Annemarie Hecker
Sitzungen
Letzte Beiträge
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mit der Regierungserklärung greift die Bayerische Staatsregierung die Sorgen der Menschen um Gesundheit und sichere Lebensmittel auf. Ich will ein paar Gedanken einbringen, die mir als Bäuerin in Bezug auf Produktion und gesunde Ernährung sehr wichtig sind. Die Verbraucher können nichts dafür, wenn sie aufgrund von Horrormeldungen total verunsichert sind. Nicht wenige Mitbürgerinnen und Mitbürger fragen, was darf ich überhaupt noch essen, um gesund zu bleiben. Verängstigte Mütter fragen, was kann und darf ich meinem Kind geben. Diese Sorgen, die in der Gesellschaft vorhanden sind, müssen wir sehr ernst nehmen. Wir müssen es schaffen, dass der überzogenen Hysterie nüchterne Überlegungen entgegengesetzt werden. Als Antwort auf die Verunsicherung brauchen wir die vorbehaltlose Transparenz für die gesamte Nahrungsmittelkette von der Produktion bis hin zur Ladentheke.
Die Bauern bejahen die gläserne Nahrungsmittelkette, denn sie haben nichts, aber auch gar nichts zu verbergen. Die Forderung nach Transparenz muss allerdings auch für importierte Lebensmittel gelten. Um dies zu erreichen, wird die Macht der Verbraucher mehr als dringend gebraucht. Europäische und weltweite Vorschriften müssen geändert werden. Eine sehr wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Wissenschaft. Sie muss nachvollziehbare Kriterien liefern. Es ist uns nicht gedient mit allgemeinen Hinweisen und Vermutungen. Diese helfen uns ganz bestimmt nicht weiter.
Die gegenwärtige Gegenüberstellung von ökologischem Landbau als edel und gut und traditioneller Landwirtschaft als verdächtig ist nicht nur eine Diffamierung der Landwirte, sondern in der Sache schlicht falsch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man die gläserne Produktion will, dann müssen auf dem Etikett der Produkte die deutsche Sprache und verständliche Begriffe verwendet werden. Politik für den Verbraucher bedeutet auch, dass Werbung und Produkt auf Richtigkeit und gesundheitlichen Wert überprüft werden. Wie viele Irreführungen der Verbraucher sind längst auf dem Markt: Zum Beispiel gibt es die „Milchschnitte“, deren Milchwerte fehlen. Es gibt die „Fruchtzwerge“, die keine sind. Wenn die gläserne Produktion verlangt wird, dann soll sich das auf alle Produkte beziehen.
Es darf auch nicht vergessen werden, bäuerliche Familien sind selbst Verbraucher. Grund und Boden sowie die Tiere sind wichtige Existenzgrundlagen. Verantwortungsvoll und nachhaltig wirtschaftend wird damit umgegangen. Wegen einzelner schwarzer Schafe, die es übrigens in jedem Berufsstand gibt, darf nicht ein ganzer Berufsstand verteufelt werden.
Ich meine, die Feriengäste, die über viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg immer wieder auf die Höfe kommen, wissen am allerbesten, was auf den Betrieben vor sich geht und wie produziert wird. Sie erleben das hautnah. Sie kommen, und sie kommen immer wieder. Dieses Vertrauen spricht Bände.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Politik für den Verbraucher bedarf auch der Verbraucherberatung. Die Arbeitsgruppe der CSU-Frauen fordert aus der Verantwortung heraus, die 30 eingesparten Planstellen der Ernährungsberatung im Rahmen der Neuschaffung von Stellen wieder zur Verfügung zu stellen. Insgesamt 90 Planstellen braucht Bayern, um seine Aufgaben in der Ernährungs- und Verbraucherberatung erfüllen zu können. Es muss ein Weg gefunden werden, damit auch in den Jahren 2001 und 2002 Mittel für diese Personalausgaben zur Verfügung stehen.
Die Ernährungsberatung wird in Zukunft einen ganz neuen und großen Stellenwert erhalten. Dieses Feld dürfen wir nicht Propheten, Weltverbesserern und Ideologen überlassen. Es heißt, wachsam zu sein. In unseren Schulküchen wird Erwachsenenbildung angeboten. Regionale Produkte werden verarbeitet. Ich bitte herzlich darum: Erhalten wir unsere Schulküchen und nutzen wir die Möglichkeit, damit der Umgang mit hochwertigen Lebensmitteln trotz Berufstätigkeit der Frauen wieder erlernt werden kann. Ich bitte darum, dies bei der Umstrukturierung zu bedenken.
Politik für den Verbraucher verlangt eine höhere Wertschätzung hauswirtschaftlicher Qualifikation. Hauswirtschaftliche Grundkenntnisse zu erwerben, ist beileibe nicht das Letzte von gestern, sondern unverzichtbar für morgen. Wer es gelernt hat, tut sich leichter, wenn er es schaffen will, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Es muss ein ganz neues Verbraucherbewusstsein entstehen.
Ein neues Verbraucherbewusstsein kann nämlich die Chance sein, die bäuerliche Landwirtschaft und den ländlichen Raum zu erhalten. Wir brauchen die Erkenntnis vonseiten der Verbraucher, dass Qualität ihren Preis haben muss und dass niemand aus der Gesellschaft erwarten kann, dass die billigsten Nahrungsmittel immer die gesündesten sind.
Wer will, dass es allen Berufsständen gut geht, der muss sich vor allem mit der jungen Generation von Bäuerinnen und Bauern solidarisch zeigen. Die Diskriminierung durch die Gesellschaft und die Sorge um die Existenz können sonst nicht mehr ertragen werden. Es darf nicht so bleiben, wie es derzeit ist: Alle lieben etwas von den Bauern, nur die Bauern selbst liebt man nicht.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Wahnschaffe. Bitte.