Ich begrüße als unsere Gäste Schülerinnen und Schüler der Diesterweg-Oberschule aus Hennigsdorf. Herzlich willkommen im Landtag!
Meine Damen und Herren! Ich muss als Erstes eine Rüge aussprechen. Sie wissen, dass es den Abgeordneten nicht gestattet ist, während der Sitzung politische Meinungsäußerungen, Demonstrationen oder Ähnliches vorzunehmen. Herr Goetz, ich habe Sie bereits darauf hingewiesen. Fühlen Sie sich entsprechend der Geschäftsordnung gerügt.
Wir kommen zum Entwurf der Tagesordnung. Er liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Frau Vogdt als Erste.
Ich beantrage für die einbringende Fraktion die Erweiterung der Tagesordnung um die Drucksache 5/6648 (Neudruck), Einsetzung eines Sonderausschusses BER. - Danke.
Herr Präsident! Werte Kollegen! Der Kamin scheint in der Staatskanzlei ganze Arbeit geleistet zu haben. Wir wollen mit Blick auf § 42 der Geschäftsordnung des Landtages diesen Punkt von der heutigen Tagesordnung streichen.
Sie meinen den Punkt „Einsetzung eines Sonderausschusses“? Der steht ja noch gar nicht drauf. Er ist zwar hier vorgesehen,
aber wenn der Sonderausschuss heute nicht auf der Tagesordnung sein soll und Sie widersprechen, dann kommt er auch gar nicht erst drauf. Dann gilt die Tagesordnung ohne diesen Punkt.
Danke schön. - Auch wir würden uns dem unter Verweis auf § 42 gern anschließen und diesen Antrag lieber in der nächsten Woche beraten.
Danke, Herr Präsident. - Es ist natürlich das gute Recht von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diesen Antrag heute nicht zu beraten. Wir bedauern dies aber sehr, weil wir denken, jeder Tag, der verlorengeht, ist ein verlorener Tag.
Deshalb bedaure ich, dass CDU und Grüne diesen Antrag heute nicht beraten wollen. Wir denken, dass er in der nächsten Woche wirklich beschlossen wird.
Sie haben unzweifelhaft Recht, dass jeder verlorene Tag ein verlorener Tag ist. Dieser Tagesordnungspunkt erscheint also nicht.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 gemäß Artikel 64 Absatz 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg auf Antrag von 51 Abgeordneten und 22 Abgeordneten zu folgenden Beratungsgegenständen auf:
„Den Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt betriebsbereit machen - Neues Vertrauen in den BER schaffen!“
„BER-Desaster die Vierte: Der Flughafen wird zur Dauerlast für den Haushalt und ruiniert das Ansehen Brandenburgs; das fatale Krisenmanagement zerstört das Vertrauen in die Politik.Wie geht es mit dem Flughafen BER weiter, Herr Ministerpräsident Platzeck?“
Damit ist der Ablauf klar und wir beginnen mit den Redebeiträgen. Als Erstes die Regierungserklärung. Herr Ministerpräsident, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stehe aus zwei Gründen hier: erstens, weil ich weiterhin fest
und zweitens, weil ich weiß, dass der Bau dieses Flughafens bisher alles andere als erfolgreich verlaufen ist. Es gibt überhaupt kein Vertun, das Bauprojekt BER ist in sehr schwerwiegender Weise in Not geraten. Ob die Lage, die mit der nun erforderlich gewordenen erneuten Verschiebung der Inbetriebnahme des Flughafens eingetreten ist, als Desaster oder Katastrophe beschrieben werden sollte, ist nur eine Frage der individuellen sprachlichen Vorlieben. Klar ist: Keiner der harschen Begriffe, die in diesen Tagen, auf den BER gemünzt, zu hören und zu lesen sind, ist von der Hand zu weisen, und die Erschütterungen, die darüber hinaus vom Krisenherd BER ausgehen, sind beträchtlich.
Grundsätzlich infrage gestellt wird angesichts der eingetretenen Lage die Fähigkeit öffentlicher Träger, große Infrastrukturvorhaben überhaupt noch ordentlich planen und realisieren zu können. Grundsätzlich infrage gestellt wird in der öffentlichen Debatte auch die Kompetenz von global tätigen deutschen Industrieunternehmen. Hämisch oder mitleidig infrage gestellt wird aus europäischer und internationaler Perspektive sogar das erfolgreiche Gütesiegel „Made in Germany“. So bitter es ist, dies einzuräumen: Unser Flughafenprojekt ist vorerst zu einem negativen Symbol geworden - mit Auswirkungen weit über unsere Region hinaus.
In ihrer Pauschalität, meine Damen und Herren, sind die vernichtenden Bewertungen sicherlich nicht gerecht. Es ist keineswegs so, dass jeder Einzelne, der in den vergangenen Jahren am Bauvorhaben BER beteiligt gewesen ist, schlechte Arbeit abgeliefert hätte. Im Gegenteil, viele sehr tüchtige Menschen, gerade auch aus Brandenburg - Arbeiter, Handwerker, Techniker, Architekten, auch Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen -, haben beim Bau dieses Flughafens sehr wohl Gutes geleistet, auch sehr Gutes, und darin schließe ich auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FBB ein, nicht zuletzt die Beschäftigten - das betone ich ganz besonders -, die in diesen Monaten in Tegel den Betrieb am Laufen halten. Sie leisten wirklich Großes.
Sie leisten viel und finden wenig Anerkennung. Das ist ungerecht, überzogen und darf so nicht stehen bleiben. Das darf und wird auch nicht das abschließende historische Urteil zum Flughafen BER sein. Ja, das Projekt ist in eine tiefe Krise geraten, aber das griechische Wort „krisis“ bedeutet eben nicht Ende. Es bedeutet nicht Niederlage und nicht Pleite, sondern es bedeutet Zuspitzung oder entscheidende Wendung. Wir müssen diese entscheidende Wendung jetzt herbeiführen, und zwar ganz klar zum Besseren, und dazu bin ich fest entschlossen.
Der Bau des Flughafens BER muss zu einem guten Abschluss geführt werden, weil die Zukunftsfähigkeit unseres Landes mit davon abhängt, weil der Wohlstand und die Lebenschancen der Menschen in unserem Land auch davon abhängen, dass es in unserer Region einen leistungsfähigen, modernen Flughafen gibt. Das müssen wir erreichen, und das werden wir erreichen. Das wird den beschädigten Ruf und das ramponierte Image von Berlin, Brandenburg und Deutschland insgesamt wieder verbessern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Überall auf der Welt sind es heute vor allem die Einzugsbereiche großer Flughäfen, in denen Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Bevölkerungswachstum entstehen. Flughäfen sind und bleiben die entscheidenden Motoren wirtschaftlicher Entwicklung. Rund um große Flughäfen siedeln sich überall auf der Welt Gewerbeparks, Logistikzentren und Unternehmen der Informationstechnologie an, ebenso Unternehmen der Luftfahrtbranche hier bei uns bislang vor allem Rolls-Royce und MTU -, große, stabile Arbeitgeber. Hinzu kommen Hotels, Restaurants, Einzelhandel, Dienstleistungen, Tagungs- und Messezentren. Das alles schafft Tausende, schafft Abertausende und vielfach hochwertige Arbeitsplätze, gute Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes, die Brandenburger Familien ein auskömmliches Leben ermöglicht. Dies alles schafft wirtschaftlichen Aufschwung und Steuereinnahmen.
Die über alle Prognosen hinaus stark steigenden Fluggastzahlen sind für diese Entwicklung ein guter Indikator. Bereits heute haben wir über 25 Millionen Passagiere im Jahr; vorhergesagt waren für diese Zeit ca. 17 bis 18 Millionen. Wenn der BER startet, wird er gut ausgelastet sein, und ich sage deutlich: Das ist wahrlich keine negative Entwicklung. Ganz im Gegenteil, diese Entwicklung zeigt die Attraktivität der gesamten Hauptstadtregion und illustriert nochmals die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens.
Gleichzeitig zeigt sich, dass es sinnvoll war, bereits von vornherein Möglichkeiten zur Kapazitätserweiterung einzuplanen. Dafür brauchen wir keine dritte Start- und Landebahn, aber wir wissen sehr wohl, dass die Abfertigungskapazitäten stufenweise erweitert werden müssen.
Unser neuer Flughafen steht in einem wirtschaftlichen und strategischen Kontext. Wir brauchen ihn, um ein Industrie- und Wohlstandsland zu bleiben. Darum müssen wir alle Kräfte daransetzen, den Flughafen zu einem Erfolg zu bringen. Es stimmt: Am Ende wird es mehr Geld gekostet haben, als wir bisher geplant hatten. Das ist überhaupt nicht erfreulich, und natürlich müssen wir den zusätzlichen Aufwand so gering halten wie nur irgend möglich.
Aber was wäre die Alternative? Die einzige Alternative hieße doch, ganz auf den Flughafen zu verzichten; und das erklärt sich von selbst und wäre im Übrigen eine Fehlkalkulation von historischem Ausmaß. Verlässlich zu beziffern sein werden die zusätzlichen Kosten nur auf gesicherter Datengrundlage. Das ist derzeit noch nicht möglich, denn es hängt auch von den verschiedenen Finanzierungsvarianten ab, über die wir uns zunächst im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung zu verständigen haben; erst, wenn über diese Zahlen Klarheit besteht, werden wir mögliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt absehen können.
Meine Damen und Herren! Wir in Brandenburg haben in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Rückgang der Arbeitslosigkeit erlebt und einen ebenso erfolgreichen Zuwachs an beruflichen Perspektiven für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Brandenburg ist insgesamt auf dem besten Weg, tatsächlich zu einem Land für alle zu werden. Dafür haben unzählige Brandenburgerinnen und Brandenburger unter schwierigen Bedingungen hart gearbeitet. Erstmals nähern wir uns einem Zustand, von dem wir mit Selbstbewusstsein sagen können: Wir haben ein Fundament gelegt.
Jetzt sind wir so weit, dass wir die großen Schwierigkeiten der kommenden Jahrzehnte im Vertrauen auf unsere eigene Kraft angehen und bewältigen können. Wir können die Energiewende hin zum regenerativen Zeitalter schaffen - sozialverträglich und mit unserer heimischen Kohle als wichtiger Brückentechnologie. Wir können die demografischen Umbrüche bewältigen. Wir können die Gegensätze abfedern, die in unserem Land zwischen der berlinnahen und der berlinfernen Region bestehen. Wir können unsere öffentlichen Finanzen auf nachhaltige Weise organisieren - wir haben 2012 das zweite Jahr hintereinander keine neuen Schulden gemacht, sondern einen Überschuss erwirtschaften können -, ohne jährlich wiederkehrende Defizite, mit sinkenden Altschulden. Das alles können wir schaffen, und das müssen wir auch schaffen.
Aber das alles erfordert Voraussetzungen, vor allem ökonomische. Nur als wirtschaftlich dynamisches Land, nur als erfolgreiches Land werden wir in der Lage sein, mit den Herausforderungen der Zeit fertigzuwerden. Die Regierungskoalition aus SPD und Linken hat dazu einen klaren politischen Auftrag, und wir haben in dieser Legislaturperiode bereits gezeigt, wie viel wir gemeinsam nach vorne bewegen können. Gemeinsinn und Erneuerung - das ist nicht nur das Leitmotiv unseres Koalitionsvertrages. Das ist es auch, was wir brauchen, um dem Flughafenbau zu einem guten Abschluss zu verhelfen.
Meine Damen und Herren! Ich bin zutiefst überzeugt: Ohne diesen modernen Flughafen im Herzen Europas werden es die deutsche Hauptstadtregion, vor allem aber das Land Brandenburg schwer haben, als attraktive und wettbewerbsfähige Region auf der europäischen Landkarte ihren Platz zu finden und zu behaupten. Übrigens wissen das auch die Wählerinnen und Wähler der CDU, der Grünen und der FDP sehr gut. Sie wollen den Flughafen nämlich nutzen, und sie können auch seine Bedeutung sehr gut einschätzen.