Jutta Lieske
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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss 4/1 zur Bodenreform wurde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE im Februar des letzten Jahres eingesetzt. Er tagte vom 4. März 2008 bis zum 20. März 2009 in 18 Sitzungen. Vom 10. Juni 2008 bis zum 10. Februar 2009 fanden 11 öffentliche Beweisaufnahmen mit 24 Zeugenvernehmungen statt. Ausschussmitglieder aller Fraktionen stellten insgesamt 43 Beweisanträge. 23 Beweisanträge - also die Mehrzahl der Beweisanträge - beinhalteten die Vernehmung von Zeugen. Weitere 17 Beweisanträge richteten sich auf die Beiziehung von schriftlichem Beweismaterial. Herr Klein kennt sich im Verfahren von Untersuchungsausschüssen bestens aus und weiß, dass es ein Untersuchungsausschuss von relativ kurzer Dauer und mit einer überschaubaren Zahl von Beweisanträgen war. Ferner wurde die Anhörung eines Sachverständigen beantragt und beschlossen.
Die in den Beweisanträgen der Abgeordneten Hesselbarth beantragte Zeugenvernehmung wurde von der Mehrheit des Ausschusses für entbehrlich erachtet und dementsprechend abgelehnt. Hiergegen sowie gegen den Umgang mit den Beweisanträgen A 23, 24 und 28 wurde seitens der Fraktion der DVU und des Mitglieds des parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. September 2008 ein Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg angestrengt. Mit Beschluss vom 19. Februar 2009 wurden die Anträge im Organstreitverfahren Nr. 4408 als unzulässig verworfen. Bereits nach Vorbringen des Antragstellers schied die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aus, da die Anträge nicht über das nach Artikel 72 Abs. 3 Satz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg erforderliche Quorum von einem Fünftel der Ausschussmitglieder verfügten.
Der Untersuchungsausschuss forderte im Rahmen der Beweisaufnahme umfängliches Aktenmaterial aus dem Ministerium der Finanzen, dem Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz, dem Ministerium der Justiz, dem Ministerium des Innern sowie der Staatskanzlei an.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, recht herzlichen Dank allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses für ihre aktive Tätigkeit. Durch Ihr diszipliniertes und im Wesentlichen vom konstruktiven Willen zur Zusammenarbeit geprägtes Verhalten haben Sie dazu beigetragen, dass die Arbeit nach nur einem Jahr heute abgeschlossen werden kann - und das im Superwahljahr 2009 -, und zwar mit Ergebnissen, die nachher sicherlich von allen politisch unterschiedlich bewertet werden. Vielen Dank von dieser Stelle an alle, die sich daran aktiv beteiligt haben.
Mein Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtags. Hier möchte ich die Referentinnen Frau SchmitzDörner, Frau Bley und Frau Robert ansprechen. Hervorheben möchte ich aber auch die unermüdliche Arbeit von Frau Krenz
lin, die zum Erfolg des Berichts nicht unwesentlich beigetragen hat. Nicht zuletzt gilt mein Dank auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stenografischen Dienstes, denen wir es nicht immer leicht gemacht haben, wortgetreue Protokolle über unsere Sitzungen zu erstellen.
Zur Sachdarstellung: In den Jahren 1945 und 1946 wurden in der damaligen sowjetischen Besatzungszone Personen, die mehr als 100 ha Land besaßen, sowie nationalsozialistische Kriegsverbrecher unabhängig von der Grundstücksgröße im Rahmen der Bodenreform enteignet. Diese Ländereien wurden in kleinere Schläge vorwiegend an landlose oder landarme Bauern und Umsiedler verteilt. Diesen sogenannten Neubauern waren die landwirtschaftlich zu nutzenden Flächen zwar auf Dauer überlassen, die Grundstücke mussten aber später häufig in die gebildeten LPGn eingebracht werden und waren nur unter engen Voraussetzungen vererbbar.
Am 15. März 1990 hob die DDR sämtliche dieser Beschränkungen mit dem sogenannten Modrow-Gesetz auf. Dieses Gesetz schuf zahlreiche neue Probleme, sodass der Deutsche Bundestag mit Gesetz vom 14. Juli 1992 die zu DDR-Zeiten geltenden Beschränkungen des Eigentums an Bodenreformgrundstücken wiederherstellte. Im Zuge dessen erhielt auch Brandenburg Anspruch auf ehemaliges Bodenreformland. Dieser Anspruch verjährte zum 3. Oktober 2000. In Brandenburg wurden in der Folge unerwartet viele Bodenreformflächen gefunden, ca. 82 000. Die Eigentümer waren oft unbekannt, die Grundstücke quasi herrenlos. Die Eigentümer wussten oft nicht einmal, dass ihnen eine kleine landwirtschaftliche Fläche fehlt.
Nachdem Mecklenburg-Vorpommern 1994 begonnen hatte, flächendeckend nach Bodenreformland zu suchen, beschloss das Kabinett im Frühjahr 1996, dies in Brandenburg auch zu tun. Das Finanzministerium suchte geeignete Dienstleistungsunternehmen und schloss Ende 1996, Anfang 1997 Rechercheverträge, nach denen die Dienstleister erfolgsabhängig honoriert wurden. Bereits 1998 fielen erste unzureichende Rechercheergebnisse auf. Rückblickend erscheint es nicht nur wünschenswert, sondern zwingend, dass sich sowohl die Dienstleister als auch die zuständige Fachebene im Finanzministerium eingestanden hätten, dass sie auf den Umfang der Aufgabe nicht vorbereitet waren. Sie wurden sowohl von der Fülle der Recherchefälle als auch von den tatsächlichen Anforderungen der Recherchetätigkeit überrascht.
Da die gesetzliche Möglichkeit bestand, für unbekannte Eigentümer und Erben Vertreter zu bestellen, entschloss sich das Ministerium der Finanzen, davon Gebrauch zu machen. Die Landkreise und kreisfreien Städte, die hierfür zuständig waren, bestellten die Vertreter jedoch nur, insoweit ihnen eine Erklärung übersandt wurde, mit der sie von jeglicher Haftung freigestellt wurden und die eine Zusicherung enthielt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Diese Erklärung erhielten sie.
Die gesetzlichen Vertreter - in 8 900 Fällen das Land selbst ließen die Grundstücke sodann an das Land Brandenburg auf, da dieses einen Anspruch auf die Grundstücke geltend machte. In 7 400 Fällen ist es zu einer Eintragung des Landes als Eigentümerin im Grundbuch gekommen. So weit die Tatsachen.
Nun zur Bewertung. Dass diese Verfahrensweise rechtswidrig war, wissen wir spätestens seit dem Gerichtsurteil vom 7. Dezember 2007. Es hätte Alternativen gegeben. Man hätte
die Fälle nicht ermittelter Eigentümer auf sich beruhen lassen können. Das ist damals mit Blick auf die Landeshaushaltsordnung als problematisch betrachtet worden, denn bestehende Ansprüche waren durchzusetzen. Man hätte auch - das Land Brandburg selbst - massenhafte Klagen gegen unbekannte Eigentümer oder deren Vertreter einreichen können. Was der Untersuchungsausschuss als Nicht-Alternative festgestellt hat, ist der Sonderweg von Teltow-Fläming. Sie haben Gelegenheit, im Bericht hierzu Entsprechendes nachzulesen.
Es hat sich zunächst gezeigt, dass bei keinem der Beteiligten die Absicht oder die Erwartung bestand, sich oder das Land rechtswidrig zu bereichern. Es wurde davon ausgegangen, eine Methode gefunden zu haben, Ansprüche des Landes zu sichern. Man war überzeugt, dass ein Großteil der betreffenden Grundstücke tatsächlich dem Land zustand. Aus diesem Grund wollte man zunächst sämtliche dieser Grundstücke für das Land sichern und sie an später bekannt werdende Besserberechtigte zurückgeben.
Ab August 2000 hätte dem Ministerium der Finanzen aber klar sein müssen, dass in zahlreichen Fällen, in denen Vertreterbestellungen durch die Rechercheunternehmen beantragt wurden, eine mangelhafte und zum Teil überhaupt keine Erbenrecherche stattgefunden hatte. Spätestens in diesem Moment hätte die Vertreterpraxis gestoppt werden müssen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wäre es unumgänglich gewesen, die Hausspitze des Ministeriums der Finanzen zu unterrichten und eine Entscheidung über die weitere Verfahrensweise einzuholen.
Ich bin mir sicher, dass die nachfolgenden Rednerinnen und Redner diese Fragestellungen und Feststellungen in allen ihren Facetten weiter beleuchten und sicherlich politisch unterschiedlich betrachten werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.