Rudolf Hausmann
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist denn an dieser Debatte aktuell?
Ist vielleicht aktuell, lieber Herr Haas, wie Sie es gerade gesagt haben, dass Döring heute außer Haus ist
und, weil Arbeitsmarktpolitik nicht nur im Sozial-, sondern auch im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, die CDU deswegen ein freieres Feld hat gemäß dem Motto des Hauptgeschäftsführers der FDP: „Zwei Gockel tun sich eben schwer miteinander“?
Oder hat es damit zu tun, dass sich die CDU in der Zwischenzeit derart maßlos überschätzt und allen Realitätssinn verloren hat, dass sie ein Thema zur Aktuellen Debatte stellt, das für mich eine Erinnerung an meine Schulzeit gebracht hat? In der zwölften Klasse geschah Folgendes: Eine Lehrerin stellte ein Aufsatzthema, aber ein Schulfreund von mir schrieb den Aufsatz nicht, sondern einen anderen, und schrieb darüber: „Warum ich diesen Aufsatz nicht schreibe“.
Er hat anschließend sogar eine gute Note gekriegt.
Ich befürchte, dass diese Landesregierung zu ähnlicher Selbstkritik nicht in der Lage ist.
Ich will Ihnen etwas sagen. „Positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Baden-Württembergs durch die aktive Beschäftigungspolitik“, das wäre ein aktuelles Thema gewesen. Aber Sie schreiben: „durch die aktive Beschäftigungspolitik der Landesregierung“, und an dieser Stelle wird es zur Lachplatte, weil alles, was an aktiver Arbeitsmarktpolitik gelaufen ist, nichts, aber wirklich überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was im Land Baden-Württemberg an Maßnahmen stattfindet.
Meine Damen und Herren – ich werde das nachher noch ganz sauber detaillieren –, ich will Ihnen ein paar Punkte nennen.
Am Ende.
Wir haben in Baden-Württemberg inzwischen Zahlen, die Sie für sich vereinnahmen. Hören Sie zu: Von 1998 bis heute – zwei Jahre aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung – ist die Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg um fast 30 % zurückgegangen.
In der gleichen Zeit wurde die Jugendarbeitslosigkeit um fast 50 % reduziert, meine sehr geehrten Damen und Herren.
In Baden-Württemberg.
Jetzt kommen wir zum Problem. Sie sind der irrigen Meinung – ich glaube nicht einmal, dass Sie es selber glauben –, dass Sie dafür verantwortlich sind.
Meine Damen und Herren, nehmen wir uns ein paar Fakten vor und überlegen: Welche Ebene macht denn wo aktive Arbeitsmarktpolitik? Da stellen wir fest: Auf Bundesebene haben wir ein JUMP-Projekt, vom Bund finanziert, in dem im Jahr 1999 allein 20 000 Jugendliche aus Baden-Württemberg waren.
Dann haben wir Kommunalprogramme, in die über 10 000 Personen einbezogen sind – kommunalfinanziert.
Dann haben wir EU-Projekte, und zu guter Letzt bleiben für Baden-Württemberg spezifisch Mittel übrig, wobei nach Ihren eigenen Angaben knapp 5 000 Jugendliche in die entsprechenden Programme einbezogen sind. So sind die Anteile derzeit gewichtet.
Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie dies bisher nicht getan haben, müssen Sie es eben jetzt tun.
Meine Damen und Herren, noch einmal: Sie haben mit den Erfolgen auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun.
Dritter Punkt: Meine Damen und Herren, was wäre denn erforderlich? Jetzt gehen wir ans Eingemachte. Herr Haas hat ja einiges zitiert. Wo gibt es in Baden-Württemberg denn Probleme?
Baden-Württemberg hat im Produktionsbereich mehr Beschäftigte, als dies in anderen Bundesländern der Fall ist,
dafür weniger Beschäftigte im Dienstleistungsbereich.
Herr Haas traut sich nicht mehr, zuzuhören, weil meine Ausführungen nicht seiner Linie entsprechen. Das ist schon klar.
Herr Haas, jetzt hören Sie zu. In Baden-Württemberg wird sich aber der Prozess von der Produktions- hin zur Dienstleistungsgesellschaft einstellen. Das wird in Baden-Württemberg zwar ein bisschen später eintreten, aber er wird sich genauso einstellen. Was passiert denn dabei mit den Jugendlichen ohne Ausbildung und mit den Langzeitarbeitslosen? Sie wissen, dass genau dieser Problemkreis dramatischer und schwieriger wird.
Schauen wir uns einmal die heutigen Zahlen in Bezug auf Baden-Württemberg an. Jetzt hören Sie gut zu.
Derzeit beträgt der Anteil der Unqualifizierten an den Arbeitslosen in Baden–Württemberg 46 %.
Hören Sie zu! Im Bundesmaßstab sind es 23 %.
Bei Älteren – lieber Herr Haas, auch wenn Sie schreien, wird es nicht anders – ergibt sich folgender Unterschied:
38 % Arbeitslose in Baden-Württemberg, 33 % auf Bundesebene.
Jetzt sage ich Ihnen, was Sie tun müssten. Sie müssten in Ihrer Fraktion dafür wirken, dass Baden-Württemberg spezifisch die Mittel aus den vorhandenen Programmen genau in diese Problem- und Perspektivbereiche lenkt.
Nein, das machen Sie eben nicht.
Sie müssen ein ordentliches Programm aufstellen.
Die Wahrheit scheint weh zu tun.
Jetzt sage ich Ihnen, was Sie tun müssten und was Sie nicht tun.
Alles am Ende.
Sie müssten in Baden-Württemberg ein Programm auflegen – nicht so mickrig wie derzeit –, nach dem die EU-Gelder über viele Millionen kofinanziert werden.
Sie müssten in der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Problemgruppen ganz gezielt angehen.
Sie müssten endlich begreifen, meine Damen und Herren, dass aktive Arbeitsmarktpolitik nicht im Ressortdenken stattfinden kann.
Vielmehr müsste aktive Arbeitsmarktpolitik in Verknüpfung mit Wirtschaftsförderpolitik und Förderung von Frauen als Querschnittsaufgabe erfolgen. Erst in diesem Kontext ergibt sich eine sinnvolle Maßnahme.
Im zweiten Teil werde ich mich, sehr geehrte Damen und Herren, im Detail mit dem auseinander setzen, was Sie in Baden-Württemberg gerade machen. Sie machen nämlich nicht nur nichts,
sondern Sie blockieren auch sinnvolle Entwicklungen.
Da wird es ein bisschen detaillierter, und darüber werden wir uns ordentlich streiten können.
Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit in der ersten Runde.
Ja.
Herr Haas, Sie haben etwas nicht begriffen. Ich habe vorhin versucht, zu sagen – ich sage es jetzt ein bisschen ruhiger, und Sie hören jetzt einmal ganz ruhig zu – –
Sie sind doch der Lehrer. Ich bin doch nicht der Lehrer. Sie sind doch der Lehrer, oder? Jetzt hören Sie einmal zu.
Genau. Jetzt hören Sie einfach zu. Herr Haas, ich versuche es noch einmal.
Baden-Württemberg weist eine spezielle Situation auf.
Aus dieser Situation heraus ist die Zahl der Beschäftigten im Produktionsbereich deutlich größer als die in anderen Bundesländern und überdurchschnittlich geringer im Dienstleistungsbereich. Von daher ergibt sich, dass die Problemgruppen anders sind. Das ist an sich doch kein Vorwurf.
Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass in Baden-Württemberg 46 % der Arbeitslosen ohne Ausbildung sind. Wenn ich dies zur Kenntnis nehme, Herr Haas, dann muss ich davon meine aktive Arbeitsmarktpolitik ableiten; sie muss darauf ganz gezielt eingehen. Das machen Sie eben nicht. Sie haben es immer noch nicht begriffen – schade.
Lieber Herr Drautz, der Oberlehrer war gerade dran. Er ist es ja auch von Berufs wegen und hat es auch bewiesen.
Sogar Oberstudiendirektor. Hochachtung!
Er hat auch bewiesen, dass alle Allüren zutreffend sind. Aber auf eines, Herr Wieser, möchte ich doch hinweisen. Wir sind zwar in vielem uneinig; aber Sie haben gesagt – ich habe es mir aufgeschrieben –: Die Steuerreform war richtig.
Das hat er unter Beifall der CDU-Landtagsfraktion gesagt. Ich fand das bemerkenswert. Er hat zwar einen Zusatz gemacht – ich lasse ihn jetzt weg –; aber er hat gesagt: Die Steuerreform war richtig.
Ich habe von Ihnen bisher immer anderes gehört. Aber ich stelle fest, auch Sie sind lernfähig, und finde das beeindruckend.
In einem zweiten Punkt stimmen wir auch überein, damit es da kein Missverständnis gibt. Wir haben in Baden-Württemberg – Gott sei Dank! – die Entwicklung – ich sage es noch einmal –, dass die Jugendarbeitslosigkeit binnen ganz kurzer Zeit um 50 % zurückgegangen ist.
Wir haben in Baden-Württemberg – Gott sei Dank! – auch die Situation, dass die Arbeitslosigkeit allein in den letzten zwei Jahren insgesamt um 30 % zurückgegangen ist. Das muss uns alle, wie wir hier sitzen, freuen, und da haben wir wirklich allen Grund und Anlass, allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren, die mit Geld und Sachverstand sowie mit Verve an dieser Geschichte dran waren, dafür zu danken, dass das möglich war. Das ist überhaupt keine Frage. Genau dies unterstützen wir.
Aber, lieber Herr Drautz, dann müssen wir einfach einmal anschauen, was Sie von der FDP/DVP zusammen mit Ihrem Koalitionspartner gemacht haben. Jetzt machen wir es einmal etwas detaillierter. Schauen wir mal, was die Landesregierung gemacht hat und was sie zu verhindern versucht hat.
Ich fange mit der Europaebene an. Wir haben – Sie wissen es – EU-Programme mit einem Volumen von 64 Millionen DM jährlich zur Verfügung, die kofinanziert werden müssen. Was macht das Land Baden-Württemberg, was
macht diese Regierung? Die schafft eine Kofinanzierung von sage und schreibe 7 Millionen DM; den Rest überlässt sie den Kommunen.
Dann sagt sie aber nicht: Ihr lieben Kommunen, weil ihr den größten Teil der aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen übernehmt, dürft ihr entscheiden. Sie sagt vielmehr: Wir geben gemäß Fraktionenproporz 30 % zum Wirtschaftsministerium – die dürfen verteilen und versuchen es dann auf regionaler Ebene – und 70 % zum Sozialministerium. Die versuchen dann, auf Kreisebene zurechtzuwursteln.
Entschieden, was tatsächlich läuft, wird aber auf Landesebene. Das läuft also nach dem Motto: Kommunen, zahlt mal, und wir entscheiden, was richtig ist.
Natürlich ist das wahr! Das sind doch auch Ihre Zahlen.
Zweiter Punkt, zur Bundesebene, meine lieben Damen und Herren und Kolleginnen und Kollegen: Sie schmücken sich gern mit den Erfolgen, die die aktive Arbeitsmarktpolitik auch in Baden-Württemberg aufzuweisen hat. Sie wissen genau, dass da Milliardenprogramme drinstecken, die unter anderem durch Zuschüsse auch auf Bundesebene an die Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden. Es ist aber keine vier Wochen her, da hat die CDU-Fraktion beantragt, den BfA-Beitrag deutlich zu senken, sprich – in der Übersetzung – den Beitrag für den aktiven Arbeitsmarkt deutlich zu senken, und sie versucht auf Bundesebene auch noch, die erfolgreichen Schritte, die da geleistet worden sind, an dieser Stelle zu sabotieren.
Kein Wort davon in der heutigen Debatte! Da schweigen Sie im Prinzip zu Recht, weil Sie merken, dass Sie da nicht zurechtkommen.
Was macht Ihr Finanzminister? Ihr Finanzminister verkündet in Interviews inzwischen: Übernahme der Tarifergebnisse für Beamte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Tarifergebnissen steckt unter anderem eine Verbesserung der Altersteilzeit, doch die haben wir in BadenWürttemberg für Beamte nicht. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland in Deutschland, welches keine Altersteilzeitregelung für Beamte kennt. Ein Unding! An dieser Stelle haben Sie auch das Bündnis für Arbeit platzen lassen.
Wenn wir dann auf die Landesebene gehen, wird es eigentlich ganz finster und traurig. Ich gestatte mir, die Stichworte abzulesen, weil ich mir so viele gar nicht merken könnte.
Sie haben angefangen, das Arbeits- und Zukunftsprogramm für Langzeitarbeitslose in Ihrer Legislaturperiode zu senken, und zwar um 30 %, und einen Personenkreis auszunehmen, der in den Statistiken jetzt wieder erscheint, aber schon vorher bereits da war, nämlich die Langzeitar
beitslosen, die schwierig vermittelbar sind. Jetzt heißt es aber bei Ihnen, Sie konzentrierten sich auf die vermittelbaren. Sie tun also genau das, was eigentlich die Bundesanstalt für Arbeit über ABM und sonstige Maßnahmen macht, aber das, was landesspezifisch gemacht werden müsste, funktioniert nicht.
Sie streichen die Sprachkurse.
Wenn wir wissen, dass Qualifikation Voraussetzung für den Eintritt in den Arbeitsmarkt ist, und wir trotzdem Sprachkurse streichen, zum Beispiel im Aussiedlerbereich,
dann wissen wir auch, dass wir ganz klar Arbeitslose produzieren. – Natürlich ist das so.
Sie wissen auch – jetzt gehen wir ein bisschen weiter –, dass wir in Baden-Württemberg bei der Investitionsquote so ziemlich am Ende aller Bundesländer sind.
Stichwort Auftragsvergaberichtlinien: Sie weigern sich, überhaupt Kriterien aufzunehmen, um dem, was wir anpacken müssen, überhaupt gerecht zu werden, zum Beispiel Langzeitarbeitslose zu berücksichtigen,
zum Beispiel Betriebe, die ausbilden, zu berücksichtigen,
und zum Beispiel auch Betriebe, die Frauenförderung betreiben. Da weigern Sie sich einfach. Da kommt ein klares „Njet!“.
Ich will mit Folgendem aufhören: Dann sagt der LVI, dessen Vorsitzender ja Ihrer Partei angehört – –
Ist das nicht so?
Dann zitiere ich ihn so: Wir brauchen in Teilbereichen inzwischen wieder qualifizierte Arbeitskräfte. Weiter fragt er: „Wo gibt es die?“ Dann sagt er weiter: „Im Bereich der Frauen.“ „Die kriegen wir aber nicht“, sagt er, „weil die entsprechenden Betreuungsvarianten und -möglichkeiten nicht da sind.“
Und dann sehe ich dieses Rumgegurke von Ihnen mit der Halbtagsschule, und dann merke ich, dass Sie überhaupt keine Vorstellung von einem Konzept einer aktiven Arbeitsmarktpolitik haben und dass deswegen die Möglichkeiten, die das Land Baden-Württemberg hätte, überhaupt nicht ausgenutzt werden.
Danke schön.
Herr Minister, würden Sie mir Recht geben,
dass der Bundeshaushalt der BfA, der Bundesanstalt für Arbeit, deutlich dadurch entlastet wurde, dass die Arbeitslosenzahlen deutlich gesunken sind?
Wenn Sie das mit Ja beantworten – vielen Dank; er hat es schon mit Ja beantwortet –,...
... würden Sie mir dann zustimmen, dass der Bund gut daran tut, Querfinanzierungen, die nicht notwendig sind, um aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, da zu belassen, wo sie normalerweise hingehören, nämlich bei der BfA?
Wenn Sie auch das bestätigen, würden Sie mir dann bestätigen, dass die Kürzung, die Sie beim BfA-Beitrag vorschlagen, am Schluss tatsächlich an die Substanz der aktiven Arbeitsmarktpolitik gehen würde? Denn dann wären Maßnahmen betroffen, nicht aber durch das Finanzgebaren, das gerade auf Bundesebene stattfindet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern gab es eine Presseerklärung aus Nordrhein-Westfalen: Gemeinsame Erklärung der Partner im Ausbildungskonsens NRW: Jeder junge Mensch, der ausgebildet werden will, wird ausgebildet. Der Ausbildungskonsens NRW wird fortgeführt. Er war zwar ursprünglich nur auf fünf Jahre, bis 2001, geschlossen worden. Wie Arbeitsminister Schartau heute in Düsseldorf mitteilte, ist die Fortsetzung jetzt nach einem Spitzengespräch aller Partner beschlossen worden. Auch künftig werden sich die Anstrengungen der Konsenspartner auf die Gewinnung neuer Ausbildungsplätze und Betriebe sowie verstärkt auf die Besetzung offener Ausbildungsstellen konzentrieren.
Meine Damen und Herren, es wäre schön, wenn wir in Baden-Württemberg etwas Ähnliches hätten.
Aber trotz aller Appelle an Dialogbereitschaft, trotz aller Appelle, unsere Kräfte zusammenzufassen, die Kräfte der verschiedenen Akteure, was Berufsausbildung und auch Förderung der überbetrieblichen Bildungsstätten – das ist das Thema – anlangt – es wäre schön, wenn wir so etwas hinkriegen würden –, ist das leider nicht so. Außer Parolen gibt es leider keine Umsetzung.
Meine Damen und Herren, wir müssen auch in BadenWürttemberg neue Ausbildungsplätze gewinnen. Dazu müssen wir es zuerst schaffen, die Unternehmen und Betriebe, die bereits heute ausbilden, bei der Stange zu halten, damit sie weiter ausbilden und neue Ausbildungsplätze schaffen.
Da ist dann die Frage: Welche Beiträge leistet das Land Baden-Württemberg, um dies tatsächlich zu tun? Dazu gehört natürlich auch – zu den neuen Anforderungen nenne ich Ihnen ein paar Stichpunkte – der Teil überbetrieblicher Bildungsstätten, die ein wichtiges Element, ein Mosaik in der Berufsausbildung darstellen. Auch hier müssen wir unseren Teil beitragen und das so pflegen, dass die Betriebe, für die das eigentlich Sinn macht, davon auch etwas abkriegen.
Wir haben es – das ist vorhin bereits diskutiert worden – auch mit veränderten Berufsbildern zu tun, mit völlig neuen Anforderungen. Gerade die neuen Anforderungen sind wieder ganz wichtig für den Bereich überbetrieblicher Bildungsstätten. Ich will nur geschwind einen kurzen historischen Ausflug machen. Entstanden sind sie in den Siebzigerjahren. Da war die Qualität der Berufsbildung stark infrage gestellt, duale Ausbildung. Da haben die Wirtschaft und Gott sei Dank auch die staatliche Seite so reagiert, dass sie überbetriebliche Bildungsstätten mit unterstützt haben. Die Großindustrie ist dazu übergegangen, Lehrlingswerkstätten zu gründen. Damals – das gilt auch heute – war die Zielsetzung, überbetriebliche Bildungsstätten so auszustatten, dass kleine Betriebe, die allein nicht in der Lage wären, eine Ausbildung hinzubekommen, und mittlere Betriebe tatsächlich in die Lage kommen, auszubilden, weil dann nämlich die entsprechende Unterstützung kommt.
Das ganze Ding wurde häufig über Kammern und Innungen zusammengefasst, also sehr industrienah, und wurde in der Regel von den Betrieben und Unternehmen selber finanziert, zum Zweiten vom Bund und zum Dritten vom Land. Jetzt sind wir beim eigentlichen Thema, nämlich bei der Finanzierung der Bildungsstätten.
Das war sozusagen das Vorwort. Ich werde jetzt ein Zwischenresümee ziehen, im zweiten Teil konkret auf BadenWürttemberg gucken und Ihnen aufzeigen, wie sich hier die Finanzierung in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre verändert hat, und dem gegenüberstellen, wie das war, als die SPD in der Regierungsverantwortung dafür stand.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen mein Zwischenresümee, und danach diskutieren wir. Sie haben es geschafft, in der Zwischenzeit auch zu diesem Bereich zwei Zukunftsinitiativen aufzubauen. Das war die Jugendoffensive oder wie Sie es genannt haben, und es war die Zukunftsinitiative Handwerk. Sie haben es geschafft, in dieser Zeit die regulären Haushaltsmittel auf null zu fahren, und
Sie haben es geschafft, über zwei Initiativen die Förderung, die Sie hineingesteckt haben, unterm Strich geringer zu halten, als das vorher im regulären Haushalt der Fall war. Das drückt das Armutszeugnis aus, mit dem sich die Regierung konfrontieren lassen muss. Sie macht große Sprüche, bläst sich ziemlich auf, und unterm Strich fehlen die Fakten.
Im zweiten Teil will ich versuchen, das ein bisschen zu filetieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern, sondern nur noch einige Punkte anführen.
Erster Punkt: Herr Hofer, Ihre Aussage ist nicht richtig, der Bund habe seine Mittel verringert. Zumindest was die alten Bundesländer anbelangt, hat er seine Mittel leicht aufgestockt – ich kann es Ihnen zitieren, mir liegt es hier vor –, und zwar zwischen 1998 und 1999 von 15,7 auf 16,3.
Nein, sie sind prozentual gestiegen. In den neuen Bundesländern haben wir den Sondereffekt, den Sie selbst genannt haben.
Herr Keitel, das mit den Zukunftsinvestitionsprogrammen ist so eine Geschichte. Darum will ich dazu noch etwas sagen. Ich will Ihnen kurz die Historie nennen.
Sie hatten gerade Regierungsverantwortung übernommen, als weitsichtige Abgeordnete – Puchta und andere – einen Antrag eingebracht haben. Sie wollten wissen, was mit den regulären Geldern passiert, wenn neue Zukunftsprogramme aufgebaut werden. In der Begründung des Antrags haben sie erklärt, sie hätten den Eindruck, dass die regulären Gelder gekürzt würden und dafür ein Zukunftsinvestitionsprogramm aufgelegt werde.
Das Wirtschaftsministerium hat in seiner Stellungnahme zu dem Antrag im Juli 1997 zum Ausdruck gebracht, in der Koalitionsvereinbarung sei verabredet, dass eine Förderung von Einzelprojekten sowie Modernisierungs- und Erneuerungsinvestitionen der überbetrieblichen Bildungsstätten stattfinden sollten.
Und weiter: Die dafür vorgesehenen Mittel sollen die laufende Förderung der beruflichen Bildung ergänzen und nicht ersetzen. Ergänzen und nicht ersetzen! Aber dann gibt es eine leichte Einschränkung: Sollten jedoch die Sparbeschlüsse so weitergehen, ist nicht auszuschließen, dass vielleicht teilweise doch etwas passiert. Das war im Juli 1997.
Im November sind dann auch im Zusammenhang mit einem Nachtragshaushalt ganz neue Zahlen aufgetaucht. Wir haben dann plötzlich folgende Situation: Sie hatten unter der Verantwortung der FDP/DVP von 1995 auf 1996 den regulären Haushalt bereits von 9,3 Millionen DM auf 3,6 Millionen DM reduziert. Von 1996 auf 1997, als es darum ging, die regulären Gelder mit Zukunftsprogrammen zu ergänzen, stehen sage und schreibe noch 0,6 Millionen DM im regulären Haushalt.
Also auf Deutsch: Sie haben im Prinzip den regulären Haushalt auf null gefahren
und haben dafür werbemäßig groß zwei verschiedene Zukunftsprogramme angekündigt. Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas. Das mag Ihnen nicht passen, das ist schon recht. Es braucht Ihnen auch nicht zu passen. Aber der Realität entspricht es trotzdem, die kann man eben nicht wegschreien.
Wir haben folgende Situation – Hagen Kluck hört jetzt auch zu –: Von 1992 bis 1995, als die SPD hierfür Verantwortung trug, gab es Ausgaben in Höhe von 36 Millionen DM für Investitionen überbetrieblicher Bildungsstätten; das ist unser Thema heute. Jetzt antwortet die Regierung auf unsere Anfrage, dass von 1997 bis 2001 – also sogar im Vorgriff auf nächstes Jahr – insgesamt Mittel in Höhe von sage und schreibe 25 Millionen DM über zwei Zukunftsinvestitionsprogramme und reguläre Haushaltsgelder bereitgestellt werden.
Da muss man schon sagen, Herr Hofer: Wahlkampf ist ja recht, und jede Partei darf ihren Wahlkampf machen. Aber man sollte die Leute an dieser Stelle nicht für dumm verkaufen.
Wenn ich Sonderprogramme auflege, dann wäre es seriös, zu sagen: Liebe Leute, wir haben nur wenig Geld und an dieser Stelle einiges versäumt. Es tut uns Leid, dass wir da gleich zwei Programme aufgeplustert haben.
Erforderlich ist – deshalb beantragen wir auch die Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss und deshalb macht die Debatte Sinn –,
dass wir berechenbare Gelder für diese künftigen Investitionsmaßnahmen bekommen. Da sind Sie aufgefordert, nicht nur auf tönernen Füßen Gelder aus irgendwelchen Zukunftsprogrammen zusätzlich zu den regulären Mitteln einzustellen.
Wenn das passiert, Herr Hofer und meine Herren und Damen von der CDU, dann werden wir das lobend erwähnen.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während des Redebeitrags von Frau Fauser habe ich noch einmal den Antrag zur Abhaltung der Aktuellen Debatte herausgekruschtelt, unterschrieben vom Fraktionsgeschäftsführer der FDP/DVP, Bergmann.
Dort heißt es:
Positive Effekte einer Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse...
Dann wird begründet:
Wir brauchen außer dem IT-Bereich weitere Bereiche in der mittelständischen Wirtschaft, wo die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften nicht verzichtbar ist.
Also war die Themenstellung von heute ein bisschen anders. Liebe Frau Fauser, auch Kollege Schuhmacher von der CDU, ich habe den Eindruck, dass Sie heute schlicht und einfach ein neues Thema daraus machen, weil sich dieses Problem, zumindest was die Bundesebene anlangt, zwi
schenzeitlich in der Lösung befindet. Sie bringen das Thema „befristete Arbeitsverhältnisse“ heute zur Debatte, wie es pur gerade auf Bundesebene diskutiert wird.
Ich will zu beidem etwas sagen.
Ich will mit dem Thema anfangen, das die FDP in letzter Zeit, in den letzten Monaten laufend zumindest zu diskutieren versucht hat. Ich will mit dem Thema anfangen: Was passiert denn in den Betrieben, in denen ausländische Arbeitskräfte tätig sind, vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge, die raus müssen, zurückgeführt werden? Man weiß, dass dadurch andere Arbeitskräfte eventuell arbeitslos werden oder dass gar die Existenz von ganzen Betrieben bedroht ist. Das war ursprünglich die Themenstellung für heute, zumindest haben Sie es so formuliert, meine Damen und Herren.
Sie haben es offensichtlich nicht geschafft, Frau Fauser, sich als FDP/DVP gegenüber der CDU auch nur halbwegs durchzusetzen. Nachdem Ihnen der Döring
Ende März den Kopf gewaschen hatte, als Sie unsere Anträge in dieser Richtung abgelehnt hatten, hat der Innenminister in Zusammenarbeit mit Teufel verhindert, saubere Lösungen zu finden. Ihr Themenwechsel kommt wohl daher, dass nach Ihrem Antrag auf Durchführung der Aktuellen Debatte und nach der Themensetzung das Bundesarbeitsministerium in einer Pressemitteilung erklärt hat, dass es auf dieser Ebene eine Einigung gab, dass dieses Problem dahin gehend einer Lösung zugeführt wird, dass Bürgerkriegsflüchtlinge ohne Wartezeit in Arbeit kommen können, natürlich mit nachrangigem Arbeitsplatzzugang, und dass entsprechende Verlängerungen problemlos möglich sein werden. Offensichtlich passt es Ihnen als Opposition im Bundestag nicht in den Kram, dass die Bundesregierung ein Problem, dessen Lösung Sie angemahnt hatten, einer Lösung zugeführt hat.
Meine Damen und Herren, dieses Problem gibt es natürlich weiterhin. Sie rufen: „Fachkräftemangel“ – Herr Schuhmacher hat es gerade im Prinzip ebenfalls gesagt –, schaffen aber nicht gleichzeitig bei Ihrem Koalitionspartner die Voraussetzungen dafür, dass er die Frage, welche Arbeitskräfte bei uns arbeiten dürfen, ordentlich auf die Reihe bringt. Da wird ideologisch borniert diskutiert.
Da wird in dem Stil, auf den Kleinen herumzuhacken und mit dem Feuer zu spielen, immer wieder kräftig in die Kiste der Ausländerfeindlichkeit und des Populismus gegriffen. Und diesen Teil machen Sie mit.
Zu befristeten Arbeitsverhältnissen selber will ich im zweiten Teil mehr sagen. Für den ersten Teil vielleicht nur so viel: Befristete Arbeitsverhältnisse gab es schon immer, selbst in der Zeit, bevor Sie auf Bundesebene an die Regierung gekommen sind. Was Sie eingeführt haben und was
jetzt richtigerweise wieder einer Lösung zugeführt wird, ist, dass befristete Arbeitsverhältnisse nicht mehr nach Nasenspitze, nicht mehr mit beliebig langen Kettenverträgen reguliert werden, sondern dass eine klare Zeitvorgabe stattfindet, innerhalb derer befristete Arbeitsverhältnisse möglich sind, und dass eine saubere Begründung dafür, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis notwendig ist, verlangt wird.
Herr Schuhmacher, Sie sind ein Mittelständler. Wenn ich zurzeit mit einem Mittelständler diskutiere, dann bekomme ich die Auskunft, dass die Handwerksbetriebe immer wieder dringend qualifizierte Leute suchen.
Wenn ich sie aber nach befristeten Arbeitsverhältnissen frage, dann lachen sie sich halb tot
und sagen: „Wir brauchen keine befristeten Arbeitsverhältnisse, sondern wir brauchen die Leute.“ Wenn ich einem qualifizierten Meister in dieser Zeit einen befristeten Arbeitsvertrag anbiete,
dann kommt der gleich gar nicht zu mir, weil er ja blöd wäre, wenn er zum Beispiel ein gesichertes Arbeitsverhältnis aufgeben würde.
Von daher ist die Diskussion, die Sie angezettelt haben, einigermaßen quer, erstens in ihrer Antragstellung und zweitens von der tatsächlichen Problemlage her gesehen.
Danke schön.
Ich will noch ein paar Anmerkungen zum Thema machen, wie es sich jetzt entgegen Ihrer schriftlichen Ankündigung der Aktuellen Debatte, Frau Fauser, herauskristallisiert hat. Ich möchte mit einer Bemerkung von Frau Lichy anfangen. Frau Lichy sagte, es gebe Untersuchungen, wonach sich das Beschäftigungsförderungsgesetz als wirksam erwiesen habe. Begründung – ihre Begründung –: 50 % der befristet Eingestellten seien ja in Dauerarbeitsverhältnisse übernommen worden.
Genau dies war die Begründung von Infratest dafür, dass dieses Gesetz nicht wirksam war: weil nämlich auch ohne dieses Gesetz automatisch unbefristete Arbeitsverhältnisse geschaffen worden wären. Genau diese Untersuchung von Infratest war der Beleg dafür, dass die Befristung, die Sie 1985 eingeführt haben, umsonst war. Die Basis für die Befristung war ja früher das BGB, das Bürgerliche Gesetzbuch, § 620. Da gab es ja schon die Befristung.
Befristungen haben natürlich gute Gründe – wenn sie gute Gründe haben. Dieser Zustand soll wieder hergestellt werden. Ein guter Grund ist zum Beispiel der Mutterschutz oder ein neues Projekt oder – was heute oft tarifvertraglich geregelt ist – die garantierte Übernahme von Auszubildenden in feste Arbeitsverhältnisse. Das läuft dann unter Befristung.
Dies alles wird mit dem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung überhaupt nicht infrage gestellt. Im Gegenteil, das soll abgesichert werden.
Aber jetzt will ich Ihnen sagen, was nicht abgesichert wird: Es soll nicht abgesichert werden, dass in Zukunft Nasenspitzenzulagen oder Wohltaten möglich sind und dass die Menschen Ängste um den Arbeitsplatz ausstehen müssen, weil sie keine verbürgten Rechte haben. Dieser Zustand soll abgeschafft werden, und das begrüßen wir selbstverständlich.
Zu guter Letzt – ich will es nicht allzu weit ausführen, Herr Schumann – –
Herr Schuhmacher, Entschuldigung. – Der Präsident der Handwerkskammer Baden-Württemberg beklagt sich bitterlich darüber, dass die Industrie in Zeiten, in denen die Arbeitsmarktsituation entspannter wird – Gott sei Dank ist von dieser Bundesregierung in dieser Richtung ja einiges getan worden –, Arbeitskräfte – oft vom Handwerk qualifi
ziert – abzieht. Jetzt frage ich Sie: Was soll denn die Diskussion um eine Befristung im Interesse des Mittelstands und der Handwerksbetriebe für einen Sinn machen? Die müssen doch darum kämpfen, Arbeitsplätze zu halten und zu bekommen, weil die teilweise schon wieder abgezogen werden. Ich wiederhole es noch einmal: Wer qualifizierte Leute will – und das Handwerk braucht sie, und die kleinen Betriebe brauchen sie insbesondere; denn die verdauen jemanden Schlechtes natürlich umso schlechter –, der muss natürlich für eine ordentliche und saubere Regelung der befristeten Arbeitsverhältnisse sein.
Deshalb ändern wir das. Ich kann Ihnen nur Mut zusprechen, dafür Ihre Stimme zu erheben, dass unser Gesetzentwurf Gesetz wird oder zumindest auf dieser Basis ein Gesetz konstruiert wird.
Danke schön.