Michail Nelken

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Herr Strieder, ich will jetzt nicht auf Ihre wortreichen Legenden eingehen, aber als Bewohner eines solchen Quartiersmanagementgebietes und Mitglied einer Quartiersjury
frage ich Sie, ob Sie nicht auch den Eindruck haben, dass Aufgaben, die normalerweise von der Stadt oder den Bezirken zu gewähreisten sind, wie vielleicht dichte Schuldächer, jetzt in die Quartiersfonds abgeschoben werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich, wie viel Erregung heute über lauter Rechtsprobleme in diesem Hause möglich ist.
Zunächst einmal möchte ich eingangs darauf hinweisen, dass wir leider auch als Rechtsausschuss es verabsäumt haben, dem mit einer ablehnenden Beschlussempfehlung versehenen Antrag der PDS-Fraktion, der sich mit dem gleichen Thema befasst und die gleiche Passage des Landeswahlgesetzes behandelt, mit Dringlichkeit zu versehen, sodass wir sie eigentlich heute hätten zusammen diskutieren müssen. So wird der PDS-Antrag erst in 14 Tagen in das Plenum kommen, obwohl es um die gleiche Sache geht.
Nicht oft genug, Herr Rösler. Vielleicht ist es aber auch von Vorteil, dass bis zur nächsten Plenarsitzung die Mitglieder dieses Hauses erkennen, dass unser Vorschlag der beste war, nämlich sowohl inhaltlich als auch rechtssystematisch.
Das ist aus zweierlei Gründen so; erstens weil unser Gesetzesantrag den Durchgriff auf die Tochtergesellschaften eindeutig regelt. Ich erinnere, dass der Anlass dieser Gesetzesänderung die Berlin-Hyp ist, die eine Tochter der Bankgesellschaft war. Zweitens ist die Beschränkung der Wählbarkeit, die ein massiver Eingriff in Grundrechte ist, bei unserem Antrag eindeutig an dem beherrschenden Einfluss des Landes auf die Unternehmensführung ausgerichtet und nicht an irgendeiner Prozentzahl.
Dies ist sicher ein Problem, denn es ist von beiden Antragstellern nicht ausgeführt worden, warum die Grenze in ihren Anträgen bei 25 Prozent oder bei 3 Prozent liegt, wenn man mit Sicherheit annehmen kann, dass ein beherrschender Einfluss auf ein Unternehmen möglich ist. Insofern ist in dieser Frage unser Antrag der bessere. Vielleicht reden wir in 14 Tagen noch einmal darüber.
Jetzt aber zu dem SPD-Grünen-Antrag, der dieses nicht leistet. Zuvor will ich noch etwas zum Änderungsantrag der CDU sagen. Ich bin richtig begeistert, weil dieser Änderungsantrag offensichtlich dokumentiert, dass die Oppositionsrolle für die CDU ein wahrer Jungbrunnen ist. Denn dieser Änderungsantrag bewegt sich auf der linksradikalen Überholspur,
weil die Anteilsquote, die ein Wählbarkeitshindernis darstellen soll, von 50 Prozent nicht auf 25 Prozent, sondern gleich auf 3 Prozent heruntergedrückt werden soll. Aber wie das bei den Linksradikalen manchmal so ist: Sie ignorieren öfter rechtliche Implikationen, das tun auch Sie.
Ich habe mich auch gewundert über die Ausführungen von Herrn Braun, der immer von der Trennung von Wirtschaft und Politik sprach – wir reden hier gar nicht über die Trennung von Wirtschaft und Politik, denn Mitglieder von geschäftsführenden Vorständen, von privaten Unternehmen können jederzeit in diesem Abgeordnetenhaus sitzen, es sei denn, auf diese Unternehmen übt das Land Berlin einen beherrschenden Einfluss aus. Es geht also nicht um die Trennung von Wirtschaft und Politik, sondern um die eindeutige Trennung von Exekutive und Legislative, um dieses Problem geht es hier nur. Insofern geht Ihr 3-Prozent-Antrag weit an der Rechtslage vorbei, weil Sie nicht begründen können, warum mit 3 Prozent in aller Regel ein beherrschender Einfluss des Landes Berlin auf ein Unternehmen ausgeübt werden kann. Insofern glaube ich, wie meine Vorredner, dass das der blanke Populismus ist und fernab von den rechtlichen Grundlagen.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen hat allerdings mit der 25-Prozent-Regelung das gleiche Problem wie Sie mit der 3-Prozent-Regelung. Das ist sozusagen nicht hinreichend. Aber ich denke, dass es eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Ursprungsantrag der Grünen ist, dass in diesem Antrag eingeführt wurde, dass auch weitere Formen des maßgeblichen Einflusses auf Wirtschaftsunternehmen einen Grund für den Ausschluss der Wählbarkeit darstellen.
Nun muss ich noch dazu sagen, dass in der Hektik, mit der an dieser Gesetzesänderung gebastelt worden ist, natürlich den Antragstellern eine Reihe sprachliche Mängel unterlaufen sind, weil man sich unbedingt an das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Fall Simon halten wollte.
Es war halt nicht besser zu haben, insofern wird meine Fraktion diesem Antrag zustimmen. Der Feinschliff am Gesetzestext kann dann vielleicht in der 15. Legislaturperiode erfolgen. – Ich danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich glaube nicht, dass der Missbilligungsantrag der sachdienlichen Klärung der Umstände dient, die beim Entweichen des Straftäters eine Rolle gespielt haben.
Wie mir überhaupt, Herr Köppl, Ihre Forderung, man solle doch jetzt nicht parteitaktisch denken, wenn man über diesen Antrag debattiert, etwas zwiespältig aufgestoßen ist. Ich habe das Gefühl, auch mit Ihrer summarischen Begründung, die Sie in Ihrer Rede angeführt haben, dass eigentlich hier nur ein Anlass gesucht worden ist, um andere Konflikte und vielleicht auch Gründe, die es gibt, um die Arbeit von Frau Schöttler zu missbilligen, hieran aufzuhängen. Das ist meines Erachtens ausgesprochen misslich. Es gibt eine Reihe von Dingen, das ist auch in der eigentlich sehr missbilligenden Rede von Herrn Landowsky überdeckt worden, die in diesem Zusammenhang aufgeklärt werden sollten und die leider in dem Alarmismus, der hier an den Tag gelegt wird, untergehen.
Zum Beispiel wird immer davon gesprochen, dass der Entwichene ein verurteilter Straftäter sei. Das Problem besteht darin, dass der entwichene Igor P. freigesprochen worden ist. Er ist freigesprochen worden. Er ist sozusagen mit Auflage des Gerichts in den Maßregelvollzugs eingewiesen worden. Wenn er denn, Herr Köppl, nicht in das Krankenhaus gehörte, weil er nicht krank ist, dann gehört er auch nicht in das Gefängnis, dann hätte man ihn freilassen müssen.
Ja, auch ein nettes Problem.
Auch ein nettes Problem, dass es Haftbefehle gibt. Aber Sie wissen sehr genau, worin das Problem in diesem Fall bestand. Der Entwichene wurde von Polen ausgeliefert, auf Grund eines Rechtshilfeersuchens, worin es darum ging, dass er wieder in den Maßregelvollzug einzuweisen wäre. Das wäre ein zusätzliches Problem, aber darum geht es hier nicht.
Offensichtlich werden hier verschiedene politische Süppchen gekocht. Ich denke, man sollte einige Fragen doch durchaus klären. Zwar nicht in dem Sinne, wie sie Herr Landowsky hier angesprochen hat mit seiner Äußerung, dass es hier eine Fehlentwicklung durch zu humanistischen Umgang mit kranken Menschen gibt. Hierüber sollte man sachlich reden, auch was Informationspolitik betrifft, wer hier für welche Information zuständig ist. Aus meiner Sicht wäre es deshalb ganz sinnvoll, sich mit diesen Fragen in den zuständigen Ausschüssen zu befassen. Meine Fraktion beantragt deshalb, dass dieser Antrag sowohl in den Rechts- als auch in den Gesundheits- und Sozialausschuss überwiesen wird, um dort die zu klärenden Fragen zu diskutieren. Vielleicht würde so trotz des politischen Alarmismus doch noch etwas Sachdienliches geschehen. – Ich danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs eine anerkennende Bemerkung in Richtung CDUFraktion: Sowohl das Auftreten im Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport als auch die Rede hier im Plenum haben gezeigt, dass sich die CDU doch zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Antrag begeben hat, während die Kollegen der CDU-Fraktion im Rechtsausschuss noch eher – es ist schon angesprochen worden – einem kulturkämpferischen Fundamentalismus frönten, um hier jede Entscheidung des Hauses zu verhindern.
Es ging einfach darum, dass Sie jetzt dem Haus die Peinlichkeit dieser Debatte erspart haben. Und das soll durchaus anerkannt werden. Ich hoffe, dass der Regierende Bürgermeister – wenn er
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wie angekündigt den Vermittlungsausschuss anruft – dem Ergänzungsgesetz im Bundesrat letztlich zum Erfolg verhelfen und es nicht weiter blockieren will. Ich habe mich ohnehin gewundert, woher dieser fundamentalistische Eifer der CDUKollegen kommt, dass sie meinten, das christliche Abendland verteidigen zu müssen.
Dabei handelt es sich doch bei dem vorliegenden Gesetz um eine vollkommen strukturkonservative Maßnahme. Weiteren Partnerschaften soll die Möglichkeit gegeben werden, sich in das staatliche Geschirr einer Quasiehe zu begeben, während noch die sechziger bis achtziger Jahre dadurch gekennzeichnet waren, dass sich viele Bürger den Zwängen des staatlich geregelten Instituts der Ehe entziehen wollten. Also kann man doch sagen, es war gar kein Grund, hier den Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören. Trotzdem kann ich das langjährige Streben von Homosexuellen in diese Institution der Ehe als Streben nach Beendung von Ungleichheit verstehen und auch unterstützen. Sie bekommen damit die gleiche Wahlfreiheit, wie sie für verschieden geschlechtliche Paare besteht.
Aber sie kommen eben nur fast in die gleiche Situation. Hier liegt der etwas bittere Beigeschmack. So ganz wird die Gleichheit mit dem neuen Gesetz nicht erreicht. Die Ehe bleibt ihnen weiter verschlossen. Es ist eine Art Quasiehe, die ihnen bleibt. Warum, frage ich. Meine Vorrednerin hat schon auf das Grundgesetz verwiesen, weil die Ehe unter dem besonderen Schutz der Verfassung steht. Aber Homosexuelle wollen doch offensichtlich diesen besonderen Schutz stärken. Sie wollen die Ehe nicht abschaffen, sondern sie wollen selber in diese Institution. Also kann es doch hier nicht um eine Aushöhlung der Verfassung gehen. Von einer Exklusivität der Ehe für verschieden geschlechtliche Paare steht im Grundgesetz nichts. Auch vom Abstandsgebot, das meine Vorrednerin beschworen hat, steht im Grundgesetz kein Wort. Man könnte sagen, dass Familien mit Nachkommen im Interesse des Fortbestandes der Gesellschaft besonders schützenswert sind. Aber heute sind sehr viele heterosexuelle Ehen bewusst und gewollt kinderlos, und schon viele Homosexuelle sind Eltern, viele gleichgeschlechtliche Paare bilden Familien mit Kindern. Das ist folglich kein ernsthaftes Argument.
Die Bundesregierung hat mit ihrem Reformschritt die Gleichstellung in vielen konkreten Fragen geschaffen, aber die Ungleichbehandlung im Prinzip fortgeschrieben und damit eigentlich sogar legitimiert. Letztendlich wird damit auch die Ungleichbehandlung aller nichtehelichen Lebensgemeinschaften impliziert. Nichteheliche heterosexuelle Paare oder Familien und andere Lebens- und Verantwortungsgemeinschaften sind nunmehr nicht nur schlechter gestellt als Ehepaare, sondern auch als eingetragene homosexuelle Lebensgemeinschaften.
Im Bundestag hätte ich diesem Gesetz aus diesen Gründen nicht zugestimmt, aber wir sind hier nicht der Gesetzgeber. Ich und die PDS-Fraktion werden dem Antrag zustimmen.
Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe, die ich jetzt noch nennen will. Der Erste ist der praktische Wert, denn nun ist das Gesetz da. Es beinhaltet zahlreiche praktische Schritte gegen konkrete Diskriminierung von Homosexuellen. Das ist gut und akzeptabel. Das ist ein guter Grund, diesem Antrag zuzustimmen. Der zweite Grund ist ein symbolischer Wert.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! – Der symbolische Wert besteht darin, dass wir hier ein Zeichen im Sinne der Überschrift des Antrages setzen: Berlin sagt Ja zu gleichgeschlechtlichen Lebengemeinschaften, für gesellschaftliche Anerkennung und gegen Diskriminierung. – Der dritte
Grund – und damit bin ich am Ende – ist ein pragmatischer Grund, denn wenn das Ergänzungsgesetz im Bundesrat zu Fall kommt, dann bleibt ein Torso übrig. Daran kann keiner Interesse haben. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass das Ergänzungsgesetz beschlossen wird. – Das sind drei gute Gründe, warum wir dem Antrag zustimmen werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich die Große Anfrage erstmals zu Gesicht bekam, fragte ich mich, welche politischen Absichten wohl die geschätzten Kollegen der Opposition mit dieser Anfrage verfolgen. In der Begründung zur Großen Anfrage deuten die Antragsteller an, dass sie meinen, dass einiges in der Justiz im Argen liegt.
Die Fragestellungen selbst sind aber über weite Strecken so allgemein und generalistisch, dass sie eine kritische Bestandsaufnahme nicht gerade herausfordern.
Das für die Justiz zuständige Senatsmitglied und die Justizverwaltung ließen sich diese Einladung, einmal darüber zu reden, nicht entgehen und toppten die unpräzisen Fragen mit meist nichts sagenden Antworten. Ich muss allerdings feststellen, dass der Kollege Braun offensichtlich eine andere Antwort auf die Große Anfrage bekommen hat als ich. In der Antwort, die zumindest mir zur Verfügung steht, wird immer das gleiche Antwortmuster verfolgt: Wir geben uns Mühe. Wir haben Erfolge. Fast alles ist gut oder zumindest auf dem Weg zum Besseren; wo es Probleme gibt, haben wir die feste Absicht, diese in absehbarer Zeit zu lösen. – So ungefähr das Muster in jeder dieser Antworten! Diese Antwort des Senats auf die Große Anfrage ist eine glatte Realitätsverweigerung.
Die Realität beim Namen nennen, Herr Diepgen, heißt nicht, die Arbeit der Bediensteten in der Justiz herunterzuspielen oder zu negieren, sondern ganz im Gegenteil. Wenn man einmal die Bedingungen beim Namen nennt, unter denen dort zum Teil gearbeitet wird, dann wertet man die Arbeit in ihrem Ergebnis noch besonders auf.
In den letzten Jahren verging doch kein Quartal, in dem die Berliner Justiz nicht mit irgendwelchen Hiobsbotschaften hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit in die Schlagzeilen geriet, und zwar alle ihre Zweige: Strafverfolgung, Gerichtsbarkeit und Strafvollzug. – Es ist gerade sieben Monate her, Herr Diepgen, dass die Berliner Staatsanwälte unter der Überschrift „Strafverfolgung im Abseits“ sich an die Parlamentarier und an die Öffentlichkeit gewandt haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass personelle Unterbesetzung und mangelhafte Ausstattung eine angemessene Strafverfolgung gefährden. Sie beklagten sich in diesem – wie sie es nannten – öffentlichen Alarmruf über die Besorgnis erregenden Zustände in der Berliner Staatsanwaltschaft und beklagten, dass die Politik dies einfach ignoriert – und in der heutigen Antwort des Senats und auch in den Ausführungen des Senators für Justiz, Herrn Diepgen, wieder Fehlanzeige, wieder die glatte Realitätsverweigerung über die Situation, auch in der Staatsanwaltschaft. Man muss ja nicht alle Einschätzungen und Forderungen einer berufsständischen Vereinigung für richtig halten, aber auch ich denke, dass es neben Personal- und Ausstattungsdefiziten bei der Berliner Staatsanwaltschaft noch Ressourcen für eine Effektivierung der Strafverfolgung gibt, die
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insbesondere im Organisationsbereich in der Prioritätensetzung liegen. Aber die reale Problemlage hier nicht darzustellen, hier nicht zu bewerten und Vorschläge zu ihrer Bewältigung nicht vorzustellen, das halte ich einfach für politisch inakzeptabel.
Das Einzige, was dem Duo Diepgen/Rauskolb dazu einfiel, war die Wiedereinführung der umstrittenen besonderen Abteilung P zur Verfolgung politisch motivierter Straftaten. Ich komme vielleicht später noch einmal darauf zurück, wenn ich die Zeit dazu habe. Aber immerhin, so teilt uns der Senat in der Antwort mit, habe man am 22. März diesen Jahres eine Arbeitsgruppe eingerichtet zur weiteren Optimierung von Arbeitsabläufen, so heißt es, und beim Aufbau der Staatsanwaltschaft
eine Arbeitsgruppe!
Ist der Problemstau bei der Strafverfolgungsbehörde bereits erheblich, so scheint – mir zumindest – bei der Gerichtsbarkeit dieser Problemstau noch gravierender zu sein. Allerdings ist er in den verschiedenen Gerichtszweigen nicht gleich groß, das gebe ich zu. Die äußerst bedenkliche Situation bei der Berliner Strafgerichtsbarkeit beschäftigte in den Sommermonaten dieses Jahres wieder einmal die regionalen und überregionalen Medien. Und das geschieht oft ohne konkreten Anlass, sondern allgemein zur Illustration von unhaltbaren Zuständen in der Justiz. Benötigen also Journalisten Bilder von einer kollabierenden Strafjustiz, dann gehen sie einfach nach Moabit, und schon haben sie diese Bilder. Das ist natürlich keine wirkliche Analyse oder Wertaussage, aber es ist ein Zeichen, nämlich ein Zeichen für die problematischen Zustände.
Was ist eigentlich seit dem Besuch des Rechtsausschusses vor zwei Jahren im Amtsgericht Tiergarten, der für alle Beteiligten hinsichtlich der Zustände sehr eindeutig war, was ist seit diesem Besuch eigentlich geschehen? Was wurde getan? – Uns, den Mitgliedern des Rechtsausschusses, stellte unlängst ein Personalvertreter die Frage. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Herr Rösler, beantwortete diese Frage: Wir werden schon den geeigneten Weg finden, diese Frage zu beantworten. – Wenn also die heutige Große Anfrage und ihre Beantwortung der geeignete Weg sein sollen, dann werden die Personalvertreter wohl sagen: Es ist nichts dabei herausgekommen.
Und die Antwort des Senats zu dem Problem: reine Realitätsverweigerung. Zu den teilweise unhaltbaren Zuständen bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit: kein offenes Wort.
Es ist nicht nur alles eine Frage der Ausstattung, das stimmt. So signalisierte zum Beispiel der Präsident des Verwaltungsgerichtes – und dieses Gericht ist hinsichtlich der Unterbringung und Ausstattung verglichen mit dem Amtsgericht Tiergarten in einem anderen Jahrhundert –. also Herr Präsident Wichmann signalisierte im Frühjahr durch die Presse, dass infolge der Überlastung des Verwaltungsgerichts eine Ausdehnung der durchschnittlichen Verfahrensdauer auf 20,6 Monate und ein erheblicher Verlust an Rechtsschutz drohe. In der Antwort des Senats zu den Problemen beim Verwaltungsgericht: kein Wort. Statt dessen heißt es – ich verweise einmal auf die Passage –, die Eingangszahlen hätten sich auf hohem Niveau stabilisiert, die Stellenzahl sei seit 1989 um 24 Richter angehoben worden. Kein Wort zu der steigenden Verfahrensdauer, kein Wort zu sinkenden Erledigungszahlen, kein Wort zur Veränderung der Verfahrensinhalte. Unsere Frage: Ist ein Plus von 24 Richterstellen tatsächlich die angemessene Reaktion auf die Verlagerung des Regierungssitzes nach Berlin, die ja nicht nur eine Verlagerung von Regierungsbehörden beinhaltet, sondern auch die Ansiedlung von Verbänden, Vereinen, Stiftungen usw. in Größenordnungen, woraus erhebliche Aufgaben für die Verwaltungsgerichte erwachsen?
Der Problemhaushalt im Strafvollzug ist mit Abstand der größte. Die Anhörung im Rechtsausschuss zur Situation im Berliner Strafvollzug vor einigen Wochen hat unzweifelhaft offenbart, dass die Zustände als unhaltbar, schlecht, krisenhaft und latent
explosiv bezeichnet werden müssen. Das betrifft vor allem den geschlossenen Männervollzug und die Untersuchungshaftanstalt. Der vom Strafvollzugsgesetz gebotene Behandlungsvollzug ist über weite Strecken zusammengebrochen, Verwahrvollzug ist auf der Tagesordnung. Wir haben nunmehr eine Situation – das sollte man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, in der sich der Staat beim Umgang mit Gesetzesbrechern nicht mehr an die Gesetze hält.
Das ist so, das ist einfach anachronistisch und eine gesellschaftspolitische Bankrotterklärung. Man muss sich einmal die Auswirkungen vor Augen führen.
Und in der Antwort des Senats auf die Große Anfrage: Wirklichkeitsverweigerung und Schönfärberei. – Da steht zum Beispiel bezüglich des Strafvollzugs – dazu muss man sagen, dass interne Kapazitätserweiterungen meist bedeuten: Doppelbelegung von Einzelzellen, Belegung von Aufenthaltsräumen der Gefangenen und der Bediensteten –, also dort steht im Bericht:
Ungeachtet der Kapazitätserweiterung konnte der Belegungsdruck auf Grund überproportional gestiegener Gefangenenzahlen nicht abgebaut werden.
Die Wirklichkeit ist aber anders. Seit Jahren findet eine permanente Verschlechterung der Situation statt. Und alle Kenner der Materie, und zwar einschließlich der leitenden Beamten des Strafvollzuges, warnen vor Eskalations- und Explosionsgefahren im Berliner Männervollzug. Diese Dramatik der Situation habe ich zumindest in der Antwort, die wir heute bekommen haben, nicht wiedergefunden. Viele der im Strafvollzug kumulierenden Probleme sind gesellschaftlicher Natur und nicht durch politisches und Verwaltungshandeln im Bereich der Justiz einfach zu lösen, das gebe ich zu. Das ist aber kein Grund für Wirklichkeits- und Politikverweigerung, denn viele Probleme sind hausgemacht, das hat auch unsere Anhörung zum Strafvollzug ergeben, ja selbst die Überbelegung ist zum Teil hausgemacht, weil fehlende Betreuungskapazitäten dazu führen, dass Strafgefangene, die längst aus der Haftanstalt entlassen sein könnten, Knastplätze belegen.
Auch die weitgehende Schädigung und Beschneidung der internen und externen Sozialarbeit mit den Gefangenen muss sich der Senat als politisches Versagen zurechnen lassen. Und da muss ich noch einmal auf Herrn Diepgen eingehen: – –
Dieses Gezerre um das Projekt „Arbeit statt Strafhaft“ ist geradezu beispielhaft. Herr Diepgen hat es hervorgehoben, aber der Senat bringt eine Vorlage in den Haushaltsausschuss ein, wo diesem praktisch die Existenzgrundlage entzogen wird.
Nun muss ich leider zum Schluss kommen, will aber noch eine Bemerkung zu dem Antrag machen, der hier auch mitverhandelt werden soll. Die CDU und Herr Diepgen haben angedeutet, dass sie eigentlich der Meinung sind, dass Berlin wieder einen eigenständigen Justizsenator braucht. Ich denke mir, Sie sollten sich einen Ruck geben und nicht bis zur nächsten Senatsbildung warten, wobei ich Zweifel habe, dass Sie an der beteiligt sein werden. Sie können sich jetzt beteiligen und wieder ein eigenständiges Justizressort einrichten.
Wenden Sie Schaden von der Justiz ab und setzen Sie einen Justizsenator ein. Er ist sicher keine Garantie, dass sich etwas bessert, aber er ist vielleicht eine Hoffnung und eine Chance, dass sich etwas bessern könnte. – Ich danke!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der eben durchgeführten Debatte ist es vielleicht etwas schwierig, zu so einem Thema wie die Erhöhung der Abgeordnetendiäten überzugehen. Aber ich meine, es gibt doch einen Zusammenhang, denn es geht hierbei auch um das Ansehen der Politik und es geht um Geld, nachdem gesagt worden ist, dass viele Projekte an finanziellen Problemen litten.
Dafür will ich zwei Gründe benennen.
Der erste Grund ist, dass die öffentliche Debatte um die Erhöhung von Abgeordnetenbezügen zur verfassungsrechtlichen Substanz der Entschädigungsregel für Abgeordnete gehört, weshalb auch eine automatische Erhöhung der Diäten durch Ankoppelung an die Entwicklung der Bezüge im öffentlichen Dienst vom Verfassungsgericht ausgeschlossen worden ist.
Der zweite Grund ist, dass es schlichtweg Meinungsverschiedenheiten in unserer Fraktion über den vorliegenden Gesetzentwurf gibt. Da es bei uns Sitte ist, wenn sich alle anderen Fraktionen offensichtlich einig sind, dass auch die Minderheit ihre Position darlegen kann, möchte ich dazu etwas sagen.
Eingangs will ich aber betonen, dass die Fraktion der PDS mit ihrer großen Mehrheit den Antrag aller Fraktionen trägt und auch diesem mehrheitlich zustimmen wird. Dafür gibt es im Wesentlich zwei Gründe, die ich hier nicht verschweigen möchte. Erstens denkt die PDS-Fraktion, dass diese vorgeschlagene Diätenerhöhung angemessen ist, und zwar mit Blick auf die vom Gesetzgeber beschlossene Ankoppelung an die Einkommensentwicklung der Besoldungsgruppe B 4. Und zweitens hat sich auch die PDS für die Einsetzung der Diätenkommission und für die Respektierung ihrer Empfehlungen eingesetzt und möchte deshalb alles unterlassen, was geeignet wäre, an der Autorität dieser Diätenkommission Abstriche zuzulassen. Das sind wesentliche Gründe, warum auch die PDS-Fraktion diesen Antrag mitträgt und dem zustimmen wird.
Jetzt nenne ich aber die Gründe, warum sich nicht alle Mitglieder unserer Fraktion diesem Antrag anschließen konnten.
Erstens ist es nach meiner Ansicht ein falsches politisches Signal in einer Zeit, in der die Haushaltsmittel knapp sind und allen Zuwendungsempfängern von öffentlichen Mitteln in den letzten Jahren und auch in der aktuellen Haushaltsdebatte außerordentliche Zumutungen für ihre Arbeitsfähigkeit auferlegt werden, wenn dann das Abgeordnetenhaus eine halbe Million DM Mehrausgaben für die Aufbesserung der privaten Einkommen – und zwar der jetzigen als auch der ehemaligen – beschließt. Das sind nämlich 328 000 DM Diäten für die jetzigen Abgeordneten und 230 000 DM Erhöhungen im Jahr der Versorgungsbezüge. Ich spreche dabei nicht über die 175 000 DM, die dann für die automatische Aufstockung der Bezüge der Bezirksverordneten hinzukommen. Insgesamt geht es dann also um 750 000 DM Mehrausgaben für den öffentlichen Haushalt. In der heutigen Situation ist das sicherlich das falsche politische Zeichen vom Abgeordnetenhaus.
Zweitens halte ich die Erhöhung für unverhältnismäßig. Wenn man sich die Entwicklung der Abgeordnetendiäten in den letzten 5 Jahren ansieht, dann stellt man fest, dass sich die Diäten um 15 % erhöht haben. Das ist eine Einkommensentwicklung, die statistisch keine andere vergleichbare Einkommensgruppe in dieser Stadt hat.
Drittens ist es auch unverhältnismäßig, wenn man sich anschaut, dass der Betrag von 160 DM, der diese Erhöhung ausmachen soll, die Gesamtbezüge der Abgeordneten von 7 310 DM auf 7 470 DM erhöht, für die Sicherung der Existenz der Abgeordneten also völlig nebensächlich ist.
Viertens – ein ganz wichtiger Grund – sollte es eine Schamfrist geben, nachdem 1999 die Diäten um 460 DM erhöht wurden, denn sonst werden die Bezüge innerhalb von 12 Monaten
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um 620 DM erhöht werden. Wenn man dann immer darauf hinweist, dass die letztjährige Diätenerhöhung mit einer Reform verbunden war, weil Privilegien der Abgeordneten bei den Versorgungsbezügen beschnitten wurden,
dann möchte ich Ihnen entgegenhalten, dass vor 12 Monaten ein Abgeordneter, der seit 1990 in diesem Parlament war, bei der Beendigung der 13. Legislaturperiode einen Versorgungsanspruch von 3 871,50 DM hatte. Jetzt, 12 Monate später, erhöhen wir diesen Versorgungsanspruch auf 4 102,50 DM im Monat. Das sind 231 DM mehr Versorgungsanspruch und hat nichts mit Beschneidung zu tun, sondern bedeutet 6 % Steigerung in nur 12 Monaten, und das übrigens ab dem 55. Lebensjahr. So sieht also die Reduzierung aus, die damals vorgenommen wurde.
Ich habe die 300 DM, die wir beschlossen haben, herausgerechnet, aber es kommt trotzdem dieses Ergebnis heraus. Sie können es nachrechnen, ich helfe Ihnen gerne dabei!
Sie haben nämlich letztes Jahr beschlossen, dass die Neuregelung der Versorgungsbezüge erst ab der 15. Legislaturperiode gilt und nicht für die jetzige. Deswegen kommen diese erheblichen Steigerungen zustande. Das sind die Gründe, warum ich und einige andere Abgeordnete unserer Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen werden. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion trägt den interfraktionellen Änderungsantrag mit, weil wir damit die Hoffnung verbinden, dass es nunmehr in der 14. Legislaturperiode gelingen möge, zu einer sachgerechten Auseinandersetzung mit dem Thema geheimdienstlicher Tätigkeit von Abgeordneten für das MfS zu kommen. Bislang konnten sich Teile dieses Hauses nicht der Versuchung entziehen, dieses sensible Thema kurzsichtiger parteipolitischer Instrumentalisierung zu unterwerfen.
Die PDS-Fraktion trägt diesen Antrag mit, obgleich – ich betone: obgleich – wir eigentlich zu schlechten Anträgen in der Regel nicht Ja sagen.
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Und dieser Antrag ist schlecht. Er ist sachlich fehlerhaft, dazu werde ich gleich noch etwas sagen. Er enthält politisch für uns nicht akzeptable Aussagen, und anderes, was für uns politisch wichtig wäre, wird hier einfach weggelassen, wie z. B. die Erweiterung auf die Tätigkeit für alle deutschen Geheimdienste. Dennoch – trotz aller Kritik hat sich in der PDS-Fraktion eine eindeutige Mehrheit für diesen gemeinsamen Änderungsantrag gefunden, und zwar aus folgenden Gründen:
1. In dieser, die Glaubwürdigkeit des Parlaments berührenden Frage ist ein gemeinsames Agieren aller im Parlament vertretenen Parteien ein hoher politischer Wert an sich. Nicht nur die Grünen haben sich mit ihrem Antrag bewegt in verschiedenen für uns wichtigen Fragen, sondern auch die Koalition hat dies in zwei für uns wichtigen Fragen im letzten Augenblick getan, nachdem es im Rechtsausschuss so aussah, als sie ihren Antrag einfach „durchstimmen“ wollte. Dies war erstens die mögliche Öffentlichkeit des Verfahrens. Zweitens war es der Respekt vor der Wählerentscheidung, dass nämlich Mandatsniederlegungen nur in extremen Ausnahmefällen empfohlen werden können.
Außer der Tatsache, dass Berlin an der Freiwilligkeit dieses Überprüfungsverfahrens festhält, gibt es kaum noch Gutes über diesen Antrag zu sagen. Ich will auf einige Kritikpunkte kurz eingehen, die ich bereits angedeutet habe.
1. Das Ehrenratsverfahren selber ist trotz der halbherzigen Öffnung das falsche Verfahren. Wir meinen, dass allein ein Untersuchungsausschuss das angemessene Gremium für ein solches Verfahren sein könnte. Auch der Verweis auf schützenswerte Persönlichkeitsrechte der Abgeordneten geht meines Erachtens fehl, denn wer sich in diese Position begibt, nämlich kandidiert und Abgeordneter wird, der wird zur Person der Öffentlichkeit und muss sich auch gefallen lassen, dass anders als bei anderen Personen sein Tun und Lassen in Gegenwart und Vergangenheit der öffentlichen Kontrolle unterworfen ist.
2. Die Erweiterung der Überprüfung durch den völlig unpräzisen Dehnbegriff „politische Verantwortung“ hat leider gar nichts mit dem Abgehen von einer Dämonisierung des MfS und der Frage nach der wirklichen politischen Verantwortung zu tun in völliger Unkenntnis der Realität der DDR, sondern zielt auf eine umfassende und ausgeweitete Delegitimierung. Auch das ist unseres Erachtens völlig verfehlt.
3. Dies wird durch in von wenig Sachkenntnis getrübte Definitionen etwa von hauptamtlicher oder von inoffizieller Mitarbeit ganz deutlich. Zum einen werden heute – zehn Jahre nach Untergang des MfS – Leute post festum rückwirkend zu hauptamtlichen Mitarbeitern gemacht, sie sollen als Mitarbeiter gelten, auch wenn sie es tatsächlich nicht waren.
4. Die gleiche Zuordnungs- und Nomenklaturfreiheit zeigt sich darin, wie man versucht IMs in diesem Antrag einzuordnen. Der Witz ist, dass nicht nur Stolpe, sondern auch Gauck selbst nach dieser Definition auf einmal IMs sind. Denn jeder Veranstalter, auch von Kirchentagen, Rockkonzerten, Liederabenden oder von Jugendclubs konnte eine formelle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit nicht umgehen.
5. Neben der Empfehlung zur Mandatsniederlegung sollen nun auch noch – und das ist völlig unbestimmt geblieben – andere Empfehlungen möglich sein. Welche Empfehlungen sollen das sein? – Das konnten die Fraktionen der Koalition im Ausschuss nicht darlegen.
6. Die Tatsache, dass die Regierungskoalition eine Zweidrittelmehrheit in diesem Ehrenrat haben wird, spricht unseres Erachtens nicht gerade für parlamentarische Kultur.
Ich komme zum Schluss. – Nach all dem dürfte nun klar sein, dass die Mehrheit der PDS-Fraktion die Zustimmung zu diesem Antrag nicht ganz leicht gefallen ist. Es gab auch viele gute Gründe, dagegen zu stimmen. Wir werten
aber die Bewegung der Koalition als Zeichen eines politischen Willens, zu einem anderen Umgang mit dem Thema zu kommen. Da man solche Versuche nicht einfach ablehnen soll, hat sich diese Mehrheit in der PDS-Fraktion gefunden. Wir werden sehen, ob sich dieser Wille auch bei der Durchführung des gemeinsamen Verfahrens zeigt. – Ich danke.