Christoph Schulze
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese heutige Aussprache ist der vorläufige, sicher nicht der letzte Höhepunkt einer schier endlosen Geschichte, die dieses Haus über 20 Jahre begleitet. 1991 wurde im Landtag Brandenburg das Vorschaltgesetz zum Landesplanungsgesetz beschlossen. Da
wurde das erste Mal die Frage eines Großflughafens, eines Standorts thematisiert. Seitdem gibt es in diesem Hause ein mehr oder weniger großes Ringen, was wo wie passieren soll.
Herr Ministerpräsident, ich gebe Ihnen Recht, es gibt jetzt nun einmal einen Standort. Und dass es die Aufgabe der Regierung ist, sich zu bemühen, dies erfolgreich zu Ende zu bringen, das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber die Frage ist nicht, ob man es zu Ende bringt, sondern wie man es zu Ende bringt.
Womit wir es hier zu tun haben, ist letztendlich ein politisches Vollversagen nicht nur im Aufsichtsrat, nicht nur in der Landesregierung, sondern auch hier im Landtag Brandenburg. Jeder, der ein wenig ehrlich ist, wird sich das eingestehen müssen. Wir haben heute in dieser Debatte gehört, dass es vornehmlich um materielle Werte gehe: Wie viel Geld wird uns das kosten, wie viel Zeit? Wer leidet wirtschaftlich wann und wie darunter?
Ich möchte eine andere Problematik in den Mittelpunkt meines Beitrags stellen. Das ist der immaterielle Wert, die Frage des Vertrauensverlusts, die Frage: Gibt es noch ein Grundvertrauen in Politik, oder gehen die Leute letztendlich von dem aus, was spöttisch schon immer gesagt wird: „Die machen ja, was sie wollen.“ In dieser Hinsicht haben wir einen politischen Totalschaden. Jeder, der sich das vergegenwärtigen will, möge sich den Kommentar von Elmar Theveßen, dem stellvertretenden Chefredakteur des ZDF, vom 7. Januar in der Mediathek anschauen. Ich meine, er hat es auf den Punkt gebracht.
Das, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe und worum es hier geht, ist die Wiedergewinnung von Vertrauen. Herr Ministerpräsident - Herr Vogel hat das gut herausgearbeitet -, Sie fordern heute einen Vertrauensvorschuss von diesem Haus - bei all dem, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich werde am Ende mein Resümee ziehen.
Was ist die Frage vor Ort? Im engeren Umfeld des Flughafens herrschen Verzweiflung, Wut, Enttäuschung, ein vollständiger Vertrauensverlust in die handelnden Personen. Das kann man nicht nur in der MAZ-Umfrage, an der mittlerweile über 1000 Leute teilgenommen haben und die schon einen repräsentativen Wert hat, nachlesen. Ich habe mir in der letzten Woche erlaubt - wir alle sind ja von der Problematik auf dem linken Fuß erwischt worden -, eine Umfrage zu machen. Es gab 142 Rückmeldungen; 139 Mal hieß es: Nein, der Ministerpräsident soll nicht den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen, und 139 Mal: Ich soll ihm nicht das Vertrauen aussprechen. - Daran kann man sich orientieren. Drei, die mir geschrieben haben, sagen: Doch, das soll man tun. Das zeigt ein ähnliches Verhältnis wie die MAZ-Umfrage. Umfragen sind Umfragen, die einen äußern sich, die anderen nicht. Man darf das nicht in den Himmel heben, aber es sind schon Dinge, die man bedenken muss.
Im weiteren Umfeld, das heißt nicht im direkten Einflugbereich, nicht dort, wo unbedingt der Fluglärm „das“ Problem ist, herrschen Sprachlosigkeit und Verzweiflung auch bei denjenigen, die guten Willens waren und sich auf diesen Flughafen eingelassen haben. Auch sie sind verunsichert, wütend und haben kein Verständnis mehr.
Womit haben wir es zu tun? Am 6. Januar sickert durch: Der Eröffnungstermin wird zum soundsovielten Mal verschoben. Am 7. Januar steht es in der Zeitung. Am 8. Januar wird beschlossen: Es kommt zu Landtagssitzung, Sondersitzung, Vertrauens
frage und Aussprache. Ich darf Ihnen sagen, wie ich das empfinde. Erstens haben wir heute wieder eine typische Rollenverteilung gesehen, die ich zum Teil schade finde, weil ich die Sache für zu wichtig halte, als dass man sich in die üblichen Klischees begibt. Ich finde es schade, dass mit dieser Vertrauensfrage - das sehe ich ganz genauso wie einige Vorredner - ein gewisser Druck, eine Disziplinierung ausgeübt wird. Ich sage es ganz deutlich, und so sehe ich es auch.
- Ich finde es hervorragend, Herr Bischoff, dass Sie das als Quatsch bezeichnen. Das ist ja das Schlimme, dass man in diesem Land keine andere Meinung haben kann, ohne dass diese von Ihnen sofort mit dem Ausdruck Quatsch belegt würde.
Das ist genau die Form von Arroganz, die uns dahingeführt hat, wo wir heute sind.
Meine sehr verehrten Kollegen, waren die Regierungserklärung und die Landtagssitzung heute nötig? Ich glaube ja. Aber war die Vertrauensfrage notwendig? Dazu sage ich fest nein. Denn was ist damit verbunden? Natürlich ist damit verbunden, wenn der Landtag dem Ministerpräsidenten heute das Vertrauen ausspricht, dass wegen dieser ultimativen Vorfestlegung stets und ständig alles so getan werden muss, egal, was da kommt. Das finde ich in der Frage der Selbstbestimmung dieses Parlaments nicht in Ordnung.
Ich möchte an Folgendes erinnern: Es sind neben Frau Stark auch andere Matadoren hier, die sich 1989/90 an der friedlichen Wende beteiligt haben. Was haben wir denn damals gewollt, was haben wir postuliert? Wir haben gesagt: Wir wollen, dass nie wieder Politik über die Köpfe der Menschen hinweg gemacht wird. Wir wollen nie wieder zulassen, dass aktiv Politik gegen Menschen gemacht wird. Wir wollen Ehrlichkeit, Vertrauen und Transparenz. - Wenn ich mir anschaue, wo wir nach 22 Jahren angekommen sind, dann ist mir manchmal angst und bange. Wir haben vieles von dem Erreichten wieder verloren und manches regelrecht verraten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Regierungserklärung habe ich eines vermisst, so wie schon in der Regierungserklärung zur Nichteröffnung des Flughafens am 3. Juni. Ich hätte vom Ministerpräsidenten - das sage ich auch im Namen vieler Bürgerinnen und Bürger, die mich in der letzten Woche angerufen oder angesprochen haben - das Wort erwartet: „Ich habe Fehler gemacht, es tut mir leid.“ Was ist daran so schlimm? Dabei bricht niemandem ein Zacken aus der Krone.
Ich habe die Regierungserklärung hier, ich habe sie verfolgt. Sie ist wortwörtlich so vorgetragen worden - bis auf ganz kleine Nuancen. Aber von individuellen Fehlern steht nichts darin. Schuld waren immer alle gemeinsam, aber niemals jemand persönlich. Das halte ich nicht für richtig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident hat nicht nur zu Beginn dieser Wahlperiode, sondern schon davor einen Amtseid geschworen. Er lautet:
„Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg widmen, ihren Nutzen mehren, Schaden von ihnen wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
Da meine letzte Redeminute läuft, werde ich das nicht in der epischen Breite ausführen können, wie ich es eigentlich vorhatte. Aber ich will auf den letzten Punkt, Gerechtigkeit gegenüber jedermann zu üben, eingehen. Das, was ich einfordere, ist, dass Gerechtigkeit gegenüber denen geübt wird, die die Suppe auslöffeln müssen, nämlich den Betroffenen.
Damit komme ich zum Punkt. Im Punkt 5 auf Seite 13 der Regierungserklärung sagt der Ministerpräsident, dass die Frage des Lärmschutzes und der Akzeptanz noch weiter ins Zentrum der Diskussion zu rücken ist. Das müssen die Betroffenen nun wirklich als Verhöhnung empfinden, und ich empfinde das auch so. Das hat niemals im Zentrum gestanden. Es war immer ein eher lästiges Nebenthema. Ich sehe auch jetzt nicht, dass es hierzu viele konkrete Aussagen gibt. „Das Schallschutzprogramm wird komplett umgesetzt“, heißt es. Das Schallschutzprogramm ist bisher mit Füßen getreten worden, die Interessen der Bürger sind mit Füßen getreten worden.
Erzählen Sie doch nicht so etwas, Herr Ness, es ist auch nicht eine halbe Milliarde. 15 Millionen Euro sind ausgegeben worden, und das nach sieben Jahren. Entschuldigung, das ist doch lächerlich.
Meine Damen und Herren, wir hatten in der letzten Sitzung die Diskussion über die Lärmschutzkriterien. Null mal 55 dB (A) oder 0,45 mal 55 dB (A), das sind keine Petitessen. Ich möchte Ihnen im Namen der Bürgerinnen und Bürger meines Wahlkreises, die im Wesentlichen die Suppe auslöffeln müssen, ans Herz legen: Überlegen Sie sich das genau mit dem Vertrauensvorschuss. Mein Vertrauen hat der Ministerpräsident nicht. Vertrauen kann man nicht beschließen. Vertrauen kann wachsen, das kann er sich erwerben. Da bin ich offen, weil wir letztlich zueinander kommen müssen.
Die heutige Verknüpfung von Aufsichtsratsvorsitz und Vertrauensfrage empfinde ich als Zumutung. Ein Blankoscheck war noch nie eine gute Sache.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im ursprünglichen Entwurf der Tagesordnung waren es alles noch einzelne Tagesordnungspunkte, die man dann zu einem so wunderschönen komprimierten Tagesordnungspunkt, den man auch ein „buntes Potpourri“ nennen könnte, zusammengelegt hat. Wenn man mich gefragt hätte, ob man dem einen einfachen Titel geben soll, um die Präsidentin von der Zitierung der vielen Anträge zu entlasten, hätte ich vorgeschlagen: Nennen wir den Tagesordnungspunkt doch „Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger bei Fluglärm und Nachtflug“.
Aber ich bin nicht gefragt worden. Die Parlamentarischen Geschäftsführer werden wissen, was sie dort getan haben. Sie haben sicher aus guten Gründen alles in einen Tagesordnungspunkt gedrängt. Gut, das kann man so machen, das ist ihr gutes Recht, aber es wäre schon gut gewesen, wenn man den Antragsteller einmal gefragt hätte. Auch das ist demokratische Kultur, dass man einfach einmal anruft und fragt: Christoph, wie hättest du es denn gern? Wollen wir es so oder so machen? Unsere Erwägungen sind so und so. - Das hat man nicht getan. Schade, schade, schade.
Meine lieben Kollegen, Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. - Das ist ein geflügeltes Wort, leicht in den Mund genommen, leicht ausgesprochen, aber wenn man darüber nachdenkt, merkt man erst, wie wichtig das ist. Erst wenn es einem nicht mehr so gut geht, wenn die Gesundheit weg ist, merkt man, was man verloren hat. Das ist mit der Gesundheit genauso wie mit gesundem Essen, sauberem Wasser und mit der Demokratie. Erst wenn sie weg sind, weiß man, was man daran hatte.
Die Kollegin Melior - leider ist sie gerade nicht hier - raunzte mich vorhin an: Christoph, stiehl uns nicht so viel Lebenszeit! Ich würde einmal sagen, da sind Leute unterwegs, die versuchen, knapp 100 000 vom Flughafen Betroffenen Gesundheit, Lebenszeit und auch Geld - ich sage nicht das Wörtchen „stehlen“, sondern: in Abrede zu stellen. Das ist die eigentliche Wahrheit.
Die Äußerung von Frau Melior zeigt einen Teil des Problems, diese Geisteshaltung, diese Ignoranz, dieses zum Teil sachliche und fachliche Unwissen, auch dieses Nicht-wissen-wollen und Lass-mich-doch-in-Ruhe, Geht-mich-nichts-an und Stört-michnicht.
Ich dachte eigentlich immer, dass wir in diesem Landtag Brandenburg unterwegs sind und sagen: Auch die Abgeordneten aus der Uckermark interessiert es, was in der Lausitz passiert, auch die Abgeordneten aus Teltow-Fläming setzen sich für die Probleme im Nationalpark Unteres Odertal, in Brandenburg oder in Frankfurt (Oder) ein. Aber das Gefühl, das viele Leute in der Flughafenregion, in meinem Wahlkreis, überkommt, ist: Denen ist egal, was mit uns passiert.
Einige haben heute in kleinen Nebengesprächen gefragt: Warum machst du das überhaupt? „Einer gegen alle?“ - so formulierten es auch Journalisten mir gegenüber. - Nein, meine Damen und Herren, ich gehöre vielleicht nicht mehr einer Fraktion an, aber ich bin Mitglied einer großen Gemeinschaft. Ich stehe hier nicht für mich, es macht auch nicht unbedingt immer Spaß, Sie hier mit Themen zu befrachten, von denen Sie vermeintlich oder tatsächlich nichts hören wollen, sondern ich stehe hier für die Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis und anderen Wahlkreisen, in denen Bürger sich nicht vertreten fühlen, für Gemeinden, für 20 Bürgerinitiativen, zahlreiche Vereine und auch für den Kreistag Teltow-Fläming, der auch Beschlüsse gefasst hat.
Das ist nun einmal so, es muss ein Sprachrohr geben, dafür ist man gewählt - ob es einem nun passt oder nicht oder ob einem das unangenehm ist. Ich würde auch manchmal lieber den breiten, bequemen Weg nehmen, aber manchmal ist der steinige eben vorgezeichnet, und man muss ihn gehen.
Eines ist auch ganz klar: Ich stehe ja nicht erst seit dem 16. Dezember 2011, dem Zeitpunkt meines Austritts aus der SPDFraktion, in Opposition zu der Mehrheit hier im Hause. Das war auch schon vorher so. Es war nicht gut gelitten. Aber dazu muss man sich schlicht und einfach in Erinnerung rufen: Was ist Opposition? - Kurt Schumacher hat es einmal so gesagt: Opposition ist der Versuch, den Regierenden seinen eigenen Handlungswillen aufzuzwingen. Aus diesem Grund gibt es heute hier diese Anträge, die wir durchaus auch früher und anders hätten behandeln können.
Ich bin auch durchaus damit einverstanden, wenn Sie heute sagen: Den einen oder anderen Antrag überweisen wir in einen Fachausschuss, diskutieren ihn dort und können uns in vielleicht kürzerer Fassung hier im Plenum - wenn wir uns im Fachausschuss heftig über die Fakten und Sachlagen unterhalten haben - darüber auseinandersetzen. Das ist ein Angebot, das kann man annehmen, das kann man ausschlagen, aber bitte beklagen Sie sich nicht, wenn diese Dinge hier besprochen werden. Dafür sind wir hier, und es betrifft nicht wenige Menschen.
Der Kollege Vogelsänger sprach mich vorhin an und sagte so nebenbei: Na ja, Christoph, sieben Anträge - aber es ist doch viel passiert. - Da sage ich: Ja, sehr geehrter Minister, es ist eine Menge passiert in den letzten Monaten. Seit Mai 2012 gibt es ganz rasante Entwicklungen, die vorher keiner zu hoffen gewagt hätte. - Aber - seien wir so ehrlich -: Sie sind nicht in den Schoß gefallen, sie sind auch nicht dem aktiven und freiwilligen Handeln der Landesregierung entsprungen, sondern das waren erzwungene Schritte, die resultierten aus dem Oberverwaltungsgerichtsurteil und aus der Situation, dass die Flughafengesellschaft nicht in der Lage war, den Flughafen fristgemäß zu eröffnen. Daraus ergab sich eine dynamische Situation, auf die reagiert werden musste.
Ich bitte Sie - wenn Sie meinen, das alles wäre Friede, Freude, Eierkuchen -, doch schlicht und einfach noch einmal nachzuschauen, wie denn die Äußerungen von namhaften Vertretern von Landtag und Regierung vor dem 8. Mai aussahen. Da war nicht die Rede von „Wir gehen auf die Betroffenen zu. Wir diskutieren in der Frage Schallschutz noch einmal“, sondern: Ruhe, Setzen, Platz, Hütte, Disziplin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss der Ehre und der Ehrlichkeit halber noch einmal sagen: Dieses OVG-Urteil wurde gegen die Landesregierung erstritten. Die Verklagte war die Landesregierung. Sie hat namhafte Anwaltskanzleien aufgeboten, die hier dann argumentiert haben. Wenn man sich die Schriftsätze ansieht, wird klar: Da war nichts von Entgegenkommen, sondern die Anträge der Antragsteller sollten klar abgelehnt werden. Dass das Oberverwaltungsgericht einen derartigen Beschluss fasst, hätten sich einige vorher nicht träumen lassen.
Die Äußerungen danach waren auch entsprechend überrascht, ablehnend, verbittert, verärgert.
Wollen wir jetzt einmal zu den Anträgen kommen; man muss sie auch in der Gesamtschau sehen. Dieser Flughafen ist ja kondensierte Geschichte des Landes Brandenburg. Schon 1991 war im Entwurf des Landesentwicklungsplanes des sogenannten Vorschaltgesetzes ein Flughafen beinhaltet: Berlin-Brandenburg braucht ihn. - Ich stelle ihn nicht in Abrede, viele andere stellen das auch nicht in Abrede - es wird ja immer von „Flughafengegnern“ gesprochen, das ist schlicht und einfach nicht wahr.
Wir haben festgestellt, dass wir den Flughafen brauchen, aber die spannende Frage war: Wo? - Wider besseres Wissen wurde ein Standort gewählt, von dem alle schon vorher wussten, dass er der denkbar schlechteste ist.
Ich appelliere an einige hier im Haus - einige sind schon sehr lange hier, einige davon waren 1989/90 treibende Keile im Rahmen der Wende, andere wurden mitgetrieben, haben sich mitbewegt - und frage Sie: Was haben wir einander denn damals versprochen? Was haben wir uns erhofft, gewünscht und gefordert? Wir haben damals gesagt: Wir wollen nie wieder, dass Politik über die Köpfe der Menschen hinweg gemacht wird. - Wir haben gesagt: Wir wollen mit den Menschen gemeinsam Politik machen, wir wollen sie fragen, sie einbeziehen. - Wenn man sich das Projekt Schönefeld ansieht, muss man einfach feststellen - 20 Jahre Resümee -: Über die Köpfe hinweg, gegen die Menschen, und zugehört wird nicht wirklich.
Einige waren schon damals hier und können sich sicher noch daran erinnern, und einige, die auch heute hier sitzen, die damals noch auf der anderen Seite standen, haben gesagt: Okay, wir wollen auch nicht zulassen, dass so etwas jemals wieder passiert. - Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen: Es passiert gerade wieder. - Anders ist das, was dort vor Ort gerade passiert - Demonstrationen mit 10 000 Menschen und mehr, Unterschriftenaktionen, eine ganze Region in Aufruhr - nicht zu erklären.
Das Raumordnungsverfahren hat gezeigt, dass Schönefeld ungeeignet ist, aber der Standort wurde trotzdem festgelegt. Er
wurde jedoch nicht gegen den Willen des Landes Brandenburg, sondern mit den Stimmen des Landes Brandenburg festgelegt. Sich da herauszureden ist eine sehr billige und leider auch nicht richtige Position.
So ist es leider in der Politik, dass man an der Stelle nicht nur seine Ideale verraten hat, sondern auch die Menschen, und das ist der Grund, warum man immer wieder darauf zurückkommen muss.
Wo liegen wir heute? Wir haben folgende Situation: Das Bundesverwaltungsgericht hat 2006 zu dem Planfeststellungsbeschluss geurteilt und in weitem Umfange, zu 90 % und mehr, festgelegt und bestätigt, dass man es so machen könne, aber in einigen Punkten auch Auflagen erteilt. In diesem Zusammenhang möchte man bitte nicht vergessen, welche Versprechungen vorher gemacht worden waren. Die Versprechungen - und daran können sich noch viele erinnern - nach dem Konsensbeschluss vom 28. Mai 1996 lauteten: Wir haben zwar einen schlechten Standort, der wurde uns aufgezwungen, aber wir werden alles Denkbare unternehmen, um Schallschutz zu realisieren und die Betroffenen so gut wie möglich zu stellen. Das war das Versprechen. Das steht auch so im Planfeststellungsbeschluss.
Wir sprechen heute über die Schallschutzziele, diese berühmten 0 mal 55 dB(A) bzw. 6 mal 55 dB(A) etc. Was passiert ist, stand im Planfeststellungsantrag, das hat nicht eine Bürgerinitiative beantragt, nicht eine Kommune oder meine Wenigkeit. Nein, die Antragstellerin war die Flughafengesellschaft höchstselbst. Sie hat einen guten Schallschutz beantragt. Die Landesregierung hat diesen guten Schallschutz genehmigt und ihn zur Auflage gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht hat es bestätigt.
Was ist dann in den Jahren von 2006 bis 2012 passiert? - Es wurde hier sechs Jahre lang vorsätzlich, ununterbrochen geltendes Recht verletzt. Die Flughafengesellschaft hat die Leute von A bis Z betrogen.
Meine Damen und Herren, es gibt diese schöne Broschüre des Flughafens „Schallschutzprogramm BBI“. Da ist alles aufgeführt, da finden Sie auch den Planfeststellungsbeschluss. Es ist aber nicht so, dass man den Leuten den Schallschutz angeboten, vertraglich zugesichert und eingebaut hätte, der in der Broschüre oder im Gesetz steht, nämlich 0 Mal 55 dB(A). Nein, man hat klammheimlich die Leute belogen und hat ihnen 6 Mal 55 dB(A) untergeschoben. Nun klingt das so ein wenig banal. Was ist schon der Unterschied zwischen 0 Mal 55 dB(A) und 6 Mal 55 dB(A)? Habt euch doch bitte nicht so affig! - Dann muss man einfach sagen: Okay, wer von Akustik nichts versteht, für den ist das schwierig. Aber Schall ist eine logarithmische Einheit, und schon geringste Erhöhungen des Schallpegels sind eine sehr hohe Lautstärkenerhöhung. Deswegen reden wir hier nicht über banale Dinge. Denn ansonsten würden die Kosten auch nicht so plötzlich und überraschend von 140 Millionen Euro, wie es im Finanzkonzept des Flughafens vorgesehen war, auf nun 600 Millionen Euro hochschnellen, wenn es so banal wäre. Es ist nicht banal. Um das sollten die Leute betrogen werden.
Es ist ja auch nicht so, dass das hier in den letzten 10 Jahren nicht thematisiert worden wäre. Das ist schlicht und einfach nicht wahr. Es wurde vielleicht nicht so laut darüber gespro
chen, aber auch im Landtag gab es nach 2004 immer wieder Gespräche. Die Dinge wurden immer wieder diskutiert, es gab wöchentliche Gesprächsrunden mit dem Chef der Staatskanzlei, mit Ministern und Staatssekretären, ein sogenannter Flughafen-Jour-fixe, wo das besprochen worden ist. Und trotzdem sind diese Dinge passiert. Es wurde das Gegenteil von dem versichert, was man gemacht hat. Der Landtag hat es toleriert. Er hat auch nichts Eigenes unternommen, obwohl man es immer wieder angesprochen hat. Und dann ist es halt so passiert. Dann kam plötzlich heraus, dass diese Landesregierung seit dem Mai 2011 Bescheid weiß. Diese Landesregierung wusste seit dem Mai 2011, dass der Flughafen systematisch Recht bricht, und unternahm nichts.
Meine Damen und Herren, es steht ein bisschen prononciert und ein wenig zugespitzt in einem der Anträge. Jeder Würstchenbudenbesitzer, der Gesetze in Fragen von Hygiene, Arbeitszeit etc. verletzt, wird von der Gewerbeaufsicht, vom Gesundheitsamt richtig herangenommen, und zwar mit gutem Recht. Wenn Gesetze und Bestimmungen existieren, dann gelten sie für alle. Aber die Flughafengesellschaft durfte über ein Jahr lang weiter den Versuch unternehmen, die Leute zu betrügen. Entschuldigung, das ist nicht in Ordnung.
Es gab auch noch andere Dinge, über die man aber nicht unbedingt jetzt sprechen muss. Die Frage ist: Worum geht es? Es geht schlicht und einfach darum, mit diesem Tagesordnungspunkt, mit den Anträgen eine politische Kurskorrektur zu erreichen, aufzuhören zu ignorieren, wie die Wirklichkeit ist, und anzuerkennen, was der Faktenstand und der Stand der Wissenschaft ist.
Meine Damen und Herren, ich würde mich sehr freuen, wenn der Landtag dem einen oder anderen Antrag zustimmen könnte, denn darin steht ja eigentlich nichts Schlimmes. Ich komme jetzt auf die einzelnen Punkte konkret zu sprechen. Es geht darum, dass mit der Doppelbödigkeit und der Doppelzüngigkeit Schluss sein muss.
Ich komme zum ersten Antrag, den die Präsidentin dankenswerterweise bereits vorgelesen hat: „Beschluss des Deutschen Ärztetages im Land Brandenburg ernst nehmen“. Worum geht es da? - Ich sage halb im Spaß, halb im Ernst: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie den Antrag gelesen haben, deshalb muss ich ihn jetzt nicht vorlesen. Aber die Bundesärztekammer und den Deutschen Ärztetag sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Bundesärztekammer vertritt 420 000 deutsche Ärzte, die sich einmal im Jahr zum Deutschen Ärztetag treffen, um dort die wichtigsten medizinischen und standespolitischen Fragen zu besprechen. Und dieser Deutsche Ärztetag hat am 25. Mai dieses Jahres einen Beschluss gefasst. Als ich den gelesen habe, dachte ich: Mein Gott, dass der Deutsche Ärztetag so einen Beschluss fasst, muss eigentlich auch andere interessieren.
Ich will noch einmal kurz auf das zurückkommen, was ich vorhin schon geschildert habe, was seit dem Jahr 1991 passiert ist. Wenn ich die gesamten Umwelt- und Gesundheitsgutachten, die seit dem Jahr 1991 im Rahmen von Schönefeld, Standortfragen etc. angefertigt wurden, hätte mitbringen wollen, hätte ich mindestens eine Sackkarre gebraucht. Ich will nur einmal aufzählen: das Raumordnungsverfahren von 1994, verschiedene medizinische Gutachten, die Anhörung in Oberschöneweide, das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Profes
sor-Hecht-Gutachten, das Gutachten des Bundesumweltamtes, das Gutachten von Prof. Greiser und vielen anderen. Die wissenschaftliche Erkenntnis ist erdrückend, dass das, was wir gerade mit dem Flughafen machen, im Hinblick auf die Gesundheit der Menschen nicht wirklich gut ist.
Der Deutsche Ärztetag greift dieses auf und sagt: Ja, die Landesregierungen müssen endlich etwas unternehmen, um die Bürger vor Flugzeugabgasen und Lärmemissionen zu schützen. Der Deutsche Ärztetag sagt, dass das bestehende Lärmschutzgesetz unzureichend und zu überarbeiten ist. Der Deutsche Ärztetag sagt weiterhin, dass dieser Prozess endlich in Gang kommen, evidenzbasiert sein muss und dass die Gesundheit vor die Wirtschaftlichkeit gestellt werden muss. Ich darf daran erinnern: Noch vor wenigen Wochen tönten hier zahlreiche Landesvertreter, dass die Wirtschaftlichkeit des Flughafens wichtiger wäre als die Gesundheit. Wir reden hier ganz klar von einer diametralen Auffassung zu bestimmten Themen. Das, wozu ich Sie auffordere, ist, zu sagen: Ja, wir als Landtag Brandenburg schließen uns dem Deutschen Ärztetag an. Die werden sich das gut überlegt haben, das wird schon nicht so verkehrt sein.
In dem Antrag steht nichts Unanständiges. Es ist nur ausgeführt, dass sich der Landtag dem Beschluss des Deutschen Ärztetages anschließt und dass wir die Landesregierung auffordern, die vom Deutschen Ärztetag einzeln formulierten Forderungen in die Tat umzusetzen. Ich denke, das ist nicht zu viel verlangt. Das sind Dinge, die man machen kann und die die Zeit gebietet. Denn der Deutsche Ärztetag hätte seine Zeit sicher nicht mit Dingen verplempert, wenn sie nicht wichtig gewesen wären.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich wäre auch durchaus einverstanden, wenn Sie sagten, der Antrag ist uns doch wichtig, wir überweisen ihn in den Ausschuss. Damit hätte ich kein Problem. Ich bestehe nicht darauf, dass wir ihn heute hier direkt abstimmen. Gefragt hat mich ja keiner. Natürlich bin ich mit der Überweisung in die Fachausschüsse einverstanden, damit wir die Dinge tiefgreifend diskutieren können.
Ich komme zum zweiten Antrag: „Geltendes Recht in Brandenburg durchsetzen“. Ich gebe zu, dieser Antrag ist in Teilen vom Leben überholt. Er ist am 6. Juni hier eingereicht worden. Wer ihn gelesen hat, weiß, worum es geht. Er hat im Prinzip den gleichen Tenor wie das Oberverwaltungsgerichtsurteil, wurde jedoch vor diesem verfasst. Ich habe beantragt, dass der Landtag die Landesregierung auffordert, endlich dafür Sorge zu tragen, dass sich diese Flughafengesellschaft verdammt noch mal wie jeder andere in diesem Land an das Recht hält. Der Antrag ist insofern überholt, als das Oberverwaltungsgericht mir mit seinem Beschluss vom 15.06.2012 zuvorgekommen ist. Ich sage jetzt einmal: Gott sei Dank! Denn der Antrag hatte so oder so keine Chance, positiv abgestimmt zu werden. Aber obwohl er inzwischen überholt ist, zeigt er doch, dass ich nicht ganz falschgelegen habe, als ich ihn am 6. Juni hier eingereicht habe. Eine bessere Bestätigung als das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes zu der Rechtspraxis in Brandenburg konnte man ja nicht bekommen. Insofern kann man darüber diskutieren, ob man über diesen Antrag überhaupt noch abstimmt.
Der Antrag enthält jedoch noch zwei weitere Punkte, und zwar die Punkte 2 und 3. In dem Punkt 2 wird die Landesregierung aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, den bereits mit Kosten in
Millionenhöhe eingebauten minderwertigen Schallschutz bei über 2 000 Bürgerinnen und Bürgern wieder auszubauen und sich dafür einzusetzen, dass das richtige Material und kein Billigschallschutz eingebaut wird. Ferner soll diese Landesregierung - dazu gab es schon einmal einen Entschließungsantrag aufgefordert werden, dafür zu sorgen, dass endlich Schluss damit ist, dass Kostenerstattungsvereinbarungen versandt werden, die nach wie vor die sogenannte Abgeltungsklausel enthalten. Das hat der Landtag in einem Entschließungsantrag beschlossen, es ist aber leider nichts passiert. Die Bürger haben nach wie vor keine schriftliche Bestätigung - vor allem die, die unterschrieben haben -, dass die Abgeltungsklausel hinfällig ist.
Es wäre einmal an der Zeit, dass der Landtag seinen eigenen Beschluss ernst nimmt und die Landesregierung auffordert, das endlich umzusetzen. Interessant sind natürlich auch die extrem leeren Regierungsbänke. Das scheint verschiedene Leute nicht wirklich zu interessieren. Aber sei es, wie es sei.
Der dritte Antrag bezieht sich darauf, den Schallschutz zu respektieren. Wir haben das Oberverwaltungsgerichtsurteil bekommen und gelesen. Das ist ja ein Beschluss, kein Gerichtsurteil. Die Frage, ob in der Hauptsache verhandelt worden wäre, stand noch offen. In diesem Antrag steht nicht mehr oder weniger, als dass der Landtag die Landesregierung auffordert, dieses OVG-Urteil 1:1 umzusetzen.
Wir wissen aus dem Bescheid des MIL vom 2. Juli 2012 und aus dem Ergänzungsschreiben vom 15. August 2012, dass die Landesregierung dazu nicht gewillt ist. 0 mal 55 ist etwas anderes als 0,49 mal 55. Das bedeutet 182 Überschreitungen im Jahr. Nun kann man wieder sagen: Habt euch nicht so affig, stellt euch nicht so an, 182mal im Jahr in der Wohnstube und im Schlafzimmer ein solch lautes Schallereignis zu haben ist nicht so dramatisch. Mag sein. An der Stelle geht es aber nicht darum, ob wir etwas miteinander aushandeln, sondern es geht um das geltende Recht - das ist der Planfeststellungsbeschluss -, das vom Oberverwaltungsgericht angewandt und ausgelegt worden ist. Es heißt: 0 mal 55. Und 0 mal 55 ist nun einmal 0 mal 55. Jeder, der in Mathe die 6. Klasse überschritten hat, wird den kleinen Unterschied sicher kennen.
Der Antrag beinhaltet auch, dass die Vertreter der Landesregierung im Landtag bei den entsprechenden Punkten ihr Veto einlegen. Ich nehme zur Kenntnis - ohne dass ich konkret Genaues weiß; ich bin nicht dabei gewesen, und das Protokoll gibt es noch nicht -, dass sich Vertreter der Landesregierung im Aufsichtsrat gegen Berlin, gegen den Bund und gegen das Ansinnen der Geschäftsführung stark gemacht haben. Was da wirklich gelaufen ist, werden wir noch sehen. Aber wer in drei Gottes Namen hält diesen Landtag davon ab, zu sagen: Wir fordern unsere Landesregierung auf, den Planfeststellungsbeschluss 1:1 umzusetzen? Niemand hält Sie davon ab, zu sagen: Wir fordern, dass das geltende Recht für alle in gleicher Weise gilt und dass nicht von hintenherum getrickst wird.
Ich komme zum nächsten Antrag; denn ich sehe schon, dass Ihr Interesse doch äußerst beschränkt ist. Dabei geht es um den Antrag „Keine Abstriche beim passiven Schallschutz für Fluglärmbetroffene“.
- Wenn ich mir angucke, wer hier alles raus geht, dann reicht das.
- Ich bin doch da, Entschuldigung!
Ich würde jetzt einfach einmal vorschlagen, dass Sie nicht versuchen, mich zu behindern und abzulenken. Es fällt Ihnen offensichtlich nichts Besseres ein. Ich warte auf die Reaktionen Ihrer Fraktionen im Rahmen der Erwiderung. Darauf bin ich sehr gespannt.
Der Antrag „Keine Abstriche beim passiven Schallschutz für Fluglärmbetroffene“ ist relativ einfach zu erklären. Zwei Kreistage, nämlich der Kreistag Teltow-Fläming und der Kreistag Dahme-Spreewald - beide im Übrigen ohne mein Mitwirken, nur damit man da nicht den Vorwurf postuliert, ich hätte meine Anträge zurechtgebastelt, vom Kreistag beschließen lassen und dann in den Landtag eingebracht -, haben diese Beschlüsse gefasst. Ich habe mich da absichtlich herausgehalten. Da gab es Arbeitsgruppen zwischen den beiden Kreistagen bzw. bei den beiden Kreisverwaltungen. Herausgekommen ist ein 12-Punkte-Beschluss des Kreistages Teltow-Fläming, der einstimmig gefasst worden ist. Weiter gibt es einen gleichlautenden Beschluss des Kreistages Dahme-Spreewald, der ebenfalls mit übergroßer Mehrheit beschlossen worden ist. In drei Gottes Namen habe ich mir gesagt: Okay, die Kreistage beschließen das. Das sind erstzunehmende, vernünftige Forderungen. Darin steht nichts Unanständiges. Einige der Kollegen, die daran mitgewirkt haben, sitzen hier. Warum soll sich der Landtag Brandenburg diesen Forderungen gegenüber der Landesregierung nicht anschließen? Wenn man seine eigene Rolle und Funktion nicht als Steigbügelhalter und Allesverteidiger der Landesregierung begreift, sondern sagt, dass der Landtag der Landtag ist, dann kann man dem folgen und sagen: Okay, die Beschlüsse der Kreistage Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald, die einstimmig gefasst worden sind, erheben wir jetzt zum Landtagsbeschluss. Wir sagen: Das ist das, woran die Landesregierung sich bitte halten soll.
Ich komme zum nächsten Antrag: „Arbeitsgruppe für die Festlegung des Betriebsregimes am Flughafen BER“. Dazu gibt es eine Kleine Anfrage, die mittlerweile beantwortet worden ist. Darin heißt es, die Landesregierung installiert eine Arbeitsgruppe, um bei der schwierigen Frage des Betriebsregimes dabei geht es darum, wie die An- und Abflugverfahren organisiert werden sollen - miteinander einen Konsens zu finden zwischen den unterschiedlichen divergierenden Interessenlagen der Airlines, des Flughafens, der Anwohner, des Schallschutzes, der Behörden usw. Nur, wer da nicht vorkommt, das sind die Bürgermeister der Gemeinden, die es vornehmlich aushalten und ausbaden müssen, die ihren Bürgern Antwort und Rechenschaft geben müssen, die auch gerne mitwirken würden, die man aber ständig vor der Tür hält.
In der Antwort der Landesregierung steht: In der Fluglärmkommission sind alle Kommunen, die betroffen sind, vertreten. Sie wurde um zahlreiche Kommunen, die - jedenfalls nach Aussage der Landesregierung - nicht wirklich betroffen sind, erweitert. Es wurde festgelegt, dass die Vorsitzende der Fluglärmkommission, Frau Schneider, an dieser AG teilnimmt. Nun
muss man wissen, dass Frau Schneider nicht in dieser Gegend wohnt und in dieser auch keine Funktion hat. Nein, Frau Schneider ist Mitarbeiterin der Landesregierung, einer Behörde des MIL oder - das weiß ich nicht genau - des MUGV. Landesumweltamt, oder?
Diese wird jetzt zur Sprecherin der betroffenen Kommunen. Das kann man so wollen, man kann das so sehen. Ich fände es besser - deswegen habe ich Ihnen das angedient -, dass ein Vertreter der Ostregion und ein Vertreter der Westregion der vom Fluglärm betroffenen Gemeinden dort hineinkommen, um dort für die Gemeinden jeweils zu sprechen. Warum jetzt eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister der Ost- und der Westgemeinde? Natürlich haben die Gemeinden auch unterschiedliche Interessen. Des einen Freude, ist des anderen Leid. Da müssen die Kommunen durch. Man muss sie aber wenigstens einbeziehen. Ich frage mich in drei Gottes Namen: Was ist so schlimm daran, wenn dieser Landtag die Landesregierung auffordert, eine Bürgermeisterin bzw. einen Bürgermeister der Ost- oder der Westgemeinde in diese Kommission mit aufzunehmen? Sie können darüber entscheiden und sagen: Wir überweisen es in den Ausschuss, wir reden darüber noch einmal. Schauen wir einmal, was da kommt. Vielleicht wollen die auch gar nicht. Das wäre eine denkbare Arbeitshypothese. Ich weiß es zwar besser; aber das könnte man ja einwenden. Gut, dann werden wir halt darüber abstimmen.
Last, but not least komme ich zum Antrag „Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr jetzt!“. Das ist wirklich mein Lieblingsantrag heute. Warum? Ich wende mich da an Herrn Markov, der es aber vorgezogen hat, den Raum zu verlassen. Ich habe vorhin schon über Doppelzüngigkeit und Bigotterie geredet. Wenn irgendjemand das Rückgrat und den Arsch in der Hose hat, da hinzugehen und den Leuten vor Ort zu sagen: „Will ich nicht, mach‘ ich nicht, kann ich nicht!“, dann respektiere ich das. Wenn man aber nicht in die Region geht und den Leuten erzählt: „Wir werden machen, wir tun dieses und jenes, und ich bin ja dafür“, dann weckt man falsche Hoffnungen.
Ich bin dafür, dass wir es einfach mit Jakobus 5.5 halten: Dein Wort sei ja, ja oder nein, nein. So steht es in der Bibel, im Neuen Testament. Das kann man da nachlesen. Wenn man hingeht und sagt: „Ich bin dafür, dass es ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr gibt, ich werde das unterstützen“ - dieses Zitat konnte man a) in der Zeitung lesen und b) ist es von den Teilnehmern der Runde bestätigt worden -, dann kann man auch darüber abstimmen. Ich sage: Okay, ich nehme Sie beim Wort, Herr Markov und die Linkspartei. Um nichts weiter geht es hier.
Ich möchte erreichen, dass jeder, der etwas sagt, auch dabei bleibt. Johannes Rau hat einmal gesagt: „Ein gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen“. Und so ist es auch. Niemand wird gezwungen, irgendjemandem irgendwas zu versprechen. Wenn man es aber versprochen hat, muss man es auch halten. Gerade bei uns Politikern ist es so: Unser Wort ist unsere Währung. Wenn man unserem Wort nicht mehr glaubt, sind wir zahlungsunfähig. Meine Damen und Herren, viele in der Regierung - das kann ich Ihnen sagen - sind schon zahlungsunfähig. Deswegen habe ich gedacht: Okay, liebe Kolleginnen und Kollegen auch von der Linksfraktion - Sie haben sich in Ihrer Zeitung, dem „Linksdruck“, dazu geäußert -, dann stimmen wir doch darüber ab.
Wenn es heißt, der Landtag Brandenburg könne das nicht, dann sage ich: Wir können allemal darüber abstimmen, dass wir für ein Nachflugverbot von 22 bis 6 Uhr sind. Wer wollte uns das verbieten? Ob und wie es dann umgesetzt wird, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Hier geht es aber um eine politische Willenserklärung, und da ist die Frage: Wie viel Willenserklärung hat dieser Landtag schon geäußert bzw. verabschiedet, wo er nicht wirklich zuständig war? Insofern funktioniert diese Ausrede nicht.
Ich sage: Wer für Nachtflugverbot ist, muss auch für Nachtflugverbot stimmen. Er muss dann Farbe bekennen und sagen: So ist es, dafür stehen wir ein. Wenn man sagt, dass man das nicht will, dann soll man den Leuten vor Ort bitte auch sagen, dass man es nicht will.
Lange Rede kurzer Sinn: Das einzige, was ich erreichen will, ist, dass Sie noch einmal darüber nachdenken, ob das, was man den Menschen dort vor Ort zuzumuten gedenkt, sachgerecht ist und ob Sie es auch machen würden, wenn Ihr Bruder, Ihre Schwester, Ihr Onkel, Ihre Tante, Ihre Mutter, Ihr Vater oder Ihre Kinder dort wohnen würden. Würden Sie es dann genauso halten? Meine Erfahrung ist: Wenn es einen persönlich betrifft, fängt es ganz plötzlich immer an, anders zu werden.
Ich persönlich wohne nicht dort, aber es ist mein „Kampfauftrag“ von den Menschen, mich dafür einzusetzen, dafür Sorge zu tragen, dass die Situation anders wird. Ich gebe zu und ich gebe Ihnen Recht: Die Situation hat sich verändert, aber nicht durch aktives Tun dieses Landtages und nicht durch aktives Tun dieser Regierung. Das, was passiert ist, war im Fall der Nichteröffnung - ein Fall höherer Gewalt möchte ich nicht sagen, es war Schlamperei und Unfähigkeit - eine Tatsache, für die der Landtag nicht unbedingt etwas kann, und der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geschuldet.
In dem Sinne sage ich: Nehmen Sie Ihr politisches Schicksal in die Hand und zeigen Sie den Menschen vor Ort: Wir wollen das jetzt ändern. Wir wollen das anders machen. Niemand hält Sie davon ab, dem einen oder anderen Antrag zuzustimmen. Ich bin sehr gespannt zu hören, was Sie an den Anträgen auszusetzen haben. Ich habe noch ein paar Minuten Redezeit, um darauf zu reagieren. Schauen wir einmal! Ich bin sehr interessiert. - Vielen Dank.
Herr Kollege Beyer, Sie haben mir ja direkt vorgeschlagen, ich solle doch endlich einmal mit der Rumnörgelei aufhören, meinen Frieden machen und mich zufriedengeben mit dem, was so wäre. Schön, ich finde diese Sorge um meinen Seelenfrieden wirklich sehr erbaulich.
Ich erinnere nur an Folgendes: Die FDP hat von 1999 bis 2009 in der Opposition im Bundestag gesessen, zehn Jahre lange ständig gebetsmühlenartig das Gleiche wiederholt und es dann 2009 nach der Bundestagswahl umgesetzt, zum Beispiel die Hotelmehrwertsteuer. Ob das gut oder schlecht war, will ich dahingestellt sein lassen.
Ich will aber an etwas anderes erinnern. Cato der Ältere - der eine oder andere mit einer gewissen gymnasialen Ausbildung kennt das - sagte, als er in den Senat kam:
„Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“
Das sagte er jedes Mal, wenn er kam. Am Ende kam es dann auch so.
Die einen oder anderen - Kollegin Stark zum Beispiel - wissen, dass schon Mitte der 90er-Jahre auf meinem Briefpapier ein Zusatz stand:
„Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass Schönefeld der falsche Flughafenstandort ist.“
- Natürlich ist das Geschichte.
Ich stimme dem Kollegen Beyer und auch Frau Gregor-Ness und auch Frau Wehlan und anderen zu, dass wir nach vorn schauen. Keiner dieser Anträge ist „retrogewandt“. Die gucken alle nach vorn, die sagen: Okay, schließen wir uns dem Deutschen Ärztetag an etc.
Ich will nun die einzelnen Redebeiträge kurz abarbeiten. Liebe Martina Gregor-Ness, du sagst: Alles schon bekannt, alles schon gewesen. - Wenn das so ist, dass alles schon bekannt ist, glaube ich, könnten wir einen großen Teil der Tagesordnungspunkte von Landtags-, Gemeindevertretungs- und Bundestagssitzungen streichen. Die Politik besteht in der Wiederholung und Aufarbeitung von schon Gesagtem, um zu prüfen, ob es noch zur Realität passt oder sich Änderungsbedarf ergibt.
Im Übrigen: Dein bzw. Ihr Rechenbeispiel - ich weiß nicht, ob wir uns noch duzen - ist schlicht falsch. Im Oberverwaltungsgerichtsurteil steht: Das Oberverwaltungsgericht stellt fest,
„das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 16. März 2012 … ausgeschlossen, dass der genannte Maximalpegel im Rauminnern auch nur einmal überschritten werden dürfe.“
Wir können nun trefflich darüber diskutieren, auch mit dem Kollegen Vogelsänger. Ich frage Sie, Herr Kollege Vogelsänger: Herr Minister, was werden Sie diesem Landtag erklären, wenn möglicherweise gegen Ihren Bescheid vom 02.07.2012 respektive 15.08.2012 geklagt wird und das Oberverwaltungsgericht feststellt, dass 0,49 mal 55 nicht zulässig ist? Dann frage ich Sie: Welche politische Verantwortung werden Sie dann übernehmen, wo Sie uns heute eingeredet haben, dass alles in Ordnung sei? Wenn Sie damit durchkommen und das Oberverwaltungsgericht das zurückweist, dann werde ich das offen einräumen und sagen: Der Minister hat sich richtig verhalten, er hat dem Auslegungsspielraum Rechnung getragen. - Die spannende Frage ist nur: Was ist, wenn das nicht der Fall ist? - Dann haben wir eine neue Situation.
Ich möchte nun zu den Ausführungen des Kollegen Beyer kommen. Herr Kollege Beyer, Sie sagen, wir haben x Beschlüsse gefasst. Es geht nicht um Beschlüsse, die hier gefasst wurden, sondern es geht um die Realität da draußen. Und wenn man hier zehnmal beschließt, alles ist gut, dann heißt das noch längst nicht, dass draußen alles gut ist. Das ist meine Wahrnehmung. An dem Thema sind Sie gnadenlos vorbeigeschossen. Es geht nicht um das Thema Geld oder wie wirtschaftlich der Flughafen ist, sondern es geht darum, was uns die Gesundheit der Menschen dort wert ist. Das ist die wichtige und zentrale Frage.
Ich komme nun zum Kollegen Vogelsänger. Er hat hier ausgeführt, dass das wichtigste Interesse des Landes Brandenburg ein erfolgreicher BER ist. Herr Vogelsänger, ich widerspreche Ihnen ganz immens und in voller Überzeugung und bei allem, was mir heilig ist. Das wichtigste Interesse dieses Landes muss sein, dass es gesunde Menschen hat. Alles andere hat sich dem unterzuordnen. Im Übrigen war es auch immer das Anliegen der SPD, sich um die Gesundheit der Menschen zu kümmern: Nachtarbeitsverbot, Arbeitszeitgesetze, Arbeitsschutzgesetze, all die gewerkschaftlichen Forderungen, die wir als SPD umgesetzt haben, Gesundheitsschutz, Mutterschutz etc. Alles Dinge, die der Wirtschaftlichkeit nicht besonders entgegenkommen.
Aber das war das, was die SPD seit 100 Jahren gemacht hat, sich für die Menschen einzusetzen, dass sie nicht vom System verheizt werden.
Denn das System Kapitalismus ist nun einmal so, dass es gerne den Menschen in Beschlag nimmt.
Ich fordere nicht mehr und nicht weniger, als dass sich dieser Landtag und meine Partei dafür einsetzen, das Bestmögliche für die Menschen herauszuholen. Ich gebe offen zu und räume ein, dass in den letzten Monaten etwas erreicht worden ist.
Ich will das nicht kleinreden, ich will das auch nicht negieren und bin auch nicht dafür, dass man das alles in den Dreck zieht. Man muss sich aber fragen: War es freiwillig oder war es erzwungen? Ich erwarte in Zukunft mehr Eigeninitiative, dass mehr von uns kommt und wir sagen: Wir nehmen das Heft des Handelns in die Hand. Wir lassen uns nicht von den Bürgern treiben, wir lassen uns nicht von Gerichten treiben, wir machen es selber. Wir provozieren gerade wieder eine Situation, und zwar mit diesen 0,49 mal 55 dB(A), sodass ich voraussage, dass wir wieder die Getriebenen sein und wieder vor einem großen Scherbenhaufen stehen werden.
Meine Damen und Herren, ansonsten stelle ich aber fest, dass auf viele meiner Anträge inhaltlich gar nicht eingegangen wurde. Es wurde erklärt, dass bereits alles gesagt worden sei. Ich bestreite immens, dass alles gesagt wurde. Ich bestreite auch, dass alles, was wir hier schon beschlossen haben, das abdeckt, worüber heute abzustimmen ist.
Nehmen wir nur den Antrag, die Bürger beim Schallschutz vor Unredlichkeiten und Übervorteilungen zu schützen. Da ist die Frage: Sind wir für 0,0 mal 55 dB(A) oder 0,49 mal 55 dB(A)? Dazu kann man sich positionieren, man muss es nicht. Man kann dazu aber Farbe bekennen, zu anderen Punkten übrigens auch.
Ansonsten weise ich darauf hin, dass die nächste Landtagssitzung bestimmt kommt, die übernächste und die überübernächste auch. Sie werden damit leben müssen, dass ich das Kernthema, das 50 000 Menschen in der Region dort immens jeden Tag bewegt, hier immer wieder auf den Tisch zerre. Entschuldigung, Sie tun das ja mit anderen Anträgen, die wesentlich weniger Menschen betreffen, die für diese Menschen aber auch essentiell sind, ja auch. Und darüber beschwere ich mich ja auch nicht. - Danke.
Liebe, liebe Martina, ich finde es eine interessante Aussage, die in der Zeitung kolportiert worden ist, es wäre nicht umsetzbar. Es gibt dazu bei den Bürgerinitiativen - 21 an der Zahl bereits eine Arbeitsgruppe, in der eine ganze Reihe von Ingenieuren und Architekten vertreten ist. Es gibt erste Musterbeispiele. Das ist umsetzbar und zwar nicht mit den Leuten, die 30 % Entschädigungswert herübergeben. Hierbei stellt sich die Frage, zu welchem Stichtag das gerechnet wird. Mit dem Geld soll vielmehr der Schallschutz realisiert werden. Ich lade herzlich dazu ein, dass wir dazu vielleicht sogar im Verkehrsausschuss eine Anhörung durchführen, dass man endlich von diesen Gerüchten, das ginge alles gar nicht, wegkommt. Es hieß ja auch, dass 0 mal 55 gar nicht ginge. Woher wissen Sie das? Weil das irgendjemand einmal behauptet hat? Irgendjemand behauptet, die Erde ist eine Scheibe, und wir glauben das dann?
Ich stelle hier die Behauptung auf, mit dem Schallschutzziel, das das Oberverwaltungsgericht ausgegeben hat, sind die Häuser schützbar, es ist umsetzbar. Ich meine, Sie müssen den Gegenbeweis antreten, dass es nicht so ist. Wir von den Bürgerinitiativen und Gemeinden werden den Beweis antreten, dass es so geht, und dann reden wir wieder darüber. Dieses Plenarprotokoll von heute werde ich mir sehr sorgfältig auf Wiedervorlage legen.
Lieber Kollege Görke, auf ein Wort bitte: Sie haben gerade gesagt, es sei ein großer Erfolg für Brandenburg im Aufsichtsrat erzielt worden. Ich glaube, es ist der richtige Weg und ein Schritt in die richtige Richtung. Das ist gar keine Frage. Aber, lieber Kollege Görke, was ist das für ein Erfolg? Das ist schlicht und einfach die geltende Rechtslage - nichts weiter.
Diese Landesregierung hat im Jahr 2004 - nach vielen Hinweisen, es gab die große Anhörung in Oberschöneweide, die sich über ein Dreivierteljahr hinzog - das Schallschutzziel festgesetzt. Das kann man im Planfeststellungsbeschluss nachlesen.
Die Regelungen, die dort drinstehen, sind seit dem 24. August 2004 geltendes Recht und vom Bundesverwaltungsgericht in dieser Phase bestätigt worden. Seit 2004 - seit acht Jahren! - ist es das, wonach man sich zu richten hat. Wenn jetzt, im August 2012 - nach acht Jahren! -, erreicht worden ist, festzusetzen, dass das auch gemacht wird, nachdem jahrelang dagegen verstoßen worden war, ist das meiner Ansicht nach mindestens die Bemerkung wert: „nicht besonders gut gelaufen“, und es ist zu fragen: Wer hat zugeguckt?
Im Übrigen darf ich erwähnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht in den Kram passt: Seit Mai 2011 war der Landesregierung bewusst und klar - das ist aktenkundig, auch durch den Verkehrsminister auf eine Kleine Anfrage hin beantwortet -, dass die Flughafengesellschaft systematisch gegen den Planfeststellungsbeschluss verstößt. Wir werden nächste Woche noch darüber reden, weil es dazu einen Antrag gibt. Er mag sich vielleicht punktuell überholt haben, aber er ist noch vor dem Urteil des OVGs eingereicht worden. Zu der Aussage, der Beschluss des Aufsichtsrates, das OVG-Urteil zu akzeptieren, sei ein großer Erfolg, sage ich: Nein, das hieße, sozusagen die Wahrheit zu verdrehen. Es ist das, worauf die Menschen ein Anrecht haben, es ist eine Selbstverständlichkeit.
Deshalb, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sage ich: Das war ein guter und richtiger Schritt, aber erst ein Schritt auf einem langen Weg. Ich war relativ überrascht und entsetzt über das, was Herr Büttner von der FDP gesagt hat: dass der Schallschutz volkswirtschaftlicher Unsinn sei und uns unsere Kinder noch schlagen würden, dass wir hier etwas für den Schallschutz tun. Herr Büttner, ich rate Ihnen: Lesen Sie die einschlägigen Gutachten vom Umweltbundesamt und von anderen, die vorrechnen, welchen Schaden nichtrealisierter Schallschutz und Nachtflug für die Volkswirtschaft, für die gesamte Gesellschaft verursachen. Hunderte von Millionen Euro! Das kann man nachlesen.
Insofern ist dieses Geld, wenn wir es denn investieren - und ich plädiere dafür -, gut eingesetztes Geld.
Im Übrigen glaube ich nicht, dass Sie, wenn es um Ihre Gesundheit oder um die Gesundheit Ihrer Familie ginge, mit irgendjemanden über Geld diskutieren würden. Es gibt zwei Dinge, die man nicht im Laden kaufen kann: Lebenszeit und Gesundheit. Darüber sollten wir bitte auch nicht verhandeln.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einmal Folgendes feststellen: Eigentlich steht mir eine Redezeit von drei Minuten zu. Als Antragsteller hat man zudem einen Bonus von fünf Minuten. Wenn Sie aber in die Tagesordnung schauen, werden Sie feststellen, dass meine Redezeit insgesamt fünf Minuten beträgt. Drei Minuten plus fünf Minuten sind bei mir aber acht Minuten. Daran ist wieder einmal zu erkennen: „Die einen sind gleich, die anderen sind gleicher.“ Auch das ist ein Teil unseres Problems.
Eigentlich könnte ich mir die Rede sparen, weil mir Frau Gregor-Ness im Vorfeld der Debatte schon die Gründe erläutert hat, aus denen das alles abgelehnt wird. Ich nehme das zur Kenntnis und subsumiere es unter der Überschrift, die ich noch gut aus DDR-Zeiten kenne: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“
Die mir von Frau Gregor-Ness genannten Gründe halte ich nicht für tragfähig. Für mich verdeutlicht das fehlendes Lernverhalten, das heißt, aus den bisherigen Fehlern und Problemen zu lernen. Warum auch? Ihre Denkweise ist: „Schließlich verursachen wir keine Probleme und haben keine Fehler.“ - Es bleibt bei der Devise: Es wird schöngeredet. Das ist schade.
Ich habe den Antrag aus gutem Grund mit der Überschrift „Verständigung wollen - Chancen nutzen“ versehen. Begreift man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, dass man ein Problem hat, dann weiß ich nicht, woran Sie in Zukunft erkennen wollen, dass man ein Problem hat. Wenn nach einer solchen Panne jede Form von Selbstkritik darin endet und die Reflexion letztlich ist: „Wir machen weiter wie bisher“,
dann ist das schade. Man tut so, als sei nichts passiert.
Ich möchte Folgendes noch einmal in Erinnerung rufen: Am 16. März 2006 fiel der Startschuss. Das Bundesverwaltungsgericht hat gesagt: Okay, ihr könnt den Flughafen bauen, aber! Und so wurden die vielen Punkte aufgeschlüsselt, die in dem Urteil enthalten sind, was dafür zu leisten ist. Wenn man sich
jetzt die Frage stellt, was seitdem passiert ist, dann muss man feststellen: relativ wenig, sonst wären wir nicht in der Situation, in der wir uns heute befinden.
Dabei spreche ich überhaupt nicht von der Problematik rund um den Beton, sondern von den Menschen. In Sonntagsreden wird immer wieder - ich habe das mehrfach thematisiert und kritisiert - beschworen: „Das Wichtigste und Wertvollste eines Landes sind die Menschen.“ Diese würden sich freuen, wenn das tatsächlich so wäre.
Fragen wir doch einmal gezielt nach: Lärmkartierung - wie weit ist das seit 2006 gediehen? - Das gibt es bis heute nicht, also Fehlanzeige. Aktiver und passiver Schallschutz? Was passiert diesbezüglich? - Ein großes schwarzes Loch, sonst hätten wir nicht die Probleme, über die wir gegenwärtig sprechen müssen. Kommunikation mit den Menschen? - Ebenfalls Fehlanzeige.
Wenn man sagt: Nein, es ist alles toll, frage ich mich: Warum haben wir mehr als 20 Bürgerinitiativen mit mehreren 10 000 Mitgliedern? - Das kann doch nicht allen Ernstes das Ergebnis guter Kommunikation und guter Politik sein.
Wenn man wie Sie sagt, es ist alles prima, dann braucht man auch nichts zu ändern. Wenn man aber sagt, es ist doch nicht so prima, müsste man vielleicht etwas verändern. Dabei will ich ausdrücklich anbieten, dass ich unterstützend helfen möchte. Der Punkt ist nur: Genau das wird nicht gewollt. Insofern fragt man sich: Wo liegt das Problem? - Das Problem ist, dass man Kritik und Kritiker nicht mag. Gute Freunde erkennt man jedoch daran, dass sie einem auch einmal etwas sagen, was einem nicht so gefällt. Das habe ich Ihnen seit vielen Jahren immer wieder gesagt. Das war nicht gelitten. Irgendwann ist man es dann aber auch leid und sagt: Okay, man muss sich das nicht weiter antun. - Ich will es trotzdem noch einmal versuchen, weil es um die Sache geht. Schließlich geht es hier um mehrere 10 000 Menschen. Insofern ist es die Sache wert.
Frau Gregor-Ness sagte mir vorhin: Ja, die Gräben sind so tief. Darauf antworte ich: Mein Gott, es gibt keinen Graben, den man nicht zuschütten kann, wenn man es will.
Was sind unsere Probleme? - Banal im Vergleich zu denen, die andere Menschen in der Welt haben. Man kann also die Gräben zuschütten, aber man muss es wollen. Wenn man jedoch mit altem Wein in neuen Schläuchen weitermacht, wird es nicht funktionieren.
Weshalb in drei Gottes Namen fällt es Ihnen so schwer, zu sagen: Okay, wir haben dort einen großen Fehler begangen, wir haben ein Problem und halten inne; wir denken einmal nach und führen eine Kurskorrektur durch? - Warum fällt Ihnen das so schwer? Ich werde Ihnen sagen, warum Ihnen das so schwerfällt: Manche denken, es bräche ihnen ein Zacken aus der Krone, wenn sie das eben Gesagte offen einräumen würden.
Zu diesem Thema habe ich mir noch einmal die Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten vom 21. Mai 2012 durchgelesen.
- Er kann es auch nachlesen. Zudem ist es nicht nur an ihn gerichtet, sondern an Sie, meine Damen und Herren von SPD und Linkspartei.
In dieser Regierungserklärung kommt das Wort „Fehler“ exakt zweimal vor. Gemeint sind aber nicht eigene Fehler, sondern die Fehler anderer, für die man sich entschuldigt. Wenn das so gemeint ist, dann tut es mir leid, dann kann ich es nicht nachvollziehen. Man muss doch auch einmal zugeben können, dass man sich verrannt hat.
Meine Damen und Herren, das Dumme an der Sache ist: Wenn Sie so weitermachen, ist das nicht Ihre Privatangelegenheit. Diese Suppe müssen alle auslöffeln, insbesondere die Menschen, die im Umfeld des BER wohnen. Sie, meine Damen und Herren, die nicht im Umfeld wohnen, die es dort nicht aushalten müssen und sich auch nicht mit dem Bürger auseinandersetzen müssen, werden es auch aushalten müssen, weil all die dort erzeugten Probleme Geld kosten werden.
- Liebe Elisabeth, ich habe dir bereits vor fünf Jahren gesagt: Irgendwann wird die Menge des Geldes, das in dieses große schwarze Loch fließt, auch in deinem Wahlkreis bekannt werden, und dann wirst du den Menschen erklären müssen, warum du etwas getan bzw. nicht getan hast.
Verständigung bedeutet, dass man sich auf Augenhöhe begibt. Ich frage mich, wer von Ihnen in der vergangenen Zeit einmal dort war und sich bemüht hat.
Ich rede von den 20 Bürgerinitiativen, Gemeindevertretern und Kreistagsabgeordneten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, statt einen Neuanfang zu wagen, hangeln Sie sich von einer Halbherzigkeit zur nächsten. Das ist schade; denn es gibt andere gute Beispiele am Flughafen Wien-Schwechat oder Frankfurt am Main. Frau Gregor-Ness sagte dazu: In Frankfurt am Main hat es auch nicht funktioniert; das Mediationsverfahren ist jetzt nicht mehr so toll. - Ja klar, weil die hessische Regierung das Mediationsverfahren mit Füßen getreten hat. Aber in drei Gottes Namen, ich nehme doch nicht an, dass, wenn wir in Brandenburg ein Mediationsverfahren durchführen, unsere Regierung das Ergebnis eines Mediationsverfahrens mit Füßen treten wird. Wenn das die Arbeitshypothese ist - wir versuchen, ein Ergebnis zu erzielen, und gehen im Kopf so heran, dass wir das nicht brauchen, weil die Regierung sich nicht daran halten wird -, finde ich das grotesk.
Wir werden hier wortreiche Erklärungen hören, warum diesem Antrag nicht zugestimmt werden kann und warum man das alles nicht will. Die Menschen draußen werden das zur Kenntnis nehmen und bewerten. Die sind letztlich nicht blind, sondern bilden sich ihr eigenes Urteil. Ich spreche hier lediglich
das aus, was die Menschen mir auftragen, hier zu sagen. Das mag Ihnen nicht passen und unangenehm sein, aber es ist so. Ich wollte die Chance nutzen und ein Angebot unterbreiten. Okay, ihr steckt jetzt im Loch, aber ich reiche den Arm, um dort herauszuhelfen. Wenn das aber nicht gewollt ist, dann ist es nicht gewollt. Das tut mir furchtbar leid; denn am Ende müssen alle gemeinsam die Suppe auslöffeln und das Ganze ausbaden. Das bedaure ich zutiefst.
Ich würde mich freuen, wenn einige, die vor Jahren noch eine andere Auffassung hatten und nun merkwürdig mutiert sind, vielleicht doch die Größe hätten, sich dem anzuschließen. Darüber würde ich mich freuen; denn die Hoffnung stirbt zuletzt.
Herr Präsident. Liebe Martina, ich habe deine gespielte Empörung zur Kenntnis genommen.
Martina, du hast mir um 16.20 Uhr gesagt: Der Antrag wird abgelehnt. - Ich sage: Der Antrag ist hier am 29. Mai eingereicht worden. Das ist nun schon ein paar Tage her. - Der Antrag ist ein Gesprächsangebot: „Wollen wir einmal darüber reden? Wie kann man damit umgehen?“ - Fehlanzeige! Ich lese den Antrag noch einmal vor, falls der Bedarf besteht, sich zu erinnern, worüber wir hier gerade diskutieren:
„… Der Landtag Brandenburg möge beschließen: Die Landesregierung wird aufgefordert, unabhängig vom Willen des Landes Berlin und des Bundes im Land Brandenburg eine Mediation ‚Zukunft BER und Umfeld‘ mit Kommunen und Bürgern einzuleiten, die einen Zukunftsplan über das Zusammenleben von Flughafen und Umland erarbeitet und der vom Landtag Brandenburg beschlossen wird.“
Ich frage Sie von SPD und Linkspartei in drei Gottes Namen: Was daran ist so falsch? Was daran ist undurchführbar?
Ja, natürlich gern.
Ich drücke mich nicht vor Zwischenfragen. So ist das nicht. Das ist gar kein Problem. Man kann offen miteinander reden und sich austauschen.
Werte Frau Gregor - liebe Martina -, du hast in deiner Rede viele Dinge gesagt, die richtig sind, die trivial sind. Das ist gar keine Frage. Es gibt auch viele Punkte, über die wir keinen Dissens haben. Du hast es völlig richtig gesagt: Die einen kümmern sich um das, was innerhalb des Bauzauns ist. Die anderen kümmern sich um das, was außerhalb des Bauzauns ist. Ich muss meine Arbeitskraft nicht verschwenden, indem ich mich um das kümmere, was innerhalb des Bauzauns ist, weil es da ganze Heerscharen von Leuten gibt, die sich mittlerweile darum kümmern. Ich kümmere mich um das, worum man sich bisher leider zu wenig gekümmert hat, nämlich was außerhalb des Bauzauns ist: um die betroffenen Menschen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es hier.
Ich frage mich, warum Sie diesen Antrag ablehnen und mir das vorhin so gesagt haben und sich dann in keinem Wort der gesamten Redezeit inhaltlich mit diesem Antrag auseinandergesetzt haben. In drei Gottes Namen: Sagen Sie mir: Was an dieser Forderung in diesem Antrag ist so grundfalsch, dass man sie ablehnen muss? Wir können doch Folgendes machen: Wir können den Antrag an den Ausschuss überweisen und darüber diskutieren: Wo liegen die Nuancen? Wo kann man etwas anders und besser machen? Wo sind Formulierungen vielleicht etwas spitz gewählt? In dem Antragstext finde ich sie nicht, aber vielleicht in der Begründung, die einige Leute vergällt hat. Entschuldigung, wer fragt denn die Bürger, ob sie vergällt sind?
Warum machen Sie das? Warum dieses komplette Ignorieren, auch vom gelangweilt blickenden Ministerpräsidenten? Ich sage Ihnen, was das Problem ist. Wenn man etwas ignoriert - so, wie das hier von Ihnen getan wird -, kann das drei Gründe haben: Entweder ist es Ausdruck der Missbilligung, dass „man“ so etwas tut - es ist ja unerhört, dass ein Abgeordneter hier einen Antrag einbringt, der von den Wählerinnen und Wählern im Wahlkreis gefordert wird. Oder es ist Ausdruck der Missachtung, das kann auch sein. Oder es ist Ausdruck der Ratlo
sigkeit. Ich will das dahingestellt sein lassen. Das muss jeder für sich selbst bewerten.
Sie aber haben kein Wort dazu verloren. - Ich wünschte mir, dass Sie sich damit auseinandersetzten. Was an diesem Antrag, an dieser Forderung ist falsch? Was kann man davon nicht machen? Bitte sagen Sie mir das. Dann bin ich gern bereit, einzusehen, dass ich ganz groß irre. Dann würde ich das auch öffentlich bekennen. Aber sagen Sie mir: Was ist falsch an so einer Forderung nach einer unabhängigen, nicht von Berlin und vom Bund fremddiktierten Kommunikation? Wir hier in Brandenburg haben die „Luftherrschaft“. Der Landtag Brandenburg sagt, wo es hier langgeht, und die Regierung setzt dies durch. Das ist hier eben nicht der Fall, Herr Vogelsänger.
Ja, das mag sein, aber ich spreche hier im Interesse von vielen.
(Der Präsident schaltet das Mikrofon ab. - Schulze [frak- tionslos]: Ist in Ordnung! Sie haben das Mikrofon! - Bei- fall CDU, GRÜNE/B90 und des Abgeordneten Goetz [FDP])
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte jetzt mit dem guten alten Spruch von Cato kommen: „Ceterum censeo Carthaginem delendam esse“. Das möchte ich aber nicht.
Vielmehr möchte ich an dieser Stelle erklären, dass mich die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten nicht überzeugt hat. Ich habe einiges vermisst. Aber die Diskussion läuft ja auch ganz gut für den Ministerpräsidenten.
Frau Kaiser hat „Versachlichung“ eingefordert. Ich finde, sachlicher als so, wie die Debatte heute verlaufen ist, geht es doch gar nicht. Und warum? Weil im Wesentlichen alle bis zum Hals mit drinstecken. Ich finde es schade, dass man es nicht schafft, sich davon zu distanzieren: von den eigenen Problemen, die man selbst erzeugt hat.
Die spannende Frage ist doch: War das Projekt Schönefeld schicksalhaft diesem Ergebnis ausgeliefert? Wenn man diese Frage mit Ja beantwortet, dann hätte man ohnehin schon vor Jahren etwas tun müssen. Wenn man dagegen sagt, schicksalhaft sei das nicht, dann muss man fragen, wer denn für dieses Schicksal gesorgt hat. Auf diese Frage habe ich heute noch nicht einmal ansatzweise eine Antwort gehört, übrigens auch nicht auf viele Fragen der Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte hier nicht den großen Knüppel herausholen und dreinschlagen. Es geht mir an dieser Stelle darum, noch einmal bestimmte Dinge einzufordern. Wir wissen alle noch nicht, was das Ganze kosten wird, werden aber nicht daran vorbeikommen, es zu bezahlen. Ich erinnere aber daran, dass es zahlreiche Menschen gibt, die - nach bisherigem Stand - „abgespeist“ werden sollen. Hier ist mehrfach von „Schallschutz“ gesprochen worden; einige Leute haben sich hier gebrüstet, wie toll man doch sei.
Wenn Sie die Zuschriften an den Landtag aufmerksam verfolgen - 50 dürften es mittlerweile sein; mehr werden es werden -,
wissen Sie, dass Ihnen die Bürger darin haarklein aufschreiben, wie es wirklich läuft. Daher sage ich: Von dieser Debatte muss angesichts der neuen Situation ein Signal ausgehen. Es darf nicht nur Geld dafür da sein, um die Löcher, die das Missmanagement gerissen hat, zu stopfen, sondern es muss auch ausreichend Geld vorhanden sein für die Bürgerinnen und Bürger, die das aushalten müssen, was viele als Standort-Fehlentscheidung bezeichnen, die man aber - vielleicht - nicht mehr rückgängig machen kann. Wie dem auch sei: Die Diskussion um den Standort findet letztlich verspätet statt; sie war am 16. März 2006 abgeschlossen.
Die spannende Frage lautet: Was ist seitdem passiert? Zugesagt waren 150 Millionen Euro an Schallschutzmitteln. Davon sind ganze 6 Millionen Euro abgeflossen, wie Sie den Antworten auf verschiedene Kleine Anfragen entnehmen können - wenn Sie sie denn lesen. Ich wiederhole: Von 150 Millionen Euro, davon sind 6 Millionen Euro abgeflossen. Wenn man das Ganze hochrechnet, fragt man sich: Wie sollen 150 Millionen Euro reichen? Ich sage: Wenn Geld da ist, um all die anderen Probleme auszubügeln - das heißt, zu bezahlen, was an Kosten durch Missmanagement produziert worden ist -, dann muss auch ausreichend Geld da sein, um den Menschen, die das Ganze dann aushalten müssen, Pflaster auf die Wunden zu kleben. Die haben vielleicht noch eine Galgenfrist bis zum nächsten Jahr. Aber das ist letztlich egal; denn dann geht es voll los.
Daraus resultiert meine Bitte an Sie, mein Plädoyer, aus dieser Situation heraus einen Neuanfang zu wagen und zu erkennen: Okay, wir haben einen Fehler gemacht, nicht nur im Aufsichtsrat, was die Kontrolle betrifft - darüber könnte man lang und breit reden -, sondern auch im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ich glaube, Herr Dombrowski war es, der als Einziger den Aspekt der Akzeptanz angesprochen hat. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen.
Damit bin ich beim nächsten großen Problem, das Ihnen, meine Herren, droht: Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben alle Rechte dieser Welt. Vom Bundesverfassungsgericht ist erst im vergangenen Jahr festgestellt worden, dass man auch im Flughafengebäude demonstrieren darf. Wenn man dem Flughafen für die Zeit nach der Eröffnung und die weitere Zukunft nicht weitere Probleme ins Bett legen will, dann muss man jetzt anfangen, mit den Menschen zu reden. Das ist bisher nicht der Fall gewesen. Ich weiß nicht, in welcher Welt derjenige lebt, der hier etwas anderes sagt; vor Ort war er ganz bestimmt nicht.
Wir wissen, dass die Geschichte des Flughafens BER gepflastert ist mit Bagatellisierungen, Vertuschungen und auch mit „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“. Einige Punkte sind heute angesprochen worden. Wir sollten uns den Fragen stellen und auch selbst kritisch nachfragen.
Ein Grundproblem liegt darin, dass die Leute, die in der Vergangenheit Kritik geübt oder auch nur Fragen gestellt haben, immer gleich in eine Ecke gestellt worden sind: „Du bist ja sowieso dagegen“, „Nestbeschmutzer“, „Ewiggestriger“. Auch das ist Teil des Problems. Es geht auch um die Frage: Wie organisiert man Kontrolle?
Herr Holzschuher, über Ihren Redebeitrag konnte ich wirklich nur schmunzeln.
Der war von Optimismus und Fröhlichkeit geprägt; die soll man ja auch haben. Aber zu behaupten, der Aufsichtsrat könne nichts tun, er müsse zwanghaft dem glauben, was die Geschäftsführung ihm erzähle, ist einfach nicht wahr. Jeder Aufsichtsrat hat das Recht, Sondergutachten anzufordern, die unabhängig von denjenigen sind, die einem gerade irgendwelche Berichte liefern. Das ist auch das Wesen von Kontrolle: Wem glaube ich etwas? Wem stelle ich Fragen? Wie sind die Fragen beantwortet worden? Stimmt das mit der Realität überein?
Ich frage mich schon, warum nach der Verschiebung am 30. Oktober - als Begründung wurden sicherheitsrelevante Probleme genannt - nicht die Alarmglocke geläutet hat. Wie konnte man den Berichten weiterhin glauben? Ich frage mich auch, ob all die anderen beteiligten Aufsichtsbehörden nicht entsprechend Bericht erstattet haben.
Die Landesregierung steckt in allen Facetten dieser Problematik tief mit drin. Ist von den Genehmigungsbehörden nichts bis zum Ministerpräsidenten bzw. bis zum Aufsichtsrat durchgedrungen? Wenn dem so sein sollte, spricht das keine gute Sprache.
Last, but not least meine Bitte: Nutzen wir die Sache - nicht, um uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, sondern dazu, in wesentlichen Punkten Kurskorrekturen vorzunehmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Kircheis, liebe Kerstin, ich freue mich über das, was ich hier höre. Die spannende Frage ist nur, warum das zwei Jahre gedauert hat, denn bereits seit zwei Jahren wird auf die von Ihnen expliziert geschilderte Situation mit den Lüftern das ist ja nur ein klitzekleiner Baustein der Probleme - hingewiesen. Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben. Ich würde mich nur freuen, wenn zu dieser kleinen Einsicht noch ein paar größere Einsichten kämen, dann könnten wir auch alle wieder gute Freunde werden.
Sehr geehrter Herr Minister Vogelsänger! In der letzten Ausgabe des Amtsblattes war zu lesen, dass es den 26. Änderungsantrag zum Planfeststellungsbeschluss Schönefeld gibt.
Ich frage Sie, Herr Minister: Wer hat Sie und Ihr Haus eigentlich in den letzten Wochen, Monaten und Jahren davon abgehalten, solche Dinge, wie sie jetzt in dem Antrag formuliert sind, aufzugreifen, mit Leben zu erfüllen und umzusetzen? Sich jetzt einfach herauszureden und zu sagen, das sei nicht Stand des Planfeststellungsbeschlusses, ist ein bisschen simpel. Dazu hätte ich gern eine Antwort von Ihnen.
Herr Genilke, ich frage Sie: Wie bewerten Sie die Aussage des Ministers - eben gehört -, dass die Regierung dann tätig wird, wenn der Aufsichtsrat einer antragstellenden Einrichtung an die Regierung Wünsche zu mehr Schallschutz heranträgt?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die Redezeit von 15 Minuten nicht ausnutzen. Der Grund ist schlicht und einfach: Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen!
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben meine Anträge letztlich inspiriert und initiiert. Der Landtag hat am 16. Dezember vergangenen Jahres einen Beschluss gefasst - Drucksache 5/4348 -, der dem einen oder anderen vielleicht noch im Hinterkopf ist. Er enthält durchaus ein paar Punkte, bei denen ich mir dachte: Wenn der Landtag Brandenburg mit so breiter Mehrheit solche Forderungen aufstellt, dann lasst uns diese doch substanziieren!
Worte sind das eine, Taten das andere. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Taten sehen!
Ich darf aus dem Beschluss zitieren:
„1. Der Landtag lehnt die Volksinitiative ab.“
Daran erinnert sich vielleicht noch jeder. Aber dann ist zu lesen:
„2. Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und dritte Start- und Landebahn ausschließen.“
Dann folgt noch eine ganze Reihe von weiteren Punkten.
Frau Melior hat ihren heutigen Redebeitrag mit den Worten „panta rhei“ des Philosophen Heraklit eingeleitet. Darauf setze auch ich. Ich setze darauf, dass sich die Empathie, dass sich das Verantwortungsbewusstsein weiterentwickeln. Ich setze darauf, dass man Dinge, die man gestern noch für falsch hielt, heute vielleicht anders sieht. Wir werden es sehen. Ich habe die Hoffnung auf eine sachliche Korrektur in bestimmten Grundsatzpunkten jedenfalls nicht aufgegeben.
Ich will es noch einmal klarstellen: Die allermeisten Menschen in der Region haben sich mit der Tatsache, dass dieser Flughafen da ist, abgefunden. Das ist so; er ist eine Lebensrealität.
Aber jetzt geht es um etwas anderes. Es geht darum, wie das Zusammenleben gestaltet werden soll. Insoweit ist auf die Worte Ihres Beschlusses vom 16.12.2011 leider nicht viel gefolgt. Es ist viel geredet worden. Man hatte sechs Jahre Zeit, seit dem Planfeststellungsbeschluss sogar acht! Was ist passiert? Ein großer Scherbenhaufen! Von dem Schallschutzprogramm ist
im Wesentlichen nichts umgesetzt worden, und dennoch geht der Flughafen bald in Betrieb. Das ist ein großes Problem.
Wir alle werden nur an der Realität gemessen, nicht an warmen Worten oder Versprechungen für die ferne Zukunft. Das Leben in seiner Realität in der betroffenen Region wird sich ab dem 3. Juni zeigen. Wir wissen noch nicht, wie es wirklich werden wird. Deswegen will ich mich auch deutlich zurückhalten und nicht polemisieren. Ich gehe jedoch davon aus, dass es dort eine neue Situation geben wird. Wir werden lernen müssen, damit umzugehen.
Wir - nicht nur ich; einige Kolleginnen und Kollegen haben mitgemacht - haben Ihnen drei Anträge vorgelegt. Ich will sie kurz begründen.
Der erste Antrag steht unter der Überschrift: „Die Gesundheit der Bürger schützen“. Er baut letztlich auf dem Antrag vom 16. Dezember auf, den Sie damals mit großer Mehrheit ablehnten. Aber es gibt eine neue Situation. Mittlerweile liegt das Gutachten des Umweltbundesamtes vor. Jeder, der es gelesen und auch verstanden! - hat, muss sich nun fragen: Wie kommt es, dass die unabhängige Bundesfachbehörde zu solchen Schlussfolgerungen kommt? Diese sind doch nicht politisch motiviert. Dort sitzen Experten zusammen, die Erfahrungen an deutschen und internationalen Flughäfen gesammelt haben und diese in eine Grundsatzbewertung einfließen lassen. Sie sagen neben vielem anderen -: Ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr ist eigentlich unverzichtbar.
Ich kann verstehen, dass jemand, der sich für die Wirtschaft einsetzt, argumentiert: Wir wollen so wenige Behinderungen wie möglich. Wir wollen, dass das Ganze läuft, dass es ein Erfolg wird.
Kollege Vogel hat, was die „schönen Aussichten“ angeht, schon aus dem Wirtschaftsplan der FBB zitiert. Nichtsdestotrotz: Wenn man tatsächlich der Meinung ist, alle Schutz- und Grundrechte könnten über Bord geworfen werden, nur damit es flutscht und der Rubel rollt, dann frage ich mich, warum wir dann nicht das Umweltschutzrecht, das Arbeitsschutzrecht und viele andere Schutzrechte abschaffen. Dann würde es noch viel besser flutschen und der Rubel noch viel besser rollen. Das tun wir nicht, und zwar aus gutem Grund: Nicht alles kann mit dem Hinweis auf den zu erwartenden wirtschaftlichen Erfolg gerechtfertigt werden.
Das hat auch etwas mit unserem Menschenbild zu tun. Wir sind gegen Kinderarbeit, wir stehen Nachtarbeit und Überstunden kritisch gegenüber. Es wird für die 38-Stunden-Woche gekämpft, manche kämpfen sogar für die 34-Stunden-Woche. Das hat alles seinen Sinn. Es gibt Gesetze über die Nachtruhe. Diese ist einzuhalten, weil der Mensch nun einmal Erholung braucht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setze darauf, dass das Gutachten des Umweltbundesamtes und die Diskussion darum bei Ihnen Spuren hinterlassen hat. Ich glaube auch nicht, dass der Antrag, den wir hier vorlegen, unzumutbar ist. Was hindert uns, den Landtag Brandenburg, daran zu erklären, dass wir das Gutachten des Umweltbundesamtes zustimmend zur Kenntnis nehmen und sagen: Da hat eine unabhängige Bundesfachbehörde wichtige Grundsätze zur Gesundheit und zum Leben for
muliert, das machen wir uns zu eigen. Wer oder was hindert uns daran, uns das zu eigen zu machen? Was ist daran politisch inopportun?
Die zweite zentrale Frage lautet: Warum fordert dieser Landtag die Landesregierung nicht auf, dieses Gutachten - im übertragenen Sinne - über Schönefeld drüberzulegen und zu schauen, was machbar und was nicht machbar ist? Es steht schließlich nicht im Antrag drin, dass alle Empfehlungen umgesetzt werden sollen. Zunächst einmal geht es nur um die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung damit und darum, dem Landtag zu sagen, was geht und was nicht geht. Aber es kann nicht sein, dass immer gleich gesagt wird: „Das geht alles gar nicht!“ Meine Oma hat immer gesagt: „Geht nicht“ heißt „will nicht“.
„Will nicht“ akzeptiere ich nicht. „Will nicht“ kann auch keine politische Kategorie sein. Man kann sagen: „Es funktioniert nicht, weil...“, und dann müssen Gründe angegeben werden. Aber zu sagen: „Ich will nicht!“, ist nicht hinnehmbar und auch nicht zeitgemäß.
Der dritte Punkt in dem Antrag lautet, dass wir, der Landtag Brandenburg, die Landesregierung auffordern, noch einmal zu prüfen, was im Hinblick auf ein Nachtflugverbot noch möglich ist. Wer bei der Anhörung am 7. April 2011 dabei war, weiß, dass uns das Tauende langsam durch die Finger rutscht und es irgendwann nicht mehr festzuhalten sein wird. Ich glaube aber, dass es noch nicht zu spät ist.
Deswegen appelliere ich an Sie: Springen Sie über Ihren Schatten! Denken Sie daran, dass mindestens 40 000 Menschen direkt betroffen sind! Diese Zahl nennen übrigens diejenigen, die die Zahlen kleinrechnen. Diejenigen, die die Zahlen hoch ansetzen, gehen von bis zu 120 000 direkt Betroffenen aus. Die Wahrheit liegt vermutlich, wie fast immer, in der Mitte.
Ich möchte insbesondere an die Kollegen, die schon länger im Landtag vertreten sind, appellieren: Wir haben uns in den vergangenen 20 Jahren für viele Menschen in unserem Land eingesetzt. Ich erinnere an die Oderflut und die Situation rund um den Nationalpark Unteres Odertal. Damals waren wesentlich weniger Menschen betroffen, und es gab wesentlich weniger einschneidende Konsequenzen. Wir haben uns damals voll ins Zeug gelegt und Dinge ermöglicht, die vorher als nicht machbar galten. Warum in drei Gottes Namen setzt sich dieser Landtag Brandenburg nicht für so viele Menschen, die essentiell betroffen sind, ein?
Der zweite Antrag lautet: „Fluglärm begrenzen“. Es ist hier hoch und heilig versprochen worden - der Landtag hat am 16. Dezember einen entsprechenden Beschluss gefasst -, dass die dritte Start- und Landebahn nicht kommen soll. Heute soll das mit dem Entschließungsantrag bestätigt werden.
Ich sage: Wenn man das ernst meint - warum fixiert man es nicht dort, wo es hingehört, nämlich im LEPro und im Landes