Martina Michels

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In großzügiger Auslegung der Geschäftsordnung und um die Tagesordnung in unser aller Interesse, wie ich denke, nicht unnötig zu belasten, melde ich mich an dieser Stelle zu Wort, um einige wenige, aber doch sehr persönliche Worte an Sie zu richten, und ich bedanke mich ausdrücklich für diese Möglichkeit.
Meine Damen und Herren! Wir alle sind lange genug im politischen Geschäft, um zu wissen, dass manchmal alles ganz anders kommt, als man denkt und plant. Und manchmal müssen Entscheidungen auch plötzlich und unerwartet getroffen werden. Vor solch einer Entscheidung stand ich vor wenigen Tagen, und mit dieser Entscheidung war dies heute meine letzte Plenartagung in diesem Hohen Hause, da ich schon in Kürze, Anfang September, eine neue Herausforderung annehme und in das Europäische Parlament einziehen werde.
Als Nachfolgerin von Prof. Dr. Lothar Bisky, mit dem mich nicht nur politische Nähe, sondern auch eine langjährige persönliche Freundschaft verband, bin ich mir der Tragweite dieser neuen Aufgabe sehr bewusst und weiß um die Verantwortung, die ich damit übernehme.
Wenn ich also jetzt meine Koffer packe, so blicke ich natürlich zuallererst nach vorn und sehe mich als überzeugte Europäerin, wie Sie mich hoffentlich kennengelernt haben, in der Fortsetzung meiner bisherigen europapolitischen Arbeit hier in diesem Hause für eine bessere, vor allem sozial gerechtere und demokratischere Europäische Union der Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein Ziel, für das wir auch hier im Abgeordnetenhaus gemeinsam gestritten haben und für das, wie ich glaube, eine große Mehrheit besteht. Ich kann also viele Erfahrungen mit nach Brüssel nehmen.
Zugleich packe ich die Koffer aber auch mit einem Blick zurück auf die langen Jahre, die hinter uns liegen. Dabei werde ich schon ein bisschen wehmütig beim Abschied. Als ich 1991, ich kann es selbst kaum glauben, in dieses Parlament einzog – damals wie heute mit der klaren Vorstellung, nie wieder nur mitzulaufen, sondern selbst verändern zu wollen –, begann eine so spannende Zeit für mich, die mich nie aus der politischen Verantwortung losgelassen hat. Ich habe hier vor allem drei Dinge gelernt, von denen ich glaube, dass sie unheimlich wichtig für Politikerinnen und Politiker sind. Ab und zu kann man sich dessen durchaus auch erinnern. Es sind Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Es ist aber auch die Kunst des Einanderzuhörens und die Achtung vor der Meinung des Andersdenkenden. Wie Sie wissen, habe ich mich gerade als Vizepräsidentin in diesem Haus besonders für die Verbesserung der politischen Kultur des Streits in diesem Haus eingesetzt. Das schließt am Ende den Respekt vor den unterschiedlichen Lebensbiografien für mich mit ein.
Drittens ist es die Fähigkeit, nach anderen Lösungswegen auch suchen zu wollen. „Is nich jibt‘s nich!“, hat Regine Hildebrandt einmal treffend gesagt. Am Ende steht für mich auch immer Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten.
Mir wird ab jetzt ganz sicher vieles fehlen. Ich war gern hier und mit Leidenschaft. Ich habe in der langen Zeit mit fünf Präsidenten verschiedener politischer Zugehörigkeit und inzwischen auch mit drei Direktoren bestens zusammen gearbeitet. Das alles hat selbstverständlich geprägt.
Nun will ich nicht einfach gehen, ohne Dank zu sagen. Dies sage ich zuerst, selbstverständlich, meiner eigenen Fraktion. Die Zeit zwischen Regierung und Opposition war spannend und lehrreich. Liebe Leute, ihr wart und ihr seid eine tolle Truppe. Ich danke auch allen, die mich bis hierher begleitet und beraten haben, ob im Parlament oder im Senat. Auch das war eine spannende Zeit, Klaus Wowereit. Ich danke aber ebenso denen, die mich – das kommt ab und zu auch einmal vor – kritisiert haben oder nicht immer mit mir einer Meinung waren. Mein Dank gilt aber – das liegt mir ganz besonders am Herzen – gerade auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung. Da meine ich nicht nur diejenigen, die wir immer sehen, die von uns beobachtet werden, und bei denen es leicht ist zu sagen: Das ist unsere Ausschussassistentin oder unser Ausschussassistent. Ich meine vor allen Dingen auch diejenigen, die oft im Stillen emsig für uns da sind, vom Schreib- und Kopierdienst bis zur Technik. Ich weiß, wie schwierig es manchmal war, uns bei der Bedienung der Knöpfe fachgerecht einzuweisen. Der Dank gilt bis hin zum Wachschutz. Ich danke Ihnen, dass Sie in den Saal gekommen sind. Denn gerade diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind es, an denen wir oft einfach achtlos vorübergehen. Sie haben von mir ganz persönlich ein ganz herzliches Dankeschön verdient.
Nun bleibt mir ein letzter Satz: Tschüss denn, wir sehen uns – ganz sicher in Europa! Eines ist doch klar, Berlin liegt mittendrin. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Behrendt! Ob es ein Schmankerl ist, das sei noch dahingestellt. Zunächst sind wir immer sehr dafür – insofern begrüße ich den Vorstoß ausdrücklich –, wenn sich das Abgeordnetenhaus mit Europathemen befasst, denn ich bin der Auffassung, dass wir das bisher zu selten tun, obwohl es erforderlich ist. Allerdings könnte ich mir für die Europadiskussion auch eine etwas emotionalere und inhaltlichere Debatte vorstellen als unbedingt solch eine juristische Sacherörterung. Insofern hoffe ich, dass wir später einmal zu etwas emotionaleren Europathemen kommen.
Ausdrücklich wurde – mein Kollege Zimmermann hat es bereits erwähnt – das Subsidiaritätsverfahren eingeführt, um die vorherige Beteiligung der Länder – und zwar, lieber Herr Zimmermann, nicht nur um die nationale Ebene, sondern sehr wohl auch die Ebene der Bundesländer – zu garantieren. Meine Kollegin Schillhaneck weiß das. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus sehr darum bemüht, ein Verfahren einzuleiten bzw. zu entwickeln, das gerade in dem Prozess der Subsidiaritätsüberprüfung die Beteiligung der Landesparlamente ausreichend garantiert. Bisher ist dieses Subsidiaritätsverfahren ausschließlich ein Exekutivverfahren. Insofern haben Sie uns an Ihrer Seite, denn in der letzten Wahlperiode war es nicht möglich, ein ausreichendes, zufriedenstellendes Verfahren herzustellen. Ich glaube, das ist zwingend erforderlich. Andere Bundesländer sind uns inzwischen weit voraus, die konkrete Vereinbarungen mit ihren Landesregierungen abgeschlossen haben. Dieses Verfahren ist ein überaus schwieriges, in dem die Landesparlamente – wenn sie denn wirklich beteiligt werden sollen – auch die notwendigen effektiven Informationen bekommen müssen, um eingreifen zu können.
Ja, so ist es eben, wenn über Europa diskutiert wird und dann auch noch über so eine trockene Materie. Es ist dann immer etwas schwierig.
Nun zu Ihrem Antrag, weshalb es für meine Begriffe kein Schmankerl wird. Erstens versucht Ihr Antrag, in letzter Minute in ein Verfahren einzugreifen, das bereits – Herr Zimmermann hat bereits darauf verwiesen – im Bundestag und auch im Bundesrat läuft. Der Bundestag wird nächste Woche über eine Subsidiaritätsrüge verhandeln; wie die „Financial Times“ gestern mitteilte, fraktionsübergreifend. Insofern bin ich optimistisch, dass Ihrem
Anliegen im Bundestag – wohin es gehört – Genüge getan wird. Aber auch im Bundesrat, lieber Herr Behrendt, läuft die Debatte bereits seit einigen Wochen. Dem Antrag vom Land Bayern, das eine derartige Rüge anstreben wollte, wurde bereits eine Absage erteilt. Insofern ist es schwierig, jetzt noch in die Diskussion eingreifen zu wollen.
Drittens ist Ihr Antrag selbst etwas problematisch, da Sie nicht darauf abzielen, eine konkrete Subsidiaritätsrüge zu erteilen, was eigentlich das zielgerichtete Mittel wäre, sondern Sie sagen, der Senat solle Bedenken äußern und die sollen in die Stellungnahme einfließen. Ihr Antrag ist deshalb leider ein zahnloser Tiger. Deshalb werden wir uns, weil wir diesen Antrag – so, wie Sie das vorhin begründet haben – als Signal auffassen, dass sich dieses Haus zukünftig dem Subsidiaritätsverfahren künftig stärker widmen will, der Stimme enthalten. Wir fordern Sie jedoch gleichzeitig auf: Lassen Sie uns gemeinsam – da haben Sie uns an Ihrer Seite – in dieser Legislaturperiode mit der Landesregierung zusammen ein geeignetes Verfahren entwickeln, damit wir uns als Landesparlament in der Zukunft nicht ganz so trocken – das hoffe ich! –, aber dennoch gleichzeitig wirkungsvoll in das Verfahren einbringen können. Das ist dringend notwendig. – Danke schön!