine Abnahme des Berichts erfolgen kann, dauert derzeit noch an.

Zu Frage 2: Über den Umgang mit den Ergebnissen des Berichts und eine Veröffentlichung wird erst nach Abnahme des Berichts entschieden. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

Zu Frage 3: Es wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen.

Zu Frage 4: Nach Abnahme des Berichts wird über etwaige weitere Maßnahmen entschieden.

Danke schön.

Ich sehe Rückfragen der Fragestellerin. Bitte.

Meine erste Rückfrage wäre: Das sind ja wissenschaftliche Zentren, die diese Überprüfung gemacht und einen Bericht abgeliefert haben, der nach Auffassung der Landesregierung, also des Innenministeriums,

Kriterien nicht erfüllt. Ist es für das Ministerium für Inneres und Kommunales ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, wenn nun erneut von den beiden beteiligten wissenschaftlichen Gruppierungen abverlangt wird, dieses anzupassen?

Sie können davon ausgehen, dass wir nicht in die Wissenschaftsfreiheit eingreifen.

Können Sie uns sagen, was nach Ansicht des Ministeriums nicht erfüllt war in der Studie, die fertig bereits dem Ministerium übergeben war?

Das würden wir Ihnen schriftlich bis nächste Woche nachreichen.

Ich sehe keine weiteren Rückfragen diesbezüglich. Dann haben wir alle Mündlichen Anfragen abgearbeitet. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir rufen auf Tagesordnungspunkt 17

Armut in Thüringen bekämpfen Antrag der Fraktion Die Linke - Drucksache 8/540 -

Ist die Begründung gewünscht? Ja, von Frau Abgeordnete Maurer. Bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren – es sind ja nicht besonders viele Leute da –, man kann aus zweierlei Gründen an einer Tagesordnung in diesem Plenum teilnehmen, zum einen weil es einfach der Job eines Abgeordneten ist, da zu sein, oder zum anderen weil das Thema wichtig ist und man den Personen, die in diesem Antrag angesprochen werden, entsprechend Respekt zollen will.

(Beifall BSW, Die Linke)

Ich nehme zur Kenntnis, dass von der SPD nicht eine einzige Person da ist und von BSW und CDU nur vereinzelt. Das ist natürlich massiv enttäuschend. Interessant ist allerdings, dass es jetzt in diesem Tagesordnungspunkt um eine große Gruppe in dieser Bevölkerung geht, nämlich um Menschen, die unter Armutsbedingungen leben, oder auch um Menschen, die von Armut bedroht sind.

Wir wissen, also zumindest meine Fraktion nimmt das zur Kenntnis, dass die Armutsgefährdung in Deutschland seit sehr, sehr vielen Jahren ein ernsthaftes Problem ist und dass sich die Situation immer weiter zuspitzt. Wir wissen auch, dass die sozialen Sicherungssysteme des Bundes bei Weitem nicht ausreichend greifen und teilweise sogar die klaffende Ungerechtigkeit begünstigen. Deshalb hat Die Linke im Bund, aber auch in den einzelnen Bundesländern immer wieder auf diesen Missstand aufmerksam gemacht und klare sozialpolitische Weichenstellungen vorgeschlagen: eine Reform des Renten- und Pflegesicherungssystems, eine sanktionsfreie Mindestsicherung oder ein ausreichender Mindestlohn. Unser ehemaliger Ministerpräsident Bodo Ramelow war ja zum Beispiel auch ein prominenter Vertreter, der in seiner Rolle als Ministerpräsident immer wieder auf eine Kindergrundsicherung hingewiesen hat. Insofern erkennt man schon an diesem Beispiel, was die Möglichkeiten eines Landtagsabgeordneten, eines Ministerpräsidenten, eines jeden Ministers und einer Ministerin im Land sind, auch wenn es um Bundesangelegenheiten geht.

Nun haben wir jetzt hier in diesem Hohen Haus eine neue Mehrheit und wir haben sie auch im Bund. Das heißt, wir müssen dieses Thema erneut auf die Tagesordnung heben, insbesondere weil gerade auf Bundesebene Koalitionsverhandlungen geführt, Sondierungspapiere geschrieben werden, wie auch immer. Und es wird über allerhand Dinge gesprochen. Einzig und allein die soziale Frage scheint ausgeklammert zu sein. Da die Zahl der von Armut betroffenen Personen in Deutschland aber immer wieder steigt, also auch hier in Deutschland, müssen wir uns damit befassen.

(Beifall Die Linke)

Ich sehe das als meine Pflicht als Thüringer Landtagsabgeordnete, dass wir auch dem Bundestag auf die Füße treten, insbesondere bei diesem Thema, insbesondere auch dann, wenn es eine neue Bundesregie

rung gibt, darauf hinzuweisen, dass die Schuldenbremse auch dann gestoppt werden sollte, wenn es um sozialpolitische, um Bildungsfragen, Fragen der sozialen Gerechtigkeit usw. geht.

(Beifall Die Linke)

Dazu haben wir den vorliegenden Antrag heute vorbereitet und wir möchten gern mit Ihnen diskutieren. Ich bin sehr gespannt, ob wir das heute auch konstruktiv tun können. Vielen Dank.

(Beifall Die Linke)

Danke schön. Dann eröffne ich nun die Aussprache und rufe zunächst für die CDU-Fraktion Frau Abgeord

nete Heber auf. Bitte schön.

Danke. Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Regierungsvertreter, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörer auf der Tribüne und alle, die uns auch am Livestream zugeschaltet sind! Wir haben hier einen Antrag vor uns liegen, der wahrscheinlich besser – tut mir leid, dass ich es so sagen muss – zum nächsten Parteitag der Linken passt als hier in dieses Parlament.

(Zwischenruf Abg. Müller, Die Linke: Das ist aber ein Lob!)

Worum geht es? Es geht darum, dass Sie sich auf den Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands aus dem Jahre 2022 beziehen. Das muss man vielleicht auch mal erklären: Dieser Bericht zielt auf den sogenannten relativen Armutsbegriff ab. Das bedeutet, Armut wird durch den Abstand zum Durchschnittsverdienst pro Kopf definiert. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, würde man allen ihr Einkommen verdoppeln, hätten wir trotzdem immer noch die gleiche Anzahl der von Armut Bedrohten. Aber sind die dann noch arm? Es geht also bei diesem relativen Armutsbegriff, der hier zugrunde liegt, nicht um ein sogenanntes Existenzminimum, sondern schlicht um eine ungleiche Einkommensverteilung. Damit sagen Sie aber auch zugleich, dass es schlecht ist, wenn ein Mensch durch individuelle Leistungen zu höherem Einkommen gelangt. Und letztendlich läuft diese Armutsdefinition – es geht nicht um die Frage des Themas, sondern es geht um die Definition des zugrunde liegenden Antrags –

(Zwischenruf Abg. Schubert, Die Linke: Die ist wissenschaftlich begründet!)

auf eine Neiddebatte gegenüber Leistungsträgern in unserer Gesellschaft hinaus.

(Zwischenruf Abg. Schubert, Die Linke: Nein, überhaupt nicht!)

Es sagt eben nichts über den Grad der individuellen Bedürftigkeit aus. Deshalb glaube ich, dass dieser Ansatzgrund falsch ist und deshalb auch schon die Arbeitsgrundlage für diesen Antrag fragwürdig.

(Zwischenruf Abg. Große-Röthig, Die Linke: Wir sind aber nicht bei Glauben, wir sind bei Evidenz!)

Lassen Sie mich doch mal zunächst zum Teil II. springen, bevor Sie sich weiter aufregen.

Jeder, der im kommunalen Bereich aktiv ist – denn das war ja auch Ihr Vortrag –, der weiß, dass seit mehr als zehn Jahren die Landkreise eine sogenannte Armutspräventionsstrategie aufgelegt haben und dass sich viele mittlerweile von diesem Begriff gelöst und eine sogenannte integrierte Sozialplanung daraus gemacht haben, weil eben genau dieser Armutsbegriff hier eben nicht passt.

(Zwischenruf Abg. Schubert, Die Linke: Weil die Armut immer größer wird!)

(Abg. Maurer)

Es gibt Erhebungen, es gibt Evaluierungen und natürlich jede Menge Daten und Fakten, die man auch im Internet findet. Insofern erübrigt sich auch die Frage 1 im Antrag.

Ich sage Ihnen aber auch gern, was die Kommunen – denn es geht ja auch um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema, das sehr wichtig ist –, die sich nämlich mit vielen Akteuren auf diese Herausforderung auch eingelassen haben und dort auf den Weg gemacht haben, herausgefunden haben. Ja, Kinder sind überproportionell von Armut betroffen und gefährdet. Aber Kinder leben eben nicht in einer eigenen Welt wie bei Peter Pan, sondern die haben Eltern. Die leben in Haushalten und die leben in Familien, und das haben Sie in Ihrem Antrag schlicht unter den Tisch fallen lassen. Denn es sind mit tatsächlich 40 Prozent die Alleinerziehenden und mit knapp 36 Prozent die Mehrkindfamilien, die von Armut betroffen sind. Aber auch hier liegt es in beiden Teilen eben an der Definition und am relativen Abstand – jetzt machen wir mal ein bisschen Mathe. Denn logischerweise verringert sich ja das Pro-Kopf-Einkommen einer Familie, je mehr Kinder dort leben bzw. je weniger Erwachsene dort leben.

(Zwischenruf Abg. Müller, Die Linke: Und das bedeutet?)

Es ist auch so, dass Menschen mit Einschränkungen – Sie haben das auch in Ihrem Antrag beschrieben – von Armut betroffen sind. Aber was machen Sie? Sie zählen dann auf: UN-Behindertenrechtskonvention sei nicht umgesetzt, gesellschaftliche Vorurteile, mangelnde Inklusion. Das ist alles subjektive Wahrnehmung und das sind alles Vorwürfe. Und Sie stoßen denen vor den Kopf, die sich tagtäglich zum Beispiel in den Werkstätten um Teilhabe und Integration, aber eben auch um wichtige Schutzräume für beeinträchtigte Menschen kümmern. Klar kostet das Geld. Es ist auch kein Geheimnis, dass Sie das abschaffen wollen, weil Sie den Menschen lieber Geld geben, statt Struktur und echte Hilfe.

Ja, auch Menschen mit Migrationshintergrund sind stark armutsgefährdet. Jetzt muss man dazu auch noch mal erwähnen – das ist wichtig für diesen Armutsbegriff –, dass dieser Bericht des Paritätischen nur Menschen in selbstgeführten Haushalten umfasst. Das heißt, Menschen in beispielsweise Gemeinschaftsunterkünften, Wohnheimen, Seniorenwohnheimen sind dort also auch gar nicht mit enthalten. Das kann man auch in der Methodik dazu nachlesen. Mein Lieblingspunkt aber sind die Frauen. Auch uns muss man natürlich helfen, weil die weibliche Erwerbsbiografie – Achtung, ich zitiere – „durch Phasen der Unterbrechungen“ gekennzeichnet ist.

Einen Moment, bitte. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?