Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 109. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Fischer hat heute Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen, Herr Kollege Fischer, sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Aktuelle Debatte – Gerechte Bildungschancen für alle in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der SPD
Es gelten die üblichen Redezeiten: Gesamtdauer 40 Minuten, fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.
Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.
(Widerspruch bei der CDU – Zuruf von der CDU: Natürlich! – Abg. Schebesta CDU: Weil Sie am Rednerpult stehen!)
Natürlich ist es nicht so. – Internationale Studien machten bereits im Jahr 2000 deutlich, dass in Baden-Württemberg die soziale Herkunft über den Bildungserfolg entscheidet.
Ja, im Jahr 2000 war das schon. 2004 wurde eine UNICEF-Studie veröffentlicht, die das bestätigte und sogar
noch vorhersagte, in Baden-Württemberg werde es noch schlimmer werden, der soziale Faktor werde dort eine noch größere Rolle spielen. Das heißt, man hat in den vergangenen fünf Jahren auf diesem Gebiet nichts gemacht.
Das baden-württembergische Schulsystem zeichnet sich auch dadurch aus, dass ein Großteil der Kinder, die in die Schule kommen, nicht Deutsch können oder Deutsch nicht verstehen. Man schätzt diese Zahl auf 25 bis 30 %. Aus der PISA-Studie geht weiter hervor, dass 20 % der Kinder im Alter zwischen 15 und 16 Jahren, die unser Schulsystem durchlaufen haben, Deutsch nicht verstehen oder nicht verstehen, was sie auf Deutsch lesen.
Es geht überhaupt nicht um bessere Punkte. Wenn Sie nach Nordrhein-Westfalen umziehen wollen, dann gehen Sie dort hin und machen Sie dort Politik. Ich will in BadenWürttemberg Politik machen. Hier geht es um baden-württembergische Kinder
und um das baden-württembergische Schulsystem, Herr Kollege. Darum geht es. Und Sie erklären sich offensichtlich mit diesen Daten einverstanden, die sich in fünf Jahren nicht verändert haben.
Sie haben nicht erreicht, dass im Kindergarten die Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren nun endlich Deutsch lernen, wie das im europäischen Ausland für die jeweilige Muttersprache üblich ist. Nichts haben Sie unternommen, außer ein paar Versuchen. Sie haben nicht erreicht, dass die Bedeutung der sozialen Herkunft für den Schulerfolg allmählich abnimmt, weil Sie nicht in den Ganztagsschulbereich eingestiegen sind. Sie haben die Modelle, die Sie eingeführt haben, Herr Kollege – Stichwort G 8 –, sogar noch verschärft. Ich komme nachher auf die neuesten Vorschläge zurück, die der Herr Minister dazu gemacht hat.
Im „Handelsblatt“ wird heute Lothar Späth zitiert. Es ist ja immer gut, wenn man bei Lothar Späth manches nachliest. Lothar Späth sagt, heute im „Handelsblatt“ – das trifft euch natürlich, das muss euch treffen; da vergeht euch das Lachen – nachzulesen:
Weg von einem Bildungssystem, das zu stark darauf ausgerichtet ist, überdurchschnittliche Schüler von unterdurchschnittlichen zu trennen, hin zu einem System, das individuelle Schwächen ausgleicht und Talente fördert.
Ich komme jetzt auf das G 8 zu sprechen. Genau das, was wir vor 14 Tagen hier zur Abstimmung gestellt haben, hat jetzt der Minister angekündigt – zwar nicht alles, aber Teile davon. Er hat Stunden von Klasse 5 und Klasse 6 nach oben verschoben und hat die zweite Fremdsprache zur Diskussion gestellt. Vor 14 Tagen haben Sie alle dagegen gestimmt, als wir diese Vorschläge zur Abstimmung gestellt haben.
Auch haben Sie nicht akzeptiert, dass es sich um eine Ganztagsschule handelt. Deswegen müssen Sie da im baulichen Bereich und auch im pädagogischen Bereich etwas machen. Auch müssen wir uns nach wie vor noch über die Stofffülle unterhalten.
Das Schlimme bei Ihnen ist, dass Sie nicht aus Überzeugung handeln. Sie machen es vielmehr aufgrund des Drucks wegen der Wahl. Denn der Herr Minister hat ja noch einen Brief an alle Eltern geschrieben und darin geäußert: Eigentlich ist alles in Ordnung, nur sollten die Eltern doch bitte mehr Vertrauen in ihre Kinder haben und ihren Kindern auch die Verantwortung lassen, dass sie in diesem Fall so zur Schule gehen.
Innerhalb kurzer Zeit schmeißen Sie all das, was Sie den Bürgern gesagt haben, über den Haufen und machen genau das, was wir vor 14 Tagen hier beantragt haben – noch nicht ganz, aber Teile davon.
Jetzt komme ich zur Ganztagsschule. Darüber hörte man gestern etwas ganz Tolles. Zunächst einmal haben Sie die Sache fünf Jahre lang abgeblockt. 2001 haben Sie begonnen, und bis heute – im Jahr 2006 – ist nicht sehr viel passiert, außer an Brennpunktschulen,
außer dass der Bund ein Programm aufgelegt hat, außer dass Sie jetzt ein Programm von 2006 bis 2015 aufgelegt haben.
Jetzt kommen wir einmal zu den neuen Lehrerstellen. Die hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung ja
noch abgelehnt. Da hat er – das war, glaube ich, im Juli vergangenen Jahres – nur von Ehrenamtlichen gesprochen. Jetzt kommen die neuen Lehrer – im Übrigen erst kurz vor der Wahl angekündigt. Das finde ich ja schön.
Nur: Jetzt gehen wir doch einmal auf die 1 840 Lehrerstellen zu. Das sind Lehrerstellen, die irgendwie aufgrund zurückgehender Schülerzahlen frei werden.
Das Problem ist: Sie hören nicht zu und machen dann Sachen, die, wie jetzt auch wieder, nach Murks aussehen. Sie machen viel Murks. Denn eines ist doch klar: Hätten Sie auf unsere Vorschläge bzw. auf das, was die Eltern oder die Lehrerverbände gesagt haben,