Lucia Puttrich

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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will damit beginnen, dass wir am Wochenende 60 Jahre Römische Verträge feiern können und dass das in der Tat ein Grund zum Feiern ist. Wir sollten uns in dieser Zeit einmal darauf besinnen, vor welchen großen Herausforderungen diejenigen standen, die die Römischen Verträge ausgehandelt haben.
Wenn man sich einmal anschaut, wer daran beteiligt gewesen ist, und wenn man heute über die Presse Äußerungen einer Zeitzeugin liest, und zwar von der Tochter des damaligen belgischen Außenministers Paul-Henri Spaak, die von ihrer Seite aus wiedergibt, wie ihr Vater diesen Vertrag mitverhandelte, wie es fast unmöglich schien und wie insbesondere ihre Tante ihrem Bruder sagte: „Ich werde dir nie verzeihen, wenn du einen solchen Vertrag abschließt, weil mein Sohn im Krieg gefallen ist“, dann sollte uns das an dieser Stelle schon einmal ein Stück bewegen, uns daran zu erinnern, was uns 60 Jahre Römische Verträge und die Europäische Union gebracht haben: Frieden und Freiheit.
Und Frieden und Freiheit, die wir in diesem Land haben, sind etwas, was wir zu verteidigen haben und wofür wir vor allen Dingen sehr dankbar sein sollten.
Das auch vor dem Hintergrund der Aussagen der Zeitzeugen – man kann sich in diesen Tagen die vielen Zitate ansehen –, die nicht zu hoffen gewagt haben, dass die Europäische Union in dieser Art und Weise funktionieren und leben kann.
Wenn ich die Pessimisten höre und auch diejenigen, die hier Umfragen zitieren, dann kann ich nur raten: Schauen Sie sich doch einfach einmal die positiven Umfragen an, die ganz aktuellen.
Gerade gestern ist über dpa eine neue Umfrage gelaufen, die von der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des Bankenverbandes erstellt worden ist. Diese Umfrage zeigt, zwei Drittel der Deutschen sind mit der Europäischen Union zufrieden oder sehr zufrieden – zwei Drittel.
Wenn man dann wieder davon redet, dass die Zustimmung in Deutschland gegenüber der Europäischen Union nachlassen würde, stimmt das wiederum auch nicht, weil diese repräsentative Umfrage zu dem Ergebnis kommt, dass die Zustimmungswerte vor drei Jahren um 5 % niedriger waren. Sie sind gestiegen. Und wenn man sich dann auch noch einmal vergegenwärtigt, dass die Zustimmungswerte vor neun Jahren um 10 % niedriger lagen, dann lassen Sie uns heute doch nicht vom Untergang der Zustimmung zur Europäischen Union reden, sondern uns dahin schauen, wo Licht ist, dass es nämlich viele Menschen gibt, die sich in der Vergangenheit nicht geäußert haben, jetzt aber Hoffnungen auf Europa setzen und auch bereit sind, sich dafür einzusetzen.
Wenn ich mir also diese Umfragen anschaue, dann sage ich: Ja, selbstverständlich, wir freuen uns, wenn Menschen auf die Straße gehen, die positiv sagen: „Wir stehen für Europa“, wir freuen uns über ein Wahlergebnis in den Niederlanden – uneingeschränkt –, bei dem Populisten, die eigentlich wollen, dass man aus der Europäischen Union aussteigt, die nach dem Brexit weitere Ausstiege aus der Europäischen Union wollen, ganz klar keine Zustimmung bekommen, wenn sich Menschen in Deutschland der Initiative „Pulse of Europe“ in über 50 Städten anschließen und wenn in zehn europäischen Ländern Menschen auf die Straße gehen. Dann kann ich sagen: Endlich ist die schweigende Mehrheit auf der Straße und nicht die laute Minderheit.
Diese Entwicklung sollten wir auch entsprechend unterstützen.
Ich war gestern bei der Vereidigung des Bundespräsidenten. Ich finde, dass er eine sehr schöne Formulierung für Nationalisten verwendet hat, für diejenigen, die rückwärtsgewandt sind. Er sagte, das sind diejenigen, die sich hinter den Butzenscheiben des Nationalismus verstecken.
Wir machen das nicht. Wir sind davor. Wir sind keine Nationalisten. Wir sind stolz auf unsere Identität, aber wir sind überzeugte Europäer.
In der Tat schließt das eine das andere nicht aus. Wenn jemand fest verwurzelt ist, kann er auch für das Gemeinsame stehen.
Wenn ich hier höre, dass die Zustimmungen innerhalb Europas nachlassen würden, dann schauen Sie sich doch einmal in vielen europäischen Ländern an, wie stark die Zustimmung dort ist. Ich nenne als ein kleines Beispiel diejenigen, die in den baltischen Staaten leben, die große Hoffnungen auf Europa setzen. Ich erinnere aber auch an die vielen, die Mitglieder der Europäischen Union wurden, weil sie gesagt haben: Wir wollen eine Bindung an die Europäische Union, weil wir wissen, dass das die einzige
Institution ist, die uns Frieden, Freiheit und Demokratie gewährleisten kann.
Machen Sie doch diesen Menschen Mut, und lassen Sie die Schlechtrederei.
Die Wahlbeteiligung in den Niederlanden hat gezeigt, dass dann, wenn es darauf ankommt, die Menschen wählen gehen. Das ist ein ermutigendes Ergebnis.
Aber eines ist auch klar: Das ist nichts, worauf man sich ausruhen kann. Es ist Mut machend, dass in den Niederlanden eine hohe Wahlbeteiligung war – ja –, aber das heißt, dass wir in unseren Bemühungen, in unseren Aktivitäten nicht nachlassen dürfen, für Europa zu werben.
Aber es kommen demnächst noch weitere Wahlen, zunächst die Wahl in Frankreich. Es kommen viele Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben.
Ich möchte an der Stelle noch das Mutmachen für die jungen Leute ansprechen. Ich bin in vielen Schulen unterwegs. Wenn Sie in Schulen unterwegs sind und mit den jungen Leuten über Europa reden – wir haben ja auch einige Europaschulen –, dann müssen Sie denen gar nicht viel erklären. Wenn Sie junge Menschen fragen, was sie an Europa gut finden, dann sagen die Ihnen sofort, wie aus der Pistole geschossen: Frieden, Freiheit, Demokratie, Freizügigkeit. Wir können studieren, wir können arbeiten, wir können uns ausbilden lassen, wir können in einem freien Europa leben, und das ist das, was wir wollen.
Deshalb sage ich klar: Mit einem miesepetrigen Gesicht kann man Menschen nicht für Europa begeistern. Wenn wir mit frohem Herzen die Vorteile sehen, dann können wir sie begeistern. Deshalb begrüßen wir jeden, der mitmacht.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Über die Türkei kann man in der Tat lange debattieren. Von der Situation, wie sie sich darstellt, sind wir alle mehr als betroffen.
Wenn wir heute diesen Tagesordnungspunkt behandeln, dann reden wir über das Schicksal eines Journalisten, der, wie heute häufig erwähnt, seine Arbeit gemacht hat. Wir reden aber auch über das Schicksal vieler anderer, die inhaftiert sind, weil sie ihre Arbeit gemacht haben, weil sie ihre Meinung geäußert haben, weil sie der Regierung nicht gepasst haben.
Schauen wir uns die Zahlen an, die wir kennen: 150 Journalisten sind inhaftiert, unter Umständen auch noch mehr. Wir wissen, dass 149 Medienanstalten geschlossen wurden. Von Medienfreiheit, Pressefreiheit ist keine Rede, sondern es ist eine Gleichschaltung der Presse und der Medien. Wir wissen, dass mehr als 2.000 Journalisten entlassen wurden. Was erzeugt das? Das erzeugt ein Klima der Angst, der Repression, der Unterdrückung.
In diesem Zusammenhang war es für uns in der Tat die Frage: Reisen wir in die Türkei, ja oder nein? Es gab welche, die sagten, man könne jetzt nicht hin. Ich sage das vorweg. Ich glaube, dass die Entscheidung völlig richtig gewesen ist, Brücken nicht abzureißen, sondern Kontakte zu pflegen.
Denn wir sind dort auf viele Menschen gestoßen, die auf uns hoffen. Sie sagen: Bitte zeigt uns, dass wir nicht abgeschnitten sind.
Insofern ist es richtig, Kontakte zu pflegen, einerseits für die Menschen dort, andererseits auch, um dort klar sagen zu können, was wir für nicht richtig halten, uns auch für Menschen einsetzen zu können wie Deniz Yücel und gleichzeitig eine Botschaft an die Mitbürgerinnen und Mitbürger bei uns zu senden, die türkischstämmig sind. Das hat ja mehrere Wirkungen.
Wenn wir über das reden, was im Moment passiert, oder wenn ich mir die Reise anschaue, dann sage ich: Es war richtig, da gewesen zu sein. Es war auch der richtige Zeitpunkt. Wir haben auch die Gelegenheit genutzt, dort kritische Fälle anzusprechen. Wir haben dort den Fall der Inhaftierung von Gouverneur Harput angesprochen.
Wir halten uns aus der Bewertung eines Verfahrens erst einmal heraus. Aber was klar ist: Dass eine Untersuchungshaft fünf Jahre dauern kann, wobei die Anklage noch nicht einmal erfolgt sein muss, ist unerträglich. Da kann man nicht von einem Rechtsstaat sprechen.
Wir haben auch den Fall Deniz Yücel angesprochen. Da stellt sich schon die Frage, ob nicht ein Journalist in Geiselhaft genommen wird für die Zwecke des Präsidenten. Wenn ein Präsident jemanden, bevor er überhaupt angeklagt wurde, schon als Terroristen bezeichnet, wenn jemand schon vorverurteilt wird, dann kann man nicht davon ausgehen, dass gewährleistet ist, dass er ein rechtsstaatliches Verfahren bekommt.
Was ganz klar ist: Es ist unerträglich, wenn jemand eingekerkert wird, als Terrorist bezeichnet wird, ohne dass überhaupt eine Anklage erfolgt ist.
Insofern muss es so sein, dass wir uns hier klar äußern. Vor allem muss man auch sagen: Das Mindeste ist, dass eingehalten wird, was die türkische Regierung der Bundeskanzlerin versprochen hat, dass nämlich eine Betreuung durch das deutsche Konsulat oder die Botschaft erfolgen kann und wenigstens jemand Zugang zu ihm hat.
Das ist bis heute nicht erfolgt. Er kann sich darauf verlassen, dass wir den Fall von unserer Seite aus auch nicht relativieren. Man kann doch nicht sagen: Ist das ein bequemer oder unbequemer Journalist? Hat er schön geschrieben, oder hat er an bestimmten Stellen auch verletzt? – Wir sagen ganz klar: Journalisten stehen unter der Pressefreiheit. Sie müssen ihre Meinung sagen dürfen, und sie dürfen deshalb nicht inhaftiert werden.
Es gibt also keine Relativierung der Pressefreiheit, sondern Deniz Yücel ist freizulassen. Wenn wir sagen, er soll freigelassen werden, dann auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir hier von Presse- und von Meinungsfreiheit reden: nicht nur, dass er freigelassen wird, sondern auch, dass er wei
terhin in der Türkei leben kann und dass viele andere, die dort leben und arbeiten, dort ihre Meinung sagen, publizieren und veröffentlichen können. Insofern ist er stellvertretend für viele andere ein Fall, für den wir uns ganz besonders einsetzen, auch weil er aus Flörsheim kommt und er darauf vertrauen können muss, dass wir uns hier klar artikulieren.
Ein anderer Satz. Es ist im Vorfeld des Referendums angesprochen worden: Ja, es ist unerträglich, wenn Grenzen überschritten werden. Es ist unerträglich, wenn mit einer Rhetorik provoziert wird, die die Gefühle der Menschen in unserem Land verletzt. So wie wir unsererseits die Informationsfreiheit respektieren, können wir ganz klar fordern: Auch die Gefühle der Menschen in unserem Land sind zu respektieren. Die Gefühle des Volkes, das hier lebt, sind zu respektieren. Es dürfen keine Grenzen überschritten werden.
Wenn Grenzen überschritten sind, dann bedarf es klarer Worte. Die Worte des Ministerpräsidenten haben an Klarheit wohl nichts zu wünschen übrig gelassen.
Ich weiß von vielen, die persönlich gesagt haben: Wir sind dankbar, dass diese klaren Worte in dieser Art und Weise gefallen sind.
Deshalb lassen Sie mich noch abschließend sagen: Ja, wir wollen nicht, dass Streit und Hass in dieser Art und Weise in unser Land getragen werden. Wir tragen Verantwortung für unser Bundesland, für die Menschen, die hier leben, und für die Hessinnen und Hessen. Dazu gehören auch die türkischstämmigen Deutschen, d. h. diejenigen, die türkischstämmig sind und hier bei uns leben. Wir wollen nicht, dass man uns auseinanderdividiert. Wir alle haben hier unsere gemeinsame Heimat und tragen gemeinsam Verantwortung. – Besten Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! 2017 ist ein besonderes Jahr. Wir feiern in diesem Jahr 60 Jahre Römische Verträge. Es stellt sich immer die Frage, wie man mit einem solchen Jubiläum umgeht.
Man kann in einem solchen Jubiläumsjahr eine Negativbeschreibung vornehmen und einen Krisenzustand und einen Krisenmodus beschreiben. Man kann aber auch sagen: Wir haben eine erfolgreiche Geschichte, uns einen Frieden, Freiheit und Demokratie. – Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Menschen von Europa nur überzeugen können, wenn wir sagen, was wir geleistet haben und worauf wir stolz sein können: Frieden, Freiheit und Demokratie.
Es ist eben angesprochen worden: Selbstverständlich ist ein wirtschaftlicher Erfolg eine wichtige Basis einer Europäischen Union – gar keine Frage. Nicht ohne Grund ist auch nach einem zerstörten Europa die Konzentration darauf gelegt worden, eine gemeinsame Basis zu schaffen und gemeinsam wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Wenn wir aber heute hier diskutieren, dann muss der Schwerpunkt bezüglich Europas bei der Wertegemeinschaft liegen. Es sind die Werte, die uns verbinden. Wenn ich höre, dass wir uns eher mit anderen Dingen und mit Trump beschäftigen, sage ich ganz klar: Der Unterschied zwischen ihm und uns ist, dass er nur wirtschaftlich und nur über eine Wirtschaftsgemeinschaft denkt, wir aber über Werte und über eine Wertegemeinschaft reden. Wir tun das, Trump nicht.
Insofern stellt sich die Frage: Vor welchen Herausforderungen stehen wir? – Sie sind beschrieben worden. Ich will sie im Einzelnen nicht wiederholen. Exemplarisch nenne ich sie selbstverständlich: Brexit, Populismus, Nationalismus und auch Herausforderungen bezüglich der Zuwanderung nach Europa. Das sind Dinge, zu denen wir gemeinsame Antworten geben müssen. Dazu gehören auch die Ukraine und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, und die Krise in der Türkei.
Die Grundfrage ist, wie wir darauf reagieren und wie wir geeint und gemeinsam eine Antwort geben können. Wir alle miteinander wissen, dass die Summe von einzelnen Interessen mit Sicherheit kein gutes Ganzes ergibt. Und wir wissen, dass nationalistische Töne der vollkommen falsche Ansatz sind.
Ich würde mir wünschen, dass wir einerseits die Herausforderungen beschreiben, die wir haben. Das ist überhaupt keine Frage. Das müssen wir auch tun. Aber wir sollten doch mit einer Grundfröhlichkeit sagen, dass wir Lösungen finden. Ich finde, wir müssen anders als Populisten nicht sauertöpfisch auf die Straße gehen und Menschen verhetzen, sondern fröhlichen Herzens sagen: Wir demonstrieren für ein Europa.
Das sollte uns auch leichtfallen, und wir sollten auch einen Ansporn haben, wenn wir sehen, was in Koblenz gesprochen wurde. Ich will nur das eine Zitat verwenden. Normalerweise möchte ich Frauke Petry nicht zitieren. Man muss es aber hier tun. Es ist widerlich, es ist abstoßend, und es ist abartig, wenn Frauke Petry bei diesem Treffen bezüglich Europas von einem System der Unterdrückung, der Knechtschaft und der Tyrannei spricht und das gleichzeitig in einen Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen System bringt. Sie hat Europa mit der NS-Herrschaft verglichen und gesagt, der Kontinent habe nie lange eine Vormacht geduldet. Gleichzeitig hat sie gesagt, auch die Europäische Union, so Gott wolle, werde er nicht länger dulden.
Wenn das für uns kein Grund ist, zu sagen, dass wir fröhlichen Herzens in die Demonstration für eine Europäische
Union gehen, dann würden wir unsere Chance nicht nutzen, die wir jetzt nutzen müssen – bei allen Herausforderungen, die eben gerade beschrieben wurden.
Das bedeutet selbstbewusst: Ich will nicht, dass wir nur reagieren, dass wir nur auf Trump reagieren, dass wir nur sagen, wie die anderen uns sehen. Ich möchte, dass wir uns selbst gut sehen und wir uns selbst vergewissern und dass wir stolz auf das sind, was wir gemeinsam erreicht haben. Reaktion auf andere ist immer schlecht. Die Aktion, stolz und selbstbewusst zu sagen, dass wir ein starkes Europa sind und viel erreicht haben, motiviert die Leute. Das überzeugt die Leute, und nicht die Schlechtrederei.
Frau Hammann hat davon gesprochen: Frieden, Freiheit und Wohlstand, Freizügigkeit, Binnenmarkt – all die Dinge, über die wir eben gesprochen haben – funktionieren selbstverständlich nur in einem geeinten Europa. Dennoch – das wissen wir auch – hat der eine oder andere Unbehagen, weil Zusammenhänge schwierig geworden sind, weil ihm die Globalisierung Angst macht, weil ihm auch grenzenlose Dinge unter Umständen Angst machen, weil ihm auch neue Entwicklungen wie die Digitalisierung durchaus auch Angst machen können. Menschen sind heute in einer Situation, in der sie sich bei großen Zusammenhängen unter Umständen gern auf Kleines besinnen. Deshalb müssen wir selbstverständlich wiederum sensibel zuhören: Wovor haben die Menschen Angst? Wie können wir ihnen etwas erklären? Wie können wir das so erklären, dass wir es nicht in einer populistischen Sprache tun, sondern das wir ihnen sagen, warum sie Europa brauchen und warum das gut für sie ist?
Da gibt es viele Gründe. Wenn wir uns Hessen anschauen, um auf diesen Bereich zu kommen, dann sehen wir, dass Hessen innerhalb Deutschlands stark ist, weil wir ein internationales Bundesland sind, weil es bei uns viele Fragestellungen gibt, für die wir Europa und die Europäische Union brauchen. Das merkt man, wenn man sich den Flughafen anschaut, das Finanzzentrum, die pharmazeutische Industrie und viele weitere Bereiche, die ich nicht alle aufzählen kann.
Das ist der Grund, warum ich auch sage, man muss den Menschen an klaren Beispielen zeigen, dass wir Europa brauchen und dass wir gemeinsam stark sind, nicht durch Abschottung, sondern dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Deshalb leisten wir hier eine gute Arbeit, und wir leisten eine gute Arbeit in Brüssel. Ich denke, wir leisten auch hier in der politischen Arbeit eine gute Arbeit, indem wir den Leuten zeigen, was gut ist und warum es sich lohnt, für Europa zu kämpfen, gerade in dieser Zeit. – Besten Dank.
Herr Abg. Kummer, hier scheint es sich doch eher um eine subjektive Wahrnehmung von Ihnen zu handeln. Die Mitglieder der Hessischen Landesregierung unterhalten sich mit den Abgeordneten der unterschiedlichsten Fraktionen.
Selbstverständlich ist die Strategie der Gespräche darauf ausgerichtet, dass die Mitglieder der Landesregierung mit den Gesprächen, die sie übrigens nicht nur in Brüssel führen, sondern auch in Straßburg und in Luxemburg, die Interessen Hessens in die EU-Entscheidungsprozesse einbringen. Neben dem Ministerrat ist das Europäische Parlament der Gesetzgeber der EU. Die Abgeordneten sind deshalb wichtige Ansprechpartner für die Hessische Landesregierung auf EU-Ebene. Ein Netzwerk von Ansprechpartnern und der regelmäßige Kontakt mit Abgeordneten sind unbedingt erforderlich, und zwar fraktionsübergreifend. Gespräche mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments haben deshalb Priorität bei den Terminen, nicht nur in Brüssel, sondern, wie gesagt, auch in Straßburg.
Die Gesprächsanfragen richten sich in erster Linie an die Abgeordneten, von denen auszugehen ist, dass sie für hessische Interessen besonders aufgeschlossen sind. Das sind insbesondere die sechs hessischen Europaabgeordneten, die wir regelmäßig zu einem Gedankenaustausch einladen. Jeweils zwei Europaabgeordnete aus Hessen sind Mitglieder der EVP, der S&D-Fraktion und der Fraktion der GRÜNEN/EFA. Die der Piratenpartei angehörende Europaabgeordnete Julia Reda stammt aus Hessen und hat sich den GRÜNEN angeschlossen und wird somit dort mit eingeladen. Darüber hinaus wurden durch Mitglieder der Landesregierung natürlich auch Gespräche mit anderen Abgeordneten geführt. Exemplarisch möchte ich hier Britta Reimers (ALDE), Maria Noichl (S&D), Jens Gieseke (EVP), Bas Eickhout (GRÜNE/EFA), Josef Weidenholzer (S&D), Axel Voss (EVP), Jakob von Weizsäcker (S&D) nennen. Diese Liste ließe sich jetzt beliebig weiterführen.
Da allerdings die EVP mit Abstand die größte Fraktion im Europaparlament ist – aktuell sind es 250 Mitglieder – und die CDU/CSU-Gruppe mit 34 MdEP die größte nationale deutsche Gruppe in einer Fraktion ist, stehen uns als Gesprächspartner eben auch mehr Ansprechpartner der EVP in den Ausschüssen als Bericht- und Schattenberichterstatter oder Koordinatoren zur Verfügung, d. h. in ihrer Funktion, aber nicht aufgrund ihrer parteilichen Zugehörigkeit.
Um es also klar zu sagen: Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fraktion spielt für die Hessische Landesregie
rung bei der Wahl von Gesprächspartnern überhaupt keine Rolle.
Zusatzvermerk, Herr Abg. Kummer: Zu meinem großen Bedauern ist es gerade bei einzelnen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die nicht der EVP angehören, ausgesprochen schwierig, mit ihnen Gesprächstermine zu vereinbaren. Es gibt Einzelne, bei denen es mir bis heute nicht gelungen ist.
Sehr geehrter Herr Abg. Kummer, ich habe Ihnen eben beispielhaft einige Gesprächspartner der unterschiedlichsten Fraktionen genannt. Ihnen kann gern im Europaausschuss noch ein vertieftes Beispiel gegeben werden über die Gespräche, die ich führe und die der Staatssekretär Weinmeister führt. Darüber führen wir entsprechend Buch und Kalender. Daran werden Sie schon sehen, wie umfangreich die Gesprächspartner sind.
Selbstverständlich führen die einzelnen Fachminister ihre Gespräche auch vor Ort in Brüssel, auch über die Ressorts hinweg und auch über die Fraktionen hinweg mit allen Beteiligten. Aber ich glaube, dass es ausgesprochen schwierig sein wird, für alle Mitglieder der Hessischen Landesregierung die Terminkalender zu durchforsten, um darzulegen, mit welchen Abgeordneten man im Einzelnen gesprochen hat. Ich habe Ihnen eben dargelegt, allein dadurch, dass wir mit Entscheidungsträgern sprechen, mit Berichterstattern sprechen, mit denjenigen, die entsprechende Funktionen haben und die die hessischen Interessen vertreten – z. B. zum Finanzplatz Frankfurt reden wir sehr häufig mit Abgeordneten der Sozialdemokraten, weil das diejenigen sind, die dort an den Schlüsselpositionen sitzen –, mag es sein, dass Ihr Eindruck, den Sie über den Bericht wahrgenommen haben, in der Tat ein subjektiver ist. Das kann aber gerne im Ausschuss noch einmal vertieft werden.
Ich habe mich mit Abgeordneten getroffen, die in besonderen Funktionen sind, die die Interessen der Hessischen Landesregierung mit vertreten, die auch entsprechenden Einfluss nehmen können und die entsprechende Berichterstatter sind. Wenn es von den LINKEN welche geben würde, die die Kriterien erfüllen, hätte ich keine Scheu, auch mit diesen zu reden.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Beim letzten Redebeitrag blieb eigentlich nur die Antwort übrig: Dann treten Sie doch aus.
Ich bin ein bisschen darüber erschrocken, dass Europa mit einem solchen Katastrophenszenario beschrieben wird. Ich muss sagen, das wäre ein Redebeitrag bei den Leave-Befürwortern gewesen: zu beschreiben, was in Europa alles schlecht ist, was alles schlimm ist, und Europa auf Griechenland zu beschränken.
Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Ich danke denjenigen, die hier die Vorteile Europas dargestellt haben, die einmal dargelegt haben, was Europa für uns bedeutet.
Das ist in der einen oder anderen öffentlichen Diskussion ein bisschen untergegangen. Ja, es ist richtig: Wir haben viele wirtschaftliche Vorteile. Wir sind ein wichtiger Standort. Wir wollen die Briten bei uns haben. Wir wollen mit ihnen Geschäfte machen – gar keine Frage.
Aber ich glaube, wenn wir über Europa diskutieren, müssen wir noch ein bisschen tiefer gehen: Was hat uns Europa gebracht?
Dazu muss man nur einmal in die Länder hineingehen, die neu dabei sind. Jetzt gehen wir einmal nicht im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zu denjenigen, die eine andere Position dazu haben, ob sie Flüchtlinge aufnehmen oder nicht. Gehen Sie einmal zu den neuen Mitgliedern in den baltischen Staaten. Dort finden Sie glühende Europabefürworter, die heilfroh sind, dass sie dabei sind. Übrigens sind die auch heilfroh, dass sie den Euro haben. Das sind diejenigen, die die Dynamik in Europa vorantreiben, die aber auch ein Stück weit die Problematik Europas darstellen: dass sich Europa verändert hat.
Na klar, Europa hat sich verändert. Es gibt Mitgliedstaaten, die schon lange dabei sind, alte Demokratien. Zum Beispiel ist Großbritannien schon lange dabei. Es gibt aber auch welche, die neu hinzugekommen sind.
Es ist richtig, dass wir auf manche Fragestellungen unterschiedliche Antworten geben. Am Ende aber müssen wir mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Man sollte auch immer wieder einmal hervorheben, was uns Europa gebracht hat: ein einmaliges Friedensprojekt. Lassen Sie uns doch wieder einmal ein bisschen mehr darüber reden, statt in den Zeiten, in denen es schwierig ist, immer wieder zu sagen: Europa taumelt von einer Krise in die andere.
Wenn ich dann höre „Mehr Demokratie in Europa!“ – bitte schön: Die Mitgliedstaaten in Europa sind demokratische Staaten, die – wie Frau Hamann gerade sagte – ihre Werte teilen. Lassen Sie uns doch darüber einmal reden. Lassen Sie uns einmal darüber reden, dass die Mitgliedstaaten ihre Werte teilen und für diese Werte auch kämpfen, und sie in der Gemeinschaft erhalten wollen, gerade in schwierigen Zeiten. Na klar, Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit – zu Recht ist gesagt worden, das beschert uns Wohlstand und Sicherheit. Das sind doch die Dinge, um die wir streiten und für die wir kämpfen müssen.
Die Diskussion, wie sie im Moment stattfindet, Thema Brexit, ist eine Gelegenheit, bei der man auch wieder ein
mal mehr über Europa spricht; und das ist der Vorteil bei solchen Diskussionen. In jeder Krise liegt eine Chance.
Natürlich hoffen wir, dass die Briten letzten Endes dabei bleiben. Ich möchte es mir gar nicht vorstellen, dass sie nicht dabei bleiben. Wir werden es morgen sehen.
Sicher geht die Welt nicht unter, wenn die Briten aussteigen. Es darf auch nicht so sein. Aber Europa wird sich verändern, wenn sie aussteigen. Und was wir doch alle miteinander nicht wollen, ist, dass Rechtspopulisten, europafeindliche Gruppierungen die Gelegenheit nutzen, das Projekt Europa zu verlassen. Wir wollen doch gemeinsam für ein erfolgreiches Europa streiten, und zwar nicht nur aus Prinzip heraus, sondern weil es dringend notwendig ist.
Vor einigen Wochen war ich in London und habe sowohl mit Leave-Befürwortern als auch mit Remain-Befürwortern gesprochen. Ja, es ist richtig, die Emotionalität dort ist schon erschütternd, dieser Hass, der dort zum Ausbruch kommt. Die einen wollen das alte Empire zurück haben. Junge Leute, die eigentlich dabei bleiben wollen, sagen: Wir wollen bei Europa bleiben. – Aber sie artikulieren sich nicht in der Art und Weise wie diejenigen, die aussteigen wollen.
Ich kann nur sagen: Hohen Respekt vor einer Leave-Befürworterin, die in den letzten Tagen gesagt hat: Ich steige zum jetzigen Moment aus; ich bin nicht eine, die bei den Brexit-Befürwortern sein will, weil diese fremdenfeindliche Kampagne unerträglich ist; ich mache da nicht mehr mit. – Davor habe ich hohen Respekt, so etwas noch kurz vor dem Ende zu sagen.
Was ich mir wünsche, ist, dass die Emotionalität, mit der diese Debatte geführt wird, ein Stück zurückgeht und man bei der Brexit-Diskussion in eine eher sachliche Debatte geht – dass wir aber gleichzeitig sagen: Lasst uns doch wieder einmal ein paar mehr Emotionen für Europa spüren, nicht nur eine Rationalität, sondern Liebe zu einem Gemeinschaftsprojekt. Lasst uns doch einfach einmal gut reden.
Wenn hier die Beschreibungen vorgetragen werden, warum Europa in den Köpfen der Menschen in einem schlechten Zustand sein soll – sind wir dann nicht selbst ein Stück schuld? Sind wir nicht diejenigen, die es auch im Klein-Klein schlechtgeredet haben? Sind wir nicht diejenigen, die in manchen Bereichen Kritik geübt haben
und nicht die Vorteile hervorgehoben haben? Deshalb will ich zu dem einen Punkt kommen: Was ist die Aufgabe der Regionen, der Länder?
Ich habe das Glockenzeichen gehört. Ich überziehe nur ein bisschen, weil auch alle anderen ein bisschen länger gesprochen haben.
Wir haben in den Ländern, auf der Ebene, auf der wir sind, zum einen die Aufgabe und die Pflicht, logischerweise die Interessen unserer Bundesländer nach Brüssel zu tragen – dafür haben wir eine Landesvertretung, die eine gute Arbeit macht –; umgekehrt haben wir auch die Aufgabe, den europäischen Gedanken in unser Land, nach Hessen, hineinzutragen. Wir müssen ihn hineintragen. Wir sind diejenigen, die die Menschen begeistern können.
Ja, wir müssen darüber reden, was es uns bringt. Wir müssen darüber reden, welche Projekte verwirklicht werden. Wir müssen sagen, wohin europäische Mittel fließen, und können nicht immer so tun, als sei das in irgendwelchen Regionen weit weg, und wir hätten keine Möglichkeiten – sei es in der Wissenschaft, sei es in der Forschung, sei es im Bereich der Hochschulen, sei es im Bereich der Industrie, sei es in der Wirtschaft, sei es in der Landwirtschaft.
Wenn es uns gelingt, den Menschen zu vermitteln: „Wir haben viel von Europa, sowohl im inhaltlichen als auch im fachlichen und wirtschaftlichen Bereich, aber auch innerhalb des Projekts Frieden und Freiheit“, dann können wir unseren Teil dazu beitragen, um deutlich zu machen: Die Diskussion um den Brexit ist eine, um das Bewusstsein der Menschen wieder ein bisschen mehr zu schärfen.
Und dies zum Schluss: Ja, Hessen ist ein Bundesland, das sehr europäisch ist, mitten in Deutschland, mittendrin, ich möchte fast sagen: eines der europäischsten Bundesländer innerhalb Deutschlands. Wir sind diejenigen, die Impulse setzen können, wir sind diejenigen, die Signale geben können, wir sind diejenigen, die Begeisterung ausdrücken können.
Was ich mir mit Ihnen gemeinsam wünsche, ist klar: Morgen, bei der Abstimmung über den Brexit, wird hoffentlich das Ergebnis erzielt, dass die Briten dabei bleiben. Denn eines ist auch klar: Lieber ein kritisches Mitglied in einer Gemeinschaft, was es uns gemeinsam möglich macht, die Gemeinschaft zu verbessern, als eines, das als kritisches Mitglied aussteigt und die Möglichkeit der Veränderung nicht gibt.
In diesem Sinne: Hoffen wir alles Gute für morgen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der frühere EU-Kommissar Mario Monti hat einmal sinngemäß gesagt, Europa dürfe sich nicht darauf beschränken, Antworten in seiner Geschichte zu suchen, sondern müsse darüber nachdenken, welche Herausforderungen auf den Kontinent zukommen und welche Antworten wir darauf geben. Eine dieser Herausforderungen ist aktuell die Frage, wie wir mit der großen Zahl der Flüchtlinge umgehen, der Flüchtlinge, die aus Syrien, Afghanistan, Somalia, dem Sudan, dem Irak und vielen anderen Ländern zu uns kommen. Wie reagieren wir auf die große Zahl der im Mittelmeer ertrinkenden Menschen, die vor fundamentalistischer Gewalt, Unruhen und Armut nach Europa fliehen? Was können wir in Europa gemeinsam besser machen?
Erst vor wenigen Tagen ertranken wieder mehr als 800 Menschen, als ein Flüchtlingsschiff rund 110 km vor der Küste Libyens und in rund 200 km Entfernung von der italienischen Insel Lampedusa kenterte. Wir haben vorhin alle miteinander zu Beginn der Plenarsitzung dieses Unglücks gedacht. Solche Ereignisse und die Bilder, die uns über die Medien erreichen, machen uns alle miteinander tief betroffen.
So etwas darf nie wieder passieren, ja, das ist schon oft gesagt worden. Das stimmt auch immer wieder. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Mittelmeer eine Todesfalle für Flüchtlinge bleibt. In der akuten Not steht für uns alle miteinander ganz klar die humanitäre Pflicht an erster Stelle. Wir dürfen nicht zusehen, wie Menschen ertrinken, sondern wir müssen ihnen helfen.
Deshalb ist es auch richtig, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem Sondergipfel am letzten Donnerstag die Mittel für die Seenotrettung verdreifacht haben und mehr Schiffe ins Mittelmeer entsenden.
Wir wissen aber auch, dass es bei all den Lösungsvorschlägen und all den Rettungsmaßnahmen keinen Königsweg gibt. Die geplanten Maßnahmen zum Kampf gegen die Schleuser halte ich für richtig. Es ist wichtig, den kriminellen Schleppern, die den Menschenhandel als gewinnbringendes Geschäft betreiben, das Handwerk zu legen.
Wer am vergangenen Sonntag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ den Artikel gelesen hat, weiß, dass sich inzwischen eine Industrie entwickelt hat, die Schlauchboote an der libyschen Küste baut. Die Flüchtlinge werden in den Schlauchbooten mit einigen wenigen Kanistern Benzin ausgestattet, mit denen sie sich nur von der Küste wegbewegen können, aber gar keine Chance haben, nach Italien zu kommen. Dazu muss man sagen: Den Schleppern muss das Handwerk gelegt werden.
Ich glaube, wir müssen ebenso offen für das sein, was Lösungen sein könnten. Opfer könnten unter Umständen vermieden werden, wenn die Europäische Union die Verfahren erleichtern würde. Da kann die schnelle Prüfung der Asylanträge vor der lebensgefährlichen Passage mit gewissenlosen Schleppern durchaus eine Möglichkeit sein. Aber auch das Verfahren an den Küsten Südeuropas, wo die Flüchtlinge ankommen, muss verbessert werden.
Die EU ist auch gefordert, die Lebenssituation in den Ländern zu verbessern. Menschen, die in Ländern leben, in denen es ihnen besser geht, fliehen nicht. Wir alle miteinander wissen, dass diese Aufgabe eine sehr schwierige ist: den Menschen eine Perspektive zu geben, die aus diesen Ländern fliehen. Wir wissen, diese Aufgabe ist langfristig. Dennoch müssen wir uns dieser annehmen, denn sonst werden die Flüchtlingsströme nie aufhören.
Sehr geehrte Damen und Herren, mit großer Sorge habe ich zur Kenntnis genommen, dass sich der Gipfel nicht auf eine gemeinsame Strategie der Europäischen Union zur Verteilung der Flüchtlinge einigen konnte.
Laut UNHCR wurden in der EU im letzten Jahr rund 70 % aller Asylanträge in lediglich fünf Staaten der EU gestellt, allen voran Deutschland und Schweden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, betrachten Sie sich die Zahlen in Hessen. Hessen allein nahm im vergangenen Jahr 17.453 Flüchtlinge auf. Das sind doppelt so viele wie im Jahr zuvor, im Jahr 2013, mit 8.688 Flüchtlingen, und das sind dreimal so viele wie im Jahr 2012. Wenn wir uns diese Zahlen ansehen, dann wissen wir, dass wir eine große Last, eine große Aufgabe zu tragen haben. Deshalb sind wir auch gefordert, innerhalb Deutschlands eine angemessene Lastenverteilung durchzuführen.
Wir wissen, die Aufnahme, Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Aufgabe, in der Bund, Länder und Kommunen zusammenstehen müssen.
Wir Länder wissen, dass wir einerseits die Verpflichtung übernehmen, wir wissen aber auch, dass wir dazu finanzielle Mittel brauchen. Insofern ist die Forderung, der Bund müsse den Ländern dauerhaft mehr Geld für diese Aufgabe zur Verfügung stellen, auch berechtigt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir uns wiederum ansehen, was im Land passiert, wenn wir die Berichterstat
tung in den Tageszeitungen lesen und gerade heute im Radio hören, wie über Menschen berichtet wurde, die bereit sind, ehrenamtlich Asylsuchenden zu helfen, dann müssen wir in der öffentlichen Diskussion sehr darauf achten, dass wir weiterhin ein gutes Klima in unserem Land haben, ein Willkommensklima. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch den sehr vielen Menschen danken, die bereit sind, ehrenamtlich zu helfen, zuzuhören und sich auch weiter- und fortzubilden und entsprechende Lehrgänge machen, um Asyl suchenden Menschen qualifiziert zur Seite zu stehen. Das ist ein guter Dienst an den Menschen.
Ich sagte es gerade: Um Menschen zur Seite zu stehen, braucht es nicht nur Finanzen, sondern man muss den Menschen eine Chance geben. Es geht nicht nur um finanzielle Fragen. Gerade deshalb müssen wir jungen Menschen, die als Asylsuchende zu uns kommen, auch Perspektiven bieten. Die Ministerpräsidenten von BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, also unser Ministerpräsident Volker Bouffier, haben sich im Februar dieses Jahres an die Bundesregierung gewandt, um jungen Asylsuchenden mindestens für die Dauer einer Berufsausbildung den Aufenthalt zu ermöglichen. Das ist richtig. Es ist wichtig. Es ist unsere Aufgabe, jungen Menschen eine Chance, eine Perspektive zu bieten. Wir haben zahlreiche Unternehmen, die auf Fachkräfte nur warten.
Wenn wir über Fachkräfte reden, sollten wir auch das Thema Einwanderungsgesetz ganz pragmatisch behandeln. Aufgrund der demografischen Entwicklung brauchen wir qualifizierte Zuwanderung, und deshalb brauchen wir auch entsprechend qualifizierte Instrumente.
Sehr geehrte Damen und Herren, die drängenden Fragen der Migration können natürlich nur europaweit beantwortet werden. Deshalb begrüßen wir es, dass die EU-Kommission für Mitte Mai ein umfassendes Konzept zur europäischen Migrationspolitik angekündigt hat. Wir in Hessen sehen dieser Strategie, diesem Konzept mit großem Interesse entgegen, denn wir wissen: Diese Aufgabe ist eine europäische, nicht nur eine nationale und erst recht nicht eine rein kommunale. Keine Nation Europas bietet ein glückliches Inseldasein – in der Komplexität unserer Lebensverhältnisse und der globalen Herausforderungen. Deshalb gehört die Bewältigung von Migration und Armut zu den großen Herausforderungen unserer Gemeinschaft. Sie ist eine Bewährungsprobe für uns alle, für die europäische Gemeinschaft. Die europäische Gemeinschaft ist eine Wertegemeinschaft.
Ich sagte gerade, die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Aber sie ist mehr. Sie ist eine Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft, aber sie ist mehr: Sie ist ein Bekenntnis zur Demokratie, den Menschenrechten und dem Frieden.
Deshalb ist es richtig und wichtig, dass die Europäische Union gemeinsam mit ihren transatlantischen Partnern deutlich macht, dass Grenzverletzungen in einem Europa des 21. Jahrhunderts nicht akzeptiert werden.
Ich komme auf die Situation in der Ukraine. Russlands Vorgehen – erst auf der Krim, dann in der Ostukraine – hat die Grundlagen des Zusammenlebens in Europa verletzt. Die territoriale Integrität der Ukraine wird ebenso missachtet wie ihre staatliche Souveränität. Man muss es mit diesen klaren Worten sagen: Der russische Staatschef Wladimir Putin hat das Vertrauen Europas missbraucht und Völkerrecht gebrochen.
Es ist gut, dass sich die Europäische Union in dieser Frage nicht spalten lässt. Wenn man sich einmal mit Politikern und Diplomaten aus Polen, Lettland, Litauen oder auch Rumänien und Ungarn unterhält, wie ich das häufig tue, wenn ich z. B. in Brüssel bin, dann weiß man, wie wichtig für unsere neuen Mitgliedstaaten im Osten Europas die Geschlossenheit und die klare Haltung in dieser Frage sind. Wir haben die Pflicht, ihnen zur Seite zu stehen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Krise in der Ukraine nicht militärisch gelöst werden kann. Selbstverständlich brauchen wir wirtschaftliche Sanktionen. Das sind wirkungsvolle Maßnahmen, auch wenn sie schmerzhaft sind, für mehrere Seiten.
Eines aber ist auch klar: Der Gesprächsfaden darf nie abreißen. Mit einem „frozen conflict“ löst man keine Probleme. Und eines darf man bei aller kritischen Betrachtung dessen, wie Russland gehandelt hat, auch sagen: Wir wollen Sicherheit in Europa, und zwar gemeinsam mit Russland und nicht gegen Russland.
Ein weiteres wichtiges Thema der Gegenwart in Europa ist selbstverständlich das finanzielle Debakel Griechenlands. Nach wie vor pokert die neue Regierung. Statt konkrete Reformvorschläge zu machen und zu sagen, wie sie ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen will, um ihr Defizit abzubauen, reiste der griechische Finanzminister durch die Welt und hoffte auf Geld von Russland oder China.
Ich sehe es als positives Zeichen, dass inzwischen die Verhandlungspartner in gewissem Umfang ausgetauscht wurden, die mit Europa und den Geldgebern verhandeln sollen. Man sieht leichte Zeichen der Hoffnung, dass unter Umständen ein Stück Einsicht vorhanden ist.
Denn eines ist klar: Die aktuelle Lage ist ernst. Es ist schon schwierig, dass inzwischen weniger über die Frage diskutiert wird, ob Griechenland aus dem Euro ausscheidet, sondern dass verstärkt darüber diskutiert wird, wann eigentlich Griechenland aus dem Euro aussteigt.
Ich halte es für vollkommen richtig, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um die griechische Regierung zur Einsicht zu bringen. Der Euro ist nicht nur die Währung, sondern der Euro ist wichtig für Europa. Der Euro sorgt dafür, dass wir politische Stabilität haben, und er sorgt für den Zusammenhalt. Deshalb ist es auch richtig, dass wir so lange wie möglich mit Griechenland im Gespräch sind.
Aber das ist auch noch aus einem anderen Grund heraus wichtig. Sehen Sie sich die Nachbarländer an, z. B. Spanien, Portugal und Irland. Diese Länder haben Sparanstrengungen unternommen. Unterhalten Sie sich mit Vertretern
aus Lettland. Lettland hat eine Finanz- und Wirtschaftskrise durchgestanden und hat alles getan, um endlich den Euro einführen zu können. Sehen Sie sich die Situation in Frankreich an, dann wissen Sie, welche Reformnotwendigkeiten dort noch vorhanden sind. Daher muss man sagen: Es ist wichtig, mit Griechenland zu reden, aber es ist auch wichtig, den Druck nicht nachzulassen. Den Druck nachzulassen wäre ein fatales Zeichen an alle, die viel hinter sich haben oder die noch viel vor sich haben.
Damit das nicht einen falschen Zungenschlag bekommt oder überheblich aussehen mag: Auch Deutschland hatte schon seine Probleme. Noch 15 Jahre nach der Wiedervereinigung wurde Deutschland auch als „kranker Mann Europas“ bezeichnet. In Deutschland ist vieles geschehen, wurden viele Strukturreformen durchgeführt. Man braucht nur folgende Stichworte zu nennen: soziale Einschnitte durch Lohnsenkung, faktische Rentenkürzungen, flexiblere Arbeitsbedingungen, Haushaltskonsolidierung, Einführung der Schuldenbremse. Und auch das muss man sagen: Das ging auch an den Menschen bei uns nicht ganz spurlos vorüber. Auch bei uns wird Sparen gespürt. Man kann aber auch dazusagen: Diese Reformbemühungen haben Erfolg gezeigt. Das zeigt, dass es sich lohnt, sich hier einzusetzen.
In diesem Zusammenhang: Die Mitglieder der Währungsunion haben sich gegenüber Griechenland immer solidarisch gezeigt. Die Regierung Griechenlands muss aber auch begreifen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Ohne Reformen wird Griechenland keine Chance haben, Mitglied der Währungsunion zu bleiben. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, ohne Reformen würde Griechenland auch keine Chance mit der Drachme haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf ein weiteres europäisches Thema eingehen. Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen, das Kommissionschef Juncker zu Beginn seiner Amtszeit brachte:
Ich wünsche mir eine Europäische Union, die in großen Fragen Größe und Ehrgeiz zeigt und sich in kleinen Fragen durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auszeichnet.
Diesen Satz hat Jean-Claude Juncker zu einem Leitmotiv der neuen EU-Kommission gemacht. Das ist die Zielrichtung, wie Europa zukünftig handeln will und handeln wird. Das ist auch die Zielrichtung, die wir teilen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe zu Beginn meiner Rede die Themen Sicherheit, Frieden und Stabilität genannt. Wenn wir über Sicherheit, Frieden und Stabilität reden, gehört auch immer die wirtschaftliche Situation dazu. Eine stabile Wirtschaft trägt zu Sicherheit, Frieden und Stabilität bei. Deshalb ist eine gute Wirtschaft in Europa für uns so wichtig.
Dazu gehört auch das neue Arbeitsprogramm der EUKommission. Es setzt wichtige Impulse. Das 315-Milliarden-€-Investitionsprogramm ist ein richtiger und wichtiger Schritt für mehr Arbeitsplätze, Wachstum und Investitio
nen in Europa. Was in Europa investiert wird, kommt auch in Hessen an. Deshalb begrüßen wir dieses Programm.
Ich teile auch die Ansicht der Kommission, dass wir gerade in einem Zukunftsmarkt unter dem Stichwort „digitale Wirtschaft“ herausragende Möglichkeiten der digitalen und grenzenlosen Technologie haben. Gerade in Hessen können wir sie wesentlich besser nutzen: Hessen ist ein ITStandort. Hessen hat rund 120.000 Beschäftigte, in Hessen werden 40 Milliarden € umgesetzt, und es gibt rund 10.000 Unternehmen in diesem Bereich. Das ist für uns eine Branche von besonderer Bedeutung. Wir wissen, dass im digitalen Binnenmarkt riesige Potenziale stecken, und wir wissen, welches Wachstum mit den Zahlen im digitalen Binnenmarkt Europas verbunden ist. 340 Milliarden € Wachstum und Hunderttausende neue Arbeitsplätze werden damit in Zusammenhang gebracht.
Aber wir wissen auch, dass in diesem Bereich noch einiges zu tun ist, um die entsprechenden Möglichkeiten zu nutzen. Um das zu schaffen, brauchen wir die Freiheiten des EU-Binnenmarktes auch in der digitalen Wirtschaft. Interessant ist schon, wenn man sieht, dass wir die Grenzbäume auf den realen Verkehrswegen abgebaut, im digitalen Bereich aber noch stehen haben. Ich möchte Ihnen hierfür ein Beispiel nennen: das sogenannte Geoblocking, mit dem Angebote von Dienstleistern aus dem Ausland einfach ausgeblendet werden. Wir werden uns bestimmt noch lange mit den Fragen des Urheberrechts und der Reform des Telekommunikationsmarktes beschäftigen. Das heißt, die digitale Wirtschaft bietet uns Chancen, wenn wir Barrieren abbauen.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen, der auch für Hessen wichtig ist. Man kann in 20 Minuten nur wenige Dinge anreißen. Da möchte ich das viel diskutierte Transatlantische Freihandelsabkommen nennen, in der Öffentlichkeit ein schwieriges Thema, teilweise sehr emotional diskutiert, inzwischen erfreulicherweise ein Stück differenzierter. Was man auf alle Fälle feststellt: Dieses Thema bewegt viele Menschen. Aber wir wissen auch, dass ein Handelsabkommen eine Chance für die hessische Wirtschaft sein kann.
Wir kennen auch die Bedenken, die es vor mehr als 50 Jahren gegen den Europäischen Binnenmarkt gegeben hatte, indem man befürchtete, dass getroffene Handelsregeln unter Umständen zum Nachteil einzelner Mitgliedstaaten gereichen könnten. Das muss man an der Stelle immer sagen: Wenn Menschen Bedenken haben, dann soll man die Bedenken aufnehmen, offensiv damit umgehen und transparent darüber diskutieren. An der Stelle gab es in der Vergangenheit durchaus Defizite. Man muss aber auch klar sagen: Wo wären wir heute eigentlich, wenn wir den Europäischen Binnenmarkt nicht hätten, wenn wir die Marktchancen nicht genutzt hätten?
Insofern müssen wir uns heute auch die Frage stellen: Wo wären wir, wenn wir ein entsprechendes Handelsabkommen nicht abschließen würden? Das Handelsabkommen bietet große Chancen, Zölle und andere Handelsbarrieren abzubauen, gemeinsame Standards zu entwickeln, selbstverständlich immer mit der Prämisse, dass Standards, die
uns wichtig sind, nicht aufgegeben werden, sei es z. B. im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherschutz.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, dass wir angesichts der Chancen, die wir da haben, bei der Diskussion in der Vergangenheit einen Aspekt ein Stück weit vernachlässigt haben: Wenn wir über TTIP gesprochen haben, haben wir zu wenig über den geostrategischen Ansatz gesprochen. Wir haben meines Erachtens auch zu wenig darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass Europäer, wenn sie wollen, dass ihre Standards in der globalen Wirtschaft gelten, auch entsprechende Abkommen schließen, in denen diese Standards eine Rolle spielen. Wir wollen Geschäfte mit denen machen, die unsere Werte teilen.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Herbst wird es im Landtag eine Anhörung zu TTIP geben, Experten werden ihre fundierten Einschätzungen hierzu abgeben. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle auch die Chancen für die mittelständische Wirtschaft noch ein Stück deutlicher machen sollten.
Hessische Unternehmen exportieren für mehr als 6 Milliarden € in die USA. Speziell Unternehmen aus dem Bereich der Pharma- und der Chemieindustrie haben hier Chancen, weil einheitliche Zulassungen und die Reduzierung von bürokratischem Aufwand bedeuten, dass man Kosten sparen und diese Mittel wiederum in die Forschung investieren kann. Insofern lassen Sie uns über dieses Thema in einer Art und Weise diskutieren, dass wir Chancen und Risiken erkennen, es aber nicht von vornherein ablehnen.
Sehr geehrte Damen und Herren, 20 Minuten sind schnell um. Lassen Sie mich nur noch auf einige wenige Punkte eingehen. Hessen ist ein wirtschaftsstarkes Land. Wir sind eine der wirtschaftsstärksten Regionen innerhalb Europas. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist Hessen größer als zwölf andere EU-Mitgliedstaaten. Wir haben eine größere Wirtschaftskraft als Dänemark oder Österreich. Wenn Sie sich das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ansehen, liegt Hessen innerhalb des Rankings der EU-Mitgliedstaaten auf Platz 4. Damit kann man zum Ausdruck bringen, warum die Wirtschaft für uns so wichtig ist.
Sie kennen den Standort Rhein-Main: Flughafen, Europäische Zentralbank, Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen, Finanzplatz, IT-Standort. Das zeigt, dass das Rhein-Main-Gebiet, insbesondere Frankfurt, ein Standort von besonderer Bedeutung ist. Nicht umsonst wird Frankfurt häufig auch als vierte Hauptstadt Europas bezeichnet.
Das bedeutet wiederum, dass für uns als Hessische Landesregierung der Bereich der Wirtschaft besonders ist, wenn wir in Europa entsprechende Dinge erreichen wollen. Dafür ist die Europastrategie der Landesregierung maßgebend, die im Moment in der Aufstellung ist und die sich an
der Grundlage des Arbeitsprogramms der EU-Kommission orientiert.
Ich möchte nur drei Stichworte nennen: Selbstverständlich ist für uns das Subsidiaritätsprinzip maßgeblich. Deswegen sagen wir, Europa ist groß im Großen, und wir sind stark in dem, was wir besonders gut können. Als Land können wir beweisen, wie erfolgreich Föderalismus ist. Wir wollen im Bereich der dualen Ausbildung, dass der Meisterbrief weiter Bestand hat.
Ein sehr drängendes Thema ist die Arbeitsmigration. Wir brauchen eine Strategie zur Arbeitsmigration, um dem demografischen Wandel zu begegnen und den Fachkräftemangel ausgleichen zu können.
Sehr geehrte Damen und Herren, deshalb: Ja, wir vertreten unsere Interessen, indem die Landesregierung sie gemeinsam formuliert, aber auch gemeinsam in Brüssel vertritt, über die Landesvertretung oder auch durch Besuche der politisch Verantwortlichen, der Ressortminister, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesvertretung, von Staatssekretär Weinmeister und mir.
Abschließend möchte ich sagen: Europa ist für uns wichtig, wir haben in Europa Interessen; ich habe ein paar Punkte formuliert. Man muss Europa aber auch ein Stück weit im Herzen tragen.
Wenn wir wollen, das Europa gelebt wird, dann müssen sich Menschen für Europa engagieren, z. B. in den Partnerschaftsvereinen und in den Bereichen, in denen Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird. Viele Akteure betreiben Öffentlichkeitsarbeit für Europa. Hierzu zählen beispielsweise die Europa-Union, die Landeszentrale für politische Bildung, das Europakomitee und Europaschulen. Wir wissen, dass es viele gibt, die den europäischen Gedanken tragen, die sich engagieren und andere dazu bringen, sich zu engagieren. Wir wollen zukünftig alle, die in diesen Bereichen aktiv sind, in einer besonderen Art und Weise vernetzen. Wir wollen ein „Netzwerk für Europa“ in Hessen schaffen, um ihre Aktivitäten miteinander zu verknüpfen.
Wir starten diesen Prozess noch in diesem Jahr mit einem Europaempfang der Landesregierung. Wir werden unterschiedliche Akteure zusammenbringen. Staatssekretär Weinmeister und ich haben in der Reihe „Begegnungen“ viele interessante Europäer kenngelernt. Sie sind hervorragende Botschafter eines modernen und lebendigen Europas. Auch diese werden unsere Gäste sein.
Wir werden digital die Möglichkeit schaffen, Aktivitäten und Veranstaltungen aller hessischen Europaakteure zu bündeln und in Zukunft ein Stück weit besser zu kommunizieren, indem wir die Informationen besser an die Menschen herantragen, in die Breite bringen, damit die europäischen Aktivitäten besser zur Kenntnis genommen werden können. Man könnte auch sagen: Wir werden das Netz noch enger knüpfen und damit auch stärker machen.
Sehr geehrte Damen und Herren, eine gute Gelegenheit, für Europa zu werben – die meisten von Ihnen machen es schon – ist die Europawoche vom 2. bis 10. Mai 2015. Allein in Hessen sind 129 Veranstaltungen geplant, die über
wiegend von Ehrenamtlichen organisiert werden. Viele Abgeordnete werden sich bei den Veranstaltungen engagieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, in einer Zeit, die uns vor große Herausforderungen stellt, in einer Zeit, in der sich vieles bewegt, in einer Zeit, in der wir spüren, wie wichtig es ist, dass sich die Europäer auf ihre gemeinsamen Werte besinnen und sich für sie einsetzen, in einer Zeit, in der wir den Blick für das Wesentliche brauchen, sollten wir Europa sowohl im Kopf als auch im Herzen tragen. Deshalb: gemeinsam für Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. – Besten Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wie notwendig es ist, über dieses Thema hier zu diskutieren, zeigt der Wortbeitrag des Abg. Wilken.
Wir sind in einer Zeit, in der wir der Menschen gedenken, die in der Zeit der DDR-Diktatur umgekommen sind, weil sie in die Freiheit wollten. Wir denken an die Menschen, die die ersten Protestdemonstrationen in Leipzig, in Plauen und in Berlin durchgeführt haben, die auf die Straße gegangen sind und nicht wussten, welchen Schaden sie damit persönlich erleiden würden. Wir sind im Gedenken an diejenigen, die mit Bürgerprotesten erreicht haben, dass die Mauer gefallen ist. Da kann ich nur sagen: Es ist mehr als zynisch, dass ein Abgeordneter in dieser Diskussion von den „belegbaren Vorzügen des Lebens in der DDR“ spricht.
Ich empfinde es als nochmalige zynische Steigerung, dass Sie „mehr Gelassenheit in der Diskussion“ anmahnen.
In dieser Diskussion kann man nicht gelassen sein, weil es in diesem Fall zu viele Betroffene gibt.
Es gibt mehrere, die mit dem Eingestehen des Unrechtsstates ihre Probleme haben. Ich möchte die Zitate nicht wiederholen, weil sie im Einzelnen schon genannt wurden. Man denke hierbei an Gysi, der immer hin und her schwankt und mit dem klaren Begriff Unrechtsstaat ein Problem hat, man denke an Frau Enkelmann, die Chefin der Rosa-Luxemburg-Stiftung, an das gerade genannte Zitat des hessischen Abgeordneten Gehrke oder an das von Lothar Quanz vorgetragene Zitat von Gesine Lötzsch.
Was verbirgt sich dahinter? Man tut sich schwer, zuzugeben, dass es einen Unrechtsstaat gegeben hat, und man versucht, daraus eine akademische und theoretische Diskussion zu machen. Das ist das Ungeheuerliche. Es geht hier nicht um eine akademische oder theoretische Diskussion, sondern es geht um Schicksale. Es geht um Menschen, die gestorben sind oder Leid erlitten haben, weil sie Freiheit und Demokratie wollten. Es geht um Menschen, deren Würde in einem Unrechtsstaat gebrochen wurde. Ich sage ganz klar: Das kann in den Ohren der Opfer nur zynisch klingen, und da kann man keine Gelassenheit anmahnen.
Man halte sich vor Augen, dass – zumindest gezählt – 136 Todesopfer zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer zu beklagen sind. Herr Wilken, wir „würdigen“ die Toten im Übrigen nicht, sondern wir betrauern sie. Das ist der Unterschied.
136 Menschen sind von DDR Grenzsoldaten aufgrund des Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze erschossen worden. Wir wissen heute, dass nach Angaben der zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter 872 Todesopfer an der innerdeutschen Grenze zu verzeichnen sind. Das sind Zahlen, die uns genannt werden, wobei wir aber nie genau erfahren werden, ob sie stimmen, ob die Zahlen ausreichend hoch sind, weil es zu dem Unrechtsstaat gehörte, dass man es vertuschte, dass man es verschleierte und nicht jedes einzelne Opfer zählte.
Bis zu 6.000 Menschen haben sich in der DDR jedes Jahr das Leben genommen. Die Selbstmordrate in der DDR war größer als in anderen Ländern. Es war eine der weltweit höchsten Selbstmordraten. Ist das nicht ein Zeichen des Unglücks vieler Menschen in diesem Unglücksstaat?
Die DDR-Regierung ließ zwischen 1,3 und 1,4 Millionen Minen an der Grenze verlegen und 55.000 Selbstschussanlagen anbringen, die montiert wurden, weil man verhindern wollte, dass die eigenen Bürger den sogenannten antifaschistischen Schutzwall überwinden, der nichts anderes war als eine menschenverachtende Grenze mit einem Todesstreifen, in dem die Menschen ermordet wurden, die das Land verlassen wollten.
Ich frage Sie: Wer wollte das nicht als Unrecht bezeichnen? 1988 lebten knapp 17 Millionen Einwohner der DDR in Unfreiheit. Meinungsfreiheit gab es nicht. Für den Staat unangenehme Meinungsäußerungen endeten schlicht und einfach damit, dass man die Menschen in Gefängnisse brachte. Es war überhaupt nicht daran zu denken, dass man hätte frei wählen können, und es war gar nicht daran zu denken, dass die Menschen hätten dorthin reisen können, wohin sie reisen wollten. Ich frage Sie: War das kein Unrecht?
Mehr als 4 Millionen Menschen verließen damals ihre Heimat – oftmals auch ihre Familien –, weil sie es nicht mehr aushalten konnten, in Diktatur und Unfreiheit zu leben. Familien wurden auseinandergerissen. Sie wurden getrennt oder trennten sich, weil sie es nicht mehr aushalten konnten. Ich frage Sie: Ist das kein Unrecht? Gehen wir noch ein Stück weiter.
Angesichts eines Staates, in dem es keine Gewaltenteilung gab, keine freien Wahlen, keine demokratisch legitimierte Regierung, sondern eine, die rücksichtslos auf Bürger schießen ließ, die das Land verlassen wollten, frage ich Sie allen Ernstes – die Frage richte ich an die Linkspartei –: Ist das nicht unerträglich? Ist das nicht ein Grund, zu sagen: „Das war ein Unrechtsstaat“?
Ich möchte Herrn Gauck, den Bundespräsidenten, zitieren, der am 9. Oktober 2014 beim Festakt „25 Jahre Friedliche Revolution“ in Leipzig klare Worte gefunden hat:
Die DDR war ein Unrechtsstaat, es gab keine unabhängige Gerichtsbarkeit, schon gar nicht ein Verfassungsgericht. … Dafür existierte Willkür, die das Land beherrschte. Wehrdienstverweigerer mussten mit Gefängnisstrafen rechnen, jungen Leuten wurden Bildungswege verbaut und Zukunftschancen verstellt.
Ich glaube, diesen Worten von Joachim Gauck ist nichts hinzuzufügen.
Ich komme gleich zum Schluss. – Sehr geehrte Damen und Herren, seit dem Fall der Mauer wird das Unrecht des SED-Unrechtsstaats aufgearbeitet. Ich finde, insbesondere wenn ich mir die Äußerungen anhöre, die vom – von mir aus gesehen – linken Flügel kommen, es ist sehr notwendig, dass die Hessische Landesregierung dieses Unrecht weiterhin aufarbeitet
Wir haben die Pflicht, jungen Menschen zu sagen, was in der DDR passiert ist. Wir haben die Pflicht, den Menschen mit den Aktivitäten, die wir im Rahmen der politischen Bildung anbieten, deutlich zu machen, dass das, was hier gesagt wird, Unrecht ist. Insofern sehen wir uns als Hessische Landesregierung dauerhaft in der Pflicht, aufzuklären und insbesondere den jungen Menschen klarzumachen, was in der DDR passiert ist und dass sie ein Unrechtsstaat war.
Wir sind ebenso verpflichtet, es den Opfern zu sagen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der 1. September 1939 ist mit dem deutschen Angriff auf Polen in vielerlei Hinsicht der Ausgangspunkt für ein moralisches Inferno, einen barbarischen Vernichtungskrieg und vor allem auch den beispiellosen Völkermord an Juden, die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma, Homosexuellen, politisch oder religiös Andersdenkenden sowie behinderten Menschen.
In einem der heute eingebrachten Anträge ist zu Recht von Zivilisationsbruch die Rede. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren wurde Unmenschliches zur Realität. Bundespräsident Gauck hat vor wenigen Wochen bei der Gedenkfeier in Polen richtigerweise daran erinnert:
Hitler nutzte Polen als Laboratorium für seinen Rassenwahn, als Übungsfeld für seine Unterdrückungsund Vernichtungspolitik gegenüber Slawen und Juden.
Gerade gegenüber dem polnischen Volk, das wie keine andere Nation mutig Widerstand geleistet hat, sehen wir uns in der Verantwortung, dieses Schreckenskapitel deutscher Geschichte niemals in Vergessenheit geraten zu lassen.
Erinnern wir uns auch daran, dass schon mit dem Januar 1933 die Bekämpfung Oppositioneller, die Entrechtung Deutscher jüdischen Glaubens und die Verfolgung von Minderheiten und Andersdenkenden begann. Mit dem Krieg ließ das NS-Regime dann endgültig seine brutale Maske fallen.
Daher gedenken wir – die Landesregierung schließt sich hier den Antragstellern an – allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft. Als der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog im Januar 1996 den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus proklamierte – Anlass war das Gedenken an die Befreiung von Auschwitz –, erklärte er vor dem Deutschen Bundestag:
Deshalb geht es darum, aus der Erinnerung immer wieder lebendige Zukunft werden zu lassen. Wir wollen nicht unser Entsetzen konservieren. Wir wollen Lehren ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Zitat will ich die Aufmerksamkeit auf eine der zentralen Herausforde
rungen lenken, denen wir uns heute in diesem Zusammenhang gegenübersehen. Wir begehen im Jahr 2014 zahlreiche Gedenktage, die die Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte mit all ihren Brüchen gerade im 20. Jahrhundert kennzeichnen. Ich nenne vor allem die beiden Weltkriege, die die europäische Entwicklung massiv geprägt haben.
Wie aber schaffen wir es, die junge Generation für diese Geschichte zu sensibilisieren? Wie schaffen wir es, dass junge Menschen daraus Lehren für die Zukunft ziehen? Dieser Herausforderung nehmen sich nicht zuletzt die hessischen Schulen an, aber auch unsere Landeszentrale für politische Bildung, generationenübergreifend für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger.
Gerade bei jungen Menschen ist die Herausforderung auch deshalb groß, weil ein trockener Geschichtsunterricht wenig Chancen im neuen digitalen Leben hat und weil der Satz „Mein Opa hat erzählt …“ immer seltener zu hören ist – eine früher übliche privat vermittelte Erinnerungskultur in den Familien.
Wie Kultusminister Prof. Lorz bereits in seiner Regierungserklärung am Dienstag ausführte, integrieren viele hessische Schulen Gedenktage oder den Besuch von Erinnerungsorten, Gedenkstätten und Museen in ein langfristig wirkendes pädagogisches Konzept historisch-politischer Bildung.
Gerade die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, also mit Mahn- und Gedenkstätten, mit Begegnungsstätten, mit Kriegsgräberstätten sowie Archiven, Museen, Stiftungen und historischen Vereinen oder Zeitzeugen bieten konkrete Begegnungen, fördern aber auch kritisches Nachfragen und eigenes Recherchieren. Auch ich will die hessischen Schulen ausdrücklich ermuntern, Gedenkstätten der NS-Diktatur zu besuchen. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten.
Die Erinnerungskultur ist darüber hinaus fester Bestandteil der Curricula, der Prüfungsordnung oder der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Nicht nur, aber auch die zahlreichen Gedenktage des Jahres 2014 waren und sind für die Landeszentrale für politische Bildung Anlass, ein breitgefächertes Angebot an Veranstaltungen, Seminaren, Lesungen und Veröffentlichungen zu machen.
Ich will ausdrücklich betonen, dass permanent eine begrüßungswerte Förderung der Gedenkstättenarbeit geleistet wird. Ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den vielen Kooperationspartnern hierfür sehr herzlich danken.
Ich betone dies auch, weil die Bundeszentrale und die Landeszentrale für politische Bildung nach dem Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zur Weimarer Zeit fester Bestandteil demokratischen Wirkens geworden sind und bleiben sollten. Nur wenn die Demokratie stark ist, haben Hass und Gewalt keine Chance.
Setzen wir uns auch in diesen Tagen dafür ein, dass Hass und Gewalt keine Chancen haben. Unsere Verantwortung und damit die Lehren aus der unsäglichen Geschichte liegen klar auf der Hand. Deshalb setzen wir uns auch mit ganzer Kraft für unsere Demokratie, die Demokratie des Grundgesetzes ein, mit der wir aus den Irrungen und Wirrungen der Geschichte die Konsequenzen gezogen haben. Das Wissen um die Folgen von Krieg, Diktatur und Ge
gengewalt festigt unseren Einsatz für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat.
Deshalb stehen wir zur europäischen Einigung. Keine andere Gemeinschaft hat diesem Kontinent eine so lange Epoche von Frieden und Aussöhnung gebracht wie die europäische Idee und die Verklammerung von Staaten zur Europäischen Union.
Wir dürfen die Geschehnisse nicht unvergessen machen, indem wir eine anschauliche und praktische Erinnerungskultur unterstützen und ausbauen. Geben wir jungen Menschen die Chance, sich mit unserer Vergangenheit kritisch auseinanderzusetzen.
Sehr geehrte Damen und Herren, erinnern wir uns, um nicht zuzulassen, dass Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In fünf Tagen ist Europawahl. Wir werden das neue Europäische Parlament wählen. Im Vorfeld der Europawahl wird viel diskutiert und informiert. Die Berichterstattung hinsichtlich der Europawahl verdichtet sich in einem erfreulichen Maße.
Vielleicht geht es Ihnen so ähnlich wie mir. Wenn ich auf Veranstaltungen bin, dann werde ich häufig gefragt: Ist Europa ein Erfolg? Wozu brauchen wir Europa? Was haben insbesondere wir Hessen von Europa?
Um Europa, besser gesagt, die Europäische Union, zu verstehen, müssen wir es immer wieder erklären. Wenn man sich die Entwicklung der Europäischen Union in den vergangenen Jahren ansieht, sehen wir, dass sie größer geworden ist. Das geschah insbesondere vor zehn Jahren durch die Aufnahme der neuen Mitglieder im Rahmen der Osterweiterung.
Wir sehen, dass die Europäische Union größer geworden ist. Wir verbinden damit, dass sie sich im Laufe der Jahre verändert hat. Ich sage: Sie ist größer und vielfältiger geworden. Sie ist wesentlich anspruchsvoller und damit auch komplexer geworden. „Komplexer geworden“ heißt für den einen oder anderen wiederum weniger nachvollziehbar.
Wenn Sie ältere Menschen fragen, was sie von der Europäischen Union halten und was sie insbesondere hervorheben, dann sind es oft diese, die die besondere Friedensleistung der Europäischen Union würdigen. Das sind diejenigen, für die es nicht selbstverständlich ist, dass wir in einer so langen Friedensphase miteinander leben.
Wenn Sie mit jüngeren Menschen reden, ist es für sie wiederum selbstverständlich, in Frieden zu leben. Sie kennen es nicht anders.
Wenn Sie andere Errungenschaften nennen, die wir in der Europäischen Union haben, werden Sie merken, dass das für die jungen Menschen häufig selbstverständlich ist. Das betrifft z. B. die gemeinsame Währung und die offenen Grenzen. Wir haben einen Europäischen Binnenmarkt, der uns herausragende Chancen bietet.
Junge Menschen wissen nicht, wie es ist, durch Europa zu reisen und dabei Grenzen überwinden und in unterschiedliche Währungen umtauschen zu müssen. Deshalb ist auch die Ansprache, die wir bei jüngeren Menschen haben, häufig eine andere. Junge Menschen sehen Europa anders als ältere Menschen.
Ich glaube, das kann man schon in dieser Form formulieren: Die Europäische Union ist mit ihren 28 Staaten ein Meisterwerk.
Insbesondere erkennt man, dass es ein Meisterwerk ist, wenn man sich die Geschichte ansieht. Dabei sollte man sich insbesondere unsere Geschichte ansehen.
Wir blicken in diesem Jahr auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zurück. Wir blicken auf den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren zurück. Es ist alles andere als selbstverständlich, sondern es ist hart
erarbeitet, dass Länder und Staaten, die früher gegeneinander Krieg geführt haben, heute gemeinsam am Erfolg der Europäischen Union arbeiten. Darauf können wir stolz sein.