Protokoll der Sitzung vom 22.03.2000

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 83. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Goll.

Auf Ihren Tischen finden Sie Vorschläge der CDU- und der SPD-Fraktion über Umbesetzungen in der Enquetekommission „Situation und Chancen der mittelständischen Unternehmen, insbesondere der Familienunternehmen, in Baden-Württemberg“. (Anlagen 1 und 2) – Ich stelle ohne förmliche Abstimmung fest, dass Sie diesen Umbesetzungsvorschlägen zustimmen. Die Umbesetzung in der CDU-Fraktion wird am 1. April 2000 wirksam.

Meine Damen und Herren, heute hat Herr Finanzminister Stratthaus Geburtstag. Herr Finanzminister, ich gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute und Erfolg.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Parteispendenskandal der CDU. Welche Konsequenzen zieht die CDU im Ländle? – beantragt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für diese Aktuelle Debatte die üblichen Redezeiten festgelegt: Gesamtdauer 50 Minuten ohne Anrechnung der Redezeit der Regierung, fünf Minuten für die Erklärungen der Fraktionen in der ersten Runde und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an diese Redezeiten zu halten.

(Unruhe)

Ich darf Sie bitten, die Gespräche nun einzustellen.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kuhn.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es war doch richtig, diese Aktuelle Debatte zu beantragen, Herr Oettinger. Das Medieninteresse an einer von uns beantragten Aktuellen Debatte war seit langem nicht mehr so groß.

(Lachen bei der CDU, der FDP/DVP und den Re- publikanern – Abg. Kiel FDP/DVP: Rücktritt er- klären! Dann ist alles okay! – Abg. Wieser CDU: Die Redezeit ist begrenzt! – Weitere Zurufe)

Wir haben hier im Landtag ja schon des Öfteren über die Frage diskutiert, welche Rolle der Ministerpräsident in dem CDU-Parteispendenskandal – im „Kohl-Skandal“ – gespielt hat. Immerhin war er sechs Jahre lang Stellvertreter Helmut Kohls in den entsprechenden Gremien.

Das Fazit, das wir nach den hier getätigten Auslassungen des Ministerpräsidenten ziehen konnten, war, dass er in diesen Jahren seinen Aufsichtsjob durch brutalstmögliches Weggucken ausgeübt hat.

Wir wollen nun heute fragen, welche Konsequenzen eigentlich die baden-württembergische CDU aus dem Skandal zieht. Ich möchte dazu einige Anmerkungen machen.

Zunächst habe ich nichts davon gehört, dass Sie die von Thierse verhängten Sanktionen beklagen und falsch finden würden. Die Klage ist ja auch mit anwaltlicher Unterstützung aus Baden-Württemberg aufgebaut worden. Die Kreisverbände wollen offensichtlich nichts damit zu tun haben. Herr Oettinger, das wissen Sie. Was uns von den Grünen am meisten erstaunt und auch empört hat, ist der Punkt, dass Sie die neuerliche Spendenaktion von Kohl, 6 Millionen DM beizubringen, quasi als Ablasshandel für Verfassungsbruch – –

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Das ist ja ein Dünnbrettbohrer! Auf einem Partei- tag geht das vielleicht, Herr Kuhn!)

Entschuldigung! Wollen Sie denn bestreiten, dass es Verfassungsbruch war? – Das wollen Sie nicht bestreiten. Gut! Wir klären das.

Aber schauen Sie mal: Die Empörung, die Sie hier zum Ausdruck bringen, zeigt doch, dass Sie gar kein Unrechtsbewusstsein bezüglich dessen empfinden, was Helmut Kohl und die Verantwortlichen in der CDU in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich angerichtet haben. Sie gehen ja nach einer Art Täter-Opfer-Ausgleich vor; aber Sie stellen die Frage nicht, wer eigentlich das Opfer ist. Sie tun so, als wäre die CDU das Opfer. Das Opfer aber war die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, und dies kann man mit Geld meines Erachtens nicht heilen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich finde, dass diese Reaktion hier im Haus auf den Satz, dass man es erstaunlich findet, dass Verfassungsbruch nach dieser Methode geheilt werden soll, wirklich klarmacht, wie notwendig die Debatte ist. Das zeigt nämlich, dass die

CDU im Landtag offensichtlich nicht bereit ist, aus dem Vorfall irgendwelche Konsequenzen zu ziehen.

(Abg. Wieser CDU: Dass Sie bei solchen Themen noch lachen, Herr Kuhn! Dass Sie dabei noch la- chen!)

Jetzt komme ich auf Baden-Württemberg zu sprechen. Die CDU wurde hier aus landeseigenen Betrieben dick bespendet. Sie haben sich bisher hartnäckig geweigert, die 35 000 DM an die SWEG zurückzugeben. Nun haben wir nach langem Gedruckse des Ministerpräsidenten erfahren, dass auch aus der BaWü-Bank – es dauerte ja eineinhalb Jahre, bis das endlich zugegeben worden ist –, einer privaten Bank mit immerhin 36 % Landesanteil, insgesamt 83 000 DM an die CDU gegangen sind; ein kleinerer Betrag ging an die FDP/DVP, ein noch kleinerer an die SPD.

(Abg. Wieser CDU: Die Grünen haben nichts ge- kriegt!)

Ich fordere Sie hier auf, diese Gelder zurückzugeben, Herr Teufel. Denn eines geht ja nicht: Sie haben sich auch hier im Landtag in Bezug auf Nordrhein-Westfalen vehement darüber ausgelassen, dass bei der Flugaffäre der SPD – die ich nicht verteidigen will, denn da war einiges nicht in Ordnung – von der WestLB, einer öffentlich-rechtlichen landesbeteiligten Bank, Ministerreisen und Ministerpräsidentenreisen gefördert worden sind. Da haben Sie mit dem Zeigefinger auf die SPD gedeutet. Aber ich will schon mal fragen: Was ist eigentlich der Unterschied, wenn Sie hier aus einer Privatbank mit einer Landesbeteiligung von immerhin 36 % – wir haben hier oft über den Verkauf dieses Landesanteils strittig diskutiert – Parteifinanzierung machen, obwohl dieses aus solchen öffentlichen Mitteln überhaupt nicht angesagt und überhaupt nicht vorgesehen ist?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Da sind Sie unglaubwürdig, und wir werden in dem Jahr, das vor uns liegt, nicht aufhören, zu verlangen, dass Sie dieses Geld zurückzahlen. Denn es ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger und von niemandem sonst.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Ich will zum Abschluss dieser ersten Runde weitere Konsequenzen nennen, Herr Teufel: Ich fordere Sie auf, keine weiteren Südgipfel mit einem Ministerpräsidenten zu machen, der die Öffentlichkeit in brutalstmöglicher Aufklärung angelogen hat, wie das Herr Koch in Hessen getan hat. Ich glaube, dass es für das Land schädlich wäre, wenn Sie diese Übung fortsetzten.

Zum Abschluss im Zusammenhang mit der Frage, welche Konsequenzen man ziehen soll, noch einen Punkt. Sie wissen, wir wollen mehr Transparenz, wir wollen mehr Bürgerbeteiligung, auch als Konsequenz dieser ganzen Vorfälle, und wir wollen eine Reform des Parteiengesetzes. Aber wichtig ist auch die Diskussion über Amtszeitbegrenzung von Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers. Da kann ich nur sagen: Da hat die CDU Stuttgart ganze Arbeit geleistet. Ich finde es richtig, dass man Überlegungen darüber anstellt, ob man nach zwei Legislaturperioden bei diesen exekutiven Ämtern einen Wechsel haben muss oder nicht.

(Abg. Wieser CDU: Auch beim Fraktionsvorsitz bei den Grünen!)

Ich finde die Diskussion, die jetzt losgegangen ist, interessant – Herr Palmer hat sich heute sicherheitshalber einer anderen Aufgabe gewidmet –, ob dieser Beschluss absichtlich oder ob er aus Versehen gefasst worden ist. Herr Teufel, ich will für meine Fraktion sagen: Diese Frage ist nicht besonders interessant; denn man weiß aus der Psychoanalyse, dass die Wahrheit im Unabsichtlichen, im Versehen liegt. Und selbst dann, wenn es ein Versehen war, hat er ja wahrscheinlich einiges Richtige getroffen, nämlich das, dass Baden-Württemberg mit der Aufstellung, die Sie bei der nächsten Wahl als Kandidaten für die Wiederwahl zum Ministerpräsidenten vorsieht, einfach nicht für Erneuerung steht. Wahrscheinlich wollte Herr Palmer diesen Punkt gemeint haben, auch wenn er ihn jetzt nicht mehr so gemeint haben will.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Damit es vorweg gleich gesagt wird, Kollege Kuhn: Die CDU in Deutschland – und die CDU Baden-Württemberg macht mit – wird ihren Beitrag zur weiteren Aufklärung leisten, die Aufarbeitung fortführen und Konsequenzen ziehen.

(Abg. Bebber SPD: Das glaubt schon keiner mehr!)

Wir werden in Essen eine neue Finanzordnung für die CDU in Deutschland verabschieden: mehr Transparenz, mehr Kontrolle, Vier-Augen-Prinzip und eine volle Verantwortung eines Controllers, der unsere Finanzen hauptamtlich versieht.

Wir sind auch zu einer gelassenen Betrachtung der Arbeit der Staatsanwaltschaft bereit, und wenn Sie sagen, Kohl versuche einen Ablasshandel, dann unterstellen Sie ja indirekt, dass Helmut Kohl durch die Spenden versuche, in Gnade vor der Staatsanwaltschaft zu kommen. Was für ein Vorwurf!

(Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, die Staatsanwaltschaft arbeitet objektiv und wird unparteiisch entscheiden, ob es zu einer Anklage oder zur Einstellung des Verfahrens kommt. Die Spenden sind in Ordnung, wir nehmen sie an, aber sie entlasten Helmut Kohl strafrechtlich und verfassungsrechtlich nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dann, lieber Kollege Kuhn: Dass Sie sich heute hier so aufplustern, kann ich ja verstehen. Sie waren selten so spannend wie heute.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Stimmt!)

Kohl ist für uns ein Problem, aber Ihre Frage ist doch: Was machen Sie? Bleiben Sie im Land, oder gehen Sie nach Berlin?

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Und, bitte, lieber Kollege Kuhn: Lenken Sie von Ihrer Verärgerung nicht ab! Lenken Sie von Ihrer Verärgerung über die eigene Partei nicht ab!

(Beifall bei der CDU)