Protokoll der Sitzung vom 07.03.2025

Wenn ich höre, das sei nur ein technischer Haushalt, dann ist das eine Ausrede. Wenn das nur ein technischer Haushalt ist, dann haben Sie sich letztes Jahr über den Tisch ziehen lassen, wenn Sie dort Ihre Forderungen nicht untergebracht haben.

(Zwischenruf Abg. Müller, Die Linke: Sie kennen das Parlament nicht!)

Ja, das ist ganz einfach so.

Und Sie können nicht von der neuen Koalition fordern, Ihre Versäumnisse aufzuarbeiten. Das ist nicht unsere Aufgabe. Das ist nicht unser Ziel. Ihr Fragenkatalog ist ohnehin nicht geeignet, das Thema voranzubringen. Er verirrt sich in theoretischen Überlegungen, anstatt auf Lösungsansätze zu zielen. Er klingt über weite Strecken nach einem ideologischen, nach einem bürokratischen Selbstzweck, der wenig bis überhaupt keine Aussicht auf praktische Wirkung bietet.

(Beifall CDU, BSW)

Um Maßnahmen zur Armutsbekämpfung in Thüringen zielgerichtet zu schaffen und umzusetzen, ist er ungeeignet.

Frau Maurer, Sie haben gesagt, Sie wollen Signale aussenden. Die Koalition möchte Thüringen voranbringen. Das ist der Unterschied. Die Koalition wird auf Augenhöhe und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips mit Kommunen, mit freien Trägern, mit Betroffenen gemeinsam agieren. Wir werden soziale Teilhabe verbessern. Wir werden Perspektiven schaffen. Wir werden Wohnungsnot angehen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, Die Linke: Armut senken?)

Dazu brauchen wir Ihren Antrag nicht. Der ist dazu ungeeignet. Vielen Dank.

(Beifall CDU, BSW)

Von den Abgeordneten sehe ich jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Dann Frau Ministerin Schenk, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die gute Nachricht zum Anfang: Das Rund hat sich ja dann nach anfänglichem Zögern zum Thema „Armutsbekämpfung“ doch gefüllt. Ich glaube, Frau Maurer, das ist dann immerhin ein gutes Signal, dass dann Stück für Stück doch die Bedeutung des Themas in den Fokus gerückt ist. Das ist, glaube ich, auch ganz richtig, wenn man sich mal fragt, was Armut eigentlich bedeutet. Da haben wir jetzt in verschiedenen Reden schon gehört, dass es da ganz faktische Nachteile gibt. Zum Beispiel, wenn man sich mal die Lebenserwartung von Menschen anschaut, die von Armut betroffen sind. Aber da geht es auch um Bildungsergebnisse und einfach – und das wurde jetzt hier schon vielfach geschrieben – um die gesellschaftliche Teilhabe. Deswegen ist es angemessen, dass Armutsbekämpfung als ein gemeinsames Problem verstanden wird und jetzt hier auch alle Plätze im Rund gefüllt sind.

(Beifall Die Linke)

Bekämpfen von Armut braucht auf jeden Fall Analyse. Und Analyse haben wir zum großen Teil schon. Ich möchte kurz erinnern an die im Auftrag vom Sozialministerium erstellte Publikation zur Armutsprävention – Fünf-Jahres-Zeitraum, der da betrachtet wurde, 2015 bis 2020 –, aber eben auch an den Sozialkulturatlas, der den Raum 2010 bis 2020 beleuchtet.

Wir haben heute schon mehrfach was über den Paritätischen gehört, der sich in einer Pressemeldung zur aktuellen Lage geäußert hat. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, würde ich kurz zitieren: „Nach den ersten Ergebnissen des Mikrozensus zur Armutsentwicklung in 2023 sinkt die Armut in Thüringen von 18,4 2022 auf 17,3 Prozent 2023. Damit liegt Thüringen auf dem 8. Platz im bundesweiten Vergleich.“ Zitatende. So äußerte sich der Paritätische zur sinkenden Armutsquote. Jetzt könnte man natürlich problematisieren – das hat der Redner der AfD gerade gesagt –, dass sich in den letzten Jahren überhaupt nichts getan hat und wir 150 Leistungen irgendwie auf dem Markt haben, die alle nichts bringen. Das weiß ich jetzt nicht, ich hatte ja im Matheleistungskurs nicht so gute Punkte, aber ich würde schon sagen, dass 18,4 im Verhältnis zu 17,3 weniger ist.

(Beifall Die Linke)

Aber na ja, für Sie sind ja Fakten generell interpretationsfähig. Nichtsdestotrotz kommen wir natürlich zum Ergebnis, dass uns in Thüringen allgemein der 8. Platz auch nicht zufriedenstellt, sondern wir generell in Themenbereichen, politisch gesehen, auf Platz 1 sein wollen. Deswegen ist es ja richtig, auch diese Analyse weiter als Arbeitsauftrag zu verstehen. Das hat die Landesregierung auch so verstanden, hat deswegen im Regierungsvertrag ein sehr umfangreiches Vorhabenpaket geschnürt, auf das ich jetzt kurz eingehen möchte. Denn selbstverständlich fühlen wir uns der Armutsbekämpfung verpflichtet.

Deswegen finden Sie auf den Seiten 69 ff. zum Beispiel erstens die Etablierung einer strategischen Sozialplanung und zweitens auch die Forderung nach einer fachübergreifenden integrierten kommunalen Sozialplanung. Drittens haben wir festgehalten, dass wir uns auch bundespolitisch natürlich für auskömmliche Renten, gerade für langjährige Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, engagieren wollen und insbesonde

(Abg. Dr. Wogawa)

re auch die gestern vielfach diskutierte Care-Arbeit in diesem Bereich berücksichtigen möchten. Gerade diesem Punkt des Antrags ist somit durch den Regierungsvertrag Rechnung getragen.

Sie finden aber auch noch andere Punkte, wie zum Beispiel ein Investitionsprogramm für die Einrichtung offener Kinder- und Jugendarbeit, ein Bekenntnis zur inklusiven Jugendhilfe und auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt natürlich ein Bekenntnis zur Jugendberufshilfe, die die Nahtstelle zwischen Jugendhilfe, Arbeitsmarkt und Wirtschaft ist und damit dazu beitragen kann, dass junge Menschen eben gar nicht erst in Armut geraten, wobei ich unterstreichen würde, dass hier natürlich auch die Themen „Tarifbindung“ und generell „Tarifpartnerschaft“ wichtig sind. Wir haben uns auch klar zum Landesprogramm zur Familienerholung und auch zur internationalen Familienbegegnung bekannt und ich finde es wichtig, im Bereich „Armutsbekämpfung“ gerade auch noch mal zu betonen, dass Altersarmut im Wesentlichen weiblich ist und ganz besonders für migrantische weibliche Personen im Fokus steht. Das wurde gestern vielfach dargestellt.

Man kann also zusammenfassend sagen, die Landesregierung ist sich des beschriebenen Problems bewusst und am Ende kommt es immer so, wie es kommen muss, bei all diesen vielen Forderungen, die man hat. Das berühmte Bottleneck, von dem der Ministerpräsident immer spricht, ist hier der Haushaltsgesetzgeber. Sie haben es in der Hand, wie viele von diesen Programmpunkten am Ende umgesetzt werden können und wie zügig. Und dann haben wir vielleicht die Chance, dass die sinkende Armutsquote in der nächsten Pressemitteilung vom Paritätischen Thüringen von 17,3 Prozent noch weiter gesunken ist und dann können wir ja auch mit der AfD noch mal über die Bedeutung von Fakten sprechen. Vielen Dank.

(Beifall Die Linke, SPD)

Danke, Frau Ministerin. In den Redebeiträgen hatte ich noch keinen Antrag auf Ausschussüberweisung gehört. Wird der noch gestellt?

(Zuruf Abg. Maurer, Die Linke: Ja, Soziales!)

An den Sozialausschuss. Dann werde ich darüber nun abstimmen lassen. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Arbeit und Familie zustimmt, den oder die bitte ich nun ums Handzeichen. Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt mit Nein? Das sind die Fraktionen der SPD, des BSW, der CDU und der AfD. Gibt es Enthaltungen? Das erkenne ich nicht. Damit ist der Ausschussüberweisung nicht stattgegeben worden.

Somit stimme ich über den Antrag selbst ab. Wer dem Antrag selbst zustimmen möchte, den oder die bitte ich nun ums Handzeichen. Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? Das sind die Fraktionen der SPD, des BSW, der CDU und der AfD. Gibt es Enthaltungen? Das sehe ich nicht. Dann schließe ich diesen TOP.

Als nächsten TOP rufe ich vereinbarungsgemäß Tagesordnungspunkt 3 auf

Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes und des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes

(Ministerin Schenk)

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, des BSW und der SPD - Drucksache 8/538 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Die Linke - Drucksache 8/618 - ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache. Gibt es hierzu Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Hande, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute in zweiter Lesung mit dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes und des G10-Ausführungsgesetzes. Ich hatte am Mittwoch bereits einen Änderungsantrag meiner Fraktion dazu angekündigt, der Ihnen nun entsprechend vorliegt.

Es geht also um zwei Parlamentsgremien, welche sich über Geheimdienstmaßnahmen unterrichten lassen. G10 für Post-, Internet- und Telekommunikationsüberwachung und die Kontrollkommissionen für V-Leute, Observationen und anderes. Die vergangene Wahlperiode hat allerdings gezeigt, dass es hier bei der Besetzung doch einen entsprechenden Handlungsbedarf gibt. Die Brombeerkoalition greift nun unseren Passus aus der Verfassungsschutzgesetz-Novelle von 2022 auf, womit Opposition und Regierungslager im Stärkeverhältnis zueinander vertreten sein müssen, und weitet dies auf das G10-Gesetz entsprechend aus – so weit, so folgerichtig. Allerdings – und das hatte ich in der ersten Lesung auch gesagt – kann es dann entsprechend auf Beschluss des Landtags zu einer Gremiensitzzahl von zwei kommen, dementsprechend einmal Opposition, einmal Regierung, und damit wären die Kriterien potenziell erfüllt. Das kann nicht in unserem Sinn sein, dem folge ich selbstverständlich. Einen Geheimdienst, der 100 Mitarbeiter und 8,6 Millionen Euro Budget hat und entsprechend Geheimdienstmaßnahmen kontrolliert und ausführt, nur von zwei Personen kontrollieren zu lassen, das wäre dann doch eine Farce.

(Beifall Die Linke)

Damit würde aus unserer Sicht die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt werden. Wir brauchen in diesem Fall auch nur an einfache Fälle von Krankheit oder anderweitige Verhinderung zu denken und schon wäre das Gremium nicht arbeitsfähig. Deswegen schlagen wir mit unserem Änderungsantrag einen entsprechenden Korridor zur Mindest- und Maximalbesetzung vor.

Uns ist also das Funktionieren der parlamentarischen Gremien deutlich wichtiger als ein kurzfristiger politischer Effekt. Deswegen haben wir den entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt. Und ich muss Ihnen auch sagen: Die Vorwürfe, die Regierungskoalition wollte die Opposition entsprechend unterdrücken, die sind nun wahrlich absolut falsch.

(Beifall Die Linke)

(Unruhe AfD)

Im Gegenteil: Die Rechte der Opposition wurden durch das Gesetz 2022 gestärkt und werden es mit diesem Mal nun noch einmal mehr. Und auch unser Änderungsantrag unterstreicht das, wenn Sie ihn noch mal genauer lesen und verstehen. Damit haben wir auf die Funktionsfähigkeit abgestellt und eben nicht auf die Tatsache, dass jede Fraktion in dem Gremium vertreten sein soll.

(Vizepräsidentin Güngör)

Und liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir mal einen Blick in die Vergangenheit. In der 5. Wahlperiode gab es im Thüringer Landtag fünf Fraktionen. Nur drei davon waren in der G10-Kommission vertreten, die anderen nicht. Vier Fraktionen waren in der Kontrollkommission vertreten, eine nicht. In der 6. Wahlperiode gab es fünf Fraktionen im Thüringer Landtag, in der G10-Kommission waren allerdings nur zwei vertreten und drei fehlten. Also zeigt auch der Blick in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der es übrigens auch noch keine AfD gab – ich weiß, früher war alles besser –,

(Beifall und Heiterkeit BSW, Die Linke)

dass Ihre Erzählung von der Ausgrenzung der AfD mehr in das Reich Ihrer eigenen Erzählung passt und gehört, als tatsächlich den Fakten zu entsprechen.

(Beifall Die Linke)

Und erlauben Sie mir an dieser Stelle – ein bisschen Redezeit habe ich noch –, auf den Thüringer Verfassungsgerichtshof 2020 und seinen Beschluss 106 zu verweisen; ich habe das bereits angedeutet. Und zwar lese ich das jetzt ab, weil ich zitiere, Randnummer 41: „Daher ist bei einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Thüringer Verfassungs[schutz]gesetzes wie auch der parlamentarischen Handhabung dem Recht der Oppositionsfraktionen auf Chancengleichheit nach Art. 59 Abs. 2 ThürVerf vollumfänglich Rechnung zu tragen, ohne dass die Verfassung indes ein bestimmtes Wahlverfahren oder eine bestimmte Größe der Kommission vorgibt. Vor diesem Hintergrund enthält weder Art. 59 Abs. 2 noch Art. 97 Satz 3 ThürVerf eine Garantie, dass jede Fraktion Mitglieder in die Parlamentarische Kontrollkommission entsenden kann.“

Und genau das ist der Punkt: Es gibt keine Garantie, dass jede Fraktion in diesen Gremien vertreten sein soll oder muss. Und aus diesem Grund halten wir diesen Gesetzentwurf in Verbindung mit unserem Änderungsantrag für absolut praktikabel, absolut gerechtfertigt. Denn es zählt einzig und allein, dass die Kommissionen entsprechend arbeitsfähig sein müssen. Und – ich sage es auch noch mal – die Mitglieder brauchen selbstverständlich das Vertrauen dieses Hohen Hauses und das sehe ich nun mal nicht bei allen Vorschlägen so. Deshalb sind diese Änderungen folgerichtig und korrekt. Ich bedanke mich für Ihre

Aufmerksamkeit.

(Beifall Die Linke)

Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Bitte.