Beate Merk

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Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes führen wir den Prozess zur Entwicklung der Rechtsprechung hinsichtlich der politischen Wirklichkeit und der technischen Neuerungen konsequent weiter. Wir kommen damit unserer politischen Aufgabe nach, die Funktionsfähigkeit und die Arbeitsfähigkeit des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz dauerhaft zu sichern. Dazu gewähren wir dem Verfassungsschutz die notwendigen rechtlichen Grundlagen zur Erfüllung seiner Aufgaben.
Für mich ist dabei selbstverständlich, dass wir die rechtlich gebotenen und zulässigen Möglichkeiten umfassend nutzen. Die Tatsache, dass 2016 während der Beratungen der grundlegenden Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum BKAG verkündet hat, das es als Leitentscheidung für verdeckte Informationserlangung sieht, hat es notwendig gemacht, intensiv zu prüfen, inwieweit die verfassungsgerichtlichen Vorgaben auf den Verfassungsschutz zu übertragen sind. Inzwischen haben uns verschiedenste Fachleute in einer Expertenanhörung beraten. Es heißt für mich, selbstverständlich alles Mögliche dafür zu tun, damit die Freiheitsrechte unbeteiligter, unschuldiger Bürger geschützt bleiben. Meine tiefste Überzeugung ist und bleibt aber – ich möchte das auch angesichts des jüngsten Terroranschlags in Paris deutlich sagen –, dass das unendliche Leid und die Notwendigkeit, wichtige Rechtsgüter wie Leben, Leib und Fortbestand des Staates zu schützen, für uns bedeuten, dass es keinen anderen Weg als eine konsequente, zeitgemäße Anpassung der Gesetze gibt. Ich meine damit sehr deutlich, dass wir gerade nicht zurückschrauben, wie das heute schon einmal angesprochen worden ist, weil solche Versuche zulasten potenzieller Opfer gehen.
Wie oft stand nach Attentaten die Frage im Raum, ob eine Zusammenarbeit der Geheimdienste erfolgte, ausreichend und richtig war?
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zielen wir neben einer Harmonisierung der Regelungen auf eine optimale Vernetzung in Deutschland und eine passgenaue Zusammenarbeit auch über die Grenzen hinaus. Wir sind dafür verantwortlich, alles zu tun, um Anschläge, kriminelle Angriffe und Straftaten zu verhindern, die das Leben oder die körperliche Unversehrtheit unserer Mitmenschen zum Ziel haben. Angesichts der neuen Bedrohungslage – der Besonderheiten des islamistischen Terrorismus mit Terroristen, die das eigene Leben bereitwillig einsetzen – und angesichts der modernen Technologien, die helfen, Verbrechen leichter zu planen, zu verabreden oder durchzuführen, ist es erforderlich, die Befugnisse für Nachrichtendienste, die Informationen für Sicherheitsbehörden erarbeiten, weitreichend oder besser ausreichend zu regeln.
Es geht bei diesen Gesetzen darum, wichtigste Rechtsgüter zu schützen – das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger, den Fortbestand unseres Staates. Wir arbeiten deshalb daran, diese Gesetze an die neuen Entwicklungen und Technologien demokratisch und rechtsstaatlich anzupassen.
Karlsruhe hat uns im Urteil zum BKAG sehr detaillierte Vorgaben gemacht, die unseren Gestaltungsraum einschränken, was den Schutz der persönlichen Daten und was die Möglichkeit angeht, zu observieren, ohne in den Schutz des persönlichen Kernbereichs privater Lebensgestaltung einzugreifen, und im Hinblick auf den international verflochtenen Terrorismus natürlich auch der Regelungen, wo Daten genutzt und international weitergegeben werden dürfen. Im heute zugrunde liegenden Entwurf haben wir diese Regelungen vorgesehen, im Bewusstsein, dass wir dieses schwierige Spannungsverhältnis sorgsam behandeln, um Regeln zu finden, die die Freiheitsrechte achten und schützen und gleichzeitig so umfassend wie möglich die Sicherheit gewährleisten. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung enthält im Wesentlichen Regelungen zum Kernbereichsschutz und zum Schutz der Berufsgeheimnisträger. Er enthält den Grundsatz der Zweckbindung erhobener personenbezogener Daten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der hypothetischen Datenneuerhebung bei Zweckänderung und das Verbot der Weiterverarbeitung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen. Er enthält die Anpassung der Norm der Wohnraumüberwachung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Er differenziert zwischen akustischer und optischer Wohnraumüberwachung. Er enthält ein Betretungsrecht zur Vorbereitung und
Durchführung der Maßnahmen und erfasst den Adressatenkreis spezifisch.
Im Gesetz ist ein Gleichlauf angelegt, das heißt, die Eingriffsvoraussetzungen für die Wohnraumüberwachung gelten auch für die Onlinedatenerhebung. Darüber hinaus wird die bislang geltende höhere Schwelle für Auskunftsersuchen bei Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, gestrichen, da dies verfassungsrechtlich nicht geboten ist.
Es gibt eine Konkretisierung der Übermittlungsvorschriften mit Blick auf den Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung, und für die in der Übermittlung liegende Zweckänderung müssen tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne eines konkreten Spurenansatzes vorliegen. Zudem wird bei Übermittlungen ins Ausland ein hinreichender rechtsstaatlicher Umgang mit den Daten im Empfängerland gefordert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Änderungsantrag der SPD sollen die Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und der Berufsgeheimnisträger ausgeweitet werden. Wir halten diese Änderungen für nicht notwendig und auch für nicht sachgerecht, weil sie weniger Möglichkeiten der Informationsgewinnung und damit auch weniger Sicherheit bedeuten. Im Übrigen sind die Vorschläge zu allgemein formuliert, weil Sie damit den unterschiedlichen Erfordernissen der einzelnen nachrichtendienstlichen Mittel nicht Rechnung tragen. So ist zum Beispiel ein unbeabsichtigtes Eindringen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung a priori ausschließbar. So etwas wäre wirklichkeitsfremd; denn es entspricht der Aufgabe des Verfassungsschutzes, gerade im Vorfeld von Gefährdungslagen Aufklärung im weitesten Sinne zu betreiben. Dem Änderungsantrag fehlen differenzierte Regelungen für die Praxis, wie es der Gesetzentwurf der Staatsregierung vorsieht, zum Beispiel, wenn es darum geht, dass man eine Maßnahme zu unterbrechen hat, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen sein könnte, oder aber, wenn es um die Möglichkeit geht, in Zweifelsfällen eine automatische Aufzeichnung zu machen, um diese anschließend erst einmal bewerten zu lassen.
Das Entscheidungsrecht des Landesbeauftragten für den Datenschutz, das im Änderungsantrag der SPD ebenfalls vorgesehen ist, passt unseres Erachtens nicht ins System. Der Landesbeauftragte ist bislang gerade nicht in operative Vorgänge eingebunden. Vielmehr ist es seine Aufgabe, nachträglich die Kontrolle von Vorgängen dahin gehend zu gewährleisten, dass Datenschutzrichtlinien und ihre Bestimmungen
eingehalten sind. Es gibt auch keinen Grund, diese Systematik zu ändern.
Die vorgeschlagene Einbeziehung weiterer Mitglieder der Exekutive und des Vorstands registrierter Parteien in den zu schützenden Personenkreis lehnen wir ab. Hier bestehen gewichtige Unterschiede zur Tätigkeit der Abgeordneten, die nach Artikel 38 des Grundgesetzes umfassend geschützt sind und ein freies Mandat ausüben. Das gilt für Regierungsmitglieder nicht. Der Vorstand einer Partei ist ebenfalls nicht in gleichem Maße wie ein Abgeordneter zu schützen. Bereits das Grundgesetz zeigt in Artikel 21 Absätze 2 und 3, dass Parteien von Verfassungs wegen keinen umfassenden Schutz genießen.
Auch die vorgeschlagene Formulierung zur Ausweitung in Bezug auf Berufsgeheimnisträger ist meines Erachtens zu weit gefasst, weil sie jeden Eingriff in das Vertrauensverhältnis zu einem Berufsgeheimnisträger grundsätzlich für unzulässig erklärt. Ich halte hier die im Gesetzentwurf der Staatsregierung enthaltene Regelung für den rechtssystematisch und praktisch richtigen Weg. Danach werden Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände den Strafverteidigern beim Schutz der Berufsgeheimnisträger gleichgestellt.
Wir werden den Änderungsantrag der SPD deshalb ablehnen. Ich bitte Sie, die Handlungsfähigkeit des Verfassungsschutzes zu stärken. Helfen wir mit, seine Funktions- und Arbeitsfähigkeit zu sichern, und geben wir ihm die Möglichkeit, seine Aufgaben, Informationen in weitem Umfang zu erheben, tatsächlich durchzuführen und in Fällen extremistischer Bestrebungen rechtzeitig warnen zu können, damit wir höchstrangige Rechtsgüter bestmöglich schützen.