Danny Eichelbaum

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zurück zum Justizbereich. Erlauben Sie mir, mich zu Beginn meiner Ausführungen bei den Be schäftigten in der Justiz des Landes Brandenburg zu bedanken. Sie machen trotz schwieriger Arbeitsbedingungen und hoher Arbeitsbelastung tagtäglich in den Gerichten, in den Justizvoll zugsanstalten und in anderen Justizbehörden einen guten Job. Dafür haben Sie unseren Respekt und unsere Anerkennung verdient.
Die Justiz, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht in Brandenburg vor großen Herausforderungen. In Zeiten der Un sicherheit muss ein starker und wehrhafter Rechtsstaat den Menschen Halt geben. Die Menschen müssen sich darauf ver lassen können, dass Polizei und Justiz sie effektiv schützen und dass Polizei und Justiz auch ordentlich ausgestattet sind. Ohne funktionierende Justiz funktioniert der Rechtsstaat nicht. Des halb ist der Haushalt nicht nur ein Zahlenwerk, sondern hier sieht man, was der Landesregierung und den Koalitionsfraktio nen die Justiz wert ist und welchen Stellenwert sie im Lande hat.
Ohne Übertreibung muss man leider feststellen: Selten war die Justiz der Landesregierung fremder. Der Stellenwert, der der Justiz von dieser rot-roten Landesregierung in den letzten Jah ren beigemessen wurde, wird den elementaren Herausforde rungen, vor denen wir in diesem Bereich stehen, nicht ansatz weise gerecht.
Seit Jahren bestimmen die Belastungssituationen bei den Ge richten und Justizvollzugsanstalten die Beratungen hier im Landtag. Die desaströse Personalsituation zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche der Justiz. Die Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Strafvollzug in Brandenburg ist ein Beleg dafür.
Herr Minister Ludwig, Sie und Ihre beiden Vorgänger im Amt haben es verpasst, die Justiz in Brandenburg handlungs- und zukunftssicher zu machen, und ich werde Ihnen das im Folgen den auch begründen.
Kommen wir zunächst zu den Richtern und Staatsanwälten. Vor knapp zwei Jahren haben wir Ihren Vorgänger im Amt nach der Demonstration von Richtern und Staatsanwälten vor der Staatskanzlei eindringlich davor gewarnt, dass es aufgrund der schlechten Personalausstattung der ordentlichen Gerichts barkeit zu Haftentlassungen gefährlicher Beschuldigter kom men kann. Es hat sich leider bewahrheitet, was wir befürchtet hatten, nämlich, dass ein mutmaßlicher Sexualstraftäter im De zember letzten Jahres aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste,
weil sich sein Verfahren so lange hinzog.
Nicht nur das! Im Oktober dieses Jahres kassierten Sie nun die nächste Rüge, dieses Mal vom Bundesverfassungsgericht. Das oberste deutsche Gericht urteilte, dass die anderthalbjährige Anordnung der Untersuchungshaft gegen einen mutmaßlichen
Steuerhinterzieher verfassungswidrig ist. Das ist eine schallen de Ohrfeige für die Brandenburger Landesregierung.
- Nicht für die Justiz, Herr Minister, nicht für die Justiz, son dern für Sie.
Jetzt schauen wir doch einmal, was Sie aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gelernt haben. Wir stellen er nüchtert fest: Nichts! Sie machen so weiter und werden in den nächsten zwei Jahren nicht eine einzige neue Stelle in den or dentlichen Gerichten schaffen. Im Gegenteil: Sie bauen noch weitere Stellen für Richter und Staatsanwälte ab. Das ist ein Skandal, der nicht einfach hingenommen werden kann.
Was nützen uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr Polizisten, wenn auf der anderen Seite die Täter wegen langer Verfahren nicht verurteilt werden können oder wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen? Wie viele Ent lassungen von schweren Straftätern aus der Untersuchungshaft und wie viele Urteile der obersten Gerichte gegen Ihre Perso nalpolitik muss es noch geben, bis Sie endlich wach werden? - Sie können hier von anderen Ländern lernen. Bayern stellt in diesem Jahr 77 neue Richter und Staatsanwälte ein, in Sachsen sind es 64 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Richterinnen und Richter fehlen im Übrigen nicht nur in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern auch in der Verwaltungsgerichtsbar keit. Der Brandbrief der Vereinigung der Verwaltungsrichterin nen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg und die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtes Potsdam sprechen eine eindeutige Sprache. Wenn es aufgrund des Anstiegs der asylrechtlichen Verfahren keinen deutlichen Personalaufwuchs bei den Verwaltungsgerichten im Land geben wird, droht uns ein Kollaps in der Verwaltungsgerichtsbarkeit wie Anfang der 90er-Jahre. Auch das hat dann diese Landesregierung und ha ben Sie, Herr Minister Ludwig, zu verantworten.
Darüber hinaus fehlen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im mittleren Dienst. Bei Ihrem Amtsantritt vor acht Monaten haben Sie angekündigt, gerade in diesem Bereich eine Perso nalverstärkung vorzunehmen. Passiert ist seitdem jedoch nichts. Dieser Mangel trifft vor allem unsere Amtsgerichte und damit die Ebene, auf der die Bürgerinnen und Bürger direkten Kontakt zur Justiz haben.
Die Zahl der Mitarbeiter im mittleren Dienst und im Schreib dienst ist unter der Verantwortung der linken Justizminister ste tig gesunken. Wenn bereits auf dieser Ebene eine zuverlässige Aufarbeitung der Verfahren und Anträge nicht mehr gewähr leistet werden kann, müssen wir doch keine aufwändigen Ana lysen oder Podiumsdiskussionen darüber führen, woran es liegt, dass die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in unse ren Rechtsstaat verlieren.
Spätestens aber im Bereich des Strafvollzuges wird deutlich, wie weit Sie sich mittlerweile von der Realität in unserem Land ent fernt haben. Noch nie hatten die Strafvollstreckungskammern so
viele Beschwerden zu verzeichnen, noch nie sind so viele Reso zialisierungsmaßnahmen ausgefallen. Allein im letzten Jahr sind 880 geplante Resozialisierungsmaßnahmen in den Justizvoll zugsanstalten des Landes ausgefallen - und das, obwohl Sie die Resozialisierung, die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft durch das neue Strafvollzugsgesetz stärken wollten. Die Wahrheit ist: Sie verabschieden sich Stück für Stück von Ih rem eigenen Strafvollzugsgesetz, das einen Paradigmenwechsel im deutschen Strafvollzug darstellen sollte.
Sie passen den Strafvollzug dem Haushalt an und nicht den Haushalt den Erfordernissen des Strafvollzuges. Ihr Vorvor gänger hatte wenigstens eine Vision, eine inhaltliche Position zum Strafvollzug, über die man streiten konnte. Sie hingegen, Herr Minister Ludwig, haben noch nicht einmal ein Gesamt konzept, sondern doktern nur an den Symptomen Ihrer verfehl ten Sparpolitik herum.
Mal wollen Sie den Medizinischen Dienst privatisieren, mal ist von der Schließung der Zentralen Diagnostik-Abteilung - im Übrigen ein Kernelement des neuen Strafvollzuges - die Rede, und in der Präsentation Ihres zuständigen Abteilungsleiters, Andreas Behm, finden sich im Projektplan Justizvollzug im Rahmen des Haushaltes 2017/2018 sogar die Verkürzung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafen und die Aufgabe des Vieraugenprinzips als Sparmaßnahmen. - Ich frage mich: Was haben Sie eigentlich noch so alles in Ihrem Giftschrank?
Hören Sie endlich auf, an der Sicherheit in den Justizvollzugs anstalten zu sparen oder über Pläne wie die Anschaffung von Multimediaboxen und Internet für Strafgefangene zu diskutie ren! Das alles treibt nicht nur uns, sondern auch vielen Bürge rinnen und Bürgern die Zornesröte ins Gesicht.
Die Experten Ihrer ministeriumseigenen Arbeitsgruppe „Perso nalkonzept Justizvollzug“ haben in mühevoller zweijähriger Arbeit analysiert, was notwendig ist, um die Herausforderun gen im Brandenburger Strafvollzug in den nächsten Jahren zu meistern. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass wir in den Justiz vollzugsanstalten des Landes Brandenburg mindestens 1 064 Beschäftigte benötigen, um die gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können. Das ist die Zielzahl, an der Sie gemessen werden.
Wir begrüßen es zwar, dass die Koalitionsfraktionen unserer Forderung nachgekommen sind, zumindest mehr Stellen im Strafvollzug zu schaffen, als der Haushaltsentwurf der Landes regierung vorsah. Das reicht aber bei weitem nicht aus, um nur annähernd die Anforderungen an einen modernen und sicheren Strafvollzug zu erfüllen.
Mit der Ablehnung der Haushaltsanträge von CDU und Grünen im Rechtsausschuss haben Sie die Chance verpasst, den Bran denburger Strafvollzug zukunftsfest zu machen. Wir brauchen in Brandenburg für die Justiz einen Masterplan 2025. Andere Bundesländer sind da viel weiter. Sie hingegen tragen die Ver antwortung dafür, dass sich die Justiz in Brandenburg weiter im Notmodus befindet. - Vielen Dank.
Durch Erlass vom 29. März 2016 hat das Ministerium der Jus tiz und für Europa und Verbraucherschutz festgelegt, dass ein Zentraler IT-Dienstleister der Justiz des Landes Brandenburg als Einrichtung des Landes gemäß § 9 Abs. 1 des Landesorga nisationsgesetzes errichtet werden soll.
Ich frage die Landesregierung: Wie und bis wann beabsichtigt das Justizministerium, dieses Vorhaben umzusetzen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein wichtiges Thema. Den noch möchte ich zur Vorsicht mahnen und davor warnen, die ses Thema zu überhöhen. Es wird in der Öffentlichkeit manch mal der Eindruck erweckt, dass die hier in Rede stehenden Fälle tausendfach vorkommen und dass Beschäftigte und Be amte in Deutschland schutzlos seien. Das ist mitnichten der Fall.
Und wenn davon die Rede ist, den Schutz von Hinweisgebern in Unternehmen zu verbessern, so möchte ich deutlich feststel len, dass 99 % der Unternehmerinnen und Unternehmer geset zestreu sind und jeden Tag einen unverzichtbaren Beitrag für Wachstum, Beschäftigung und Innovation in unserem Land leisten. Auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Wir sind der Auffassung, dass die bisherigen Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmern und Beschäftigten in den Unterneh men und Verwaltungen ausreichend sind. Ich darf daran erin nern, dass in vielen Verwaltungen in Brandenburg Antikorrup tionsbeauftragte eingesetzt sind, an die sich Arbeitnehmer und Beamte ohne Einhaltung des Dienstwegs in Fällen von rechts widrigem Verhalten wenden können. Diese sind verpflichtet, sensibel und verantwortungsvoll mit den Hinweisen umzuge
hen. Für die Landesverwaltung hat die Landesregierung bereits eine entsprechende Richtlinie erlassen.
Auch in der Wirtschaft haben viele Unternehmen Ethikrichtli nien oder entsprechende Betriebsvereinbarungen mit ihren Be triebsräten geschlossen. Sinn und Zweck ist es, im Einklang mit der Rechtsprechung zunächst einmal zu versuchen, be triebsinterne Fragen intern zu klären, um damit den Betriebs frieden zu sichern. Das ist auch richtig so, denn ungerechtfer tigte Anzeigen haben finanzielle und existenzielle Folgen für den gesamten Betrieb und dessen Arbeitsplätze. Solche be trieblichen Regelungen gibt es beispielsweise bei der Deut schen Bahn, bei Daimler, Rolls-Royce oder Vattenfall. Genau auf diese freiwilligen Selbstverpflichtungen in Unternehmen und Verwaltungen setzen wir und lehnen eine Überregulierung in diesem Bereich ab.
Keine Frage: Ein Mitarbeiter - egal ob in einer Verwaltung oder einem Unternehmen - kann sich nicht damit einverstanden erklären, dass rechtswidrige oder strafbare Handlungen began gen werden. Es braucht - da sind wir uns einig - mutige Mitar beiter zur Aufklärung solcher Fälle. Und diese Hinweisgeber müssen vor Nachteilen geschützt werden.
Diese Mitarbeiter sind durch eine Vielzahl von spezialgesetzli chen Anzeigerechten, zum Beispiel § 17 Abs. 2 Arbeitsschutz gesetz, § 4g Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz oder § 84 Be triebsverfassungsgesetz, ausreichend geschützt. Selbst wenn ein spezielles Schutzgesetz nicht existiert, stellen wir bei sorg fältiger Prüfung und genauer Betrachtung fest, dass die gelten de Rechtslage den Schutz bereits gewährleistet. Dazu gibt es § 612a BGB, das sogenannte Maßregelungsverbot. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, wenn der Arbeitnehmer seine Rechte in zulässiger Weise nutzt.
Darüber hinaus werden die Arbeitsnehmer und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes durch die Rechtsprechung geschützt. Demnach können sich Arbeitnehmer an öffentliche Stellen wenden, wenn sie sich vorher ernsthaft um eine innerbetriebli che Klärung bemüht haben und ihre Anzeigen nicht leichtfertig erfolgen. Bei Straftaten mit schwereren Folgen für die Kolle gen oder die Allgemeinheit kann sogar auf die innerbetriebli che Klärung verzichtet werden.
Die Rechtsprechung berücksichtigt also die Interessen von Ar beitnehmern und Arbeitgebern im öffentlichen Dienst ausge wogen. Sie schützt auf der einen Seite das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und sichert auf der anderen Seite die inner betriebliche vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Auch für Beamte gibt es gesetzliche Schutzregelungen. So wurde beispielsweise im Bundesbeamtengesetz und im Beam tenstatusgesetz die Verschwiegenheitspflicht bei Korruptions straftaten aufgehoben.
Die Bürger haben einen Anspruch auf eine funktionierende, bürgernahe und rechtmäßig handelnde Verwaltung. Die Bürger haben jedoch auch das Recht darauf, dass die Verwaltung mit ihren Daten vertrauensvoll umgeht. Deshalb muss auch der Be amte außerhalb von Korruptionsfällen zunächst innerdienstliche Abhilfemöglichkeiten wie den Dienstweg oder das Re monstrationsrecht ausschöpfen.
Das in Deutschland bestehende Recht geht also insgesamt ei nen gesunden Mittelweg, ohne das Denunziantentum zu för dern. Bedienstete des Verfassungsschutzes können sich übri gens bereits nach geltendem Recht unmittelbar an die Parla mentarische Kontrollkommission wenden; Herr Snowden hätte es also in Deutschland einfacher gehabt.
Auch internationale Vereinbarungen begründen keinen gesetz lichen Handlungsbedarf. Sowohl die Beschlüsse der G20-Staa ten als auch des Europarates beinhalten keine Pflicht, deutsche Gesetze zu verändern oder neue zu erlassen. Dies wurde auch in der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag am 5. März 2012 bestätigt. Die bisherige Rechtslage gewährleistet den Schutz von Hinweisgebern, so die einhellige Meinung. An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert. Handlungs bedarf besteht also nicht. Ihren Antrag müssen wir deshalb lei der ablehnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ende letzten Jahres mussten in Brandenburg zwei mutmaßliche Sexualstraftäter aus der Untersuchungshaft ent lassen werden, weil am Landgericht Cottbus die Hauptver handlungen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Haftan tritt eröffnet werden konnten. Dadurch ist die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet worden. Die politische Verantwortung für diesen Justizskandal trägt der Justizminister des Landes Brandenburg. Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister Dr. Markov, die Bevölkerung vor Sexual- und Gewaltstraftätern zu schüt zen
und die Einhaltung von Recht und Gesetz zu überwachen.
- Zu Ihnen, Herr Kollege Schöneburg, komme ich nachher noch.
Es ist Ihre Aufgabe, Herr Minister, die Gerichte und Staatsan waltschaften personell und organisatorisch so auszustatten, dass sie die Gerichtsverfahren in Brandenburg zügig durchfüh ren können. Die Entlassung der beiden einschlägig vorbestraf ten Sexualstraftäter war und ist für die Opfer eine fürchterliche Nachricht.
Wie müssen sich die Eltern der zehn Mädchen und zwei Jun gen, die von den beiden Angeklagten sexuell missbraucht wor den sein sollen, gefühlt haben, als sie erfuhren, dass die mut maßlichen Täter aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind? Wie frustriert müssen die Polizeibeamten sein, die in vor bildlicher Weise dafür gesorgt haben, dass die beiden mutmaß lichen Straftäter endlich dingfest gemacht wurden? In dieser Situation hätten wir von Ihnen, Herr Minister, zumindest ein Wort des Bedauerns oder eine Entschuldigung erwartet. Statt dessen verharmlosen Sie die Situation, verstecken sich hinter Zahlen und schieben die Schuld an diesem ungeheuren Vor gang den Richterinnen und Richtern in die Schuhe. Ihre offen sichtliche Gleichgültigkeit ist erschreckend.
Die Berufsverbände und die Oppositionsfraktionen haben seit langem immer wieder darauf hingewiesen, dass Ihre Personal politik für die Justiz in Brandenburg negative Folgen haben wird. Schon jetzt fehlen in Brandenburg Richter, Staatsanwälte und Justizbeschäftigte, um alle anstehenden Gerichtsverfahren so bearbeiten zu können, wie es die Bürger zu Recht erwarten, nämlich schnell und gründlich. Schon jetzt arbeiten die Justiz beschäftigten an der Grenze ihrer Belastbarkeit, es gibt keiner lei Ressourcen, um Spitzenbelastungen bei umfangreichen Ver fahren abzufangen.
Seit einiger Zeit können Sie die Kritik an der Politik des Bran denburger Justizministeriums auch schon in Urteilen von Bran denburger Gerichten nachlesen - ein sehr ungewöhnlicher Vor gang in der Rechtsprechung -, so beispielsweise in einem Ur teil der 7. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam: Dort beklagte das Gericht bereits vor zwei Jahren die hohe Be lastung und die daraus resultierenden weiten Terminstände und den hohen Bestand an Verfahren als deutliche Folge von Perso naleinsparung. Da hatten Sie noch Verantwortung, Herr Kolle ge Dr. Schöneburg.
Ähnlich äußerten sich im letzten Jahr auch die Richter und Staatsanwälte, die erstmals in der Geschichte des Landes Bran denburg auf die Straße gingen, um gegen Ihre Personalpolitik zu demonstrieren. Das Wasser steht der Justiz des Landes Branden burg nicht nur bis zum Hals, sondern längst einen Meter drüber. Es drohen nicht nur Entlassungen aus der Untersuchungshaft, sondern auch das Platzen von Strafverfahren wegen der nicht möglichen Auswertung sichergestellten Beweismaterials.
Sie sollten sich einmal mit dem Generalstaatsanwalt Prof. Rau tenberg unterhalten. Die Generalstaatsanwälte haben bei ihrem
Treffen im letzten Jahr in Görlitz den Notstand in der Straf rechtspflege beklagt. Die Arbeits- und Handlungsfähigkeit im Bereich der Spurensicherung, Beweisauswertung und Beweis mittelbeschaffung ist bedroht. Die Beamten schaffen es nicht mehr in allen Fällen, sichergestelltes Beweismaterial innerhalb der Frist von neun Monaten auszuwerten.
Diese dramatische Situation wird sich durch Ihre Politik weiter verschärfen.
In den nächsten Jahren werden 234 Richter und Staatsanwälte aus Altersgründen aus der Justiz ausscheiden. Ab diesem Jahr wird kein ausscheidender Vorsitzender Richter mehr ersetzt. Die unerledigten Fälle werden die verbleibenden Kammern zusätzlich belasten. Sie planen, bis zum Jahr 2018 weitere 211 Stellen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit abzubauen. Das würde bedeuten, dass beim Oberlandesgericht zwei Senate und an den Landgerichten 13 Kammern - also 20 % aller Gerichts kammern in Brandenburg - aufgelöst werden müssten. Die Justiz des Landes Brandenburg ist leider zum Stiefkind der Lan desregierung geworden. Ausbaden müssen das die Bürger und vor allem die Opfer von Straftaten.
Meine Damen und Herren, die Staatsanwaltschaft und die Ge richte können ihren Arbeitsumfang nicht selbst bestimmen, sondern müssen erledigen, was auf den Tisch kommt. Das wird aufgrund der zunehmenden Komplexität von Gesetzen und Vorschriften immer mehr. Da die Gerichte verpflichtet sind, Recht zu gewähren, sind der Gesetzgeber und die Justizverwal tung auch verpflichtet, für die hierzu erforderliche sachliche und personelle Ausstattung zu sorgen. Das gilt nicht nur, aber insbesondere bei Strafsachen.
Das Bundesverfassungsgericht hat erst vor kurzem deutlich ge macht, dass die Überlastung eines Gerichts
in den Verantwortungsbereich des Staates fällt und den Be schuldigten nicht zugemutet werden darf, die Aufrechterhal tung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt hat, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nachzukommen. Ebenso klar und eindeutig sind auch die Rechtsprechungen des Landesverfas sungsgerichts und die des Oberlandesgerichts Brandenburg.
In den Haushaltsberatungen im letzten Jahr hatten wir mehr Stellen für Richter und Staatsanwälte beantragt. Sie haben das mit Ihrer Mehrheit abgelehnt, Sie müssen jetzt auch für die Konsequenzen geradestehen. Wir erwarten jetzt von Ihnen, dass Sie gemeinsam mit dem Präsidenten des OLG, den Land gerichten und dem Generalstaatsanwalt die aktuelle Belastungssituation in den Strafkammern näher untersuchen.
Wir erwarten zweitens von Ihnen, dass Sie gemeinsam mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten ein effektives Frühwarn- und Informationssystem entwickeln, um zukünftig Haftentlas sungen aufgrund von Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Das gesamte Informationssystem muss auf eine breitere Basis gestellt werden, um frühzeitig entsprechende Maßnahmen ein zuleiten.
Wir erwarten drittens von Ihnen, dass Sie die bis zum Jahr 2018 vorgesehenen Stellenreduzierungen - vor allem in der or dentlichen Gerichtsbarkeit - endlich zurücknehmen.
Wenn Sie weitere Haftentlassungen vermeiden wollen, wenn Sie die Verfahrenszeiten endlich spürbar reduzieren wollen, wenn Sie die Motivation der Justizbeschäftigten erhöhen wol len und den Bürgern eine leistungsfähige, unabhängige und bürgernahe Justiz in Brandenburg garantieren wollen, dann müssen Sie die Justiz in Brandenburg sachlich und personell gut ausstatten. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man muss hier noch etwas klarstellen: Herr Minister, Sie haben gesagt, dass Sie nicht in die Unabhängig keit der Justiz eingreifen können. Das wollen wir auch gar nicht! Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes verfassungs rechtliches Gut. Sie ist aber auch nicht dazu geeignet, dass sich der Justizminister mit seiner eigenen politischen Verantwor tung dahinter verstecken kann.
Sie, Herr Minister, und nicht die Gerichte haben die Aufgabe, Gerichte und Staatsanwaltschaften gut auszustatten. Das ist ei ne Ihrer Kernaufgaben!
Das müsste die Vorsitzende des Rechtsausschusses genauso wissen.
Das führt mich zweitens zu den Ausführungen zur Personal ausstattung. Sie sagten, die Gerichte, auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, besäßen eine auskömmliche Personalausstat tung. Herr Kollege Raschke hat das Schreiben vom ehemaligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes, Wolfgang Kahl, zitiert. Dann wundere ich mich aber, dass der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichtes, Herr Kahl, in einem Rundschreiben vom 15. Juni 2015 ausgeführt hat, dass selbst nach PEBB§Y im ge hobenen, mittleren und einfachen Dienst eine Unterdeckung bei den Gerichten besteht. Es fehlen allein bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit an den Gerichten des Landes Brandenburg je den Tag 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist die trau rige Realität, und das haben Sie zu verantworten, Herr Justiz minister!
Erlauben Sie mir auch noch ein Wort zu PEBB§Y: PEBB§Y - das müssten Sie als Minister eigentlich wissen - ist vom An satz her schon problematisch. Es wird dadurch lediglich die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Erhebungsgeschäft und Produkt ermittelt. Nicht abgebildet werden von PEBB§Y die Anzahl von Haftfällen in den Strafkammern, personalin tensive Großverfahren, Erkrankungen, Mutterschutz und El ternzeit.
Genau deshalb fordern wir Sie auf, das abzuändern und endlich Ihre Personalreduzierungen zurückzunehmen. Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalt- und Sexualstraftätern ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben der Landesregierung.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Wir haben er fahren, dass das Oberlandesgericht Brandenburg ein Urteil ge fällt hat, auf dessen Grundlage zwei angeklagte Sexualstraftä ter aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, in einer Aussprache zu erör tern, welche Gründe dazu geführt haben und wie die Personal situation an den Gerichten ist, um diesen Sachverhalt aufzuklä ren.