Ich würde es auch gern an Zahlen festmachen, denn wir reden hier nicht von ein bisschen Pillepalle, wo das Land mal eben helfen kann, wir reden allein vom letzten Jahr von fast – ich habe es jetzt mal aufgerundet – 300 Milliarden Euro, die in Deutschland für Gesundheitsversorgung ausgegeben werden. Das ist eine für mich unvorstellbar hohe Summe. Deswegen haben die Krankenkassen – weil wir noch kein neues System haben – einfach das gemacht, was sie immer tun: reflexartig Zusatzbeiträge erhöht, in dem Fall jetzt 1,2 Prozentpunkte. Das ist der höchste Beitragsanstieg in der Geschichte der Bundesrepublik. Deswegen ist Ihre Aktuelle Stunde absolut berechtigt. Aber auch wenn wir von Prognosen reden, sehen wir: Es wird nach oben gehen. Allein in den nächsten zehn Jahren, heißt es, könnten wir bei 20 Prozent liegen. Nur eine kurzfristige Unterstützung für Betroffene löst doch unser Problem nicht.
Sie haben es angesprochen: Wir brauchen eine Reform. Hier muss ich an dieser Stelle letztendlich sagen, auch wenn es für uns als SPD-Partei sehr betrüblich ist: Wer hat‘s erfunden, die Lösung? Das ist in dem Fall wirklich mal die SPD. Seit Jahrzehnten versuchen wir, diese praktikable Lösung einer solidarischen Bürgerversicherung, was in der Tat eine Lösung wäre, in die Politik hineinzutragen und auch umzusetzen.
Wir waren jetzt aktuell natürlich in der Regierungsverantwortung – wir reden hier über Bundespolitik. Ich kann nur sagen, mit unseren Koalitionspartnern, wie sie aktuell in Berlin an unserer Seite standen, war die solidarische Bürgerversicherung nicht umsetzbar. Deshalb heißt es aber nicht, dass man an dieser Stelle nachlassen soll. Deswegen bin ich Ihnen dankbar für die Aktuelle Stunde. Aus unserer Sicht sollte man, wenn man nicht gleich alles mit einmal schaffen kann, vielleicht Dinge in Stufen machen. Man könnte den Anfang zum Beispiel bei der Pflegeversicherung machen, denn hier zahlen gesetzlich und privat Versicherte genauso ein, in gleichen Höhen, also da gibt es gar kein Unterschied. Damit könnte man hier auch eine viel leichtere Anpassung machen und sozusagen ein erstes
Zu diesem Schluss kommt zum Beispiel auch ein heute ganz tagaktuelles Gutachten des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Rothgang. Was stellt Prof. Rothgang fest? Ja, es wäre in der Tat etwas, was unser System im Sinne einer soliden Versorgung auch für die Zukunft endlich auf solidere Füße stellen würde, damit wir in der Zukunft keine Abstriche machen müssen und nicht immer wieder darüber reden müssen, ob wir hier das gesamte System infrage stellen. Aber nein, es würde eben nicht zu einer Senkung führen. Es würde vielleicht sogar bei der Pflegeversicherung jeden Versicherten im Schnitt 5 Euro mehr kosten. Aber es wäre nachhaltig und würde die Versorgung auch für unsere Kinder in der Zukunft steigern.
Ich würde jetzt gern noch viel zu unseren Landesprojekten sagen, die wir auf dem Schirm haben, denn darum sollte es ja eigentlich in der Aktuellen Stunde gehen. Aber meine Zeit ist um und deshalb danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Dr. Urban. Als Nächsten rufe ich Abgeordneten Zippel für die Fraktion der CDU auf.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Forderung der Fraktion Die Linke, die Beitragslast für die Versicherten zu senken, ist erst einmal richtig und berechtigt. Ich denke, dafür gibt es hier im Hohen Haus durchaus auch großes Verständnis. Höhere Krankenkassenbeiträge ähnlich wie steigende Beiträge zur Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung stehen einer leistungsgerechten Gesellschaft nun mal im Weg. Wenn weniger Netto vom Brutto übrig bleibt, weil mehr Steuern oder auch Sozialabgaben gezahlt werden müssen, leidet darunter die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmerschaft. Warum arbeiten, wenn man die Hälfte davon ohnehin abgeben muss? Gleichzeitig werden sozialer Aufstieg, die Durchlässigkeit der Bevölkerungsschichten und letztlich auch das Streben nach Glück erschwert. Kurzum: Höhere Beiträge in der Sozialversicherung sind unsozial gegenüber denjenigen, die durch Fleiß sozialen Aufstieg erreichen wollen. Ihnen nehmen höhere Beiträge ein Stück Zukunft. Ich bin froh, dass Die Linke dieses Thema zur Aktuellen Stunde gemacht hat. Herzlichen Dank dafür!
Doch nun muss ich – das ist, glaube ich, wenig überraschend für Sie – etwas Wasser in den Wein gießen. Ein wesentlicher Grund für die steigende Beitragslast sind mangelnde Strukturveränderungen. Besonders die Krankenhausplanung ist hier ein kritischer Punkt, der durch die linke Ministerin Heike Werner doch maßgeblich verzögert wurde. Treiber der Kostenspirale sind darüber hinaus vor allem steigende Personalkosten. So richtig höhere Gehälter für Pflegekräfte sind, so klar ist auch, dass diese durch höhere Beiträge insbesondere der Pflegeversicherung, aber auch in der Krankenversicherung refinanziert werden müssen. Auch eine Vollversorgungsmentalität, die teilweise dem gesunden Menschenverstand oder grundsätzlich der Gesundheitskompetenz widerspricht, trägt dazu bei, die Kosten in die Höhe zu treiben. Ich sehe beispielsweise im Rettungsdienst viele Einsätze, die keiner Notfallhilfe bedurft hätten. Hier braucht es eine bessere Patientensteuerung. Und hier müssen wir uns an die Nase fassen: Die Politik tut zu wenig, um die Eigenverantwortlichkeit für den eigenen Körper und die Gesundheitskompetenz der Bürger zu erhöhen. Oftmals werden Erwartungshaltungen geschürt, die hohe Kosten nach sich ziehen. Diese Erwartungshaltungen wirken sich als enormer Kostentreiber aus und sind mitverantwortlich für die Beitragssteigerungen.
In diesen Bereich gehören auch die Standarderhöhungen. Welche Standards müssen wirklich eingehalten und dokumentiert werden? In welchen Fällen fehlen durch die Standards Ressourcen, um unter geringeren Standards vielleicht mehr Leben zu retten? Auch diese Frage darf und muss gestellt werden: Wo herrscht eine Misstrauenskultur, die zu Dokumentationsnotwendigkeiten führt, die niemandem nützen? Oder: Wo ist unser Gesundheitssystem überreguliert und bedarf stärkerer Entlastungen?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterfinanzierung der Investitionskosten. Das Land ist jahrelang seiner Pflicht nicht nachgekommen – und auch hier müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen –, ausreichend Investitionskosten bereitzustellen. Gesetzlich ist deutlich geregelt, dass das hier eine Landesaufgabe ist. Durch die Unterfinanzierung der Investitionskosten mussten die Kliniken jedoch vielfach aus den Betriebskosten und damit aus den Versicherungsgeldern nur der gesetzlich Versicherten Mittel entziehen.
Noch schlimmer agiert der Bund, der die Investitionskosten für die Kliniktransformation zur Hälfte den Ländern aufbürdet, die andere Hälfte aber nicht selber trägt, sondern die gesetzlich Versicherten zur Kasse bittet. Auch das ist ein weiterer wesentlicher Treiber für die Erhöhung der Beiträge.
Bereits im Wahlkampf hatte die CDU formuliert, Beiträge stabilisieren und möglichst senken zu wollen. Innerhalb der Koalition besteht so Einigkeit darüber, dass wesentliche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Dabei können beispielsweise auch die Qualität und gleichzeitig teure und ineffiziente Strukturen verbessert werden, wie wir dies mit der Krankenhausreform planen. Dazu müssen wir als Land natürlich beispielsweise auch Investitionsmittel und einen Transformationsfonds bereitstellen. Dass die Linke dies offenkundig unterstützen wird, finden wir gut. Ich hoffe, es bleibt nicht nur bei diesen Worten. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zippel. Als Nächstem erteile ich Abgeordneten Dr. Lauerwald für die Fraktion der AfD das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen Abgeordnete, Zuschauer auf der Tribüne und Zuhörer am Livestream, das Grundprinzip einer Versicherung ist die Risikoteilung. Das bedeutet, dass viele Menschen einen kleinen Beitrag zahlen, sich gemeinsam das Risiko teilen und abgesichert sind. Versicherungsmathematiker kalkulieren die Versicherungsbedingungen anhand der zu erwartenden Ausgaben und der dafür notwendigen Einnahmen. In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt nicht die Risikoteilung, sondern das Solidaritätsprinzip. Alle Versicherten bilden eine Solidargemeinschaft. Das Solidarprinzip funktioniert aber nur dann, wenn alle Menschen, die Leistungen erhalten, Versicherungsbeiträge einzahlen.
Werte Kollegen der Linken, Sie klagen über die Beitragslast der Versicherten und ignorieren völlig die Ursachen. Bei den Einnahmen haben wir das erste Riesenproblem: Millionen von arbeitenden Menschen zahlen ihre Beiträge regelmäßig ein, Hunderttausende Menschen zahlen niemals Beiträge in die Krankenversicherung ein. Wir haben aber zusätzlich auch ein Ausgabenproblem. Laut einer Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft und Berichten des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen liegen die jährlichen Ausgaben bei etwa 2 bis 2,2 Milliarden Euro für Flüchtlingsversorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern. Diese Kosten für deren Akutbehandlung und für langfristige gesundheitliche Betreuung werden durch einen Bundeszuschuss nur teilweise gedeckt.
Hier besteht eine immense Finanzierungslücke. Die Politik der verantwortlichen Kartellparteien höhlt permanent das Solidarprinzip aus, indem sie umfangreiche medizinische Leistungen für Migranten ermöglicht, die laut Asylbewerberleistungsgesetz nicht vorgesehen sind. Die finanziellen Belastungen während der Coronapandemie schlugen ebenfalls zuungunsten der Krankenkassen zu Buche; allein im Zeitraum von 2020 bis 2022 waren es Gesamtausgaben von 28 bis 34 Milliarden Euro. Teilweise blieben die Krankenkassen auch auf diesen Kosten sitzen. Die Krankenkassenverbände fordern die Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen und vor allem die Einführung einer angemessenen Finanzierung des Krankenkassenbeitrags für Bürgergeldbezieher.
Auch bei den Pflegekassen, die Sie, werte Kollegen der Linken, gar nicht erwähnen, steigen die Ausgaben stetig. Ein Hauptproblem ist die Refinanzierung der pandemiebedingten Kosten in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, auf denen sie sitzen geblieben sind. Die gesetzlichen Krankenkassen und die Pflegekassen werden von der Politik der Kartellparteien permanent ausgeplündert. Die Versicherten und die Arbeitgeber zahlen die Zeche mit ständig steigenden Beiträgen. Wenn Sie, liebe Kollegen der Linken, aufrufen, die Beitragslast für Versicherte zu senken, dann gehen Sie bitte schön an die Wurzel des Übels!
Drängen Sie das Land Thüringen und vor allem den Bund, wo das Thema besser aufgehoben ist, zu grundlegenden Korrekturen! Wie das gehen kann, habe ich Ihnen soeben umfänglich erklärt. Sie fordern das Land Thüringen zur Unterstützung auf. Der Steuerzahler soll es also wieder einmal ausbaden, wenn ich Sie recht verstehe. Höhere Steuern statt höhere Krankenkassenbeiträge – linke Tasche, rechte Tasche.
Abschließend noch ein Wort zu Ihrer Neiddebatte bezüglich der privaten Krankenversicherungen: Keinesfalls sind Privatversicherte Profiteure privilegierter Behandlungen auf Kosten gesetzlich Versicherter. Mit 40 Jahren Berufserfahrung weise ich Ihre spalterischen Behauptungen vehement zurück. In der PKV gilt das Solidarprinzip nicht. Die Beiträge berechnen sich nur nach dem Risiko. Man kann nur gegen sehr hohe Prämien oder auch gar nicht versichert werden.
Altersrisiken. Diese Altersrückstellungen haben in Deutschland insgesamt einen Wert von mehreren Milliarden Euro. Seit Jahrzehnten kommen unter dem Begriff der Bürgerversicherung die Begehrlichkeiten der politisch links zu verortenden Kräfte daher, um diesen Vorsorgestock zu enteignen. Noch einmal: Ändern Sie Ihre verfehlte Politik! Wenn Sie die wenigen, die noch etwas haben, gegen die, die kaum mehr etwas haben, ausspielen, sind am Ende alle gleich verarmt. Das ist Sozialismus – nie wieder.
Danke, Herr Abgeordneter Dr. Lauerwald. Für die Fraktion des BSW rufe ich nun Herrn Abgeordneten Wogawa auf.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuhörer auf der Besuchertribüne und am Livestream, ja, die Situation ist problematisch. Mehr als die Hälfte der deutschen gesetzlichen Krankenkassen haben das Jahr 2025 mit Beitragserhöhungen begonnen, einzelne Kassen sogar um mehr als 4 Prozent. Die Linke fordert daher – ich zitiere –: „Thüringen darf steigende Krankenkassenbeiträge nicht tatenlos hinnehmen“. Es ist sicher legitim, aber ich sage an der Stelle auch: Gut gebrüllt, Wahlkampflöwe!
Man muss natürlich auch mal nachfragen, über wie viele Krankenkassen der Freistaat die Landesaufsicht hat. Ich weiß nicht, weiß es die Fraktion Die Linke? Ich weiß es: über keine. Die Landesaufsicht trifft nur auf Krankenkassen zu, deren Zuständigkeit sich nicht über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, und die gibt es in Thüringen nicht.
Kürzlich hat jemand analysiert, Deutschland habe das teuerste Gesundheitssystem in Europa. Es sei in vielen Bereichen zudem nicht effizient. Dieser Analytiker war Karl Lauterbach, der Bundesgesundheitsminister. Über seinen eigenen Anteil an der Misere schweigt er aber leider geflissentlich. Dazu gehört – und hier widerspreche ich dem Kollegen der AfD ganz nachdrücklich –, dass Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht nur immer mehr Kosten aufgebürdet werden, man benachteiligt sie auch systematisch gegenüber Privatpatienten. Das muss aus Sicht des BSW überwunden werden.
in Stadtteilen mit einem hohen Anteil an Privatpatienten niederlassen, und das ist nicht der ländliche Raum, meine Damen und Herren. Diese Tendenz konterkariert den Anspruch auf eine flächendeckende medizinische Versorgung auf hohem Niveau, wie es die Regierungskoalition formuliert hat. Das können wir deshalb auch nicht zulassen.
Womit lassen sich Krankenversicherungsbeiträge senken? Beispielsweise dadurch, dass auf Bundesebene die Zahl der Krankenkassen deutlich reduziert wird. Das würde Bürokratiekosten einsparen.
Oder dadurch, meine Damen und Herren – es ist schon angesprochen worden –, dass keine versicherungsfremden Leistungen mehr bezahlt werden müssen, die eigentlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren sind. Und man muss da auch zur Kenntnis nehmen: Der Bundeszuschuss ist unzureichend.
Wichtig aus BSW-Perspektive ist auch, finanzielle Fehlanreize im Gesundheitswesen zu überwinden. An der Stelle unterscheiden wir uns von der Linksfraktion, die das noch nicht erwähnt hat. Denn es ist wirklich sehr viel Geld im System – die Kollegin Urban hat darauf hingewiesen –, das aber oft nicht effizient eingesetzt wird.
Die sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung, ambulant und stationär, wie sie im Regierungsvertrag verankert ist, wird zu klaren Effizienzgewinnen führen. Ich freue mich, dass das die Handschrift des BSW trägt.
Ein weiterer Punkt hat perspektivisch eine Bedeutung – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: „Eine echte Reform muss die Finanzierungsströme ändern, entweder in Form einer Bürgerversicherung oder durch Einbindung aller in eine solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens.“ Das hat kein Politiker gesagt, das hat Mathias Kifmann gesagt, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Mitglied im Hamburg Center for Health Economics. Das BSW teilt diese Einschätzung. Allerdings ist parallel mehr Effizienz im System nötig. Der Ruf nach mehr Geld, nach höheren Krankenversicherungsbeiträgen, nach immer mehr Zusatzbeiträgen, der führt dagegen in die Irre. Vielen Dank.