Ingo Rust

Sitzungen

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Herr Minister, ist das Land auf die anderen – sprich auf die EnBW – zugegangen oder umgekehrt?
Herr Minister, ist die Landesregierung auf die Partner, sprich auf die EnBW, zugegangen, oder war es andersherum? Das ist eine Frage, die sich einfach beantworten lässt.
Herr Kollege Dr. Noll, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Begriff „nachlaufende Studiengebühren“ faktisch falsch ist, weil es keine nachlaufenden Studiengebühren, sondern allgemeine Studiengebühren sind? Die Studierenden müssen die Gebühren sofort bezahlen und bekommen gnädigerweise das Angebot eines Kredits. Nachlaufende Studiengebühren sind international immer so gestaltet, dass sie nach dem Studium zu zahlen sind, und zwar nicht über einen Kredit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung kommt mit diesem Bericht ihrem in unserer Landesverfassung verankerten Auftrag nach, uns, das heißt dem Parlament, über ihre Aktivitäten in der Europapolitik zu berichten. Dieser Bericht wurde zum zehnten Mal vorgelegt. Wir können deswegen auch von einem kleinen Jubiläum, von einem Geburtstag dieses Europaberichts sprechen.
Pünktlich zum Jubiläum hat der Bericht auch einen veränderten Umfang und eine andere Form erhalten. Ich meine damit weniger das Konterfei des Ministers, das den Bericht neuerdings ziert
und ihm dadurch zweifelsohne optisch eine neue Qualität verleiht
ich habe nicht gesagt, welche Qualität, ich habe nur gesagt: eine neue Qualität –; ich meine damit vielmehr die Informationstiefe, die sich mit diesem neuen Bericht drastisch verändert hat.
Ich möchte darum, bevor ich zum Inhalt komme, zunächst ganz kurz auf den Umfang und den Informationsgehalt des Berichts eingehen.
Ich glaube, wir werden bei der Bewertung des Berichts kein Pauschalurteil fällen können, da die unterschiedlichen Teile des Berichts auch in Qualität und Informationstiefe sehr stark differieren. Dementsprechend waren auch die Aussprachen über den Bericht in den verschiedenen Ausschüssen sehr unterschiedlich.
Die Teile A und B, wo es um die allgemeinen Schwerpunkte der Europapolitik der Landesregierung geht, sind aus unserer Sicht im Umfang ausreichend und geben einen guten Überblick darüber, wo die Landesregierung ihre europapolitischen Schwerpunkte setzt, aber auch darüber, wo sie sie nicht setzt.
Sehr viel schwieriger wird es beim Teil C, Herr Minister Stächele, wo im letzten Bericht Informationen sehr umfangreich dargestellt wurden und wo man jetzt den Eindruck hat, dass das Ganze in das andere Extrem umgeschlagen ist und die Informationen nur noch bruchstückhaft die Aktivitäten der Landesregierung auf europäischer Ebene darstellen. Ich möchte anhand einiger Beispiele aufzeigen, wo aus unserer Sicht die Defizite in Teil C vorhanden sind.
Beispiel eins: III. Kultus, Jugend und Sport. Gerade einmal eine einzige Seite bleibt für dieses wichtige Thema in diesem neuen Europabericht übrig.
Die Einzelaktivitäten im letzten Europabericht haben annähernd 25 Seiten umfasst. Wichtige Informationen zu den Themen berufliche Bildung und Anerkennung von Berufsqualifikationen und vor allem Informationen zu den Aktivitäten und Bildungsinitiativen des Oberrheinrats fehlen gänzlich. Dieses Defizit wurde im Übrigen im Ausschuss nicht nur von SPD-Abgeordneten bemängelt, sondern auch von CDU-Abgeordneten eingestanden. Auch der jetzige Kultusminister – damals noch Staatssekretär – hat eingeräumt, dass es da Nachholbedarf gibt. Wir möchten die Landesregierung deswegen ausdrücklich bitten, in diesem Bereich im nächsten Bericht, falls diese Landesregierung diesen Bericht noch vorlegen wird, nachzulegen und diesen Bereich ausführlicher zu behandeln.
Beispiel zwei: IX. Umweltpolitik. Auch in diesem wichtigen Bereich auf europäischer Ebene wurde die Darstellung massiv gekürzt, und die Aufzählungen der einzelnen Bereiche haben nicht annähernd die Informationstiefe, die für diesen wichtigen Bereich notwendig wäre.
Drittes und letztes Beispiel: VII. Agrarpolitik. In Anbetracht dessen, dass das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum fast 80 % der Rückflüsse aus der Europäischen Union nach Baden-Württemberg in seinem Zuständigkeitsbereich bekommt, sind eineinhalb Seiten in diesem Bericht eher beschämend. Bei einem Europaminister, der aus seiner vorherigen Tätigkeit eigentlich Kenntnisse über diesen Bereich haben müsste, hätte ich erwartet, dass etwas mehr zu diesem wichtigen, auch finanziell sehr wichtigen Bereich des Landes berichtet wird.
Was mich wirklich massiv erstaunt hat, war – das kann man ressortübergreifend sagen –, dass die tabellarische Zusammenstellung der Rückflüsse, die bisher am Ende des Berichts angehängt war, jetzt gänzlich fehlt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns in diesem Hause einig, dass wir täglich bei den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land für die europäische Sache werben müssen. Zum Werben für Europa gehört auch, dass wir den Menschen zeigen, wo in unserem Land positive Akzente von Europa gesetzt werden, wo die Europäische Union wichtige Projekte im Land unterstützt und finanziert. Dazu brauchen wir, Herr Minister, die Aufstellung der Rückflüsse en détail, damit wir im Werben für Europa den Menschen zeigen können, was Europa für Baden-Württemberg ganz konkret vor Ort bringt.
Ich möchte darum die Landesregierung und Sie, Herr Minister Stächele, dringend bitten, dort, wo in den Ausschüssen Nachholbedarf angemeldet wurde, diese Informationen nachzulegen und im Interesse Europas vor allem die Liste der Rückflüsse wieder in die zukünftigen Berichte einzusetzen bzw. diesen anzuhängen. Das war in der Vergangenheit ein wichtiger Aspekt. Das hat den örtlichen Abgeordneten geholfen, zu sehen, was in den einzelnen Wahlkreisen gemacht wird. Es hat für das Werben für Europa geholfen. Deswegen muss diese Liste wieder in den Bericht aufgenommen werden.
Ich möchte nun zu einigen Inhalten des Berichts kommen. Ich will mit der Verfassung beginnen. Einig sind wir uns, Herr Kollege Mack, darüber, dass wir mit den negativen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden nicht am Ende des Verfassungsprozesses sind. Es muss weitergehen, und ich bin zuversichtlich, dass es weitergehen wird. Wir begrüßen die Haltung der Landesregierung, die auf Seite 12 des Berichts bekräftigt, dass sie weiter zum Verfassungsvertrag steht.
Wir begrüßen auch, dass die Landesregierung im Rahmen des in der Verfassung verankerten Frühwarnsystems den Landtag mit einbeziehen will. Was ich allerdings gänzlich vermisst habe, ist die Mitteilung, wie sie das konkret zu tun gedenkt. Da wird über mehr als eine Seite sehr ausführlich berichtet, wie sich die Landesregierung ihre Einbindung über Bundesrat und andere Gremien in diesen Prozess, in dieses Frühwarnsystem vorstellt; wo aber der Landtag, also wir, eingebunden werden soll, steht mit keinem Wort drin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Haltung dazu kennen Sie. Der SPD-Fraktion ist das Thema Europa so wichtig, dass wir es für dringend geboten halten, auch in BadenWürttemberg wie in den meisten anderen Bundesländern einen Europaausschuss einzuführen.
Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben dieses Ansinnen mehrfach abgelehnt, aber wir hoffen, dass Sie irgendwann dem Thema den Stellenwert einräumen, den Europa auch in diesem Hause verdient hat.
Mit großem Erstaunen habe ich beim Lesen des Berichts zur Kenntnis genommen, dass auch die Landesregierung er
kannt hat, dass wir die Menschen in Baden-Württemberg auf dem Weg nach Europa mitnehmen müssen. Auf Seite 7 des Berichts steht zu diesem Thema – ich zitiere –:
Dies muss im Dialog mit den Bürgern aufgegriffen werden.
Oder auf Seite 9 heißt es, es müssten
diese Vorteile auch deutlich von der EU, den Mitgliedsstaaten, den Ländern und den gesellschaftlichen Gruppen transportiert werden.
Das ist schön zu lesen; ich frage mich nur, wo das passiert. Meine Damen und Herren, Herr Minister, es genügt leider nicht, bei Sekt und Häppchen in Brüssel für Baden-Württemberg zu werben. Wir müssen auch in Baden-Württemberg für Europa werben. Dazu fehlt in diesem Bericht jegliches Konzept.
Es kommt noch schlimmer: Die Landesregierung lehnt jede Diskussion über die Zukunft Europas ab. Auf Seite 9 des Berichts steht nämlich:
Dagegen erscheint es wenig zielführend, theoretisch darüber zu philosophieren, ob die Union zu einer „Freihandelszone de luxe“ oder zu einem „sozialen Wohlfahrtsgebilde“ werden soll.
Meine Damen und Herren, genau darüber müssen wir jetzt diskutieren.
Wir müssen darüber reden, wie wir uns Europa in Zukunft vorstellen. Soll es ein loser Staatenbund sein, in dem nur die Wirtschaft liberalisiert wird, oder wollen wir in Richtung eines Bundesstaats mit weitgehender Harmonisierung im Bildungsbereich, im Steuerbereich und in Umweltfragen gehen? Darüber müssen wir jetzt mit den Menschen diskutieren. Wir sind mitten in diesem Prozess. Deswegen, meine Damen und Herren, hat ein so abfällig formulierter Satz im Europabericht einer Landesregierung nichts zu suchen.
Aus aktuellem Anlass und weil es der Kollege Mack auch angesprochen hat, noch einige Worte zum Thema „Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit die CDU, seit sie in Berlin nicht mehr mitregieren durfte, mit diesem Thema Angst und Schrecken verbreitet.
Noch ein Jahr vor dem Regierungswechsel 1997 wurde auf dem EU-Gipfel in Luxemburg mit Zustimmung des damaligen Bundeskanzlers und, ich glaube, ehemaligen Ehrenvorsitzenden der CDU, Helmut Kohl, festgestellt, dass die Türkei für eine Aufnahme in die EU infrage komme. Es wurde sogar eine Strategie ausgearbeitet, mit der es der Türkei
möglich wird, in die EU aufgenommen zu werden. Vorausgegangen waren 30 Jahre Verhandlungen mit Versprechungen, die jedes Mal mit Zustimmung der deutschen Bundesregierung abgegeben worden sind.
Fakt ist: Die Beitrittsverhandlungen werden aufgenommen. Sie werden einige Jahre dauern; man geht von einer Dauer von zehn bis 15 Jahren aus. Ziel ist eine Vollmitgliedschaft nach diesen Verhandlungen.
Die Verhandlungen werden aber ergebnisoffen geführt. Das heißt, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden – und das sind harte Kriterien –, wird es keine Mitgliedschaft geben. Die Kriterien sind hart und werden für die Türkei nicht einfach zu erfüllen sein. Aber das ist auch gut so. Nur so erreichen wir eine Reformgeschwindigkeit in der Türkei, mit der es in diesem Land vorangeht auf dem Weg zu einer möglichen Aufnahme in die EU.
Wir dürfen auch nicht vergessen, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn die Türkei den Ansprüchen der Europäischen Union gerecht wird. Die Türkei wäre damit nicht nur einer der wenigen islamisch geprägten Staaten, in denen Demokratie funktioniert. Sie wäre damit auch ein Vorbild für alle Staaten im Nahen Osten, ein Beispiel, wie der Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen funktionieren kann. Bei der ganzen Diskussion um die Einzelheiten dürfen wir die Vorbildfunktion der Türkei in diesem Bereich nicht vergessen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! 40 Jahre Elysée-Vertrag durften wir im Jahr 2003 feiern. Das bedeutet 40 Jahre Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich nach mehreren hundert Jahren, die durch Misstrauen und Krieg geprägt waren. Vor allem der Südwesten Deutschlands hat unter den Auseinandersetzungen in den letzten Jahrhunderten gelitten, und zwar nicht nur wegen der Länge der Grenze zu Frankreich, sondern auch wegen der traditionell engen Beziehungen nicht nur in den grenznahen Regionen Baden-Württembergs.
Es ist und bleibt eine großartige historische Leistung, was de Gaulle und Adenauer 1963 vereinbart und was Chirac und Schröder 2003 bekräftigt haben. Wer hätte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedacht, dass Frankreich und Deutschland zu den Motoren der europäischen Einigung werden würden? Ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit wären wir in Europa noch lange nicht so weit, wie wir es heute sein dürfen.
Im letzten Jahr, meine Damen und Herren, wurde der 22. Januar zum ersten Mal offiziell als Deutsch-Französi
scher Tag gefeiert. Auch das ist ein Zeichen besonderer Wertschätzung der Länder füreinander. Die Regierungen der beiden Länder haben außerdem Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit eingesetzt. Herr Kollege Fleischer hat es eben schon gesagt. Der deutsche Beauftragte ist Staatsminister Bury, der übrigens aus BadenWürttemberg kommt.
Die Beziehungen Baden-Württembergs zu Frankreich lassen sich im Wesentlichen in drei Dimensionen ausdrücken: einer wirtschaftlichen Dimension, einer kulturellen Dimension und einer gesellschaftlich-politischen Dimension. Ich möchte auf diese drei Dimensionen kurz eingehen.
Zunächst zur wirtschaftlichen Dimension: Die Antwort der Landesregierung auf die Frage 6 der Großen Anfrage war nicht überraschend. Frankreich ist mit einem Anteil von über 10 % an den baden-württembergischen Gesamtexporten auf Platz 1 unserer europäischen Exportziele und hinter den USA auf Platz 2 weltweit. Diese Zahlen unterstreichen sehr deutlich, wie wichtig Frankreich für Baden-Württemberg und die baden-württembergische Wirtschaft ist. Gleiches gilt aber auch umgekehrt: Baden-Württemberg ist unter den deutschen Bundesländern mit 16,6 % Anteil an den französischen Gesamtimporten auf Platz 1 und damit wichtigster Absatzmarkt für französische Waren innerhalb Deutschlands. Diese wenigen Zahlen belegen: Frankreich und Baden-Württemberg profitieren sehr stark und wechselseitig von den engen Beziehungen und natürlich auch von der räumlichen Nähe.
Die zweite Dimension ist die kulturelle Dimension. Was die sprachlichen Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und Frankreich angeht, können wir mit Recht sagen, dass der Südwesten – ich nehme dabei ausdrücklich das Saarland und Rheinland-Pfalz mit dazu – schon seit Jahrhunderten enge Verflechtungen hat. Nicht nur der badische und der schwäbische Dialekt sind übersät von französischen Einschlägen wie „Bottschamberle“ oder „Waschlavor“.
Es gibt noch mehr: „Souterrain“. – Spaß beiseite: Französisch ist in Baden-Württemberg nach Englisch die wichtigste Fremdsprache. An den Gymnasien des Landes nimmt Französisch mit einer Schülerbelegung von 86 % in der elften Klasse den Spitzenplatz als zweite Fremdsprache ein, und das bereits seit vielen, vielen Jahren. Mit vielen Initiativen und Angeboten, die ich nicht alle aufzählen möchte, haben das Land und der Bund das Erlernen der französischen Sprache in Baden-Württemberg und in Deutschland massiv gefördert. Die Ergebnisse dieser Aktivitäten sind durchaus sehenswert.
Leider ist in Frankreich ein Rückgang beim Erlernen der deutschen Sprache zu verzeichnen. Das ist nicht nur dem Ziel, Deutsch in Frankreich stärker zu verbreiten, abträglich, sondern erschwert auch die Suche deutscher Schulen nach Austauschschulen in Frankreich. Wir sind deshalb froh, dass die Bundesregierung im letzten Jahr eine breit angelegte Kampagne zur Verbreitung der deutschen Sprache in Frankreich gestartet hat und damit aktiv und praktisch dem Problem entgegentritt.
Nun zur dritten Dimension, der gesellschaftlich-politischen Dimension. Für uns ist dabei vor allem das große gesellschaftliche ehrenamtliche Engagement der zahlreichen Partnerschaftskomitees und Vereine zu nennen. Französische Kommunen nehmen unter den Partnerschaften baden-württembergischer Städte und Gemeinden wiederum den ersten Platz ein. Wir sind überzeugt: Es waren diese Partnerschaften, die unzähligen Besuche und Treffen – organisiert zumeist von Ehrenamtlichen in den Partnerschaftsvereinen der beiden Länder –, die aus den einstigen Feinden Freunde gemacht haben. Bei allem, was die Politik bewegen kann, gehört diese Leistung der vielen Menschen, die auf dieser Ebene in den Städtepartnerschaften aktiv waren und sind, zu den herausragendsten Engagements für die deutsch-französische Freundschaft.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die folgende Aussage des Gemeindetags Baden-Württemberg, die in der Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag Drucksache 13/3236 zitiert wird:
Die besondere Intensität der Partnerschaftsarbeit zwischen baden-württembergischen und französischen Städten und Gemeinden war auch beispielgebend für den Aufbau der Partnerschaften mit ungarischen Kommunen.
Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, meine Damen und Herren. Wir müssen die großartigen Erfolge der deutsch-französischen Freundschaft, die in den letzten 60 Jahren erreicht wurden, auf die neuen Mitgliedsstaaten übertragen, damit Europa stärker zusammenwächst.
Es bleibt also festzuhalten, meine Damen und Herren: Die deutsch-französische Freundschaft und die baden-württembergisch-französische Freundschaft sind Beispiel und Vorbild für ein gelebtes Zusammenwachsen in Europa.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend Ihnen, Herr Ministerpräsident, im Namen der SPD-Fraktion für Ihre Arbeit hier im Land, aber auch im EU-Konvent, und für die deutsch-französische und die baden-württembergischfranzösische Freundschaft meinen Dank aussprechen.
Vielen Dank.
Herr Minister, ist Ihnen bewusst, dass Sie mit dem, was Sie bisher als Eckpunkte zu nachlaufenden Studiengebühren vorgelegt haben, junge Menschen genau in der Lebensphase belasten, in der sie eigentlich mehr Geld brauchen, weil sie eine Familie gründen und vielleicht an Kinder denken? Wir wünschen uns ja eigentlich in allen Debatten, dass junge Familien und darunter auch junge
Akademikerinnen und Akademiker mehr Kinder bekommen. Doch genau in dieser Lebensphase belasten Sie mit Ihrem bisherigen Modell junge Familien.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Unser Änderungsantrag bezieht sich auf die Zusammenlegung verschiedener Fachhochschulen, unter anderem der Fachhochschule für Technik und der Fachhochschule für Sozialwesen in Esslingen.
Es gibt zumindest in diesem Haus wohl kaum jemanden, der die Fachhochschule für Technik – von innen zumindest – besser kennt als wir.
Ich erkläre das „wir“, wenn Sie mich ausreden lassen. Ich meine damit unter anderem mich und einen zweiten Absolventen der Fachhochschule Esslingen in diesem hohen Haus, den Kollegen Knapp.
Zur Begründung werden hauptsächlich Synergieeffekte bei der Zusammenlegung angeführt. Nun mag es für jemanden, der die Situation nicht kennt, durchaus einleuchtend sein, dass zwei Fachhochschulen am gleichen Ort zusammengelegt werden sollen. Wer die Situation in Esslingen kennt, weiß aber, dass es dort keine Synergieeffekte geben wird, mit Ausnahme vielleicht der Einsparung einer Rektorenstelle. Denn das, was für andere Standorte angeführt wird und dort durchaus richtig ist,
nämlich dass die Rechenzentren, die Mensen und vielleicht auch die Bibliotheken zusammengelegt werden – das wären ja tatsächlich Synergieeffekte –, trifft für Esslingen nicht zu.
Es gibt dort keine Synergieeffekte, weil all dies in Esslingen schon längst geschehen ist. Darum sparen Sie höchstens eine Rektorenstelle.
Ich kann Ihnen sagen: Allein das Drucken neuer Briefköpfe wird diese Synergieeffekte sofort wieder aufbrauchen.
Es wird zunächst einmal zu massiven Mehrausgaben kommen, weil man ja einen anderen Namen braucht. Hierzu möchte ich noch eine Anmerkung machen: Der ursprüngliche Vorschlag der Regierung, dieser unmögliche Name, der damals im Anhörungsentwurf drinstand, war eine Farce.
Wir lehnen diese Zusammenlegung ab, weil sie zum einen keine Synergieeffekte bringt und zum anderen inhaltlich überhaupt nicht zu begründen ist.
Hochverehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie in der ersten Lesung angekündigt, werden auch wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich möchte das nicht mehr im Einzelnen ausführen, sondern nur noch einmal auf zwei wesentliche Punkte eingehen.
Wichtig bei diesem Gesetzentwurf bleibt: Es ist nicht wichtig, was auf dem Schild außen am Gebäude steht, sondern entscheidend ist, wie in dem zukünftigen Landesbetrieb gearbeitet wird. Das heißt, der Landesbetrieb muss wirtschaftlich arbeiten, sich an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren, und da kommt es nicht darauf an, was auf dem Schild außen am Gebäude steht. Da ist wichtig, wie gearbeitet wird. Das ist gleichzeitig der Grund dafür, dass wir den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE ablehnen. Man könnte jetzt natürlich den ganzen Landesbetrieb „Gebäudemanagement“ nennen. Dagegen spricht nichts. Aber das Wesentliche ist nicht, was außen draufsteht, sondern ist, was drin ist und drinnen gemacht wird. Daher noch einmal der Appell an die Landesregierung, wirklich darauf zu achten, dass das, was sie sich als Ziel gesetzt hat, nämlich die betriebswirtschaftliche Arbeit und die Ausrichtung auf ein einheitliches Ziel, auch wirklich erfolgt.
Zu der Effizienzrendite würde ich mich nur wiederholen. Zum einen – das kann ich noch einmal herausstellen – wurde in den vergangenen Jahren bereits ein Drittel des Personals eingespart. Das ist schon einmal eine sehr, sehr gute Effizienzrendite. Auf die Ämter hat Herr Kollege Scheffold schon hingewiesen. Darum können wir dem Änderungsantrag der Grünen nicht zustimmen.
Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu und sind auch sehr dankbar dafür, dass der Herr Finanzminister zugesagt hat, dem Finanzausschuss und dem Landtag jährlich Berichte in ähnlicher Form wie bei einer GmbH vorzulegen, sodass wir eine eventuelle Effizienz und Effizienzrendite zusätzlich zu den Neuen Steuerungsinstrumenten nachvollziehen und überprüfen können. Vielen Dank für diese Berichtszusage. Das war uns noch sehr wichtig. Ansonsten kann ich die Zustimmung zum Gesetzentwurf signalisieren.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den etwas verspäteten, aber nicht unausführlichen Darlegungen des Herrn Staatssekretärs
möchte auch ich mich wirklich kurz fassen.
Wir haben uns ja bereits im Jahr 2002 mit diesem Thema beschäftigt. Damals hat die Landesregierung beschlossen, diese Landesbetriebe zu bilden. Wir haben uns dann aufgrund eines Antrags des Kollegen Nils Schmid mit diesem Thema beschäftigt. Deshalb will ich nur ganz kurz auf zwei Punkte eingehen.
Der erste Punkt ist: Eine Privatisierung kommt für uns nicht in Betracht. Das wurde auch vom Herrn Staatssekretär schon begründet. In der Beantwortung des Antrags des Kollegen Schmid sind auch die steuerrechtlichen Nachteile einer privatisierten Lösung eindeutig dargestellt. Eine Privatisierung kommt daher für uns nicht infrage.
Zum Zweiten möchte ich ganz kurz auf die Form des Landesbetriebs eingehen. Wir halten diese Form, wenn sie denn wirklich Auswirkungen auf die Arbeit der Verwaltung hat, für die richtige Form. Diese Organisationsänderung darf nicht nur um der Organisationsänderung willen geschehen, sondern muss eine tatsächliche Auswirkung auf die Arbeit, muss eine wirtschaftlichere, auf kaufmännische Gesichtspunkte ausgerichtete Arbeit zur Folge haben. Das ist für uns wichtig, vor allem wenn man die zukünftigen Aufgaben dieses Landesbetriebs betrachtet. Bei den landeseigenen Hochbauten steht eine enorme Sanierungswelle an. Wir werden dieser Sanierungswelle nur Herr werden, wenn wir das Thema effizient und wirtschaftlich angehen, ein gutes Gebäudemanagement betreiben und das Gebäudemanagement ganzheitlich betrachten. Dafür halten wir die Form eines Landesbetriebs für geeignet.
Meine Damen und Herren, nach den Beratungen im Ausschuss kann ich auch die Zustimmung der SPD-Fraktion zu diesem Gesetzentwurf signalisieren.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich freue mich sehr, dass es uns in diesem historischen Jahr für Europa zum dritten Mal gelungen ist, uns in diesem Parlament intensiv mit dem Thema Europa zu beschäftigen. Denn wer den Bericht der Landesregierung zur Europapolitik gelesen hat, der wird bemerken, dass alle Politikbereiche – ob Wirtschafts-, Umwelt- oder Innenpolitik, ob Bildungspolitik oder Landwirtschaftspolitik – gut beraten sind, sich intensiv mit den Entwicklungen auf europäischer Ebene zu befassen.
Der Bericht der Landesregierung ist sehr umfangreich. Herr Dr. Schüle hat schon angedeutet: Wir werden uns auf einige Punkte des Berichts konzentrieren.
Der erste betrifft Förderprogramme der EU in Baden-Württemberg. Baden-Württemberg hat – das kommt in dem Bericht auch sehr gut zum Ausdruck – in den letzten Jahren sehr stark in ganz unterschiedlichen Bereichen von der Europäischen Union profitiert. Ich möchte ein Beispiel herausgreifen, das Herr Dr. Schüle auch schon herausgegriffen
hat, nämlich die INTERREG-Programme. Die aktuell laufende dritte Phase dieser Programme trägt in sinnvoller und nachhaltiger Art und Weise dazu bei, dass Probleme – vor allem in Grenzregionen unseres Landes –, die nicht mehr allein auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene gelöst werden können, gemeinschaftlich und grenzüberschreitend angegangen werden. Es ist unseres Erachtens sehr wichtig, dass diese Fragen grenzüberschreitender Zusammenarbeit, regionaler Wirtschaftsförderung und regionaler Raumentwicklung sowie Fragen des Umwelt- und Naturschutzes in den Grenzregionen unseres Landes grenzübergreifend von den Verantwortlichen vor Ort behandelt werden. Dazu tragen die INTERREG-Programme maßgeblich bei.
Wir sind deshalb froh, dass von der EU allein beim INTERREG-III-A-Programm 33,5 Millionen € nach Baden-Württemberg geflossen sind. Das sind sinnvolle Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung unseres Landes, aber auch in die Zukunft der Europäischen Union. Wir fordern deswegen auch die Landesregierung auf – da sind wir uns einig –, sich nachdrücklich für die Fortführung dieser Programme grenzüberschreitender Zusammenarbeit in den Grenzregionen unseres Landes einzusetzen.
Der zweite Punkt, den ich herausgreifen will, ist das Thema innere Sicherheit. Leider wird allzu oft und auch wider besseres Wissen von manchen behauptet, die EU, ein vereintes Europa, sei ein Problem für die innere Sicherheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Europäische Union und gerade die Europäische Union, die am 1. Mai 2004 um zehn Länder gewachsen ist, ist nicht das Problem, sie ist Teil der Lösung der Probleme, die wir im Bereich grenzüberschreitender Kriminalität haben.
Die Zunahme der grenzüberschreitenden Kriminalität ist teilweise eine Folge des Wegfalls des Eisernen Vorhangs, der steigenden Durchlässigkeit der Grenzen. Die Erweiterung der Europäischen Union und die dadurch engere Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn haben zur Folge, dass wir heute sehr viel bessere Möglichkeiten haben, die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Ich möchte ein paar Stichworte nennen: die Schaffung des europäischen Haftbefehls, den Aufbau einer europäischen Straftäterdatei und die besonders enge Zusammenarbeit im Bereich des Grenzschutzes an den Außengrenzen der Europäischen Union.
Die Europäische Union – das will ich noch einmal nachdrücklich betonen – ist kein Problem in Bezug auf die innere Sicherheit, sie ist Teil der Lösung dieser Probleme. Wir sind mit der Landesregierung einig, dass jetzt die Kriterien des Schengener Abkommens in den neuen Mitgliedsländern schrittweise umgesetzt werden müssen. Ich möchte einen Satz aus dem Bericht zitieren, den ich an dieser Stelle sehr passend finde:
Die Übernahme der Sicherheitsstandards des Schengen-Raumes durch die Beitrittsländer bietet auch eine große Chance für die innere Sicherheit, die in aller Interesse genutzt werden muss.
Ein sehr passender Satz an dieser Stelle. Wir sind da mit der Landesregierung einig.
Der dritte Punkt, den ich herausgreifen will – wir haben im Juli dieses Jahres bereits darüber debattiert –, ist die Europäische Verfassung.
Einer der wichtigsten Punkte in dieser Verfassung – es ist bereits angesprochen worden – ist die Personalisierung der Europäischen Union. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass Europa zukünftig für die Menschen mit Gesichtern, mit Köpfen, mit Menschen in Verbindung gebracht wird. Das trägt maßgeblich zur Akzeptanz der Europäischen Union bei der Bevölkerung, bei den Menschen bei. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit der Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Parlament, mit einem europäischen Außenminister und mit dem länger amtierenden Vorsitzenden des Europäischen Rates Ämter und Personen haben, die Europa besser und stärker repräsentieren können, als dies bisher möglich ist.
Ein großer Erfolg, vor allem der deutschen Bundesregierung, ist es, dass das Prinzip der doppelten Mehrheit in der Verfassung durchgesetzt wurde. Für mich ist an dieser Stelle ganz entscheidend, dass die Europäische Union als Bund der Staaten und als Union der Bürger in der Verfassung verankert wird. Das kommt in dem Prinzip der doppelten Mehrheit sehr deutlich zum Ausdruck. Ich bin sehr froh, dass sich die Bundesregierung in diesem Punkt durchgesetzt hat.
Meine Damen und Herren, ein Thema, das wir auch angesprochen haben und das auch auf der Seite 32 des Berichts erwähnt wird, ist der Gottesbezug in der Verfassung. In diesem Punkt muss ich den Bericht kritisieren, weil wieder – leider zum wiederholten Male – verschwiegen wird, dass der Preis des Gottesbezuges in der Präambel der so genannte Kirchenparagraph gewesen wäre,
der den christlichen Kirchen in den einzelnen Mitgliedsländern ihre nationale Stellung garantiert. Frankreich und Belgien haben ganz klar gesagt: Wenn ihr euch auf die Hinterfüße stellt, was den Gottesbezug angeht, dann werden wir den Kirchenparagraphen wieder zur Disposition stellen. Es ist der deutschen Bundesregierung zu verdanken, dass der sehr viel wichtigere – auch für die Kirchen sehr viel wichtigere – Kirchenparagraph in dieser Form in die Verfassung Einzug gefunden hat und nicht auf Kosten eines Halbsatzes, eines Vorwortes der Verfassung aufs Spiel gesetzt wurde.
Das ist gar keine ganz neue Version. Das habe ich bereits im Juli so dargestellt.
Der vierte und letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die im Bericht erwähnten Folgen des Beitritts der zehn
Länder, die am 1. Mai dieses Jahres beigetreten sind, sowie weiterer Beitrittskandidaten.
Die Bundesrepublik und insbesondere Baden-Württemberg haben in großem Maße schon jetzt von der Entwicklung der osteuropäischen Länder profitiert. Seit 1992 haben sich die Exporte in die Beitrittsländer verfünffacht. Schon heute ist unser Warenaustausch mit den neuen Mitgliedsländern größer als der mit den USA. Den Titel „Exportweltmeister“ haben wir deshalb maßgeblich dem erfolgreichen Handel deutscher Unternehmen mit den osteuropäischen Märkten zu verdanken. Wer hätte das vor 15 oder gar vor 20 Jahren gedacht? Wer von uns hätte diese rasante Entwicklung voraussagen können? Wohl niemand.
Deshalb, meine Damen und Herren, halte ich es für sehr gewagt, wenn im Bericht der Landesregierung versucht wird, Weissagungen in Bezug auf die Entwicklung weiterer Beitrittskandidaten in den nächsten 15 bis 20 Jahren zu machen. Ich spreche ganz konkret den Beitrittsantrag der Türkei an.
In dem Bericht wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass formal ausschlaggebend für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Bericht der EU-Kommission ist. Was die Haltung der Bundesregierung, was die Haltung Deutschlands in Bezug auf den Beitritt angeht, bleibt die Bundesregierung in der Kontinuität ihrer Vorgängerregierungen.
Ich möchte wiederholen, was ich bereits in der Debatte über den Beitritt am 1. Mai erwähnt habe: Fakt ist: Schon 1963 hat die EWG mit Unterstützung der damaligen Bundesregierung – Konrad Adenauer und Ludwig Erhard – ein Assoziierungsabkommen mit der Option – das ist sehr wichtig – einer späteren Mitgliedschaft mit der Türkei abgeschlossen; das ist jetzt 40 Jahre her.
1996 hat dann die EG, wieder mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung – Helmut Kohl –, eine Zollunion mit der Türkei beschlossen.
1997 hat der Europäische Rat in Luxemburg – wen wundert’s? –, wieder mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung – Helmut Kohl –,
beschlossen, eine Strategie zu entwickeln, die es der Türkei ermöglicht, beizutreten. Das war 1997.
1999 wurde in Helsinki folgerichtig beschlossen, dass für die Türkei die gleichen Kriterien wie für die osteuropäischen Länder gelten, um Mitglied in der EU zu werden. Die politischen Kopenhagen-Kriterien müssen aber – das ist die Ausnahme – vor Aufnahme von Verhandlungen bereits erfüllt sein.
Die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt würde massiv in Gefahr geraten, wenn die Bundesregierung nicht der Türkeipolitik der Vorgängerregierungen – Adenauer, Erhard und Kohl – folgen würde.
Darum schadet auch, meine Damen und Herren, der außenpolitische Aktionismus der CDU-Vorsitzenden momentan dem Ansehen Deutschlands in der Welt.
Für die, die jetzt lachen: Ich erinnere nur ungern an die erste außenpolitische Exkursion der CDU-Vorsitzenden, als sie nach Amerika gereist ist und dem amerikanischen Präsidenten ihre Unterstützung der CDU Deutschlands in Sachen Irak-Krieg offeriert hat.
Heute wie damals, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sollten Sie Ihrer Parteivorsitzenden raten, in diesen Dingen etwas zurückhaltender zu sein.
Meine Damen und Herren, wie anfangs erwähnt, sind wir sehr froh über die europapolitischen Diskussionen hier im Landtag, weil sie uns auch Gelegenheit geben, den Menschen Europa näher zu bringen, Ängste und Bedenken, die mit dem Begriff „Europa“ verbunden werden, auszuräumen und Europa für die Menschen greifbarer zu machen. Denn nach wie vor – das zeigt der Bericht der Landesregierung sehr deutlich – ist es notwendig, dass sich der Landtag von Baden-Württemberg mit dem Thema Europa beschäftigt.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister, Sie kennen sicherlich die entsprechende Formulierung in der Verfassung. Können Sie sich vorstellen, was mit dem religiösen Erbe Europas gemeint ist, also dieses Europas der Europäischen Union, das in der Präambel der Verfassung drinsteht? Für mich bleibt da eigentlich nur ein religiöses Erbe übrig oder im Wesentlichen das eine, das da erwähnt ist.
Und zum Zweiten: Sie können davon ausgehen, dass ich die Information aus erster Hand habe, und zwar sowohl aus französischer wie aus deutscher.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich vor knapp vier Wochen die Staats- und Regierungschefs Europas auf eine Europäische Verfassung geeinigt haben, war dies zweifellos ein historischer Schritt, historisch in dreierlei Hinsicht:
Zum einen mussten sich bei einer Entscheidung dieser Tragweite zum ersten Mal 25 Mitgliedsstaaten, also auch die zehn neuen Mitglieder, auf einen Kompromiss einigen und haben diesen dann auch einstimmig verabschiedet.
Historisch ist zum anderen, dass sich Europa mit dieser Verfassung ein Regelwerk für die künftige Zusammenarbeit gegeben hat, um auch als „Europa der 25“ weiterhin handlungsfähig zu bleiben.
Historisch ist drittens – es wurde schon mehrfach erwähnt –, dass das Europäische Parlament durch diese Verfassung entscheidend gestärkt wurde. Damit wurden die demokratische Kontrolle und die demokratische Legitimation in Straßburg und Brüssel gestärkt. Dies, meine Damen und Herren, ist ein großer Erfolg für die Demokratie in Europa.
Ich möchte kurz auf einige Einzelpunkte der Verfassung eingehen – nicht auf alle, weil wir in vielen Teilen sehr große Einigkeit haben.
Ich halte es in der Tat für enorm wichtig, dass Europa zukünftig für die Menschen viel stärker greifbar wird: durch Gesichter. Die Menschen verbinden Politik zwar nach wie vor auch mit Inhalten, aber zunehmend mit Menschen, mit Köpfen, mit Gesichtern. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass Europa diese Gesichter, diese Köpfe, diese Menschen bekommt. Es ist daher wichtig, dass wir mit der Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament, mit dem europäischen Außenminister und mit einer längeren Amtszeit des Vorsitzenden des Europäischen Rates Ämter und Personen haben, die Europa besser und stärker repräsentieren können, als es bisher möglich war.
Ein großer Erfolg vor allem der deutschen Bundesregierung ist die Durchsetzung des Prinzips der doppelten Mehrheit.
Die doppelte Mehrheit, also die Mehrheit der Bürger und die Mehrheit der Staaten, ist ein wichtiger, wenn nicht der entscheidende Punkt in dieser Verfassung, um als „Union der 25“ handlungsfähig zu bleiben. Wir stärken damit zugleich das demokratische Prinzip, indem die Größe der Bevölkerung eines Landes nun mehr als bisher gewichtet wird.
Das Prinzip der doppelten Mehrheit bringt aber zugleich auch den Charakter der Europäischen Union zum Ausdruck. Sie ist eine Union der Staaten und eine Union der Bürger. Das halte ich für besonders wichtig.
Auch in Zukunft, meine Damen und Herren, wird es eine starke Europäische Kommission geben. Aber auch die Frage der künftigen Zusammensetzung der Europäischen Kommission wurde aus unserer Sicht in einem guten, fairen Kompromiss geregelt. Die Zahl ihrer Mitglieder wird zwar übergangsweise ansteigen, doch halte ich dies durchaus für legitim und nachvollziehbar – vor allem aus Sicht der neuen Staaten im Osten Europas. In einer Übergangsfrist sind alle diese Staaten in der Kommission vertreten, was zur Akzeptanz Europas in diesen Beitrittsländern und zu ihrer besseren Integration beiträgt. Nach dieser Übergangsfrist, nach dem Jahr 2014, wird die Kommission wieder deutlich verkleinert und in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einigen Punkten Stellung nehmen, die der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung – wie ich finde, zum Teil zu Recht – kritisch angesprochen hat.
Zunächst zum Thema des fehlenden Gottesbezugs in der Präambel der Verfassung. Auch wir hätten uns einen deutlicheren Gottesbezug gewünscht. Im ersten Satz der Verfassung wird nun lediglich das „kulturelle und religiöse Erbe Europas“ erwähnt. Wenn man das kulturelle und religiöse Erbe Europas kennt, kann man natürlich interpretieren, dass damit das christliche Erbe gemeint sei. Dem ist auch so. Dennoch hätten wir uns eine deutlichere Formulierung gewünscht. Dass sie aber völlig fehlt, sehe ich nicht so.
Die deutsche Bundesregierung und auch die deutschen Mitglieder im Konvent haben sich nachhaltig für eine deutlichere Formulierung eingesetzt. Ich finde es, ehrlich gesagt, ein wenig schade, dass Sie nach wie vor wider besseres Wissen versuchen, der Bundesregierung einen Strick daraus zu drehen, dass der Kompromiss in dieser Form zustande gekommen ist. Im Konsens war als Kompromiss keine andere Formulierung möglich.
Ich glaube, Herr Ministerpräsident, Sie wissen so gut wie ich, dass sowohl im Konvent als auch in der Regierungskonferenz ein deutlicherer Gottesbezug keine Mehrheit gefunden hätte. Er ist ja von manchen Ländern vehement abgelehnt worden. Von manchen Ländern ist sogar angedroht worden, den Kirchenparagrafen,
in dem die christlichen Kirchen der Mitgliedsländer ihre nationale Stellung auch auf der europäischen Ebene garantiert bekommen, zur Disposition zu stellen. Ich bin der Überzeugung, dass der Kompromiss, den wir gefunden haben – mit dem Kirchenparagrafen, mit einem abgemilderten Gottesbezug und einem abgemilderten religiösen Bezug –, den christlichen Kirchen in unserem Land weit mehr nutzt als ein Satz in der Präambel, den, wenn wir ganz ehrlich sind, ein Großteil der Bevölkerung nie lesen würde.
Erlauben Sie mir noch einen Satz zum Gottesbezug, weil mir das als jemandem, der selbst kirchlich engagiert ist, wichtig ist. Ich bin der festen Überzeugung: Ein wahrhaft christlich geprägter Staat oder Staatenbund zeichnet sich nicht durch einen Halbsatz in einem Vorwort einer Verfassung aus. Ein wahrhaft christlich geprägter Staat zeichnet sich durch ein von christlicher Nächstenliebe geprägtes soziales und solidarisches Sicherungssystem aus, das die Ärmsten in der Gesellschaft nicht vergisst und den Schwächeren und Hilfsbedürftigen unter die Arme greift.
Das ist praktizierte christliche Nächstenliebe.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich – obwohl mir dies eigentlich widerstrebt – noch ein, zwei Punkte zum Stabilitätspakt sagen. Mir widerstrebt es eigentlich, in einer Diskussion über eine hervorragende Europäische Verfassung dazu Stellung zu nehmen. Mir widerstrebt es eigentlich, in diesem Zusammenhang auf 16 Jahre der Schuldenmacherei in Deutschland hinzuweisen, und mir widerstrebt es eigentlich, Ihnen vorzurechnen, wie viel Schulden von Finanzminister Theo Waigel in einer Zeit gemacht wurden,
die vor 1998 lag. Mir widerstrebt es eigentlich, in einer Diskussion über eine Europäische Verfassung, die großartig ist, mit solchen Kleinlichkeiten, die mit der Verfassung selbst nichts zu tun haben, Angriffe zu starten. Ich werde dies deshalb nicht tun.
Meine Damen und Herren, die Europäische Verfassung ist mit dem Beschluss der Regierungskonferenz aber noch nicht über den Berg. Nun muss sie noch in unterschiedlichen Verfahren in den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Thema Referendum eingehen. Ich habe mich, ehrlich gesagt, schon ein bisschen gewundert, als ich den Brief der FDP/DVP-Fraktion an die anderen Fraktionen in diesem Hause gelesen habe, in dem sie sich nachhaltig für ein Referendum der Bürger zur EU-Verfassung einsetzt. Meine Damen und Herren von der FDP/DVP, wer in diesem Hause, im Landtag von Baden-Württemberg, jeden Antrag für mehr Bürgerbeteiligung, für mehr direkte Demokratie ablehnt, wer jedes Entgegenkommen und jeden Kompromiss
zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg ablehnt, der hat aus meiner Sicht das Recht verwirkt, auf anderen Ebenen genau dies zu fordern.
Sehr geehrter Herr Theurer, setzen Sie diese Forderung, bevor Sie sie auf anderer Ebene aufstellen, zuerst dort um,
wo Sie Verantwortung tragen. Setzen Sie sie hier um, bevor Sie auf anderer Ebene das anmahnen, wozu Sie selbst nicht in der Lage sind. Alles andere wäre unglaubwürdig.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Diese Verfassung ist ein Kompromiss, aber ein guter Kompromiss. Einiges hätten wir uns vielleicht noch anders gewünscht, aber bei Kompromissen muss man eben auch die eine oder andere Kröte schlucken. Ich bin der Überzeugung, dass auch diese Verfassung noch weiterentwickelt wird. Wir befinden uns in einem Prozess, der mit dieser Verfassung nicht endet, sondern erst richtig beginnt.
Herr Ministerpräsident, etwas schade fand ich, dass Sie die ungeheuren Leistungen der Bundesregierung bei den Verhandlungen nicht erwähnt haben. Ein paar anerkennende, vielleicht auch dankende Worte
hätten auch Ihnen in diesem Zusammenhang und in dieser Richtung ganz gut angestanden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber mit gutem Beispiel vorangehen und mich bei den Baden-Württembergern, die an der Erarbeitung dieser Verfassung beteiligt waren, explizit bedanken. Ich möchte bei Ihnen beginnen, Herr Ministerpräsident, und Ihnen unseren Dank für Ihre Arbeit im Konvent aussprechen und auch Ihnen, Herr Minister Dr. Palmer, für Ihre Mitarbeit danken.
Ich möchte weiter danken und bin gespannt auf den Applaus, der dann hoffentlich in genau der gleichen Resonanz kommt. Ich möchte zwei weiteren Baden-Württembergern danken, die an entscheidender Stelle mitgearbeitet haben. Zum einen möchte ich dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Jürgen Meyer aus Ulm danken,
der für den Bundestag im Konvent mitgearbeitet hat, und ich möchte Herrn Staatsminister Hans Martin Bury aus Bietigheim danken, der für die Bundesregierung bei den Ver
handlungen über die Verfassung an entscheidender Stelle verantwortlich war.
Sie sehen, meine Damen und Herren, dass das Ländle sehr gut an den Verhandlungen und am Verfassungsentwurf beteiligt war. Ich bin nicht zuletzt deshalb der Überzeugung, dass die Verfassung von Erfolg gekrönt sein wird.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Gräßle, Sie haben so gut angefangen mit den Chancen, die wir in Europa sehen müssen. Herr Palmer hat kürzlich in einem Interview über die deutsche Mentalität, immer zuerst die Risiken und das Schlechte zu sehen, gesprochen. Er hat darauf hingewiesen, wir sollten doch die Chancen einer Erweiterung sehen. Sie haben das anfangs gemacht und sind dann leider wieder in die übliche etwas kleinkarierte Haltung zurückgeschwenkt,
die Bundesregierung als Ursache alles Schlechten zu sehen. Bei Ihnen ist immer die Bundesregierung schuld. Das sehe ich nicht so.
Wir müssen heute die Chancen sehen. Am letzten Freitag hat sich der Bundestag mit diesem Thema beschäftigt, und ich glaube, dass wir uns als Parlament einer der wichtigsten Regionen in Europa auch mit diesem Thema beschäftigen sollten, und zwar vielleicht noch etwas ausführlicher, als wir das heute tun.
Die Große Anfrage der CDU gibt uns heute Gelegenheit zur Diskussion, wenngleich wir bei den vielen, vielen wichtigen Einzelfragen die historische Dimension dieser Erweiterung nicht verkennen dürfen. Bei allen berechtigten Diskussionen über die Ökonomie, über Fragen des Steuerrechts oder der Arbeitnehmerfreizügigkeit dürfen wir eines nicht vergessen: Mit dieser Wiedervereinigung – „Wiedervereinigung“ trifft es eigentlich besser als „Erweiterung“ – haben
wir die einzigartige Chance, für 450 Millionen Menschen einen Raum des dauerhaften Friedens und der Freiheit zu schaffen, wie er noch nie in Europa existiert hat.
Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen auch nicht leugnen, dass die Wiedervereinigung Europas auch so manche Ängste bei den Menschen weckt,
und wir Politiker müssen auf allen Ebenen diese Ängste ernst nehmen. Wenn es nämlich nicht gelingt, Europa als ein Europa der Menschen zu schaffen, wenn Europa bei den Menschen nur mit Ängsten in Bezug auf Sicherheit und den Arbeitsplatz oder mit Bürokratie in Verbindung gebracht wird, dann ist das Projekt Europa zum Scheitern verurteilt. Darum müssen wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, über alle Parteigrenzen hinweg darauf konzentrieren, die vielen, vielen Vorteile, die Europa auch für Baden-Württemberg bringt, herauszuarbeiten und den Menschen näher zu bringen.
Wir dürfen dabei die Ängste nicht wegschieben, sondern müssen darauf eingehen. Ich möchte das in Anlehnung an die Große Anfrage in zwei Punkten kurz tun. Ich werde dann auch noch den Punkt Türkei ansprechen.
Zum ersten Punkt: Was die Verlagerung von Firmen in die osteuropäischen Länder angeht, sind die Fakten tatsächlich weniger besorgniserregend, als es von manchen Verbandsvertretern suggeriert wird. Fakt ist, dass die ökonomische Integration der Beitrittsländer in weiten Teilen bereits abgeschlossen ist. Dieser Prozess hat seinen Höhepunkt in den Neunzigerjahren gehabt und klingt langsam ab. Es gibt also keine direkte Verbindung zwischen dem Datum des faktischen Beitritts am 1. Mai 2004 und den Verlagerungsentscheidungen, die bereits stattgefunden haben und noch stattfinden werden. 95 % des Außenhandels unterlag bereits vor dem 1. Mai 2004 keinerlei Beschränkungen. Deshalb hängt das auch nicht direkt mit diesem Beitritt zusammen.
Man muss auch eines sagen: Deutschland steht bezüglich des Außenhandels mit fast allen Beitrittsländern auf Platz 1, und Baden-Württemberg nimmt innerhalb Deutschlands auch da eine herausragende Rolle ein. Das schafft Arbeitsplätze in Deutschland, und es schafft Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Experten gehen davon aus, dass schon heute etwa 1 Million Arbeitsplätze in Deutschland vom Osthandel abhängen.
Dabei werden wir uns selbstverständlich dem Wettbewerb mit den Beitrittsländern, was die Standortfaktoren angeht, stellen müssen. Wir müssen uns dabei aber auf unsere eigenen Stärken konzentrieren: auf eine hervorragende Infrastruktur, auf hoch qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf hoch qualitative Produkte, auf Rechtssicherheit und vor allem auf sozialen Frieden.
Einen Wettbewerb um die geringsten Löhne, die geringsten Sozialabgaben und die niedrigsten Steuersätze werden wir nie gewinnen können. Diesen Wettbewerb sollten wir gar nicht erst aufnehmen.
Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken konzentrieren und versuchen, diese noch viel mehr auszubauen.
Der zweite Punkt, auf den ich eingehen will, betrifft die Angst vor angeblich unverkraftbarer Zuwanderung von Arbeitskräften. In diesem Punkt bin ich der Bundesregierung sehr dankbar dafür, dass sie dieses Problem erkannt und durch eine vernünftige Regelung diese durchaus berechtigten Befürchtungen entkräftet hat. Sie hat die Sorge der Menschen erkannt und hat in Verhandlungen eine Übergangsfrist von sieben Jahren, also bis 2011, erreicht, in der wir auf der Basis bestehender Verträge den Zugang von Arbeitskräften regeln können. In ihrer Antwort auf die Frage 18 der Großen Anfrage hat die Landesregierung auch geschrieben, dass wir weiterhin bestimmte Arbeitskräfte brauchen.
Nun zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: Fakt ist, dass die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit Unterstützung der damaligen Bundesregierung schon 1963 mit der Türkei ein Assoziierungsabkommen mit der Option einer späteren Mitgliedschaft
geschlossen hat. Fakt ist, dass 1996 die Europäische Gemeinschaft – wieder mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung – eine Zollunion mit der Türkei geschlossen hat.
Fakt ist auch, dass 1997 der Europäische Rat in Luxemburg, wieder mit Unterstützung der Bundesregierung, beschlossen hat, eine Strategie zu entwickeln, die es der Türkei ermöglicht, der EU beizutreten. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Und damals hieß der Bundeskanzler nicht Gerhard Schröder.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend sagen: Es liegt in der Natur der Sache, dass bei den Menschen das Unbekannte Unsicherheit, Skepsis und manchmal auch Ängste hervorruft. Unsere Aufgabe als verantwortliche Politiker muss es daher sein, den Menschen in Baden-Württemberg Europa näher zu bringen, auf einer sachlichen Ebene Ängste und Bedenken auszuräumen oder zu zeigen, wie wir mit den Problemen umgehen können,
und dadurch mit den Menschen ein Europa für die Menschen zu schaffen. Die junge Generation in unserer Gesell
schaft – als jüngstes Mitglied dieses Hauses darf ich sagen: meine Generation – wird uns ewig dafür dankbar sein.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Von einem Streit in der SPD kann überhaupt keine Rede sein. Frau Vogt hat ihre persönliche Meinung geäußert, und Herr Drexler hat auch seine persönliche Meinung geäußert. Das haben beide betont, und das ist ihr gutes Recht. Auch unter Abgeordneten gilt das Recht der freien Meinungsäußerung. Denn anders, als es bei der Landes-CDU manchmal der Fall ist, gilt bei uns nicht das Motto: „L’état, c’est moi – Der Staat bin ich.“ Bei uns wird bei einem so wichtigen Thema ausführlich und intensiv diskutiert. Das ist das Thema Studiengebühren auch wert.
Der uns vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen ist schlicht nicht zustimmungsfähig.
Ich möchte Ihnen auch begründen, warum. Sie verlangen vom Parlament allen Ernstes eine pauschale Zustimmung zu einer allgemeinen Studiengebühr.
Die einzige Differenzierung, die Sie dazu machen, ist: Die Studiengebühren sollen nachlaufend und sozialverträglich sein.
Das ist die einzige Differenzierung. Das reicht für eine gründliche, für eine gewissenhafte Beratung bei weitem nicht aus.
Sie machen keine Angaben zum Prozedere; Sie machen keine Aussagen, wie das „sozialverträglich“ genau aussehen soll. Und vor allem: Sie verlieren kein Wort darüber, wie hoch diese Studiengebühren sein sollen.
Sollen das jetzt 500 € sein, sollen das 1 000 € sein, sollen es 5 000 € sein? All das gibt es in den viel zitierten Modellen weltweit. Bitte geben Sie uns dazu Auskunft, was Sie konkret vorhaben.
Denn das ist ja gerade so, als ob wir eine neue Steuer beschließen sollten, aber nicht wissen, wer sie bezahlen soll, welche Bemessungsgrundlage gilt und wie hoch die Steuer nachher sein soll.
Wir können keine pauschale Aussage dazu machen. Deswegen können wir dem auch nicht zustimmen.
Wie Sie aus unserem Änderungsantrag ersehen, möchten auch wir die Rahmengesetzgebung des Bundes in Hochschulangelegenheiten aufheben. Dies ist ausschließlich ein Beitrag zur Entzerrung des föderalen Geflechts, die nach unserer Auffassung dringend notwendig ist. Das haben wir heute mehrfach gehört; darin sind wir uns ja auch alle einig.
Nun kurz noch einige inhaltliche Anmerkungen zur nachlaufenden Studiengebühr: Ich bin, wie die überwiegende Mehrheit meiner Fraktion, der Auffassung, dass der erste berufsqualifizierende Studienabschluss gebührenfrei sein muss, weil ich als Student aus der Praxis weiß, wie die Situation der Studierenden in Baden-Württemberg aussieht.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Welche Perspektive geben wir einem jungen Menschen, der nach dem Abitur oder nach dem Abschluss des zweiten Bildungswegs, also nach einer Ausbildung, zum Beispiel einen Ingenieurstudiengang anstrebt? Wir sagen ihm: „Du wirst, nachdem du die Ausbildung gemacht hast und vielleicht auch schon etwas verdient hast, vier bis fünf Jahre lang kein regelmäßiges Einkommen haben – das ist ganz normal bei einem Studium.“ Das Ingenieurstudium – das muss man auch einmal sagen – ist ein Studium, das auch für den Studierenden momentan schon nicht sehr günstig ist. Dieses Studium ist im Vergleich zu anderen Studiengängen teuer.
Wir sagen ihm weiter: „Nach diesen vier bis fünf Jahren, die du studiert hast, musst du vielleicht dein BAföG zurückzahlen, das du bekommen hast“ – das ist auch richtig so –, und wir sagen ihm aber auch weiter, dass er, wenn er nach vier bis fünf Jahren in das Berufsleben einsteigt, einen Schuldenberg von Studiengebühren abstottern muss. Und
das, meine Damen und Herren, in einer Lebensphase, in der eine Familiengründung, die Gründung einer privaten Existenz ansteht.
Das ist meines Erachtens ein verheerendes Signal, vor allem für ein Land wie Baden-Württemberg, das wie kein anderes von den Köpfen der Menschen – der Herr Ministerpräsident hat es heute Morgen gesagt –, vom Erfindergeist der Badener und Württemberger lebt. Es ist ein verheerendes Signal, wenn wir sagen: „Du fängst dein Berufsleben an und bist hoch verschuldet“ – in einer Phase, in der die Leute eher mehr Geld benötigen.
Ich sage Ihnen: Wir werden mittelfristig gerade in BadenWürttemberg eine ganz andere Diskussion führen. Wir werden uns nicht mehr über den Sinn oder Unsinn von Studiengebühren unterhalten, sondern wir werden uns darüber unterhalten, wie wir Anreize dafür schaffen, dass junge Menschen, junge Männer und Frauen Ingenieurstudiengänge und naturwissenschaftliche Studiengänge anstreben, weil einer unserer wichtigsten Standortfaktoren in Baden-Württemberg ist: Wir leben in Baden-Württemberg von gut ausgebildeten Menschen.
Ein Letztes zur Verwendung der Studiengebühren. Ihnen glaubt schon heute niemand mehr, dass die Einnahmen aus Studiengebühren zur Verbesserung der Situation an den Hochschulen beitragen werden. So naiv sind Studierende, Rektoren und Professoren nicht. Das Beste, was dabei herauskommen kann, ist noch, dass es keine Kürzungen für die Hochschulen gibt, und die Studiengebühren streicht der Finanzminister ein.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie hatten zweieinhalb Jahre Zeit, um nach den Koalitionsverhandlungen ein ausgearbeitetes und durchgerechnetes Modell vorzulegen.
Heute haben Sie ein ganz pauschales Modell vorgelegt. Sie haben dieses Modell weder durchgerechnet noch ausgearbeitet. Wir können einem pauschalen Antrag, der sowohl qualitative als auch inhaltliche Mängel hat, nicht zustimmen.
Vielen Dank.