Protokoll der Sitzung vom 13.12.2024

Sie haben Angst vor diesen Journalisten und genau deswegen versuchen Sie, gegen diese vorzugehen. Wir stehen hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weisen diese Angriffe zurück und das werden wir auch in einem Untersuchungsausschuss machen.

(Beifall Die Linke, SPD)

Als Nächsten rufe ich Abgeordneten Urbach für die Fraktion der CDU auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, werte Landesregierung, die heutige Aktuelle Stunde thematisiert eine Reihe jahrealter Vorwürfe gegen den Präsidenten des Thüringer Amts für Verfassungsschutz. Auffällig ist jedoch für uns vor allem eines: Der im Antrag suggerierte Ver

(Abg. König-Preuss)

gleich zwischen dem Verfassungsschutz und der Staatssicherheit der DDR ist nicht nur historisch falsch, sondern auch ein billiger Versuch eines erneuten Angriffs gegen die Institutionen unseres Freistaats.

(Beifall CDU)

Die Thüringer Verfassung und das Grundgesetz sind Garanten unserer freiheitlichen Demokratie und auch der Meinungsfreiheit. Sie zu achten und zu bewahren ist eine Kernaufgabe des Staats. Eine wehrhafte Demokratie braucht daher einen Verfassungsschutz, der gemäß seinem gesetzlichen Auftrag handlungsfähig ist. Dieser muss daher personell, organisatorisch und technisch vernünftig bzw. hinreichend ausgestattet sein.

(Beifall CDU)

Wir wollen beispielsweise keine Parallelgesellschaften mit eigenen Gesetzen außerhalb unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wir wollen nicht, dass jemand unsere Ordnung angreift. Um eben diese Bedrohungen, zum Beispiel durch Rechts-/Linksextremismus oder auch religiösen Extremismus, zu erkennen und zu beobachten, brauchen wir unbedingt diesen Verfassungsschutz. Und weil sich der Verfassungsschutz dabei strikt und ausschließlich seinen verfassungsgemäßen Aufgaben gemäß § 4 des Verfassungsschutzgesetzes zu widmen hat, ist er eben kein politisches Instrument, sondern ein elementarer Bestandteil der Sicherheitsarchitektur zum Schutz unserer wehrhaften Demokratie. Er unterliegt dabei einer effektiven und lückenlosen parlamentarischen Kontrolle durch die ParlKK, die mit vertrauenswürdigen Abgeordneten besetzt ist,

(Zwischenruf Abg. Mühlmann, AfD: Leider eben nicht!)

die wir hier mit großer Mehrheit gewählt haben, die Sie auch mit gewählt haben.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das stimmt doch nicht!)

Natürlich. Ja, ja.

(Zwischenruf aus der Fraktion der AfD: Ja, ja?!)

Der Verfassungsschutz ist eine demokratisch legitimierte Behörde, deren Aufgaben und Befugnisse durch dieses Parlament gesetzlich geregelt sind. Er unterliegt der Kontrolle der Staatsgewalt und verfügt über keinerlei Zwangsbefugnisse. Die Stasi hingegen war das Unterdrückungsinstrument einer Diktatur mit nahezu unbegrenzten Befugnissen. Das immer wieder gleichzusetzen, ist ein historischer Fehler. Dass gerade diejenigen versuchen,

diese Behörde in Verruf zu bringen, deren Aktivitäten von ihr beobachtet werden, ist natürlich in gewisser Weise nachvollziehbar, wenngleich dennoch verwerflich. Wenn nun in der Öffentlichkeit über eine angeblich hohe Personalfluktuation im Amt für Verfassungsschutz berichtet wird und dass seit Längerem wichtige Positionen unbesetzt sein sollen, wie etwa die des Referatsleiters für Rechts- und Linksextremismus, dann ist das natürlich ernst zu nehmen. Denn um seine Aufgaben ausführen zu können, braucht das Amt für Verfassungsschutz eine ausreichende Personalausstattung. Wir können hier im Parlament aber nur die benötigten Stellen im Haushalt bereitstellen. Besetzt werden müssen sie schon durch die Exekutive. Ob es allerdings den Fakten entspricht, dass diese Positionen unbesetzt sind, muss im zuständigen Ausschuss erfragt werden, mein Kollege sagte es schon. Denn Personalbesetzungen und die Arbeitsweise des Amts für Verfassungsschutz sind sensible Themen, die wir nicht in der Öffentlichkeit hier so besprechen sollten. Als Mitglieder dieses Hauses sollten wir mit dem Thema vertrauensvoll umgehen. Wir sollten nicht über jedes mediale Stöckchen springen und nicht jede Meldung sollte als Gelegenheit zur pauschalen Diffamierung unserer Sicherheitsbehörden missbraucht werden, wenngleich natürlich gilt, achtsam zu bleiben und den Hinweisen nachzugehen. Ein funktionierender, überparteilicher Verfassungsschutz ist für unsere Demokratie unverzichtbar. Lassen Sie uns also gemeinsam dafür sorgen, dass er dieser Aufgabe auch in Zukunft gerecht werden kann. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Urbach. Ich frage die Landesregierung: Möchte sie das Wort ergreifen? Herr Staatssekretär Götze.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Fraktion der AfD hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Unhaltbare Zustände im Amt für Verfassungsschutz: Wurde die Behörde politisch missbraucht und wurden Rechtsbrüche gedeckt?“ beantragt. Hierzu darf ich für die Landesregierung wie folgt ausführen:

Die Fraktion der AfD bezieht sich in ihrer Begrün- dung für die Themenanmeldung auf die aktuelle Berichterstattung mehrerer Medien, die zum einen über mögliche Dienstvergehen und Straftaten, die der Leiter des Amts für Verfassungsschutz begangen haben soll, berichtet haben. Zum anderen wur-

(Abg. Urbach)

de in den Medien erneut die erfolgte Einstufung des Landesverbands Thüringen der AfD als sogenannter Prüffall sowie die Einstufung als Verdachtsfall und im Weiteren als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung thematisiert. Ich bitte zunächst um Verständnis, dass ich zu Vorwürfen, die im Zusammenhang mit möglichen Dienstvergehen oder Straftaten stehen, aus personendatenschutzrechtlichen Gründen hier keine Auskunft geben kann. Es handelt sich hierbei grundsätzlich um vertrauliche Personalangelegenheiten, zu denen aus Gründen des Vertrauens- und Personendatenschutzes nicht weiter ausgeführt werden kann.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD)

Gleich, gleich, Herr Höcke, nur Geduld. Ich werde schon noch zu den Klarstellungen kommen.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich klarstellen, dass seitens der Dienststelle die gesetzlichen Regelungen des Beamten- und Disziplinarrechts eingehalten und befolgt werden. Generell gilt, dass nach den Bestimmungen des Thüringer Disziplinargesetzes ein Disziplinarverfahren immer dann einzuleiten ist, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Ich darf hier auf § 22 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Disziplinargesetzes verweisen. Nach der Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Sofern dies der Fall ist, wird der Dienstherr mit den Mitteln des Disziplinarrechts reagieren. Die Ermittlungen im Rahmen eines Disziplinarvergehens werden in der Folge regelmäßig durch einen Ermittlungsführer durchgeführt. Sie dienen dem Zweck, den Verdacht eines Dienstvergehens disziplinarrechtlich aufzuklären, um eine umfassende und gesicherte Grundlage für die Abschlussentscheidung zu treffen. Nach Abschluss der Ermittlungen ergeht die abschließende Entscheidung des Dienstvorgesetzten. Das Disziplinarverfahren endet entweder durch Einstellung, durch Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, soweit zu diesem Themenkomplex oder den in den Medien behaupteten Sachverhalten Mobbingvorwürfe erhoben werden, möchte ich klarstellen, dass sich das weitere Verfahren bei einem solchen Vorwurf grundsätzlich nach der im Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales geltenden Rahmendienstvereinbarung über den Umgang mit Mobbing, sexueller Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz bzw. als Nachfolgeregelung nach der geltenden Rahmendienstvereinbarung zum Schutz der Be

schäftigten vor Mobbing, sexueller Belästigung und Diskriminierung und zum Umgang mit Konflikten im Arbeitsumfeld richten würde, soweit eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter die weitere Behandlung eventuell vorgetragener Vorwürfe wünscht. Weiterhin würden die weiteren möglichen Verfahrensschritte auch im Hinblick auf eine eventuelle straf- und disziplinarrechtliche Relevanz besprochen, die Möglichkeit einer Strafanzeige durch den oder die Betroffene erörtert sowie alle zur Verfügung stehenden Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerinnen benannt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich etwas ausführlicher zu den in der Presse erhobenen fachlichen Vorwürfen ausführen.

Die in der Presse nunmehr erneut thematisierten Vorwürfe zur Frage der Ausrufung eines Prüffalls oder etwa im Hinblick auf ein 30-seitiges Ergänzungsgutachten zur Frage der Indemnität sind bereits umfassend Gegenstand der parlamentarischen Befassung gewesen. Ich darf hierzu beispielhaft auf die Beantwortung der Großen Anfrage mit dem Titel „Das Thüringer Amt für Verfassungsschutz und die ‚Prüffall‘-Problematik“, Landtagsdrucksache 6/7202, aus der vorletzten Legislaturperiode verweisen. Ergänzend möchte ich die Zuständigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission, deren umfangreicher Kontrollrahmen und deren Befugnisse in § 24 und folgende des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes geregelt sind, hervorheben.

Die Einordnung als sogenannter Prüffall wurde auf der Pressekonferenz am 6. September 2018 angesprochen. Entgegen der Presseberichterstattung wurde der Prüffall nicht ausgerufen, sondern auf Nachfrage eines Journalisten auf der Pressekonferenz thematisiert. In einem Verwaltungsgerichtsverfahren hat das VG Weimar festgestellt, dass die öffentliche Erklärung des Prüffalls rechtswidrig war, weil dazu keine ausdrückliche Rechtsgrundlage im Thüringer Verfassungsschutzgesetz existiert. Insofern wird das Amt für Verfassungsschutz zukünftig Prüffälle nicht mehr öffentlich machen, solange hierfür keine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen wurde. Die Einstufung als Verdachtsfall erfolgte am 12. März 2020, die als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung am 15. März 2021. Eine waffenrechtliche Bewertung des Thüringer Landesverbands der AfD als kämpferisch-aggressiv im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne wurde dem Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales im Sommer 2024 zugearbeitet und liegt seit November 2024 den unteren Waffenbehörden des Freistaats vor.

(Staatssekretär Götze)

Darüber hinaus ist die ebenfalls thematisierte Frage der Rechtmäßigkeit der Einstufung des Thüringer Landesverbands der AfD nicht nur Gegenstand parlamentarischer Befassungen gewesen. Die Einstufung als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz war zumindest mittelbar Gegenstand aktueller Rechtsprechung. So hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht, dem in einem waffenrechtlichen Verfahren der Vermerk zur Einstufung des Landesverbands der AfD als erwiesen extremistisch vorlag, mit Beschluss vom 19. Februar 2024, Aktenzeichen 3 EO 453/23 ausgeführt – ich darf zitieren –: „Bei der hier im summarischen Verfahren vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der vom AfV gewonnenen und ausgewerteten Erkenntnisse, wie sie im Bericht vom März 2021 und […] auch in der Zusammenfassung vom 23. Mai 2022 zum Ausdruck gebracht wird, gibt es gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass der AfD-[Landesverband] Thüringen verfassungsfeindlich ausgerichtet ist.“

(Beifall Die Linke, SPD)

Ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Indemnität oder gegen die Meinungsäußerungsfreiheit wurde weder vom Prozessvertreter des Beschwerdegegners vorgetragen noch seitens des Gerichts problematisiert.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Genau! Das ist doch das Problem!)

Ich habe es noch nicht mal vorgetragen, Herr Höcke.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das müssen wir doch auch gar nicht!)

Auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Weimar zum Aktenzeichen 1272/23, in welchem Passagen des Verfassungsschutzberichts 2021 betreffend den Thüringer Landesverband der AfD in Streit standen, wurde die Frage der Indemnität nicht aufgeworfen und auch nicht anderweitig problematisiert. Im Urteil vom 6. August 2024 wurde die Klage des AfD-Landesverbands Thüringen vollumfänglich abgewiesen.

Maßgebliche Gründe für die Einstufung des AfDLandesverbands Thüringen als erwiesen extremistische Bestrebung sind Verstöße gegen die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Diese Punkte sind wesentliche Beurteilungskriterien im Hinblick auf das Schutzgut der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, worauf in der Gesamtbetrachtung des Einstufungsgrads abgestellt wird. Ebenfalls waren das Personenpotenzial und die Programmatik der erwie

sen extremistischen Bestrebung „Der Flügel“ sowie die Verbindungen von Angehörigen des Landesverbands Thüringen der AfD zu rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen und Einzelpersonen weitere Aspekte, auf welche sich die Einstufung stützt.

In den programmatischen Festlegungen und Zielstellungen des Landesverbands der AfD werden deutlich völkisch-ideologische Motive sichtbar, die dem Grundgesetz fremd sind. Die Bewahrung einer nationalen und kulturellen Identität und die Herstellung eines Ethnopluralismus, wie es als Zielstellung eindeutig aus dem Parteiprogramm hervorgeht, die Darstellung des Islam als Gesamtbedrohung und die Aufforderung, der vermeintlich um sich greifenden Veränderung des Staatsvolks entgegenzuwirken, weisen auf eine Grundeinstellung hin, die mit wesentlichen Verfassungsgrundsätzen der Menschenwürde, der Religionsfreiheit, der Gleichbehandlung und dem Demokratieprinzip nicht mehr vereinbar ist. Dies gilt auch, soweit hinsichtlich einzelner Forderungen eine im Rahmen der Verfassungsvorgaben sich haltende Auslegung für möglich gehalten wird.

Insgesamt ist festzustellen, dass die fachlichen Entscheidungen des Amts für Verfassungsschutz nicht infolge parteipolitischer Vorgaben getroffen werden, sondern allein auf der Grundlage einschlägiger gesetzlicher Regelungen unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Nähere Erläuterungen und umfangreiche Belege sind in den Verfassungsschutzberichten der vergangenen Jahre aufgeführt. Insofern weise ich den Vorwurf des politischen Missbrauchs und eines, wie im AfD-Antrag zu dieser Aktuellen Stunde formuliert, Deckens von Rechtsbrüchen ausdrücklich und entschieden zurück. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, Die Linke, SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Götze. Da die Landesregierung mit ihrem Redebeitrag die 10 Minuten überschritten hat, bekommen alle Fraktionen nochmals 2 Minuten Redezeit. Herr Abgeordneter Höcke.

Herr Präsident! Herr Staatssekretär Götze, ich glaube, Sie verwechseln den Thüringer Landtag mit einer Dienstversammlung. Das, was Sie hier ausgeführt haben, war vollkommen irrelevant und hatte keinen Bezug zur Aktuellen Stunde.

(Zwischenruf Götze, Staatssekretär: Doch!)

(Staatssekretär Götze)

Ich möchte Sie einfach mal darauf hinweisen.

(Beifall AfD)

Das Problem ist die Person Stephan Kramer. Es war der erste Verfassungsschutzpräsident eines deutschen Amts für Verfassungsschutz, der einen Prüffall aufgerufen und ausgerufen hat in dieser legendären ParlKK 2018, einen Begriff, den es bis dato überhaupt gar nicht gab, weswegen er von Gerichts wegen da auch verurteilt worden ist – erstens.