Manfred List

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Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einleitend und grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich es erfreulich finde, dass der Regionalgedanke und die Notwendigkeit, Probleme regional zu lösen, inzwischen einen breiten Grundkonsens in diesem hohen Haus gefunden haben. Ich denke, man darf vor die Klammer ziehen, dass hier ein großes Maß an Übereinstimmung besteht.
Nun stellt sich aber die Frage – lassen Sie mich deshalb noch einige Aspekte beleuchten und auf einige Ausführungen von Sprechern der Opposition eingehen –, ob man dem gesamten Land das Modell Verband Region Stuttgart überstülpen soll oder ob man den regionalen Besonderheiten, den unterschiedlichen regionalen Strukturen entsprechend – das ist schon mehrfach gesagt worden – maßgeschneiderte Lösungen anbieten soll. Ich meine, dass die zweite Möglichkeit auf jeden Fall die bessere ist.
Wir haben den Verband Region Stuttgart vor kurzer Zeit mit weiteren Kompetenzen ausgestattet. Ich darf daran erinnern, dass wir vor allem ein Klagerecht eingeführt haben. Das war aufgrund konkreter Vorgänge sehr wichtig. Das Klagerecht ist auch aus der Notwendigkeit heraus eingeführt worden, Fehlentwicklungen zu vermeiden und regionalplanerischen Zielsetzungen zum Durchbruch zu verhelfen.
Nun sagen wir: Auch andere Regionen sollen die Möglichkeit erhalten, regionalplanerische Zielsetzungen durchzusetzen oder Fehlentwicklungen zu verhindern. Dazu bedarf es nicht unbedingt der Direktwahl der Mitglieder der Regionalversammlung, Herr Kollege Schmiedel. Wenn Sie Ihre Aussage ernst meinen, die Direktwahl sei der Auslöser dafür gewesen, dass die Parteien endlich eigene Regionalprogramme entwickelt hätten, dann stellen Sie denjenigen, die beim Verband Region Stuttgart damals eine qualifizierte Arbeit geleistet haben – auch der Kollege Brechtken gehört dazu –, ein schlechtes Zeugnis aus. Wenn Sie sagen, die Regionalversammlung und der Verband Region Stuttgart hätten damals keine erkennbaren regionalplanerischen Ziele gehabt, würden Sie damit deren Arbeit nicht gerecht werden.
Wir meinen, dass es richtig ist, Teile dessen, was wir dem Verband Region Stuttgart gegeben haben, auch den anderen Regionen anzubieten. Dabei muss aber die notwendige Flexibilität erhalten bleiben.
Wenn Sie sagen, es müsste noch einen Schritt weitergehen, dass wir letztlich doch in die vierte Verwaltungsebene hineingehen, indem wir ihr das gesamte Raumordnungsverfahren und weitere Maßnahmen übertragen, dann müssen Sie mit sich einmal ins Reine kommen und offen sagen: „Wir wollen im Land Baden-Württemberg in Zukunft keine Landkreise mehr, wir wollen sie abschaffen“.
Da begeben Sie sich auch in der Praxis in einen eklatanten Widerspruch. Es ist noch gar nicht lange her, als Sie hier vorgetragen haben, Sie wollten mehr plebiszitäre Elemente in den Landkreisen, Sie wollten zum Beispiel durch die Volkswahl des Landrats eine Stärkung der Landkreise. Jetzt würden Sie durch diese vierte Verwaltungsebene den Landkreisen einen Teil ihrer Existenzberechtigung entziehen und die Landkreise damit langfristig auflösen. Da sollten Sie mit sich einmal ins Reine kommen und klar sagen, was Sache ist.
Kollege Hofer hat ja gesagt: Bei Kreistagswahlen klingt das immer ganz anders. In der Praxis der Kreistage, auch in Ludwigsburg, wird dann auch durch Anträge Ihrer Fraktion gefordert, Bahnstrecken durch den Kreis zu übernehmen. Hier dagegen wird gesagt, die Region müsse Aufgaben von der Verwaltungsebene Landkreis übernehmen. Da besteht ein riesiger Widerspruch. Sie müssen draußen einmal ganz offen sagen, was Sie eigentlich wollen. Ich glaube, das gehört bei dieser Zusammenarbeit ein Stück weit auch zur Ehrlichkeit.
Herr Kollege Oelmayer, der sich jetzt in die hintere Reihe verzogen hat, hat uns vorgeworfen,
wir huldigten mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dem Strukturkonservatismus; das würde letztlich zu Nachteilen führen. Wenn Sie damit die Struktur des Landes und die Strukturpolitik der Landesregierung meinen, dann muss ich sagen: So schlecht kann der von Ihnen monierte Strukturkonservatismus nicht sein. Wenn ich zum Beispiel die Ar
beitslosenzahlen, die Höhe der Beschäftigungsquote, des Bruttosozialprodukts und der Wertschöpfung betrachte, muss ich sagen: So schlechte Ergebnisse, wie Sie sie monieren, kann der Strukturkonservatismus nicht hervorgebracht haben.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht letztlich darum, dass wir – ich fasse zusammen – den Regionen in unserem Land erweiterte Möglichkeiten zu regionaler Planung und zu deren Durchsetzung geben. Wir wollen aber diesen Regionen nicht ein Modell überstülpen, sondern eine möglichst große Flexibiliät erhalten. Da ist der Zweckverband ein durchaus taugliches Instrument. Das ist von mehreren Rednern ausgeführt worden. Ich habe auch Verständnis dafür, dass die kommunale Ebene sagt: Wir wollen hier nicht ausgeschlossen werden. Dem tragen wir durch die Ergänzung, die von den Kollegen Fleischer und Hofer angesprochen wurde, Rechnung.
Ich denke, dass wir in dieser Koalition zu einer guten Linie gefunden haben. Ich möchte allen herzlich danken, die dabei mitgewirkt haben, Ihnen, Kollege Hofer, ganz besonders dafür, dass wir am Schluss zu diesem guten Weg gefunden haben. Ich bin sicher, es ist eine Lösung, die draußen im Land gut aufgenommen wird.
Vielen Dank.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dies ist das dritte Mal, dass wir uns in dieser Legislaturperiode über dieses Thema unterhalten. Dabei ist eigentlich nicht viel Neues herausgekommen. Herr Redling, auch Ihre Partei hat ja Erfahrungen mit der unmittelbaren Demokratie. Ich denke daran, dass Sie einmal per Mitgliederbefragung Ihren Kanzlerkandidaten gewählt haben, der dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von demjenigen, der jetzt im Saarland im Abseits sitzt, kurzerhand abgelöst wurde. Daran sehen Sie, welchen Wert solche Volksabstimmungen oder Mitgliederbefragungen haben.
Jetzt ein paar Sätze zum Grundsätzlichen. Die Gemeindeordnung in Baden-Württemberg hat sich in ihren Grundzügen in den vergangenen Jahrzehnten bewährt: Sie hat zu hervorragenden Ergebnissen geführt. Sie hat sogar dazu geführt, dass fast alle anderen Bundesländer,
die andere Kommunalverfassungen hatten, die baden-württembergische Kommunalverfassung, das Grundgesetz der Kommunen, übernommen haben.
Nun ist einfach festzuhalten, dass Sie, sowohl Rot als auch Grün, ein anderes Verständnis von Kommunalverfassung und kommunaler Selbstverwaltung haben.
Wir sind der Meinung, dass der von der Bevölkerung gewählte Gemeinderat in der Gesamtverantwortung steht, die Aufgaben der Gemeinde vernetzt zu betrachten, die Probleme vernetzt anzugehen und nicht Partikularinteressen zum Durchbruch kommen zu lassen.
Sie wollen die Aufspaltung, wir wollen die Gesamtbetrachtung.
Herr Birzele, das heißt nicht nur Äpfel mit Birnen, sondern Gurken mit Rettichen zu vergleichen.
Dies in die Debatte zu bringen ist völlig verfehlt. Wir sprechen über Ihren Gesetzentwurf, nicht über die Mobilisierung der Bürger.
Der Gemeinderat hat eben die Zusammenschau der gesamten Kommunalentwicklung, der finanziellen Zusammenhänge und auch stadtgeschichtlicher oder gemeindegeschichtlicher Aspekte. Aufgrund dieser Gesamtzusammenschau ist er auch dazu berufen, Entscheidungen zu treffen, nicht aber dazu da, individuelle Sonderinteressen vor das Gemeinwohl zu stellen.
Sie wollen eine weitere Quotenabsenkung. Wir halten das für falsch. Wenn ein Thema die Bürgerschaft wirklich interessiert und umtreibt und es ihr am Herzen liegt, über etwas zu entscheiden, ist auch das Quorum zu erreichen, wie das übrigens in der Praxis bewiesen wurde.
Das Zweite ist: Sie wollen den Positivkatalog aufheben. Man kann darüber diskutieren, ob ein Positivkatalog oder ein Negativkatalog das Richtige ist. Aber Sie wollen fast alles für den Bürgerentscheid öffnen. Ich nehme nur einmal den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Die würde die Bürger auch über den Haushalt und über Steuern und Gebühren abstimmen lassen. Bei der SPD geht es nicht ganz so weit, aber auch sie will Grundstückssachen, Bebauungspläne grundsätzlich für den Bürgerentscheid öffnen. Wer einige Erfahrung aus der kommunalen Praxis hat, der weiß, zu welchen Ergebnissen das führen würde: zu Nachteilen, gelegentlich auch zu erheblichem Schaden.
Ich führe wieder das Beispiel an, auf das ich schon einmal hingewiesen habe: Wenn sich ein Unternehmen in einer
Gemeinde ansiedeln möchte und Sie sagen, dass die Gefahr bestehe, dass ein Bürgerbegehren stattfinde und es dann zu einem Bürgerentscheid komme, brauchen Sie mit dem Unternehmer gar nicht mehr weiter zu verhandeln; denn der sagt, er brauche in zwei, drei oder vier Wochen eine Entscheidung und nicht in einem Dreivierteljahr, und verabschiedet sich. Deswegen ist das völlig untauglich, genauso wie die Sperrwirkung, die Sie für den Fall wollen, dass Gemeinderatsbeschlüsse gefasst sind und ein Bürgerbegehren anläuft. Das führt zu einer Lähmung der Kommunalverwaltung und nicht zu einer Verbesserung.
Ich denke, dass das Thema „Einführung des Bürgerentscheids auf der Landkreisebene“ nicht weiter diskutiert zu werden braucht. Es ist bei den Themen, die die Landkreise zu entscheiden haben, untauglich.
Wir haben das ausgetauscht. Wenn in einem Teil eines Landkreises der Bau einer Umgehungsstraße ansteht und der gesamte Landkreis darüber entscheiden soll, so ist das nicht nur unpraktikabel, sondern
führt auch zu verzerrten Ergebnissen, von Anlagen der Abfallbeseitigung usw. einmal ganz abgesehen.
Wir denken, dass diese Gesetzentwürfe insgesamt gesehen kein taugliches Mittel sind, um das kommunale Geschehen zu verbessern. Ich habe schon das letzte Mal gesagt: Wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie es wenigstens der „Zukunftskommission Gesellschaft 2000“, die mit Mitgliedern aus allen Parteien und allen gesellschaftlichen Schichten besetzt ist und die sehr deutlich in einer längeren Passage formuliert, dass das Prinzip der repräsentativen Demokratie nicht nur erhalten, sondern sogar gestärkt werden muss.
Es hat sich ja einer in Baden-Württemberg an die Spitze der Bewegung „Mehr Demokratie“ gestellt. Wie seine Bevölkerung darüber gedacht hat, das hat er erfahren. Sie hat ihn nämlich in Schramberg als Oberbürgermeister kurzerhand abgewählt. Daran sieht man, wie die Bevölkerung über dieses Thema denkt.
Nein. Habe ich etwas Falsches gesagt?
Moment, langsam. Dieser Oberbürgermeister stand an der Spitze der Bewegung „Mehr Demokratie“. Er ist der Meinung, dass die Bevölkerung mehr entscheiden soll. Das ist genau das, was Sie wollen.
Und die Bevölkerung hat das beurteilt,
hat zum Ausdruck gebracht, wie sie darüber denkt, und hat ihm bei der nächsten Wahl den Laufpass gegeben.
So einfach ist das.
Wir werden die Gesetzentwürfe ablehnen.
Vielen Dank.
Langsam, langsam! – Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz, das soeben vom Innenminister erläutert wurde, ist ein Vollzug dessen, was der Bund uns vorgibt. Wir halten dies für eine vernünftige Regelung, wir halten das für eine richtige Lösung, und ich möchte nicht unnötigerweise das wiederholen, was der Innenminister an Erläuterungen gesagt hat. Wir müssen dieses Gesetz umsetzen und sollten es rechtzeitig auf den Weg bringen. Deshalb werden wir diesem Gesetz zustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeindeordnung ist das Grundgesetz, ist die Verfassung der Kommunen. Wir haben das Kommunalverfassungsrecht vor eineinhalb Jahren geändert und dabei unter anderem das Quorum für ein Bürgerbegehren gesenkt. Ich denke, es ist ähnlich wie beim Grundgesetz und bei der Landesverfassung: Man debattiert nicht alle Jahre über denselben Gegenstand und über die Frage, ob man die Verfassung ändert.
Wir haben damals auch grundsätzliche Überlegungen diskutiert. Sie haben eben ein anderes Verständnis von Kommunalverfassung, repräsentativer Demokratie und übertragenen Verantwortlichkeiten für gewählte Bürgerschaftsvertreter einer Kommune. Herr Hackl, man hat fast den Eindruck, Sie meinten, die Gemeinderäte seien gar keine Bürger mehr. Den Eindruck hat man,
wenn Sie diesen Gegensatz zwischen Bürgern und Gemeinderäten herstellen.
Nun haben Sie wieder einen neuen Aufguss gebracht. Sie wollen sich der Bürgerinitiative andienen. Sie haben sich ja
weniger mit dem Inhalt Ihres Gesetzentwurfs als mit der Entscheidung des Innenministeriums über den Antrag der Initiative auf Zulassung eines Volksbegehrens befasst.
Ich habe Ihnen zugehört. Jetzt hören Sie mir bitte auch einmal zu, und lassen Sie mich meine Gedanken entwickeln, Herr Hackl.
Es gibt ein paar Aspekte, an denen ich aufzeigen will, zu welchen Ergebnissen Ihre Vorschläge führen würden. Bei der begrenzten Redezeit, die uns hier zur Verfügung steht, kann ich das nur stichwortartig tun.
Sie wollen die Absenkung bzw. die völlige Beseitigung der Quoren und die Aufhebung des Positivkatalogs. Sie wollen also fast alles einem Bürgerentscheid öffnen und dem Gemeinderat entziehen. Das reicht ja bis zur Haushaltssatzung, bis zu Steuern, Abgaben und Gebühren. Wer über einige Kommunalpraxis verfügt, weiß, wozu das führen könnte.
Den individuellen Sonderinteressen wollen Sie den Vorzug vor dem Gemeinwohl geben. Wenn sich jemand betroffen fühlt, kann er nach Ihrer Auffassung sofort ein Bürgerbegehren einleiten und Regelungen per Mehrheitsentscheidung blockieren oder kippen.
Im Klartext heißt das: Sie wollen auch für Bebauungspläne und Grundstücksgeschäfte Bürgerbegehren zulassen. Ich denke, das widerspricht ganz eklatant den Erfordernissen der kommunalen Praxis.
Es besteht die Gefahr der Lahmlegung der kommunalen Organe, zumindest einer unvertretbaren Verzögerung von Entscheidungen mit erheblichen Nachteilen für die Kommune und die Bürger. Denken Sie einmal an die Ansiedlung eines Industrie- und Gewerbegebiets. Glauben Sie denn, dass ein Weltunternehmen oder ein bedeutendes Unternehmen wartet, bis ein Bürgerbegehren und ein Bürgerentscheid durchgeführt sind? Ein solches Unternehmen will eine Entscheidung innerhalb von wenigen Wochen, wenn es sich ansiedeln möchte. Es wartet die Entscheidung nicht lange ab, sondern zieht eben ab. Ob Sie der Kommune damit einen Gefallen tun, müssen Sie mit sich selbst ausmachen.
Im Übrigen haben Sie in der heutigen Ausgabe der „Südwest Presse“ eine wunderbare Antwort bekommen. Darin steht – ich darf zwei, drei Sätze zitieren –:
Die Praxis zeigte, dass diese Hürde
nämlich von 30 % –
zu schaffen ist,
zwei Drittel sind ja erfolgreich gewesen –
zwei Drittel –
wenn das Thema den Bürgern wirklich am Herzen liegt.
Das behaupten Sie ja.
Diese Messlatte zu senken oder Vorhaben zu stoppen, wenn nur die Hälfte der Stimmen gesammelt ist, wie die Initiative das forderte, hieße, die Kommunen in vielen wichtigen Angelegenheiten zur Untätigkeit zu verdammen. Das kann niemand wirklich wollen.
Wenn es Ihnen nicht passt, ist es plötzlich die Einzelstimme eines Journalisten. Wenn es Ihnen passt, ist es eine Meinung, die allgemein gültig ist.
Dann wollen Sie, meine Damen und Herren, das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid auf die Landkreise ausdehnen. Das bedeutet im Klartext: Über den Standort für eine Müllverbrennungsanlage oder für ein Kompostwerk entscheiden diejenigen, die überhaupt nicht betroffen sind, in stärkerem Ausmaß als diejenigen, die unmittelbar betroffen sind. Oder nehmen Sie das Thema Umgehungsstraßen. Wollen Sie wirklich, dass ein ganzer Landkreis mit beispielsweise einer halben Million Einwohner über eine Umgehungsstraße einer kleinen Gemeinde abstimmt? Wohin das in der Praxis führt, müssen Sie sich einmal ausmalen. Sprechen Sie einmal mit Ihren Kollegen in den Kreistagen darüber, was das für Ergebnisse hätte.
Ich glaube nicht, dass Sie das ernsthaft aufrechterhalten wollen.
Sie versuchen, zu suggerieren, die Demokratie funktioniere in den Kommunen nicht oder nur sehr unzulänglich. Das Gegenteil ist der Fall. Die kommunale Selbstverwaltung baden-württembergischer Prägung hat ganz hervorragende Ergebnisse gebracht. Das erkennen die Bürger auch an. Die Bürger vertrauen ihren gewählten Repräsentanten.
Es liegt nicht einmal ein halbes Jahr zurück, dass wir Kommunalwahlen hatten. Sie kennen ja selbst das Problem, dass man gar nicht mehr genügend Bürger findet, die bereit sind zu kandidieren. Mit Mühe und Not bekommt man die Listen zusammen. Das ist die Praxis vor Ort. Wenn Sie den Kandidaten noch Rechte wegnehmen und sagen, wir entmachten euch, dann wird die Bereitschaft nochmals sinken. Ich weiß nicht, ob Sie sich damit einen großen Gefallen tun.
Letztlich liegt das Problem darin, dass Sie das System der repräsentativen Demokratie, das sich bewährt hat, aushöhlen wollen.
Jetzt möchte ich Ihnen gern ein kurzes Zitat vorlesen:
Eine demokratische Massengesellschaft kann nur nach dem Grundprinzip verantwortlicher, verbindlicher Repräsentation funktionieren. Führung macht Demokratie erst möglich.
Dieses Zitat stammt von niemand anderem als Ihrem Kollegen Winfried Kretschmann.
Jetzt sagen Sie einmal, ob er Recht hat oder ob Sie mit Ihrer Philippika Recht haben.
Dann nehmen Sie immer wieder das Beispiel der Schweiz. Das kann nun wirklich nicht als Vorbild dienen. Wir haben beispielsweise bei Bundestagswahlen in der Bundesrepublik Deutschland eine Wahlbeteiligung von 80 bis 90 %. Bei den Schweizer Nationalratswahlen sind es gerade einmal um die 42 %. Das nehmen Sie als großes Beispiel. Bei landesweiten Volksabstimmungen in der Schweiz lag die Wahlbeteiligung in den letzten zehn Jahren zwischen 36 % und 52 %. Also, ich weiß nicht, wieso Sie die Schweiz als leuchtendes Beispiel nehmen. Sie müssten mehr mit den Kommunalpraktikern reden und sich mit ihnen austauschen.
Ich möchte noch kurz aus der Schrift der „Zukunftskommission Gesellschaft 2000“ zitieren, die sicher nicht im Verdacht steht, uns nach dem Mund reden zu wollen. Dort heißt es:
Auch das Prinzip der repräsentativen Demokratie, in der gewählte Politikerinnen und Politiker für Erfolg und Misserfolg die Verantwortung tragen, sollte erhalten und gestärkt werden. Die einzelnen Probleme sind fast immer so eng vernetzt und verzahnt, dass eines von ihnen nur unter erheblichen Risiken aus dem Zusammenhang herausgelöst und isoliert entschieden werden kann.
Mehr Volksentscheide werden Politikverdrossenheit nicht verhindern, sondern könnten sie vermutlich sogar erzeugen, denn die Politik würde zerstückelt und die Politikerinnen und Politiker würden sich nicht mehr für das Ganze verantwortlich fühlen, sondern nur für den in ihrer Zuständigkeit verbliebenen Rest.
Wenn Sie schon uns nicht glauben, dann nehmen Sie wenigstens dieses Zitat ernst.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen: Ihre Vorstellungen sind nicht dazu geeignet, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken oder zu verbessern. Im Gegenteil, sie blockieren möglicherweise dringend notwendige, zeitnahe Entscheidungen. Sie entwerten die demokratisch gewählte, bürgerschaftliche Vertretung. Beides wollen wir nicht.