Detlef Baer
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schier, ich finde es schade, wenn Sie dem Thema, das wir hier heute mit „guter Arbeit“ überschrieben haben, nicht die Bedeutung beimessen, die ihm meines Erachtens zukommt. Deshalb bin ich der Fraktion DIE LINKE dankbar, dass sie dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Denn wie schon Aristoteles sagte: „Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.“ Heute würde man wohl sagen: „Gute Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.“ Ich finde, dieses Zitat zeigt sehr schön, dass von guter Arbeit alle Beteiligten profitieren können - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeitgeberseite und nicht zuletzt die ganze Gesellschaft. Gute Arbeit ist das Thema schlechthin - so vielschichtig und so grundlegend wie kein anderes. Ohne gute Arbeit keine Fachkräfte, kein sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt, kein Wohlstand und kein Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. So weit sind wir uns wohl noch alle einig.
Aber was verstehen wir unter guter Arbeit? Gute Arbeit - so heißt es in unserem Entschließungsantrag - bedeutet vor allem eine gerechte Entlohnung, ein hohes Niveau von Entwicklungs-, Einfluss- und Lernmöglichkeiten der Beschäftigten, gesundheitsverträgliches und alternsgerechtes Arbeiten sowie Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Darüber hinaus gehört vor allem das Zurückdrängen von prekärer Beschäftigung dazu,
denn zunehmende prekäre Beschäftigung hat sich für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leider als Sackgasse erwiesen. Wir meinen: Dem Einstieg in Arbeit muss auch der Aufstieg folgen können. Gute Arbeit bedeutet auch faire Entlohnung.
Mit dem Brandenburgischen Vergabegesetz ist uns dafür ein wichtiger Schritt gelungen. Auch wenn ich mir gewünscht hätte - das gebe ich gerne zu -, dass hier im ersten Anlauf bereits die Möglichkeit des Einbaus der Lohngleitklausel gelungen wäre. Auf Bundesebene - darauf ist hingewiesen worden - wird es nun einen Mindestlohn geben. Auch dieser erfüllt nicht alle Wünsche - auch nicht meine -, insbesondere was die vorgesehenen Ausnahmen angeht. Aber es werden einheitliche Regeln geschaffen und ein deutliches Signal ausgesandt, dass der Wert der Arbeit in unserer Gesellschaft eine besondere Bedeutung hat. Gute Arbeit geht uns alle an. Es gilt auch: Sie zu gestalten ist die ureigenste Aufgabe von Sozialpartnern, von Betrieben und betrieblichen Interessenvertretungen.
Lassen Sie mich deswegen einen Moment auf der betrieblichen Ebene bleiben. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen erzähle, dass sich Betriebsräte für Betriebe lohnen, ja sogar in barer Münze auszahlen. Es ist wissenschaftlich erwiesen,
dass Betriebe mit Betriebsrat oft produktiver und innovativer sind, eine geringere Fluktuation und eine familienfreundlichere Personalpolitik haben. Aktuell - und zwar noch bis Ende Mai finden überall im Land Betriebsratswahlen statt. Politik kann sicherlich eine Menge erreichen, aber das Engagement der brandenburgischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für gute Arbeit ist mindestens ebenso wichtig. Darum lassen Sie mich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, den bereits gewählten Betriebsräten in unserem Lande meinen Glückwunsch auszusprechen und ihnen viel Erfolg bei ihrer zukünftigen Arbeit wünschen.
Gute Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt sich am ehesten durch Tarifverträge, ausgehandelt von starken Gewerkschaften, erreichen. Leider gibt es immer noch eine Vielzahl von Unternehmen, die der Meinung sind: So etwas brauchen wir gar nicht, oder so etwas wollen wir nicht. - Aktuell haben in Brandenburg ganze 7 % aller Betriebe einen Betriebsrat. Rechnet man nur die Betriebe ab fünf Beschäftigte - also die, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz einen Betriebsrat gründen und wählen können -, so kommt man auf insgesamt 14 %. Da ist also noch deutlich Luft nach oben.
Ich bin deshalb der Landesregierung und ganz besonders Herrn Ministerpräsident a. D. Matthias Platzeck als Schirmherr und Herrn Minister Baaske als Initiator dankbar, dass sie alljährlich Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter zu Betriebsrätekonferenzen einladen und ihnen eine Plattform für den Austausch geben - eine Plattform, um sich über Betriebe und Branchen hinweg auszutauschen, aber vor allem eine Plattform, um mit der Landespolitik ins Gespräch zu kommen, um Sorgen und Nöte dort zu platzieren, wo sie hingehören.
In diesen Konferenzen wird zugehört, wenn die Mitarbeiterin aus dem Fleischereibetrieb davon erzählt, wie mit schlecht bezahlten Werksverträgen reguläre Arbeit verdrängt wird. Hier wird aufgehorcht, wenn die Solarwerker von Conergy über ihren langen und schwierigen Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze berichten. Diese Konferenz, liebe Kolleginnen und Kollegen, sendet ein Signal der Wertschätzung für den nicht immer einfachen Einsatz von Betriebsräten für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben.
Ich wünsche mir, dass dieses Signal in die letzten Ecken unseres Landes dringt und von der Lausitz bis in die Prignitz gehört wird. Ich bin mir sicher, dieser Ruf würde viel häufiger erhört, wenn die Tarifbindung in unserem Land nicht so dürftig wäre. Gerade einmal 23 % der Betriebe bzw. 50 % der Beschäftigten - Kollege Bernig wies darauf hin - sind tarifgebunden. Diese Zahlen klingen noch alarmierender, wenn man weiß, dass wir damit einerseits deutlich dem westdeutschen Niveau hinterherhinken und andererseits schon seit Mitte Mai der 90er-Jahre ein Abwärtstrend besteht, den bisher leider niemand aufhalten konnte.
Natürlich ist unsere kleinteilige Wirtschaftsstruktur und das Fehlen großer Industriebetriebe kein idealer Nährboden für einen engmaschigen Tarifteppich. Klar ist aber auch, dass in Brandenburg Investoren über viele Jahre hinweg mit niedrigen Lohnkosten umworben wurden. Dieser Irrweg ist nun zum Glück endgültig vorbei.
Im Wettbewerb um Fachkräfte werden zukünftig die Unternehmen die Nase vorn haben, die gute Arbeit und gute Ausbildung bieten können. In der letzten Woche war der traditionelle „Zukunftstag“, an dem sich wieder sehr viele Unternehmen beteiligt haben. Sie haben feststellen können, dass viele der Jugendlichen durchaus hoch motiviert und interessiert sind und sich begeistern lassen, wenn man es richtig anpackt. Diese Unternehmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, müssen anderen als Vorbild dienen.
Gute Arbeit ist eben nicht nur ein Kostenfaktor. Gute Arbeit bedeutet für viele vor allem eine gerechte Entlohnung, das ist richtig. Doch gute Arbeit ist deutlich mehr als nur gutes Geld. Gute Arbeit bedeutet Qualifizierungsangebote, Beteiligungsmöglichkeiten für Betriebsräte, Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, alternsgerechtes Arbeiten - alles Errungenschaften, die Bestandteile moderner Tarifverträge sind. Um dies aber auch in Brandenburg flächendeckend Realität werden zu lassen, braucht es starke Sozialpartner, starke Gewerkschaften und starke Arbeitgeberverbände.
Das MASF hat sich gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Unternehmerverband Berlin-Brandenburg in einer Gemeinsamen Erklärung vom 31. Mai 2011 dazu bekannt, mit Initiativen zur Stärkung der Sozialpartnerschaft, zu einer attraktiven Gestaltung der Arbeitswelt und damit zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und zur Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Brandenburg beitragen zu wollen.
Gemeinsam und schnell haben Landesregierung und Sozialpartner diesen schönen Worten auch Taten folgen lassen. Der Sozialpartnerdialog, ein Gremium aus MASF und den Sozialpartnern verschiedener Branchen, verständigt sich Jahr für Jahr über aktuelle Entwicklungen und Handlungsbedarfe am Arbeitsmarkt. Der Sozialpartnerdialog hat öffentliche Diskussionen, zum Beispiel über Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, angestoßen sowie eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Sozialpartnerschaft initiiert.
Landesregierung und Sozialpartner haben erkannt: Es muss dringend gehandelt werden. Die Landesregierung hat zum Ende vergangenen Jahres noch einmal in besonderem Maße betont, wie wichtig gute Arbeit und starke Sozialpartner für Wachstum und Wohlstand in diesem Land sind, und hat neben den vielen bereits bestehenden ESF-Programmen von der Qualifizierung von Beschäftigten bis hin zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen auch eine eigene Förderrichtlinie aufgelegt und dafür 2 Millionen Euro an ESF-Mitteln bereitgestellt.
Die ersten Projekte dazu - Sie wissen es - sind bereits an den Start gegangen. Auch damit kann wieder ein kleines Stück auf dem weiteren Weg zu einem Land der guten Arbeit geschafft werden. Es kann aber nicht allein darum gehen, Menschen um jeden Preis bzw. teilweise sogar zu sittenwidrigem Lohn in Jobs zu vermitteln. Darum ist es wichtig, sich auch die Zahlen hinter der offiziell guten Arbeitslosenquote anzusehen. Schließlich geht es darum, dass in Vollzeit arbeitende Menschen von ihrer Arbeit leben können, jetzt und in Zukunft - und ohne staatliche Zuschüsse. Das hat auch mit Anerkennung und Würde der arbeitenden Menschen zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen zu guter Arbeit in Brandenburg, Deutschland und Europa. Wir stehen dabei auch zu jenen, die keine Arbeit haben. Trotz aller Erfolge auf dem
Arbeitsmarkt ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen in Brandenburg mit knapp 38 % weiterhin zu hoch, haben diese Menschen bisher nur unzureichend von der positiven Arbeitsmarktentwicklung profitieren können. Auch wenn es einige hier im Raum sicherlich nicht gerne hören, möchte ich an dieser Stelle noch einmal klar sagen, dass wir viele dieser oft schon seit Langem arbeitslosen Menschen allein mit Qualifizierungsmaßnahmen eben nicht wieder in Arbeit bekommen werden. Hier braucht es eine intensive Begleitung, aber auch ein Angebot an sinnvoller, öffentlich geförderter Beschäftigung.
Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie in ihren bisherigen Anstrengungen gegenüber der Bundesregierung nicht nachlässt und weiter beharrlich für verlässliche Standards und stabile finanzielle Rahmenbedingungen für öffentlich geförderte Beschäftigung eintritt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 1. Mai steht vor der Tür. Die Gewerkschaften begehen diesen Tag in diesem Jahr unter dem Motto: „Gute Arbeit. Soziales Europa“. Sie zeigen damit, dass mit Mitbestimmung und Tarifpolitik gute Arbeit, ein sicheres Einkommen und ein Leben in Würde für alle Menschen erreicht werden können. Wir haben in Brandenburg längst damit begonnen. Diesen Weg gilt es konsequent im Interesse dieses Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger weiterzugehen. Dazu braucht es den Schulterschluss aller arbeitspolitischen Akteure im Land, angefangen von der Landesregierung über die Sozialpartner der Bundesagentur für Arbeit, die Kommunen, die Kammern, die Vereine bis hin zu den Betrieben vor Ort.
Die Menschen in Brandenburg, in Deutschland und Europa brauchen nicht nur Arbeit, sie brauchen gute Arbeit. Diesen begonnenen Weg wollen wir weitergehen, deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich ja geglaubt - ja, ich hatte gehofft -, dass ich in der Dezember-Tagung des Landtages von Brandenburg nicht mehr zum Brandenburgischen Vergabegesetz sprechen müsste, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen hatte ich gehofft, dass wir heute schon früher eine Empfehlung der Brandenburger Mindestlohnkommission hätten, die dann auch schon zügig umgesetzt worden wäre, und zum Zweiten hätte ich mir gewünscht, dass mit der Bundestagswahl im September der bundesweite gesetzliche Mindestlohn ohne Wenn und Aber und ohne lange Verzögerung umgesetzt worden wäre, was uns dann ebenfalls diesen Tagesordnungspunkt heute erspart hätte.
Aber wir alle wissen - es ist eben zur Sprache gekommen -, bis Weihnachten ist noch viel Zeit, und Wünsche gehen eben leider nicht immer in Erfüllung. Also tauschen wir noch einmal die hinlänglich bekannten Argumente aus, auch wenn ich die erneute Diskussion über die Einführung eines bundesweiten gesetzlichen Mindestlohnes für nicht mehr zeitgemäß halte, weil sich 80 % der Bürger - wie Sie alle wissen - inzwischen für einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn ausgesprochen haben.
Auch eine wieder aufgeflammte Diskussion über einen unterschiedlichen Mindestlohn in Ost und West halte ich 23 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht für angebracht, schließlich unterscheiden die Supermärkte in ihren Kassen auch nicht nach Ost und West, und die Mehrwertsteuer wird auch nicht in strukturschwachen Regionen reduziert, soweit mir bekannt ist.
Beim Mindestlohn reden wir hier heute auch nicht über Einkommen, bei denen es auf 100 Euro monatlich mehr oder weniger nicht ankommt, sondern wir reden hier über ein Einkommen, das zur Existenzsicherung ausreichen muss. Wir wissen alle, dass wissenschaftliche Untersuchungen schon heute zu dem Schluss kommen, dass 8,50 Euro nicht einmal mehr ausreichen.
Es kann nicht länger hingenommen werden, dass einige Unternehmer indirekt subventioniert werden, indem sie ihre schlecht entlohnten Beschäftigten zum Aufstocken aufs Amt schicken.
- Ja, Sie haben eben auch Ihre Märchen von früher erzählt. Die Rede kam mir auch bekannt vor.
Das geht nicht nur zulasten der Betroffenen, sondern auch der Sozial- und Steuerkassen, also der Allgemeinheit. Dem Staat fehlen somit dringend benötigte Mittel für Investitionen in Bildung, Verkehr und Energie. Ein bundesweiter gesetzlicher Mindestlohn ist nicht nur im Interesse der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land. Er verhindert Lohndumping und sichert einen fairen Wettbewerb. Ein Geschäftsmodell, das auf Lohndumping beruht, meine Damen und Herren, ist zynisch und kann nicht hingenommen werden.
Aber die Situation ist nun einmal so, wie sie ist. Wir haben noch keinen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn, und darum steht heute die Anpassung unseres Vergabegesetzes auf der Tagesordnung - wo wir Handlungsspielraum haben, wollen wir ihn nutzen.
Bereits Anfang Juni hat die Brandenburger Mindestlohnkommission vorgeschlagen, den Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf 8,50 Euro anzuheben. Dieser Schritt ist aus meiner Sicht dringend erforderlich gewesen. Dabei wurde eine Laufzeit von zwei Jahren empfohlen; eine vorzeitige Anpassung soll im Herbst 2014 geprüft werden. Ich bin ehrlich: In diesem Punkt verstehe ich die Unzufriedenheit der Arbeitnehmervertreter in der Kommission mit dem Gesamtvorschlag, denn eine erneute Anpassung könnte erst im Januar 2016 erfolgen. Die Vorschläge der Kommission sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht der ganz große Wurf.
Das war der Stand der Dinge - bis letzte Woche. Aber aufgrund eines Formfehlers können wir das Vergabegesetz nicht im November in letzter Lesung verabschieden. Das kann frühestens im Januar erfolgen, die Veröffentlichung im Amtsblatt wahrscheinlich erst im Februar 2014. Folglich fallen alle im Januar 2014 öffentlich vergebenen Aufträge noch unter das alte Vergabegesetz mit seinem Mindestlohn von 8 Euro. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mehr als unzufrieden damit bin, dass aus rein formalen Gründen eine abschließende Befassung des Landtages in diesem Jahr nicht mehr möglich ist. Das ist ärgerlich, das ist peinlich und das ist auch nach außen nicht vermittelbar.
Das beweist erneut, wie wichtig die Aufnahme einer Lohngleitklausel gewesen wäre. Schade, dass das nicht erfolgt ist. Nun können weiterhin öffentliche Aufträge mit einer Entlohnung unter 8,50 pro Stunde vergeben werden. Aber vielleicht können wir die eingetretene Verzögerung nutzen: Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss überweisen und damit
schnellstmöglich die Fehler beheben, die bedauerlicherweise eingetreten sind. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen: Ich finde es gut und richtig, dass die FDP heute das Thema Fachkräftebedarf in Brandenburg wieder einmal auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde setzt, bietet sich damit doch die Gelegenheit, darüber zu sprechen, welche Instrumente wir haben, um dem steigenden Fachkräftebedarf entgegenzuwirken, und welche Mittel wir noch verstärkt einsetzen müssen.
Meine Damen und Herren, wie Sie alle wissen, ist der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes unter anderem davon abhängig, ob wir genügend Fachkräfte haben. Wir brauchen sie in ausreichender Zahl mit ausreichender Qualifizierung, und wir werden sie auch bekommen, denn es ist selbstverständlich Aufgabe der Politik, der Arbeitgeber und der Wirtschaft, dieses Problem gemeinsam anzugehen.
Die demografische Entwicklung stellt Brandenburg vor die Herausforderung, gut ausgebildeten Fachkräftenachwuchs und erfahrene, ebenfalls gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dies ist keine neue Erkenntnis. Deshalb gibt es bereits zahlreiche Aktivitäten des Landes, diese Herausforderung anzunehmen.
Lassen Sie mich stichwortartig einige dieser Aktivitäten in Erinnerung rufen: Bereits seit Februar 2006 existiert das Bündnis für Fachkräftesicherung, seit 2010 der Landesarbeitskreis für Fachkräfte. Sie alle kennen den Maßnahmenplan für Fachkräftesicherung. Im Februar 2010 wurde die gemeinsame Fachkräftestudie von Berlin und Brandenburg vorgelegt, die deutlich machte, dass der Bedarf an Fachkräften durch das Zusammenwirken einiger Handlungsfelder gedeckt werden kann. Diese will ich hier aufzählen.
Erstens: Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, also Integration von Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen. Zweitens: Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere durch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Drittens: Ausweitung der Erwerbsarbeit, zum Beispiel durch Erhöhung des Arbeitsumfangs von Teilzeitbeschäftigten. Viertens: Erhöhung der Bildungsbeteiligung durch Höherqualifizierung der vorhandenen Arbeitskräfte. Fünftens: Flexibilisierung der Tä
tigkeitsorientierung durch gezielte Fort- und Weiterbildung. Bilden, halten, gewinnen - das sind die Ziele der Landesregierung, die sie mit ihrer Fachkräftestrategie verfolgt.
Diese Aufzählung macht deutlich: Wir haben hier in unserem Land genügend Möglichkeiten, die wir aber noch stärker nutzen sollten, um dem Fachkräftebedarf der Wirtschaft gerecht zu werden. Wir sind in Deutschland trotz positiver Entwicklung von Vollzeitbeschäftigung noch viel zu weit entfernt. Im Juli 2010 wurde der Antrag der Regierungskoalition „Potenziale zur Fachkräftesicherung in Brandenburg nutzen“ beschlossen, und im Mai 2011 legte die Landesregierung dazu einen Bericht vor. Ebenfalls im Mai 2011 gab es die von Bündnis 90/ Die Grünen - auch der FDP - und der Regierungskoalition gemeinsam getragene Beschlussempfehlung „Zuwanderung, Rückkehr und Integration als Beitrag zur Fachkräftesicherung in Brandenburg“. Dabei ging es nicht allein darum, Rückkehrer wieder für das Land Brandenburg zu gewinnen, sondern um Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung. Rückkehrer waren eine Zielgruppe, aber auch Zuwanderer und ausländische Hochschulabsolventinnen und -absolventen hatten wir dabei im Blick.
Uns kam es darauf an, bereits existierende Maßnahmen, Angebote und Strukturen so auszurichten, dass Fernpendler, ausländische Studienabsolventen und Gastwissenschaftler stärker berücksichtigt werden, und das Engagement aller Akteure zu bündeln.
Erst gestern gab es die 1. Lesung des Brandenburger Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Dieses Gesetz folgt einem von den Bundesländern erarbeiteten Entwurf. Damit sollen die in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten, aber auch Deutsche, die eine berufliche Qualifikation im Ausland erworben haben, in die Lage versetzt werden, diese Qualifikation auf dem deutschen Arbeitsmarkt angemessen zu nutzen. Die Praxis zeigt, dass arbeitslose Fachkräfte aus anderen europäischen Ländern bereits jetzt nach Deutschland bzw. in andere europäische Staaten kommen können, um dort zu arbeiten. Das tun sie auch, wenn sie hier ordentliche Arbeitsbedingungen vorfinden.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass immer noch deutsche Fachkräfte ins europäische Ausland gehen, weil sie dort arbeiten können, und zwar zu einem Lohn, der in Deutschland nicht gezahlt wird. Hier ist eindeutig die Wirtschaft gefragt. Es liegt erst einmal in der Verantwortung der Unternehmen, den Fachkräften solche Löhne zu zahlen, dass sie bleiben und nicht mit der gesamten Familie das Land verlassen. Fachkräftegewinnung ist und bleibt vorrangige Aufgabe der Unternehmen bzw. Betriebe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ich komme auf Ihren Entschließungsantrag zu sprechen. Sie wollen dem Fachkräftebedarf durch Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland begegnen, und zwar durch Regelungen der Politik. Ich finde es schon bemerkenswert, wenn gerade die freien Liberalen in Brandenburg plötzlich nach der ordnenden Hand des Staates rufen,
wenn Sie nicht mehr auf die Eigenverantwortung der Menschen oder der Unternehmen verweisen und wenn Sie den freien Wettbewerb nun plötzlich nicht mehr als unantastbar ansehen.
In Ihrem Antrag heißt es: „Einziges Kriterium muss die fachliche Eignung sein!“ Sie untermauern das mit Ihrem Dreisäulenmodell als Punktesystem. Diese Forderung lehnen wir - Sie vermuten es schon - ab, denn eine Einwanderungserlaubnis nach Qualifikation, Arbeitsmarktlage und Gesundheitszustand, wie wir eben gehört haben, kommt für uns nicht infrage.
Meine Damen und Herren, Sie setzen noch einen drauf. Im Entschließungsantrag machen Sie von der FDP-Fraktion sich auch darüber Gedanken, was mit qualifizierten ausländischen Arbeitnehmern geschehen soll, die keine Arbeit mehr haben. Ich zitiere:
„Der Arbeitgeber muss bei Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses für eine etwaige Rückführung des Arbeitnehmers die finanzielle Verantwortung übernehmen.“
Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung: Mit dieser Formulierung haben Sie deutlich danebengegriffen.
Der Begriff „Rückführung von ausländischen Staatsbürgern“ ist mir eher von Gruppierungen und Parteien bekannt, von denen wir wohl alle froh sind, dass sie in diesem Hause nicht oder nicht mehr vertreten sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, auch in der Antwort auf Ihre Große Anfrage „Der Mittelstand - Rückgrat der brandenburgischen Wirtschaft“ hat Ihnen die Landesregierung ausführlich die Situation dargestellt und ausgeführt, mit welchen Maßnahmen sie die Wirtschaft bereits jetzt unterstützt. Ich zitiere:
„Ergebnisse des Betriebspanels zeigen zudem, dass größere Betriebe deutlich weniger Probleme bei der Besetzung von Fachkräftestellen haben als kleinere. Die Schwierigkeiten kleinerer Betriebe bei der Fachkräftegewinnung resultieren unter anderem aus einem niedrigeren Lohnniveau, geringeren Unterstützungsleistungen für ihre Beschäftigten und mangelnden Ressourcen für die Personalentwicklung. Ebenso haben vor allem Kleinstbetriebe Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen.“
Die Landesregierung unterstützt darum kleine und mittelständische Unternehmen bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs schon lange. Die berufliche Weiterbildung in KMU wird durch Zuschüsse unterstützt, zum Beispiel mit der Weiterbildungsrichtlinie des MASF und mit dem Programm zur qualifizierten Ausbildung im Verbundsystem. Ergänzend dazu hat Minister Baaske gestern in Beantwortung der mündlichen Anfrage von Frau Schier auf die geplante kammerübergreifende Lehrstellenbörse hingewiesen.
Mit der Förderung von Innovationsassistenten und dem sogenannten Brandenburg-Stipendium sollen hochqualifizierte Nachwuchskräfte der Universitäten und Fachhochschulen frühzeitig an brandenburgische KMU gebunden und damit im Land gehalten werden.
Das Fachkräfteportal Brandenburg bietet Unternehmen auch die Möglichkeit, ihr Unternehmen und vorhandene Stellenangebote sichtbar zu machen. Das Fachkräfteportal spricht auch Fachkräfte aus den südeuropäischen Ländern an. Das Integrationskonzept des Landes wird momentan überarbeitet und soll im I. Quartal nächsten Jahres dem Landtag vorgestellt werden. Uns ist es weiterhin wichtig, eine Willkommenskultur zu fördern und zu verbessern - und das in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Seit fünf Jahren wird der Landesintegrationspreis für besonders herausragende Maßnahmen zur Förderung der Integration von Zugewanderten ausgelobt. Dieses Jahr wird der Integrationspreis unter dem Motto „Sich zu Hause fühlen - Integration vor Ort“ ausgeschrieben.
Meine Damen und Herren, Fachkräftesicherung ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Die gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Sozialpartnerschaft im Land Brandenburg ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Beitrag dazu. Mit dieser Erklärung machen Unternehmen, Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Landesregierung deutlich, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind und diese ernst nehmen.
Wir leisten unseren Beitrag zur Fachkräftesicherung und unterstützen die Brandenburger Wirtschaft und das Brandenburger Handwerk bei ihren Anstrengungen, ihren Fachkräftebedarf zu decken. Ich bin mir sicher, wenn Handwerk und Wirtschaft für sichere Arbeitsplätze mit fairen Löhnen sowie guten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sorgen, dann wird es auch in Zukunft ausreichend Fachkräfte in Brandenburg geben. Mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen halten und holen wir qualifizierte Fachkräfte zu uns nach Brandenburg - ganz ohne Kriterien und Punktesystem. Darum werden wir Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen. - Vielen Dank.
Deutschland hat sich bereiterklärt, 5 000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Geplant ist, die syrischen Flüchtlinge nicht in Sammelunterkünften oder Asylbewerberheimen unterzubringen. Sie sollen während der Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland möglichst in eigenen Wohnungen oder extra bereitgestellten Unterkünften leben.
Ich frage die Landesregierung: Wie ist das Land Brandenburg auf die Aufnahme der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge vorbereitet?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schier hat darauf hingewiesen: Die Arbeitsmarktsituation sieht derzeit gut aus. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf einem histori
schen Tiefstand. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen konnte seit 2005 halbiert werden.
Dennoch: Langzeitarbeitslosigkeit bleibt ein Problem. 41,7 % der Arbeitslosen in Brandenburg gelten als langzeitarbeitslos, und viele sind seit mehreren Jahren ohne Beschäftigung. Das ist auch ein gesellschaftliches Problem, denn soziale Integration und gesellschaftliche Teilhabe funktionieren eben am ehesten über Arbeit. In einer solidarischen Gesellschaft stehen wir alle in der Verantwortung, diese Menschen eben nicht nur zu alimentieren. Im Übrigen werden wir es uns in Anbetracht steigender regionaler, sektoraler Fachkräftebedarfe nicht leisten können, zukünftig auf das Potenzial dieser Menschen zu verzichten. Die Aktuelle Stunde heute hat ja dieses Thema behandelt. Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Problem für jeden Betroffenen, aber nicht nur für diesen. Langzeitarbeitslosigkeit hat Auswirkungen auf unsere ganze Gesellschaft.
Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, greift dieses Problem der Langzeitarbeitslosigkeit auf; das ist gut so. Aber Ihr Antrag greift aus unserer Sicht etwas zu kurz. Der Titel „Arbeitspolitisches Landesprogramm effizienter gestalten“ lässt vermuten, dass allein das Land Brandenburg für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zuständig ist. Dem ist aber, das wissen Sie, mitnichten so. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit muss auf europäischer Ebene genauso wie auf Bundesebene, also eben nicht nur allein auf Landesebene, erfolgen. Wir wollen mit unserem Entschließungsantrag noch einmal den Bund in seine Verantwortung nehmen, denn die entscheidenden finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Arbeitsförderung - das wissen Sie - können nur auf Bundesebene geregelt werden.
Die Landesregierung bitten wir, bei der Ausgestaltung des Operationellen Programms für das Land für den Europäischen Sozialfonds in der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 Förderaktivitäten zu entwickeln, die dafür sorgen, dass Menschen mit zahlreichen Vermittlungsschwierigkeiten derart gestärkt werden, dass sie wieder dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Dabei können unter anderem soziale Unternehmen durchaus hilfreich sein.
Gern werden Patentrezepte gegen Langzeitarbeitslosigkeit gefordert. Aber wir wissen alle: Diese Patentrezepte gibt es nicht. Genauso unterschiedlich, wie die Menschen mit ihren Fähigkeiten, Kompetenzen, aber auch Einschränkungen sind, so unterschiedlich ist auch der Bedarf an Instrumenten, um ihnen den Weg zurück in Beschäftigung zu ebnen. Einem Teil der Langzeitarbeitslosen ist bereits mit einer passfähigen Qualifizierung geholfen, ein weiterer Teil braucht zusätzlich eine Begleitung, wie sie zum Beispiel die ESF-Förderung des Landes mit den Integrationsbegleitern - Sie haben darauf hingewiesen anbietet. Für andere wiederum, die auf absehbare Zeit keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden können, kann ein durch Lohnkostenzuschüsse öffentlich gefördertes Arbeitsverhältnis neue Beschäftigungsperspektiven eröffnen. Echte Wirkung erzielt dabei solche Arbeit, die möglichst arbeitsmarktnah stattfindet.
Dazu werben wir um Unterstützung durch die Unternehmen, sich auch dieser Menschen anzunehmen und sie nicht als Problem, sondern als Potenzial zu begreifen. Wir dürfen aber auch nicht verschweigen, dass es Menschen gibt, die schon sehr lange nicht mehr gearbeitet haben. Ihnen hilft keine bloße Qualifi
zierung oder ein Lohnkostenzuschuss - sie brauchen vielmehr intensive Unterstützung und Begleitung, um Tagesstrukturen wieder zu erlernen, um überhaupt Beschäftigungsfähigkeit herzustellen. Für diese Menschen kann ein nächster Schritt im Sinne einer Erprobung, einer Ersatzbeschäftigung oder einer Beschäftigung im geschützten Bereich bestehen. Genau da liegen wir vermutlich bei der Einschätzung auseinander.
Es gibt im Land einige Beispiele dafür, dass Unternehmen, die sich erfolgreich im wirtschaftlichen Wettbewerb behaupten, Menschen mit zunächst multiplen Vermittlungshemmnissen beschäftigen. Dies ist für beide Seiten durchaus erfolgreich, nämlich genau dann, wenn diese Unternehmen über eine erfolgreiche Geschäftsidee verfügen, in den Kommunen verankert sind und nicht zuletzt, wenn diese Bemühungen von SGB-II-Förderinstrumenten flankiert werden.
Je größer die Einschränkung der Beschäftigungsfähigkeit, je größer und länger der Bedarf an Unterstützung im Rahmen der Arbeitsförderung, desto mehr Geld kostet es. Arbeitsförderung ist in erster Linie eine Bundesangelegenheit. Der Bund kommt jedoch seiner Verantwortung derzeit nicht ausreichend nach.
Investiert wird vorrangig in schnelle Vermittlungserfolge. Langzeitarbeitslose müssen mit hohen Einschränkungen integriert werden; ihre Beschäftigungsfähigkeit bleibt dabei auf der Strecke. Deshalb hat sich die Landesregierung unter anderem im Rahmen einer Bundesratsinitiative für Stabilität der Finanzierung öffentlich geförderter Beschäftigung eingesetzt. Sie hat auch die Lösung benannt: Aktivierung passiver Leistung.
Dieser Weg ist richtig, er setzt an den Verantwortlichkeiten an. Das Land kann diese nicht ersetzen, wohl aber ergänzen. Die Möglichkeiten, die es dazu gibt, zeigen wir in unserem Antrag auf. Ich bitte deswegen um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im August 2011 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, unverzüglich eine Mindestlohnkommission einzusetzen und dem Landtag im II. Quartal 2012 einen Bericht zur Gestaltung der Lohnuntergrenze vorzulegen.
Die Mindestlohnkommission hat - wie aus dem Bericht hervorgeht - am 11. Dezember letzten Jahres erstmals getagt. Seit dem 1. Februar liegt uns nun dieser Bericht zur Gestaltung der Lohnuntergrenze vor. Ich gestehe, ich hätte mir gewünscht, dass dies etwas schneller gegangen wäre, als es nun erfolgt ist. Insofern müssen wir nun aufpassen, dass wir in unserer Debatte um Mindestlöhne nicht der Zeit und den Erfordernissen des Lebens hinterherhinken.
Das Brandenburger Vergabegesetz schreibt derzeit einen Mindestlohn von 8 Euro vor. Andere Bundesländer haben mit den Möglichkeiten der Mindestlohnregelung auf Landesebene diesen bei 8,50 Euro oder sogar mehr festgeschrieben. Berechnungen gehen mittlerweile von 10 Euro Stundenlohn aus, damit man von seiner Arbeit ohne staatliche Zuschüsse leben kann gegenwärtig, in Zukunft und auch im Rentenalter. Deshalb hoffe ich, dass sich die Mindestlohnkommission nun bald mit einer Anhebung der Mindestlohngrenze im Rahmen des Brandenburgischen Vergabegesetzes befasst und nicht noch mehr Zeit ungenutzt verstreichen lässt.
Zudem haben wir mit dem Vergabegesetz noch einige offene Baustellen hinsichtlich des Regelungs- und Geltungsbereiches, die dringend geschlossen werden müssen. Ich erinnere nur an einige Anfragen in diesem Hause zum Postzustelldienst oder zu Fragen von Servicegesellschaften in der Stiftung „Preußische Schlösser und Gärten“.
Ich habe noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, dass Weisheit und Erkenntnis auch in der Bundesregierung Einzug halten und sie die letzten Monate dazu nutzt, um einen bundesweit geltenden gesetzlichen Mindestlohn zu beschließen, der Vergabegesetze auf Länderebene überflüssig macht.
Wie wichtig dieser bundesweit geltende einheitliche Mindestlohn ist, macht auch ein Blick auf die Zahlen des Arbeitsmarktes deutlich. In Brandenburg arbeiten derzeit 29 000 Menschen in Vollzeit und erhalten, um die nötigsten Dinge des Lebens bezahlen zu können, aufstockende Leistungen aus Steuermitteln. Das sind bundesweit insgesamt 2 Milliarden Euro jährlich, die aus Steuermitteln finanziert werden.
In Deutschland haben 5 Millionen Menschen ein Einkommen, das auf einem Stundenlohn basiert, der selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung keine hinreichende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Zahlen aus dem Jahr 2009 besagen, dass fast 16 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro erhalten. Noch dramatischer: In Deutschland arbeiten 1,4 Millionen Menschen für weniger als 5 Euro die Stunde.
In der Pflegebranche - einem hier im Hause oftmals diskutierten Thema - gibt es im Osten des Landes einen Tariflohn von derzeit 7,75 Euro, der im Juli dieses Jahres auf 8 Euro erhöht werden soll.
Dabei beklagen wir immer noch einen Fachkräftemangel im Pflegebereich. Hier können wir aber mit dem Vergabegesetz auf Landesebene wenig ausrichten. Wie heute im Beitrag von Frau Schier wieder deutlich wurde, wird immer noch versucht, Mindestlohn anders zu definieren: Mindestlohn, so sagten Sie, nur in den Branchen, in denen es keine Tariflöhne gibt. Die CDU wolle nicht in die Tarifautonomie der Tarifpartner eingreifen, heißt es.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ein Mindestlohn ist - das hat der Minister eben dargestellt - „ein in der Höhe festgelegtes, kleinstes rechtlich zulässiges Arbeitsentgelt“ - Quelle: Wikipedia. Das kann man nachlesen. Durch die Tarifpartner soll dieser Tariflohn immer noch höher sein und kann erhöht werden. Deshalb brauchen wir in Deutschland einen bundesweit geltenden Mindestlohn in Höhe von mindestens 8,50 Euro, und das Vergabegesetz kann nur ein Auftakt dafür sein - in dem Bereich, in dem wir selbst handeln können. Vielen Dank.
Mit dem Inkrafttreten des Brandenburgischen Vergabegesetzes wurden im Haushalt des Landes Brandenburg den brandenburgischen Kommunen und Landkreisen 10 Millionen Euro bereitgestellt, um eventuell entstehende Kosten des Mehraufwandes bei der Umsetzung des Gesetzes zu kompensieren; das ist das sogenannte Konnexitätsprinzip. Den jüngsten Presseberichten war zu entnehmen, dass derartige Kosten bereits über den bereitgestellten 10 Millionen Euro liegen.
Ich frage daher die Landesregierung: Wie hoch sind derzeit die durch die Kommunen geltend gemachten Kosten für den Mehraufwand bei der Umsetzung des Brandenburgischen Vergabegesetzes?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist eine konsequente Fortsetzung der gestern schon hier im Hause geführten Debatte zum Thema Altersarmut. Denn Altersarmut beginnt in der Regel immer mit Erwerbsarmut. Die Schere zwischen Arm und Reich - das haben wir schon gestern gehört klafft immer weiter auseinander. Immer mehr Menschen rutschen in Armut; und das, obwohl sie arbeiten.
Im Land Brandenburg sind 16,9 % der Bevölkerung von Armut bedroht. Das ist fast jeder Sechste. Im bundesdeutschen Durchschnitt sind es 15,1 %. Wer weniger als 60 % des mittleren Bevölkerungseinkommens hat, gilt laut EU-Definition als armutsgefährdet. Das heißt konkret: Fast 17 % der Brandenburger müssen derzeit mit weniger als 848 Euro im Monat auskommen.
Wir alle kennen die Daten des Armutsberichts der Bundesregierung. Auch wenn die FDP im Bund die Zustimmung zur Veröffentlichung des Berichts verweigert, so kann sie doch vor den Realitäten nicht die Augen verschließen. Dieser Bericht wird alle vier Jahre durch die Bundesregierung vorgelegt. Eine Analyse des Bundesarbeitsministeriums, die in den Armutsbericht einfließen soll, bringt mehrere interessante Fakten zutage:
Das Vermögen der privaten Haushalte hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Das ist eigentlich keine schlechte Nachricht. Aber 50 % aller Haushalte verfügen gera
de einmal über 1 % des gesamten Nettovermögens. In der Analyse des Arbeitsministeriums heißt es weiter:
„Während das Nettovermögen des deutschen Staates zwischen 1992 und Anfang 2012 um über 800 Milliarden Euro zurückging, hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte von knapp 4,6 auf rund 10 Billionen Euro mehr als verdoppelt.“
Weiter heißt es, dass die vermögensstärksten 10 % der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen.
Diese Analyse verzeichnet auch bei der Lohnentwicklung eine große Schere. So sei der obere Bereich der Einkommen in Deutschland positiv steigend, während die unteren 40 % sogar Einkommensverluste hinnehmen mussten. Das Bundesarbeitsministerium bemerkt dazu: Eine solche Einkommensentwicklung verletzt das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Stundenlöhne, die bei Vollzeitarbeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes von Alleinstehenden nicht ausreichen, verschärfen Armutsrisiken und schwächen den sozialen Zusammenhalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Meinung: Das verletzt nicht nur das Gerechtigkeitsempfinden, es ist zutiefst ungerecht.
Was in Deutschland zum Teil an Armuts- und Hungerlöhnen gezahlt wird, grenzt meines Erachtens schon an einen Verstoß gegen Artikel 1 Grundgesetz, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Denn auch gerechte Entlohnung hat etwas mit guter Arbeit zu tun. Und gute Arbeit hat etwas mit Menschenwürde zu tun.
Tatsache ist: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer und auch der Staat wird immer ärmer. Diese Entwicklung kann uns nicht kalt lassen. Genau da können und müssen wir ansetzen, nämlich mit einem bundesweit einheitlich geltenden Mindestlohn. Es muss darum gehen, dass in Vollzeit arbeitende Menschen von ihrer Arbeit leben können - jetzt und in Zukunft und ohne staatliche Zuschüsse. Der Thüringer Gesetzentwurf, dem sich Brandenburg angeschlossen hat, ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn ich mir persönlich im Detail sicherlich das eine oder andere mehr gewünscht hätte.
In Brandenburg ist seit Anfang des Jahres das Vergabegesetz in Kraft. Das ist wichtig und das ist richtig. Aber es ersetzt eben nicht einen gesetzlichen Mindestlohn, denn es erfasst längst nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein bundesweit geltender Mindestlohn würde einheitliche Regeln schaffen. Dies wäre auch ein politisches Signal:
In Deutschland gibt es Wertarbeit, und wir, die Gesellschaft, schätzen den Wert der Arbeit. - Albert Einstein hat einmal gesagt:
„Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, gibt es keine Hoffnung für sie.“
Als das erste Mal Forderungen nach einem Mindestlohn laut wurden, galten sie noch ausschließlich als Forderungen Linker, Gewerkschafter. Inzwischen ist das Thema aber nicht nur gesellschaftsfähig, sondern topaktuell.
Ich freue mich, dass sich auch die CDU diesem Thema nicht mehr verschließt. Der Thüringer Gesetzentwurf wurde von einer schwarz-roten Landesregierung auf den Weg gebracht. Auch andere Landesregierungen mit CDU-Beteiligung unterstützen diesen Antrag.
Ich werte es als positives Signal, dass sich jetzt Teile der CDU aktiv für eine Haltelinie nach unten einsetzen - eine Haltelinie, die den Beschäftigten in Deutschland ein existenzsicherndes Einkommen garantiert, wie die Thüringer in ihrem Antrag am letzten Freitag schreiben. Ich hoffe, dass es uns nun gelingt, im Interesse der zahlreichen Geringverdiener und der deutschen Wirtschaft einen gesetzlich verbindlichen Mindestlohn einzuführen. Arbeit zum Schnäppchenpreis und Arbeitgeber als Schnäppchenjäger darf es nicht geben.
Geiz ist eben nicht geil, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn er geht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf Kosten aller Steuerzahler. Die Gesellschaft finanziert den Gewinn der Unternehmen; da müssen wir gegensteuern. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Arbeitslohn zum Leben reicht. In Deutschland haben 5 Millionen Menschen ein Einkommen, das auf einem Stundenlohn basiert, der selbst bei Vollzeitbeschäftigung keine hinreichende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Zahlen aus dem Jahre 2009 besagen, dass fast 16 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro erhalten.
Der ungarische EU-Kommissar für Soziales László Andor übte letzte Woche scharfe Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik. Die niedrigen Löhne in Deutschland sieht er als Ursache für die Wirtschaftskrise in Europa. Für Andor sind Mindestlöhne zur Lösung der Krise unabdingbar.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit entsteht bereits heute mehr als jeder vierte Arbeitsplatz in geringfügiger Beschäftigung. Darum bedeutet mehr Regulierung auch mehr Sicherheit und Teilhabe am Aufschwung für alle Beschäftigten. Die positiven Auswirkungen auf die problematische Situation in der Rentenversicherung - das haben wir gestern schon diskutiert - sind dabei auch nicht zu übersehen. Das Plündern der Sozialkassen durch Dumpinglöhne, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss endlich aufhören!
Über 2 Milliarden Euro gibt der Staat pro Jahr für Aufstocker mit Vollzeitjob aus und subventioniert damit Arbeitgeber, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen beschäftigen. Im Land Brandenburg erhielten 66 466 Menschen zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen sogenannte aufstockende Leistungen. Das gehört eben auch zur Wahrheit: Ein auskömmlicher, fairer Lohn würde so manche ALG-II-Zahlung unnötig machen und die Ausgaben des Staates senken.
Von Niedriglöhnen sind keinesfalls - wie häufig angenommen nur gering qualifizierte Menschen betroffen. Fast 70 % der Geringverdiener haben eine Berufsausbildung und knapp 10 % sogar einen Hochschulabschluss. Der Anteil dieser Personengruppe an der Anzahl der Geringverdiener ist in den letzten Jahren sogar noch gestiegen. Die Zunahme von Niedriglöhnen ist vor allem auf den zurückgegangenen Grad der Tarifbindung zurückzuführen. Ich will gar nicht darum herumreden: Nur noch 32 % der Betriebe unterliegen einem Flächentarifvertrag, und wer der Erosion der Tarifverträge wirksam entgegentreten will, braucht flankierende Maßnahmen wie den Mindestlohn, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ein gesetzlicher Mindestlohn führt zu Mehreinnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der BA. Ein gesetzlicher Mindestlohn führt zu einer größeren Binnennachfrage, denn wer mehr verdient, gibt auch mehr aus. Niedriglöhne stehen in einer Reihe mit Armutsrenten und letztendlich Altersarmut - dazu haben wir gestern einiges gehört.
Im Land Brandenburg bekamen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2011 im Jahresdurchschnitt einschließlich Sonderzahlungen monatlich lediglich 2 467 Euro brutto. Damit liegt das durchschnittliche Einkommen der Arbeitnehmer unter der von Frau von der Leyen zur Altersarmut genannten Schwelle von 2 500 Euro.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der 7. Oktober ist weltweit der Tag der menschenwürdigen Arbeit. Gerechte und auskömmliche Entlohnung ist Teil menschenwürdiger Arbeit, und ein allgemeinverbindlicher Mindestlohn ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Lassen Sie uns darum heute aus diesem Anlass auch aus diesem Hause das Signal senden, dass in Brandenburg gute Arbeit ihren Wert hat. Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Stimmen Sie zu, dass über den Weg des Bundesrates in Deutschland für mehr Gerechtigkeit gesorgt werden kann! Stimmen Sie zu, dass wir mit einem Mindestlohn den Weg einschlagen, Armut trotz Arbeit zu verhindern! Stimmen Sie zu, dass wir mit einem Mindestlohn einen Schritt unternehmen, Altersarmut trotz jahrzehntelanger Beschäftigung zu verhindern! - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind am Ende einer Debatte zum Thema Mindestlohn, und die Aufregung hat, glaube ich, schon gezeigt, dass es richtig und wichtig war, dieses Thema heute nach dem November noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei, drei Fakten darstellen. 1,8 Millionen Kinder, so haben wir gerade erst erfahren müssen, sind in unserem Land von Armut bedroht, jedes vierte Kind unter 15 Jahren also. Die Gefahr, in Armut zu geraten, ist seit dem Jahr 2011 trotz guter Wirtschaftslage sogar noch angestiegen. All dies macht auch noch einmal deutlich, wieso wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn als flankierende Maßnahme zu den geltenden Tarifverträgen brauchen.
Liebe Frau Schier, Sie haben uns geraten, doch einmal mit den Kleinunternehmern zu reden. Glauben Sie mir, glauben Sie uns, wir reden mit Unternehmern, wir reden mit Kleinstunternehmern. Ich will mich hier aber gerne noch mit einem Tipp an Sie revanchieren: Reden Sie doch einmal mit Arbeitnehmern in unserem Land!
Reden Sie mit dem Zeitungszusteller, der Ihnen morgens um 5 Uhr die Zeitung bringt und danach zu seinem zweiten Job geht, um seine Familie ernähren zu können! Reden Sie mit dem Rentner, der ohne dieses Zubrot nicht anständig leben kann!
Reden Sie, wenn Sie Sonntag früh Ihre Brötchen vom Bäcker holen, mit der Bäckereifachverkäuferin, übrigens ein Lehrberuf, und fragen Sie sie, wie viel aufstockende Leistung sie in Anspruch nehmen muss, um ihre Familie anständig ernähren zu können! Reden Sie einfach mal mit den Kollegen im Wachund Sicherheitsgewerbe oder anderen „normalen“ Arbeitnehmern! Und dann herzlich willkommen in der Realität! - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion bedenkt uns zum Schluss des heutigen Tages mit einem Thema, das wirklich nicht neu ist. Ich denke, Herr Büttner, was Sie eben gesagt haben, war alter Wein in neuen Schläuchen.
Vor mehr als 100 Jahren wurde mit der Gewerbeverordnungsnovelle von 1897 das duale Prinzip der Berufsausbildung - das heißt praktische Ausbildung im Betrieb und theoretischer Unterricht in der Berufsschule - erstmals festgeschrieben. Die Debatte zur Modularisierung wird seit mehr als 30 Jahren engagiert geführt, und aus meiner Sicht gab es bis heute auch keine überzeugenden Argumente, warum die Modularisierung der Berufsausbildung unbedingt umzusetzen sei. Vor gut 10 Jahren hat die FDP bereits das Thema Modularisierung in den deutschen Bundestag eingebracht, und ihr Antrag ist dort abgelehnt worden. Heute nun dürfen wir uns im Brandenburger Landtag erneut diesem Thema widmen. Man könnte meinen, es ist in der letzten Zeit alles dazu gesagt worden. Lassen Sie mich trotzdem einige wesentliche Argumente in Erinnerung rufen.
Das deutsche duale Ausbildungssystem wird weltweit als vorbildlich angesehen. Es ist, so meine ich, ein klarer Standortvorteil, ein Erfolgsmodell für unsere Wirtschaft. Dabei ist die Ausrichtung der Ausbildung auf den Erwerb breiter beruflicher Fähigkeiten besonders hervorzuheben, denn die Ausbildung wird in Deutschland eben nicht auf die direkte Verwertbarkeit im Betrieb reduziert. Warum die Modularisierung der beruflichen Bildung die Weiterbildung erleichtern soll, wie in dem Antrag von Ihnen beschrieben, erschließt sich mir auch nach Ihrer Rede, Herr Büttner, nicht. Vielmehr macht es die Modularisierung notwendig, Wissenslücken zu schließen, die eigentlich in der Ausbildung hätten geschlossen werden müssen.
Wenn es um lebenslanges Lernen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten als Bestandteil guter Arbeit geht, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, haben Sie mich auf Ihrer Seite. Aber Berufsausbildung darf nicht zu einem Baukastensystem werden, aus dem sich jeder bedienen kann. Denn das würde bedeuten, dass jungen Menschen gerade das für ihren aktuellen Arbeitsplatz Nötigste vermittelt würde, sie jedoch ohne Absolvierung weiterer Module nicht in anderen Betrieben eingesetzt werden könnten.
Mit dem Baukastensystem schaffen wir junge Berufstätige, die, auf die Bedürfnisse eines konkreten Betriebs ausgerichtet, zielgenau ausgebildet worden sind, aber bei wirtschaftlichen Turbulenzen eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr ohne eine weitere Qualifizierung vermittelbar sind. Es besteht die Gefahr von Schmalspurausbildungen, und dies ist dann der Einstieg in den Niedriglohnsektor. Das, lieber Herr Büttner, unterscheidet uns eben. Im Gegensatz zu dem, was Sie heute Morgen in der Debatte gesagt haben: Es ist eben nicht alles sozial, was Arbeit schafft, sondern sozial ist, was gute Arbeit schafft.
Was wir brauchen, meine Damen und Herren, sind Fachkräfte, die eine solide Ausbildung haben und im besten Fall nach dem Berufsschulabschluss eine Spezialisierung erhalten. Ich be
fürchte, dass die Modularisierung nur zu einer weiteren unternehmensbezogenen Spezialisierung der Ausbildung auf geringerem Qualitätsniveau führt und Betriebe aus Kostengründen nur noch Ausbildung in Modulen anbieten. Genau das wollen wir als SPD-Fraktion nicht. Ausbildung muss umfassend und vielseitig sein und bleiben.
Ich bleibe dabei: Das Prinzip der geschlossenen Berufsbilder hat sich bewährt. Wir brauchen eine umfassende Ausbildung von hoher fachlicher Qualität. Wir brauchen eine Ausbildung, die die Auszubildenden befähigt, ihre berufliche Zukunft selbst zu gestalten, und sie nicht in Abhängigkeit einzelner Unternehmen zwingt. Deswegen werden wir folgerichtig - Sie vermuten es schon - den Antrag ablehnen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 20. März 2012 entschieden, dass eine altersbedingte Urlaubsstaffelung wie im § 26 des Tarifvertrags Länder bzw. des Tarifvertrags öffentlicher Dienst gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt.
Ich frage daher die Landesregierung: Welche Konsequenzen hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts für die Arbeitsverträge der im Landesdienst Beschäftigten?
Am 16. August 2012 besuchte der Ausschuss für Inneres des Landtages Brandenburg die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. Bei diesem Besuch wurde allgemein festgestellt, dass es dringenden Handlungsbedarf unter anderem in Bezug auf die Unterbringungsbedingungen der Flüchtlinge gibt.
Ich frage darum die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, die Situation der Flüchtlinge kurzfristig zu verbessern?
Am 30. Mai 2012 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die neue Ortsumgehung Brieskow-Finkenheerd als Teil der Oder-Lausitzstraße B 112 in der geplanten Trassenführung gebaut werden kann. Dem Artikel der „Märkischen Oderzeitung“ vom 31.05.2012 ist zu entnehmen, dass mit der Fertigstellung dieses für die weitere Entwicklung des Regionalen Wachstumskerns Frankfurt (Oder)-Eisenhüttenstadt wichtigen Bauabschnitts nicht vor 2014 zu rechnen ist.
Ich frage daher die Landesregierung: Wann bzw. in welchen Bauabschnitten werden die noch fehlenden Teile der OderLausitzstraße zwischen Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) begonnen bzw. fertiggestellt, und wird damit die neue Straße von Frankfurt (Oder) bis Eisenhüttenstadt durchgängig befahrbar sein?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht sehr vorteilhaft, zu später Stunde, gewissermaßen als einer der letzten Redner, noch zwischen Ihnen und dem Feierabend zu stehen.
Deshalb will ich den Versuch machen, in aller Kürze den Antrag, den wir als Koalitionsfraktionen eingebracht haben, zu begründen.
Im Mai 2012 betrug der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an der Bevölkerung im Land Brandenburg ganze 10,4 %. Es betrifft also inzwischen jeden zehnten Bürger in unserem Land. Für diese Menschen kommt es darauf an, dass sie die Zahlungen, die ihnen zustehen, pünktlich und in der ihnen zustehenden Höhe erhalten. Zahlungsverzögerungen, geringere Zahlungen oder gar Rückzahlungsforderungen bedeuten oft eine soziale Härte. Die im Zusammenhang mit der Hartz-IV-Gesetzgebung hohen Verfahrensstände an den Sozialgerichten können daher insbesondere für die Betroffenen problematische Folgen haben.
Die maßgeblichen Gesetze sind mittlerweile seit mehreren Jahren in Kraft. Man hat in dieser Zeit gesehen, an welchen Stellen es knirscht und dass die gesetzlichen Grundlagen einer Verbesserung bedürfen. Ständig neue Ausführungsverordnungen des Bundes machen die Situation noch unübersichtlicher und erschweren das Verfahren. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, diese Entwicklung nicht länger zu ignorieren. Was die Verfahren vor den Sozialgerichten betrifft, so kann man zum einen die Anzahl der Klagen im Bereich des SGB II kritisieren, und man kann zum anderen auch beklagen, dass die Verfahren so lange dauern. Aber das eine bedingt das andere.
Leider sind wir im Land Brandenburg deutschlandweit Schlusslicht bei den Bearbeitungsfristen, und wir haben derzeit über 32 000 unerledigte Verfahren sowie 24 000 Neueingänge pro Jahr an den Sozialgerichten. Fakt ist: Das ist einfach zu viel für alle Beteiligten. Wir wollen mit unserem Antrag alle Möglichkeiten nutzen und bewirken, dass sich sowohl die Anzahl der Klagen als auch die Verfahrensdauer reduzieren.
Den bereits jetzt bei den Gerichten vorliegenden Berg von anhängigen Verfahren kann man mit Sicherheit schneller mit mehr Richterinnen und Richtern an den Sozialgerichten abtragen. Damit wird auch die Verfahrensdauer verkürzt.
Angesichts unseres Ziels, im Land Brandenburg ab 2014 keine Schulden mehr zu machen, und angesichts der immer geringer werdenden Einnahmen können wir aber nicht einfach zusätzliche Stellen schaffen, zumal ich die Hoffnung habe, dass wir die Verfahrenszahl und die Verfahrensdauer bald reduziert haben werden, wodurch wir also zusätzliche Stellen nicht mehr brauchen würden.
Deshalb fordern wir die Landesregierung in unserem Antrag auf, zu prüfen, ob die Ausweitung des an den Verwaltungsgerichten durchgeführten Proberichtermodells zum Abbau unerledigter Verfahrensstände auch auf die Sozialgerichtsbarkeit übertragbar ist. Ich halte dieses Modell durchaus für sinnvoll und anwendbar. Bei dem Proberichtermodell fangen junge Richter in der Sozialgerichtsbarkeit an, erhalten später aber je nach Bedarf eine dauerhafte Stelle in einem anderen Gerichtszweig. Der hohen Arbeitsbelastung in einzelnen Gerichtszweigen kann so flexibler entgegengewirkt werden.
Wir wollen mit dem Antrag aber noch einen zweiten Bereich aufgreifen. Uns geht es auch darum, dass die Bescheide klar und deutlich formuliert sind, sodass sie von den betroffenen Menschen auch verstanden werden, und wir wollen, dass Modellverfahren entwickelt werden, die bei einem gezielten Einsatz zu einer Reduzierung der Klagen führen. Einige Modelle werden ja bereits in Jobcentern erfolgreich ausprobiert und angewandt.
Um aber punktgenau und wirkungsvoll vorgehen zu können, brauchen wir auch eine Analyse der Gründe, die zu den Klagen führen, und dafür brauchen wir belastbare Zahlen. Wir bitten daher in unserem Antrag, dass die Landesregierung die zuständigen Fachausschüsse des Landtages über die Entwicklung der Anzahl der Klageeingänge, der Verfahrensbestände und die Dauer der Verfahren informiert und über Modellprojekte unterrichtet. Die Reduzierung der Zahl der Klagen und der Verfahrensdauern ist für die Menschen, die Hartz-IV-Zahlungen erhalten, wichtig. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.
Nun kommen wir also doch noch zum Flughafen. - Jüngsten Presseinformationen war zu entnehmen, dass erneut Arbeiter, die auf der Baustelle des Flughafens BER tätig gewesen seien, auf ausstehenden Lohn warten. Grund dafür sei die Insolvenz eines auf der Baustelle tätigen Unternehmens.
Ich frage die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, gegen diese wiederholt auftretenden Fälle von Lohnbetrug vorzugehen?
Die Frage hat ja, wenn man gestern die Zeitung gelesen hat, eine erneute und aktuelle Bedeutung bekommen. Laut einem am 11. April ausgestrahlten Beitrag der rbb-Sendung „Klartext“ sollen für die Baustelle des Flughafens BER geltende Bestimmungen der Baustellen- und Logistikverordnung umgangen worden sein. Die Baustelle des Flughafens kann im Regelfall nur mit einem gültigen Baustellenausweis betreten werden. Ebenfalls muss bei den Beschäftigten auf der Baustelle ein gültiger Sozialversicherungsausweis vorhanden sein. Nur in Ausnahmefällen können Unternehmen ihre Beschäftigten per Bus mit einem Sammelausweis auf die Baustelle bringen. Allerdings müssten in solchen Fällen komplette Namenslisten mit den Businsassen beim Betreten der Baustelle vorgelegt werden. Derzeit soll für ca. 300 Beschäftigte auf der Baustelle diese Ausnahmegenehmigung in Anspruch genommen werden.
Ich frage die Landesregierung: Was beabsichtigt sie als einer der Gesellschafter des Flughafens BER zu tun, um derartige Verstöße zukünftig zu verhindern?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Homeyer! Es geht natürlich nicht darum, hier in dieser Frage Panik zu verbreiten. Es ist schon angemessen, angesichts der Schließung eines Werkes mit 1 200 Beschäftigten zumindest für diese Menschen von einer Katastrophe zu sprechen, weil dies für sie und ihre Familien genau dieser Katastrophe gleichkommt.
Die Planungen von mehr als Tausend Menschen wurden durch eine unternehmerische Entscheidung durchkreuzt, die deutlich macht, wie gering der Wert von Arbeit heute geschätzt wird und mit welcher Rücksichtslosigkeit manche Entscheidungen heutzutage getroffen werden. Menschen, die glaubten, einen sicheren und unbefristeten Job in einem zukunftsträchtigen Unternehmen zu haben, müssen sich nun plötzlich umorientieren.
Das Unternehmen First Solar hat ganze Familien in die Regionen gezogen. Die Schließung trifft die Region Frankfurt (Oder) und die Menschen dort schwer. Die Schließung der beiden Werke bedeutet nicht nur den Jobverlust für die 1 200 Beschäftigten, sondern hat auch mit großer Wahrscheinlichkeit - das haben wir heute gehört - Auswirkungen auf die Zulieferbetriebe und die Unternehmen in der Region, die mit First Solar wirtschaftliche Beziehungen unterhalten haben. Zudem sind auch andere Unternehmen davon betroffen. Die Werkschließung zieht Kreise.
First Solar ist einer der größten Arbeitgeber in der Region, der mit seinem Ausbildungsangebot auch für die Zukunft junger Menschen Verantwortung trägt und berufliche Perspektiven bieten sollte. In der Zeit, in der wir in diesem Hause mehrfach über Fachkräftemangel gesprochen haben, muss es uns doch jetzt darauf ankommen, die qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Region zu halten.
Die geplante Transfergesellschaft scheint hierbei zunächst der richtige Weg für eine vorübergehende Sicherung der Beschäftigung und für den Erhalt des Fachkräftepersonals gerade in die
ser Region zu sein. Daran muss sich auch First Solar beteiligen. Denn das Unternehmen hat - wie heute schon gesagt wurde - nicht Insolvenz angemeldet, sondern legt den Betrieb als eine Unternehmensentscheidung still infolge einer auch vom Bund zu verantwortenden Politik der geplanten drastischen Kürzung der Solarförderung und deren Folgen, die die Beschäftigten nun ausbaden müssen.
Wir sehen First Solar in der sozialen und unternehmerischen Verantwortung. Ich bin mir sicher, dass das Unternehmen dieser Verantwortung auch gerecht werden wird. Ich will der Landesregierung ausdrücklich dafür danken, dass sie sich in dieser Situation derzeit so stark engagiert, wie vorhin vom Wirtschaftsminister dargestellt.
Wir müssen uns gemeinsam mit allen Akteuren in der Region um die Arbeitnehmer kümmern. Wir müssen gemeinsam mit den Sozialpartnern den von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen im Land schnellstens neue Perspektiven bieten. Der Betriebsrat als Interessenvertreter der Beschäftigten, der im Übrigen erst nach langem Hin und Her und einigen Blockaden des Unternehmens gewählt werden konnte, muss dabei mit an den Verhandlungstisch, auch wenn - wie wir gerade erst gehört haben - eines der Betriebsratsmitglieder entlassen worden ist, was nicht unbedingt die Sprache einer Unternehmenskultur spricht, die von uns akzeptiert werden kann.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der eigentliche Skandal und macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Löhne gerecht und fair sind. - Vielen Dank.
Am 17. April 2012 - wir haben uns heute schon ausführlich damit beschäftigt - kündigte First Solar Europe an, die Werke in
Frankfurt (Oder) bis Ende Oktober 2012 zu schließen. Von der Werksschließung betroffen sind 1 200 Beschäftigte. Für beide Werke wurden Fördermittel des Landes Brandenburg in Anspruch genommen.
Ich frage darum die Landesregierung: Welche Konsequenzen zieht sie aus der genannten Werksschließung, vor allem im Hinblick auf die Förderpolitik des Landes und im Hinblick auf mögliche Perspektiven für die Beschäftigten für die Zeit nach der Werksschließung?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst hatte ich nach den zum Teil überraschend kämpferischen Reden heute Morgen zum Thema „Soziale Gerechtigkeit und Arbeitnehmerrechte“ den Eindruck gewonnen, dass es überhaupt nicht mehr notwendig sei, zu diesem Antrag heute zu sprechen. Ich möchte es trotzdem tun.
Ihnen liegt der Antrag der Koalitionsfraktionen vor, den wir mit dem Titel „Arbeitslosenversicherung als primäre Sicherung für Arbeitslose stärken“ überschrieben haben. Hintergrund ist folgender: Wir haben derzeit einen relativ robusten Arbeitsmarkt. So waren im Land Brandenburg im Januar noch 11,3 % Menschen ohne Arbeit. Das ist, wie wir alle wissen, immer noch zu viel. Aber in der Tendenz und im Vergleich zu den Vorjahreswerten ist dies eine Quote, die uns signalisiert, dass durchaus eine positive Entwicklung zu verzeichnen ist.
Dass der Arbeitsmarkt so stabil ist, verdanken wir aber nicht nur der Wirtschaft, den Unternehmen und dem Handwerk, son
dern leider auch einer zunehmenden Zahl von Arbeitnehmern, die sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden und sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Die Befristung der Verträge ist - entgegen häufig zitierten Meinungen nur in den seltensten Fällen eigener Wunsch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. So sind bundesweit derzeit fast 3 Millionen Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig. Das sind etwa 8,9 % aller Beschäftigungsverhältnisse.
Nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist der Anteil der Befristungen bei Neueinstellungen in den letzten Jahren von 32 auf mittlerweile 47 % gestiegen. Im März 2010 waren im Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen 21,2 % der Beschäftigungsverhältnisse befristet. Das ist inzwischen jeder vierte Arbeitsplatz.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatten 8,4 % der befristet Beschäftigten Arbeitsverträge, die eine Befristung von nur bis zu sechs Monaten aufwiesen; 25,1 % hatten Verträge mit einer Laufzeit von sechs Monaten bis zu einem Jahr. Das bedeutet, dass inzwischen mehr als ein Drittel der befristet Beschäftigten trotz Arbeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben konnten, obwohl sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlten.
Das ist eine Entwicklung, der wir nicht weiter tatenlos zusehen dürfen. Denn auch aktuelle Zahlen der EU belegen: Nirgendwo sonst in Europa ist das Armutsrisiko für Arbeitslose so hoch wie in Deutschland. 70 % der Erwerbslosen sind armutsgefährdet; im europäischen Durchschnitt sind es 45 %. Jeder vierte neue Arbeitslose in Deutschland erhält inzwischen Hartz IV. Das liegt auch an den bisher geltenden Regelungen.
Mit unserem Antrag wollen wir der Realität Rechnung tragen. Es ist so, wie es im Antrag steht: Eine Anhebung der Rahmenfrist bei gleichzeitiger Verkürzung der Anwartschaftszeit würde die soziale Absicherung dieser Beschäftigtengruppen verbessern.
Ich möchte aber auch betonen: Das Armutsrisiko hängt auch vom Einstellungsverhalten der vielen Unternehmen ab, die häufig nur befristet oder auf 400-Euro-Basis einstellen und zunehmend auf Leiharbeiter zurückgreifen. Nachdem die Bedingungen für Leiharbeit immer besser reguliert werden konnten, weicht so mancher Arbeitgeber inzwischen auf Werkverträge aus. Diese bieten häufig Schlupflöcher für Lohndumping. Prekäre Beschäftigung hat in den letzten Jahren - das wissen wir alle - zugenommen. Der Arbeitsmarkt franst immer mehr nach unten aus. Aus Arbeitsplätzen werden Jobs - Jobs, die kaum zum Leben reichen.
Leiharbeit, Minijobs - früher: 1-Euro-Jobs -, Niedriglöhne: All diese Formen von Arbeit gehören inzwischen für Millionen Menschen zum Alltag. Allein in den letzten Jahren ist die Zahl der Niedriglöhner von 15 auf 22 % gestiegen. Leidtragende sind die Arbeitnehmer. „Working poor“ von heute ist eben - das müssen wir wohl zugestehen - Altersarmut von morgen. Das Armutsrisiko der heute 65-Jährigen liegt nach einer Berechnung der Deutschen Rentenversicherung in Brandenburg bei 10,4 %, das der 18-Jährigen schon bei 20,9 %. Gut ein Viertel aller Beschäftigten steht in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis. Das Problem ist bekannt und erkannt. So heißt es
auf einer Internetseite des Bundesarbeitsministeriums zum Thema Zeitarbeit, das rund 10 % aller Zeitarbeitsverhältnisse kürzer als eine Woche und 50 % nicht länger als drei Monate bestanden hätten. Die Einstellung der Zeitarbeitskräfte für so einen kurzen Zeitraum bedeutet zwangsläufig, immer wieder auf Sozialleistungen angewiesen zu sein.
Ich will hier gern zugestehen: Dass die rot-grüne Bundesregierung 2003 beschlossen hat, die Rahmenfrist und die Anwartschaftszeit zu kürzen, erweist sich heute als falsche Entscheidung.
Die dargelegten Zahlen belegen das. Politik sollte aber auch immer in der Lage sein, Fehlentwicklungen zu erkennen und zu korrigieren.
Darum haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, sich für eine Änderung der Rahmenfrist und der Anwartschaftszeit einzusetzen.
Nach dem engagierten Beitrag von Frau Vogdt und ihrem Eintreten für Arbeitnehmerrechte sowie bessere Löhne rechne ich fest mit der Zustimmung der FDP zu unserem Antrag.
Ich bitte Sie alle um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.
Für das Ausbildungsjahr 2011/2012 haben Betriebe im Land Brandenburg mehr Ausbildungsverträge geschlossen als im Vorjahr. Mit insgesamt 9 377 neuen betrieblichen Verträgen konnten wir im Land Brandenburg im Vergleich zu 2010/2011 einen Zuwachs von 2,3 % verzeichnen.
Mit dem Programm zur qualifizierten Ausbildung im Verbundsystem unterstützt das Land kleinere Betriebe in der Ausbildung. Die entsprechende Richtlinie gilt ab dem Ausbildungsjahr 2011/2012. Insbesondere kleinere Unternehmen klagen über Schwierigkeiten bei deren Anwendung.
Ich frage daher die Landesregierung: Welche Veränderungen ergeben sich für die Ausbildungsbetriebe, die sich am Verbundsystem beteiligen?
Ich erhoffe mir die gleiche Antwort auf meine Anfrage.
Die Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen am 16. Dezember 2011 eine Entschließung zur Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes von 8,50 Euro in den Bundesrat einbringen.
Ich frage die Landesregierung: Beabsichtigt sie die geplante Bundesratsinitiative zur Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes zu unterstützen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fairness auf dem Arbeitsmarkt - Mindestlohn jetzt! ist das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, zu dem uns die CDU gewissermaßen die Vorlage geliefert hat.
Die Forderung nach einem verbindlichen Mindestlohn ist nicht neu, und ich freue mich, dass sich die CDU auf Bundesebene jetzt scheinbar diesem Thema nicht mehr gänzlich verschließt.
Damit man von seiner Hände Arbeit leben kann, will die CDU vor allem ihr Arbeitnehmerflügel CDA - die Würde der Arbeit wiederherstellen. Da sage ich nur: Herzlich willkommen in der Realität!
Am heutigen Tage beschäftigt sich auch der Deutsche Bundestag mit diesem Thema, und ich hoffe, dass es bald gemeinsam gelingt, im Interesse der zahlreichen Geringverdiener im Lande einen Konsens zu finden und einen gesetzlichen allgemein ver
bindlichen Mindestlohn einzuführen. Die Fakten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sprechen doch für sich. Die Arbeitslosenquote sinkt, das heißt, es kommen immer mehr Menschen in Arbeit, und doch gibt es eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitnehmern, die weiterhin auf Zahlungen des Staates angewiesen sind.
Wenn Menschen trotz Arbeit weiterhin Transferzahlungen beanspruchen müssen, dann heißt das: Ihr Lohn ist zu niedrig. Hier springt nun die Gesellschaft ein, wenn Unternehmen keinen auskömmlichen Lohn zahlen. Die Gesellschaft finanziert also den Gewinn der Unternehmen. Das ist auf Dauer nicht akzeptabel.
Wir müssen dafür sorgen, dass der Lohn zum Leben reicht. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die Allgemeinheit Niedriglöhne mit rund 11 Milliarden Euro jährlich subventioniert und auf diesem Weg einzelnen Arbeitgebern ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschafft. Diese Gerechtigkeitslücke ist nur durch einen flächendeckenden existenzsichernden Mindestlohn zu schließen.
Wie bereits in unserem Antrag beschrieben, haben 5 Millionen Menschen in Deutschland ein Einkommen, das auf einem Stundenlohn basiert, der selbst bei einer Vollzeitbeschäftigung keine hinreichende materielle und soziokulturelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Dumpinglöhne, liebe Kolleginnen und Kollegen, benachteiligen besonders Frauen. Der Anteil der abhängig beschäftigten Frauen mit Niedriglohn ist etwa doppelt so hoch wie derjenige der Männer. Das in Deutschland bestehende Lohngefälle zwischen Frauen und Männern von 25 % ist unter anderem auf das Fehlen eines gesetzlichen Mindestlohns zurückzuführen. Nahezu zwei Drittel der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen in Vollzeit arbeiteten 2009 zu Niedriglöhnen. Wir sehen in der Einführung eines bundesweit allgemein gültigen Mindestlohns auch einen wichtigen Beitrag zur Herstellung von Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern und damit zur Geschlechtergerechtigkeit.
Deutschland wäre mit einem gesetzlichen allgemeinverbindlichen Mindestlohn längst kein Vorreiter mehr. Deutschland würde nur einen Weg beschreiten, den schon mehr als zwei Drittel der EU-Mitgliedsstaaten erfolgreich gegangen sind. 20 der 27 Mitgliedsstaaten haben bereits einen gesetzlich verankerten Mindestlohn, der in Frankreich bei 9 Euro, in Luxemburg bei 10,16 Euro und in den Niederlanden beispielsweise bei 8,74 Euro liegt.
Deutschland ist Europameister im Lohn- und Sozialdumping, liebe Kolleginnen und Kollegen. Über 2 Milliarden Euro pro Jahr gibt der Staat für Aufstocker mit Vollzeitjob aus und subventioniert damit Arbeitgeber, die Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen beschäftigen. Es kann doch nicht gewollt sein, dass sich Arbeitnehmer nach einer Vollzeitarbeit noch einen zweiten Job
suchen müssen, um auskömmlichen Familienunterhalt zu gewährleisten.
Ein gesetzlicher Mindestlohn bedeutet auch, dass die Ausgaben des Staates beim ergänzenden Arbeitslosengeld II, den sogenannten Aufstockern, sinken würde. Dabei warne ich aber vor einer Trickserei beim Mindestlohn. Eine gesetzliche Regelung darf keine Hintertüren beinhalten. Wir brauchen einen bundesweit für alle geltenden Mindestlohn. Nur damit bieten wir Sicherheit für alle Beteiligten.
Wir setzen darum auf faire Löhne in Brandenburg, auf einen Mindestlohn, und zwar einen Mindestlohn, der zum Leben reicht. Niedriglöhne stehen in einer Reihe mit Armutsrenten und letztendlich Altersarmut. Niedriglöhne sind ein Faktor für Altersarmut. Bereits heute sind ca. 400 000 Bürgerinnen und Bürger auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Durch niedrige Löhne und damit verbundene geringe Rentenbeiträge sowie Zeiten der Arbeitslosigkeit werden viele Geringverdiener Renten unterhalb oder an der Grenze der Grundsicherung erhalten. Nur ein ausreichender Mindestlohn garantiert, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vollzeitbeschäftigt sind, eine Alterssicherung erreichen können, die über der Grundsicherung im Altern liegt.
Von Niedriglöhnen sind keinesfalls - wie häufig behauptet nur gering Qualifizierte betroffen. Fast 70 % der Geringverdiener haben eine Berufsausbildung, knapp 10 % sogar einen Hochschulabschluss. Der Anteil dieser Personengruppen ist in den letzten Jahren sogar im Steigen begriffen. Das widerlegt übrigens auch Ihre These, lieber Kollege Büttner, die Sie in Ihrer Pressemitteilung vom 2. November darlegen, dass gering entlohnte Arbeitsplätze ein Einstieg für Erwerbslose zurück in den Arbeitsmarkt sind und deshalb die Einführung eines branchenunabhängigen Mindestlohns Beschäftigung verhindern würde.
Mit Verlaub: Ich denke, das ist schon ein ziemlicher Spitzenwert auf der nach oben offenen Unsinnsskala.
Niedriglöhne bedeuten doch nicht den Einstieg in eine bessere Zukunft, sondern meist das Verharren in Armut trotz Arbeit. Ich behaupte, wer einen flächendeckenden Mindestlohn ablehnt, möchte auch nicht, dass Arbeitnehmer von ihrer Hände Arbeit auskömmlich leben können.
Die CDU wendet sich nun scheinbar - entgegen ihrer bisherigen Position - dem Thema Mindestlohn zu. Ich muss nicht betonen, wie lange die SPD die Einführung einer gesetzlichen Lohnuntergrenze für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordert. Auch die Gewerkschaften wissen wir dabei an unserer Seite. Der DGB setzt sich bereits seit 2006 für Mindestlöhne ein, und zwar am besten per Gesetz und flächendeckend, damit von dem Mindestlohn alle Arbeitnehmer - mit und ohne Tarifvertrag - profitieren können.
Die Zunahme von Niedriglöhnen ist vor allem auf den zurückgegangenen Grad der Tarifbindung zurückzuführen. Nur noch jeder zweite Beschäftigte in Deutschland arbeitet in einem
Unternehmen, in dem ein Branchentarifvertrag gilt. Nur noch 32 % der Betriebe unterliegen überhaupt einem Flächentarifvertrag, und selbst in den Bereichen, in denen Tarifverträge gelten, muss noch unterschieden werden.
Darum an dieser Stelle ein Wort an die selbsternannten Gralshüter der Tarifautonomie: Gerade erst hat das Bundesarbeitsgericht der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen die Tariffähigkeit abgesprochen. Auf der Grundlage dieser Gefälligkeitstarifverträge wollten die Arbeitgeber das Equal-pay-Prinzip umgehen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Gefälligkeitstarifverträge sind nur eine Facette des Problems und belegen, dass gesetzliche Leitplanken auch für die Tarifpolitik notwendig sind.
Lassen Sie mich abschließend aus einem Antrag zitieren, der demnächst beschlossen werden soll:
„Weil die Tarifbindung aber nachlässt, gibt es immer mehr tarifvertragsfreie Zonen. Dort können Arbeitgeber die Löhne einseitig festlegen. Außer der in der Praxis schwer nachweisbaren Sittenwidrigkeit und dem Verbot von Lohnwucher gibt es keine Leitplanken. Eine allgemeine Lohnuntergrenze könnte hier Abhilfe schaffen.“