Olaf Scholz
Appearances
20/9
20/17
20/19
20/22
20/27
20/37
20/42
20/45
20/47
20/53
20/58
20/64
20/65
20/66
20/70
20/75
20/78
20/97
20/101
20/104
20/106
Last Statements
Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Es ist eine besondere Situation, über die wir diskutieren. Wir reden über einen Fakt, der nicht jedem schmeckt, der aber gut ist für unsere Stadt. Wir reden über einen Erfolg, der übersetzt heißt: Die Sozis können mit Geld umgehen.
Der Haushalt des vergangenen Jahres wird einen Überschuss erwirtschaftet haben. Wir hören nun viele Reden, warum das eigentlich doch nicht so sei, aber die Wirklichkeit ist: Es wird einen Überschuss in diesem Haushalt geben, und das ist ein großer Erfolg einer langfristig angelegten Politik.
Bei allen Argumenten führt am Ende führt nichts an der Realität vorbei, dass es gut gelaufen ist.
Ich glaube, dass es notwendig ist, eine langfristige Politik zu verfolgen. Zum Beispiel haben wir uns von vornherein entschieden, etwas nicht zu machen, was im politischen Diskurs zur Mode gehört, nämlich ab und zu dramatische Sparprogramme zu verkünden.
Wir sind immer wieder dazu aufgefordert worden, Programme aufzulegen und zu zeigen, was alles verändert werde. Tatsächlich funktioniert es genau andersherum. Man darf Haushaltspolitik nicht lange Zeit falsch betreiben und dann versuchen, zwischendurch – gewissermaßen im Hin und Her zwischen Diät und Völlerei – eine Haushaltskonsolidierung zustande zu bringen, sondern man braucht einen Plan, nach dem bei allen Einzelentscheidungen das Richtige getan wird. Dann geht es insgesamt gut aus. Und genau das ist uns gelungen.
Die Grundlage von allem ist Seriosität. Zur Seriosität gehört, dass wir in der von uns auf den Weg
gebrachten Haushaltsplanung nicht von außergewöhnlichen Begleitumständen ausgegangen sind, zum Beispiel einer guten Konjunktur, die entsprechende Einnahmen zur Folge hat. Wir haben einen langfristigen Plan gehabt, der einen späteren Zeitpunkt vorsah, die Neuverschuldung auf Null zu bringen. Aber weil wir diesen Plan hatten, ist uns das schon im vorigen Jahr gelungen. Dieser Zusammenhang muss betont werden; auf den kommt es an.
Wir werden uns auch in Zukunft dieser Linie entsprechend verhalten. Dazu zählt natürlich auch, dass wir das, was wir an zusätzlichen Einnahmen erzielen werden, zur Schuldentilgung verwenden, anstatt uns etwas Neues auszudenken. Man darf in Zeiten einer guten Haushaltskonjunktur keine neuen Pläne für Geldausgaben schmieden, sondern die Einnahmen müssen genutzt werden, um das Ziel der Haushaltskonsolidierung schneller zu erreichen. So haben wir es gemacht.
Deshalb gibt es, anders als vor der letzten Bürgerschaftswahl, auch einen Haushalt für die nächsten zwei Jahre, der schon beschlossen ist. Das ist, im Hinblick auf die Erfahrungen der Vergangenheit, etwas Besonderes. Es zeigt, dass dieses planmäßige, langfristig angelegte Vorgehen auch weiterhin maßgeblich für uns sein wird. Ich glaube, dass es nicht sehr Viele gibt, die unmittelbar vor einer Bürgerschaftswahl einen Doppelhaushalt zur Abstimmung stellen,
in dem jeder genau nachrechnen kann, ob alles, was im Wahlprogramm steht, auch finanziert ist. So ist es aber, und das ist ein Beweis dafür, dass es weiter seriös in dieser Stadt zugehen soll.
Ich danke dem Abgeordneten Hackbusch für die vielen Hinweise auf die wenig überzeugenden Argumente der übrigen Oppositionsfraktionen,
will ihm aber an einer Stelle widersprechen. Ich bin der Meinung, dass die Entscheidung für die Schuldenbremse richtig gewesen ist. Ich habe mich in Deutschland in den verschiedenen Funktionen, die ich hatte, dafür eingesetzt. Ich habe mich auch hier dafür eingesetzt und wiederhole, was der Abgeordnete Dressel gesagt hat: Es ist gut, dass so viele Abgeordnete die Verfassungsänderung in Hamburg möglich gemacht haben, mit der wir das Schuldenverbot festgeschrieben haben.
Ich verbinde das mit einer Hoffnung. Bei der Schuldenbremse, dem Neuverschuldungsverbot für die 16 Bundesländer und der Begrenzung des Schuldenanstiegs im Bundeshaushalt geht es nicht nur um eine Haushaltsangelegenheit. Es geht um etwas, das unsere Debatten über die Frage, was wir tun können und was wir nicht tun können, verändern wird. Denn der eigentliche Grund für die Haushaltsentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte ist, dass man sich niemals getraut hat zu sagen, wenn ich das eine mache, dann kann ich das andere nicht machen,
wenn ich jenes tue, dann hat das folgende Konsequenzen. Wenn man aber mit Geld auskommen muss, dann müssen wir Debatten führen, die auf den Gesamtzusammenhang gerichtet sind. Wenn ich etwas an den Diskussionen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte beklage, dann, dass sie niemals kohärent gewesen sind. Nie hat das eine mit dem anderen übereingestimmt. Deshalb ist auch die Haushaltspolitik nicht aufgegangen, weil auch dort das eine nicht mit dem anderen zusammengepasst hat. Das müssen wir ändern. Meine große Hoffnung ist, dass die demokratische Debatte über Haushaltspolitik und darüber, was der Staat tun kann, in Zukunft von der Schuldenbremse so beeinflusst wird, dass jeder ein kohärentes Konzept vorlegen muss und nicht nur einfach Wünsche aneinanderreiht.
Lassen Sie mich zuletzt noch eines sagen. Trotz der Konsolidierungserfolge, die wir in diesen vier Jahren erzielt und die wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen haben, sind uns wichtige Weichenstellungen gelungen, die erhebliche Finanzmittel erfordert haben: die Gebührenfreiheit für Krippen, Kitas und Universitäten zum Beispiel,
die dramatische Ausweitung des Platzangebots in Krippen und Kitas oder der Ganztag in Krippe, Kita, Grundschulen und weiterführenden Schulen. Es gibt die Möglichkeit, das Abitur an allen unseren Regelschulen zu machen. Wir haben ein Investitionsprogramm von fast 2 Milliarden Euro für Schulgebäude und 1 Milliarde Euro für Gebäude von Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen aufgelegt. Das sind nur einige Beispiele dafür, was man machen kann, wenn man sich genau überlegt, wofür man sein Geld ausgeben will. Ehrgeiz ist dann trotzdem möglich, aber es muss ein klug überlegter Ehrgeiz sein. Darum geht es. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Anschläge von Paris sind ein Anschlag auf die Freiheit gewesen, und sie sind ein schrecklicher Anschlag auf die französische Nation gewesen. Wir sind solidarisch mit den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs und selbstverständlich mit den Opfern dieser Anschläge.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir hier gemeinsam diskutieren und das auch im Großen und Ganzen mit einer gemeinsamen Perspektive auf die Fragestellungen, die sich nun für uns alle ergeben. Das Wichtigste ist, dass wir den Pluralismus und die Demokratie verteidigen, indem wir sie ernst nehmen. Zur Pluralität, zur Demokratie gehört, dass wir unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Lebenseinstellungen, unterschiedliche Vorstellungen davon, was richtig und falsch ist, unterschiedliche religiöse Überzeugungen akzeptieren, und zwar auch diejenigen, die uns jeweils
nicht gefallen. Es ist das Besondere unseres Zusammenhalts und auch der pluralistischen Demokratie, dass wir unsere Einheit darin finden, dass wir das Unterschiedliche zusammenführen und miteinander austragen. Das führt dazu, dass wir gewissermaßen immer mehr zusammenwachsen, manchmal auch im Streit und in der Diskussion, weil wir wissen, dass wir in diesem Fall um das Gemeinsame unseres Landes und unseres Europas ringen und wir dafür Sorge tragen wollen, dass diese Gesellschaft funktioniert. Ich glaube, gerade jetzt und nach diesen Anschlägen ist es wichtig zu sagen, dass wir die Freiheit nicht deshalb verteidigen, weil sie bequem ist, sondern weil sie es uns möglich macht, mit unterschiedlichen Vorstellungen von der Zukunft eine gemeinsame zu entwickeln.
Deshalb ist es aus meiner Sicht auch nicht angebracht, bei dieser Gelegenheit wie bei vielen anderen, sich zuallererst die Frage zu stellen, wie die dazu kommen und welche Ursachen das hat. Denn damit ist immer ein wenig die Idee verbunden, dass man, wenn man die Ursachen kennt, versteht, warum sie das gemacht haben und es akzeptieren kann. Ich will deshalb ausdrücklich sagen, es gibt keine Lebensumstände, es gibt kein politisches und kein religiöses Problem, das auch nur irgendeine Art von Gewalt rechtfertigt. Auch das müssen wir gemeinsam festhalten.
Es ist deshalb nicht richtig, immer sehr schnell nach den Ursachen zu fragen und dann gewissermaßen zu glauben, dass es sich daraus erklärt. Ich finde, falsches Verhalten und Gewalttaten, wie sie dort festgestellt worden sind, haben niemals eine Rechtfertigung und können deshalb auch nicht erforscht werden. Es muss unsere gemeinsame Überzeugung sein, dass man niemals berechtigt ist, Gewalt auszuüben. Das gefährdet das friedliche Miteinander.
Deshalb war ich wie alle hier für die Kundgebung dankbar, an der wir vorige Woche gemeinsam teilgenommen haben und in der die Pluralität unserer Stadt Hamburg zum Ausdruck gebracht worden ist. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass die vielen Religionsgemeinschaften dieser Stadt unter anderem bei dieser Gelegenheit diese gemeinsame Haltung ebenfalls zum Ausdruck gebracht haben. Ich finde, man muss und kann und darf an dieser Stelle sagen, sie tun es nicht das erste Mal, sie tun es nicht im Lichte dieser Ereignisse zuallererst,
sondern das ist längst das Ergebnis eines gemeinsamen Dialogs, der sich über viele Jahre entwickelt hat und der sicherlich seinen besten Ausdruck in den Verträgen gefunden hat, die wir schon lange mit der evangelischen Kirche, mit dem Heiligen Stuhl, mit der Jüdischen Gemeinde, aber eben auch mit den muslimischen und alevitischen Verbänden dieser Stadt geschlossen haben. Das ist der richtige Weg für das Miteinander.
Dass nun die Religionsgemeinschaften mit uns gemeinsam versuchen hinzubekommen, dass ein nicht konfessionsgebundener gemeinsamer Unterricht möglich wird, ist wahrscheinlich eine der größten politischen, kulturellen und religiösen Leistungen, die unsere Religionsgemeinschaften in dieser Stadt zustande gebracht haben werden. Ich glaube, auch das ist etwas, worauf wir stolz sein können, aber auch etwas, auf das wir bauen können. Und das ist gut für die Zukunft unserer kosmopolitischen Stadt.
Zum Zusammenhalt gehört, dass wir diejenigen, die zu uns gekommen sind und bei uns leben, bitten, die Staatsbürgerschaft dieses Landes zu erwerben. Etwas, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, das wir voranbringen, auch mit unserer Einbürgerungsinitiative. Jede Veranstaltung in diesem Rathaus, an der manchmal fast tausend Menschen teilnehmen und bei der jedes Mal Hunderte eingebürgert werden, ist ein Zeichen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und ein Gegenpol zu dem, was einige, die uns auseinandertreiben wollen, so sagen.
Wie man mit den Herausforderungen umgehen kann, die sich zum Beispiel aus großen, furchtbaren Katastrophen, die wir überall in der Welt sehen, ergeben, hat sich auch gezeigt, als letzte Woche in diesem Rathaus 1200 Männer und Frauen zusammengekommen sind, die hauptamtlich und in sehr vielen Fällen ehrenamtlich mithelfen, die vielen Flüchtlinge, die wir in Hamburg unterbringen müssen, zu begleiten. Das ist ein sehr großer Ausdruck bürgerschaftlicher Solidarität gewesen.
Wir sind eine freie Stadt, eine Republik sind wir schon ziemlich lange, eine Demokratie sind wir nun mittlerweile auch schon sehr lange in Hamburg. Diese Demokratie und die Freiheit, die Pluralität und das Miteinander, das wir hier entwickelt
haben, werden wir auch in Zukunft sichern können und verteidigen, da bin ich ganz sicher. Wir sagen den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs noch einmal, wir werden gemeinsam für die Freiheit kämpfen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach den vielen Diskussionsbeiträgen der Opposition kann man sagen, dass selbst die Oppositionsparteien in der Bürgerschaft es so ähnlich sehen wie die Hamburger Bürgerinnen und Bürger: Der Senat hat seine Arbeit gar nicht so schlecht gemacht.
Im Übrigen wurden Vorschläge gemacht, wo man hier und da ein bisschen mehr oder weniger machen könnte, oder es ging nicht um Hamburg, sondern zum Beispiel um Thüringen. Man hat sich immer gefragt, ob an den Stellen, wo es etwas kritischer wurde, eigentlich der Hamburger Senat und die Stadt Hamburg gemeint sind. Mit Realitätsbeschreibung hatte das jedenfalls nur wenig zu tun.
Tatsächlich müssen und können wir daran anknüpfen, dass Hamburg eine Stadt ist, die gegenwärtig in einer sehr guten Verfassung ist, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr zufrieden sind mit ihrer Lebenssituation, ohne dass es deshalb eine Stadt ohne Probleme wäre. Das wäre eine unrealistische Vermutung. Wer so etwas erzählt, der sagt nicht die Wahrheit und vergisst auch den eigentlichen Auftrag der Politik, dafür zu sorgen, dass das anders wird; wir müssen uns also mit den Problemen beschäftigen. Aber wir dürfen auch nicht darüber hinwegsehen, dass Hamburg eine gute Stadt ist, in der viele leben und in die viele kommen, weil sie die Hoffnung auf ein besseres Leben mit dieser Stadt Hamburg verbinden.
Nun ist das eine Haushaltsdebatte, in der es bei der Diskussion über den Bürgermeisteretat auch darum geht, wie die Politik insgesamt gelaufen ist. Aber über den Haushalt darf man bei der Gelegenheit schon sprechen, und dass wir in diesem Jahr keine neuen Schulden machen, ist doch eine be
merkenswerte Situation. Gerade heute haben wir in allen überregionalen Zeitungen lesen können, dass Hamburg zu den Ländern gehört, die, verglichen mit anderen, strukturell gut dastehen. Da muss also bei allem, was man sagen kann, in den letzten vier Jahren irgendetwas irgendwie ganz gut gelaufen sein.
Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der letzte Haushalt, der vor der letzten Bürgerschaftswahl in die Bürgerschaft eingebracht wurde, dann aber nicht zustande kam, für die jetzt zu Ende gehende Legislaturperiode viele Milliarden Euro zusätzlicher Schulden und milliardenschwere Rückgriffe in die Rücklagen vorgesehen hatte. Also ist alles viel besser gelaufen, als vom Vorgängersenat geplant.
Ich stimme übrigens denen zu, die auch in der Öffentlichkeit gesagt haben, damit sei natürlich eine gute Konjunktur in Deutschland und in Hamburg verbunden. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Zinsen weniger steigen, als es früher zu vermuten war. Aber es ist auch das Glück des Tüchtigen, denn weil wir eine ganz klare Konsolidierungspolitik in Hamburg gemacht haben, kommen wir jetzt mit unserem Geld aus, und das ist der Unterschied, meine Damen und Herren.
Diesen Weg werden wir weiter gehen. Es geht schon um die Konsolidierung der Haushalte, denn in den letzten Jahrzehnten sind so viele Milliarden Euro Schulden aufgewachsen, dass wir es künftigen Generationen nicht mehr antun können, zusätzliche Schulden aufzutürmen. Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode mit anderen Fraktionen zusammen eine Schuldenbremse in die Verfassung dieser Stadt geschrieben, was aus unserer Sicht völlig richtig ist. Und deshalb bemühen wir uns, sehr schnell in die Situation zu kommen, keine neuen Schulden mehr zu machen. Dass das bereits in diesem Jahr gelungen ist, ist eine ganz besonders gute Botschaft und gibt auch die Kraft für die nächsten Jahre.
In der Tat ist die Grundlage für unseren Wohlstand, dass die Wirtschaft sich gut entwickeln kann. Das bedeutet, dass wir immer wieder dazu beitragen müssen, dass neue Unternehmen entstehen, dass auch neue Branchen in dieser Stadt entstehen. Da ist Hamburg in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer sehr erfolgreich gewesen. Ich erinnere an die Airbus-Ansiedlung und -Erweiterung, die in diesem Parlament sehr umstritten war, wo aber notwendige Entscheidungen getroffen wurden, um einige der wichtigsten Industrien unserer Stadt mit zu entwickeln. Die Luftfahrtin
dustrie ist eine neue Branche in Hamburg, die weltweite Bedeutung hat.
Und eine andere ist dazugekommen, sichtbar jetzt auch dokumentiert durch die internationale Windmesse. Hamburg ist der Ort, in dem es um die Windkraftindustrie der Zukunft geht. Viele Unternehmen haben hier ihre Zentrale, auch das ist modernste Unternehmensansiedlung.
Und aus dem, was wir schon haben, entwickelt sich immer wieder etwas Neues. Der Mediensektor, wie Frau Suding richtig gesagt hat, ist in Hamburg sehr stabil und immer noch der größte in ganz Deutschland. Mit seiner ganzen Bandbreite und Aufstellung entsteht aus ihm heraus, zusammen mit der Digitalisierung, auch immer wieder Neues. Das hat sich nicht nur bei dem IT-Gipfel der Bundesregierung vor Kurzem in Hamburg gezeigt, sondern das zeigt sich manchmal an ganz neuen Branchen, die plötzlich entstehen. Ich will zum Beispiel eine herausgreifen, die unter dem Stichwort "Games" diskutiert wird. Das ist eine neue Branche, von der wahrscheinlich noch nicht einmal alle wissen, dass es sie gibt, die aber trotzdem Tausende von Arbeitsplätzen in Hamburg bereitstellt.
Ich bin zu mehreren Einweihungen von Unternehmenszentralen gekommen, weil dort zusätzliche 100 Mitarbeiter beschäftigt werden und man neue Räume brauchte. Wir können davon ausgehen, dass diese Tech-Branche viele zusätzliche Arbeitsplätze in Hamburg schaffen wird. Wir müssen immer wieder offen sein für das Neue und müssen es aus der Stadt heraus entwickeln. Dafür haben wir die Grundlagen gelegt und so soll es auch weitergehen.
Damit das gelingen kann, müssen wir natürlich darauf setzen, dass Innovation die Grundlage ist für das, was wir an künftigen Erfolgen haben. Deshalb sind es schon sehr weitreichende, Jahrzehnte prägende Entscheidungen gewesen, die in dieser Legislaturperiode gefallen sind. Ich will ein paar herausgreifen, weil sie nicht jedem genau präsent sind, aber doch von großer Bedeutung sind.
Wir haben entschieden, dass es wieder ein neues Max-Planck-Institut in Hamburg geben soll, seit ein paar Jahrzehnten die erste Neugründung eines Max-Planck-Instituts in Hamburg, das sich mit Strukturforschung beschäftigt und den riesigen Komplex um das DESY herum nutzt, einen der weltweit führenden Standorte der Strukturforschung, nach Meinung vieler den führenden Standort in der ganzen Welt. Das haben wir als Wissenschaftsstandort in Hamburg, daraus können in Zukunft neue Innovationen entstehen.
Wir haben auch erkannt und dafür gesorgt, dass auf dem Campus Bahrenfeld viele Einrichtungen der Universität und der anderen Hochschulen, viele zusätzliche Forschungseinrichtungen, auch im Verbund mit anderen, entstehen. Und wir sorgen an dieser Stelle dafür, dass das, was vielleicht noch nicht so eine große Rolle gespielt hat, als es nur um die Erforschung der Grundlagen der Entstehung der Welt ging, passieren kann, nämlich Spin-off-Effekte, Innovationen, die in die Wirtschaft hineingehen. Wir schaffen einen Inkubator auf dem Gelände des DESY, wo dann neue Unternehmensgründungen entstehen können. Wir schaffen in der Nähe, in Lurup, einen neuen Technologiepark, wie wir das an zwei anderen Stellen in Harburg und Bergedorf im Zusammenhang mit den dortigen Universitäten auch tun. Innovation ist die Grundlage für den künftigen Wohlstand. Wir sorgen dafür, dass das in Hamburg auch funktioniert.
Darum haben wir auch entschieden, für viele Investitionen in Forschungsbauten und Hochschulbauten zu sorgen. Es ist schon eine große Bildergalerie, wenn man sich diejenigen, die in Bau sind oder demnächst begonnen werden, einmal anschaut. Jetzt stehen große Schilder an der Bundesstraße, wo für ein paar 100 Millionen Euro eine quasi neue MIN-Hochschule gebaut wird für viel, viel Geld, das die Stadt investiert. Man kann auch an vielen anderen Stellen sehen, dass das ebenso ist. Zum Beispiel wird jetzt die Musikhochschule von Grund auf saniert. Und bei weiteren Gebäuden an vielen Stellen der Stadt geschieht etwas, damit Wissenschaft und Forschung vorankommen.
Natürlich fällt dem einen oder anderen immer noch etwas ein, das man obendrauf packen könnte. Aber dass überhaupt einmal etwas vorwärts gegangen ist, dass diese Investitionen überhaupt stattfinden,
dass wir sie mit großer Stabilität für dieses Jahrzehnt und die ganze Zukunft auf den Weg gebracht haben, das ist das Neue.
Selbstverständlich gehört zur Zukunft unserer Stadt, dass wir uns auch darum kümmern, dass alle, die in dieser Stadt aufwachsen, die besten Bedingungen vorfinden. Und daran haben wir massiv gearbeitet: mit vielen Hunderten von Millionen Euro, die zusätzlich ausgegeben werden, mit vielen Hunderten von Millionen Euro zusätzlich für Krippen und Kitas, mit einem sehr kleinen Schlüssel bei den Grundschulen, mit Ganztagsbetreuung an Grundschulen und den weiterführenden Stadtteilschulen und Gymnasien, mit der Möglichkeit, an
allen weiterführenden Regelschulen das Abitur zu machen, mit der Jugendberufsagentur und mit der Gebührenfreiheit bei Krippen, Kitas und Hochschulen.
Das ist auch der Grund, warum Ihre Diskussionen der letzten Monate zu diesen Themen ein wenig verpufft sind, da sich alle noch genau erinnern, was für ein Mangel vor 2011 geherrscht hat. Alle wissen nämlich ganz genau, dass es andersherum ging als jetzt und es gar keine Zukunft hatte, was dort an Fortschritten notwendig war. Ich sage ausdrücklich: Hier hat die größte Verschiebung innerhalb des Hamburger Haushalts mit dem Regierungswechsel 2011 stattgefunden zugunsten von Kindern, zugunsten unserer jungen Leute, zugunsten von Bildung und für das, was für diejenigen getan werden muss, die in dieser Stadt aufwachsen. Und das war richtig so.
Darum vertrauen viele darauf, wenn wir jetzt sagen, so geht es auch weiter. Wir haben konkrete, durchdachte, durchsetzbare und realisierbare Pläne für die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft oder, worüber ich vorher gesprochen habe, der Forschungslandschaft in unserer Stadt. Alle wissen genau, dass das, was wir sagen, auch passieren wird. Wir halten unsere Versprechen, das haben wir vier Jahre lang bewiesen, und das ist etwas ganz Besonderes in der Politik in Deutschland.
Erinnern Sie sich noch an die ersten Debatten im ersten Jahr dieser Legislaturperiode? Da haben sich doch praktisch alle Oppositionsparteien dazu verstiegen, dem Senat und der Mehrheitsfraktion vorzuwerfen, dass sie sich an ihre Wahlversprechen hält. Wie könne man so borniert sein, ist in etlichen Redebeiträgen hier vorgetragen worden. Ich sage Ihnen, es ist ganz wichtig, dass die demokratische Politik dazu beiträgt, dass man den Versprechen von Politikern vertrauen kann,
dass man sie glauben kann, dass man weiß, sie tun das auch. Und das Erste, was dazu erforderlich ist, das will ich ausdrücklich sagen, ist, Wahlprogramme zu schreiben, die man auch glauben kann. Das haben wir zum Beispiel vor über vier Jahren getan und das tun wir wieder.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in der Überschrift seiner Pressemitteilung klar gemacht, worum es geht: "Elbvertiefung: Warten auf Luxemburg". Das Gericht will abwarten, was der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Ausbau der Weser zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sagt. Wir haben anderes erhofft, und ich will nicht verbergen, dass ich wie viele, denen der Hamburger Hafen am Herzen liegt, enttäuscht bin.
Angesichts der erfreulichen Konjunktur im Hafen ist der weitere Zeitaufschub für die Beschäftigten und die Unternehmen gerade jetzt ein unwillkommenes Hindernis. In der ersten Hälfte dieses Jahres sind im Hafen mehr beladene Container umgeschlagen worden als jemals zuvor, trotz der bekannten Einschränkungen für Containerschiffe oberhalb einer bestimmten Größe, die selbst mit der Flut nur teilbeladen den Hamburger Hafen anlaufen können. Trotz dieses Handicaps wächst der Hafen und schafft neue, vielfach hochqualifizierte Arbeitsplätze, aber auch gute Arbeitsplätze für alle, die zupacken wollen. Verrinnende Zeit aber ist genau das, was der internationale Seehandel am wenigsten toleriert und was der Hamburger Hafen am wenigsten hat. Das Handicap ist dauerhaft nicht tragbar.
Hamburg ist an der Bille, Alster und Elbe entstanden. Ohne ihren großen Fluss, die Elbe, wäre Hamburg nicht die Stadt, die sie heute ist, und könnte sie es nicht länger sein: ein bedeutendes Logistikzentrum für das gesamte Nord- und Mitteleuropa. Jede und jeder hier weiß um die engen Beziehungen unseres Hafens zu allen Kontinenten und unzähligen Häfen in aller Welt, nicht zuletzt in Asien. Dass Hamburg auch weiter an seiner Lebensader und mit ihr wachsen kann, ist unverzichtbar für die Zukunft unserer Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren! Hanseatische Fairness gebietet uns dennoch, die Perspektive und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts zu verstehen, nicht nur, weil ein Urteil gar nicht gesprochen worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat eigene Gründe, auch im Hinblick auf künftige, ähnlich gelagerte Verfahren, die ganz Europa betreffen werden, Gründe dafür, dass es am Ende zu einem Urteil kommen will, das auf sicheren Pfählen gegründet ist und das künftigen Klagefluten trotzen kann. Die Stadt Hamburg respektiert das und wird das ihre zur noch besseren Klärung der wenigen offenen fachlichen Fragen beitragen. Ich bin zuversichtlich, dass die Behörden die gerichtlichen Anforderungen beantworten werden und sich das wiederaufzunehmende Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht allein auf die verbliebenen sechs Monita beschränken wird, während der gesamte
übrige Teil des Planfeststellungsbeschlusses jetzt sicher ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht nämlich auch deutlich gemacht.
Übrigens ist, ungeachtet der immer wieder beklagten übermäßig langen Dauer von Planungsverfahren in Deutschland, mit Sicherheit noch kein anderes deutsches Infrastrukturprojekt so eingehend auf die Umweltauswirkungen untersucht worden wie dieses. Auf mehr als 6600 Seiten kommen alle denkbaren Umweltauswirkungen gutachterlich zur Sprache. Die schiere Fülle an Karten und Abbildungen ist nur ein äußerer Beleg. Das Gericht hat von all dem nur einzelne Bereiche beanstandet, die bei einer solchen Zählung vielleicht gerade einmal 100 Seiten ausmachen. Nicht von ungefähr muss das Ausbauvorhaben als solches weder geändert noch ergänzt werden, sondern es bleibt, das wissen wir nach aller Voraussicht schon jetzt, auch nach der Gerichtsentscheidung unbeanstandet.
Das Verfahren ist hoch komplex. Mit der Planung einer Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe für 14,5 Meter tief gehende Containerschiffe wurde bereits im Jahre 2004 mit dem Planfeststellungsverfahren 2007 begonnen. 2012 ist der Planfeststellungsbeschluss der zuständigen Bundesbehörde, der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und ihrer WSD Nord, und der für den Hamburger Abschnitt zuständigen Hamburger Planungsbehörde, der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, ergangen. Zuvor hatte die Europäische Kommission ebenso zugestimmt wie die Anrainerländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und ja auch Hamburg.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss haben BUND und NABU mit Unterstützung des WWF geklagt. Ähnlich war es schon bei früheren Elbvertiefungen. Neu war und ist, dass jetzt für das Verfahren nur noch eine Instanz, nämlich das Bundesverwaltungsgericht, zuständig ist. Das ist das Ergebnis einer dringend notwendigen Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben. Bei früheren Elbvertiefungen mussten viele Jahre für den Instanzenweg vom Verwaltungs- über das Oberverwaltungs- und das Bundesverwaltungsgericht einkalkuliert werden. Deshalb wurden Maßnahmen oft schon vollzogen, während das ordentliche Verfahren noch lief. Das ist oft kritisiert worden. Ein hochkomplexes Verfahren, bei dem nun alles in einer Instanz geklärt werden muss, ersetzt das frühere Vorgehen. Das ist gut, macht aber nichts leichter.
Ich danke im Namen der Stadt sehr ausdrücklich den Planungsbehörden des Bundes und des Landes Hamburg. Bei zahlreichen Fragen waren Untersuchungen zu beauftragen und Entscheidungen zu treffen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext und aus der Fachliteratur ergeben. Deshalb ist es etwas Besonderes, dass das Bundes
verwaltungsgericht Folgendes festgehalten hat: dass nach der vorläufigen Einschätzung die Planfeststellungsbeschlüsse im Bereich der FFH- und der Umweltverträglichkeitsprüfung an einzelnen naturschutzfachlichen Mängeln litten, die, so heißt es ausdrücklich, behebbar seien und weder einzeln noch in ihrer Summe zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse führen – weder einzeln noch in ihrer Summe. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das Gericht weitere Vorgaben gemacht hat und weitere Untersuchungen verlangt.
Und an noch etwas hat das Gericht keinen Zweifel gelassen, an der Notwendigkeit der Elbvertiefung als solcher. Wenn die Fahrrinnenanpassung nicht stattfinden kann, hat das Folgen für die Wirtschaft Mittel- und Osteuropas, Deutschlands und natürlich für die hier im Norden und ganz besonders für den Hamburger Hafen. Diese Meinung hatte schon die EU-Kommission. Darauf komme ich noch zurück.
Mein Dank aber schließt die Vertreter der Bundesregierung ein, die für die wesentliche Planungsbehörde, nämlich die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord, zuständig sind. Kritik an ihnen, nämlich den Bundesministern Manfred Stolpe, Wolfgang Tiefensee, Peter Ramsauer und jetzt Alexander Dobrindt, wäre unberechtigt.
Das gilt übrigens auch für diejenigen, die seit Beginn das Verfahren in Hamburg begleiten: als Wirtschaftssenatoren Gunnar Uldall, Axel Gedaschko und Ian Karan und jetzt Frank Horch, oder die Bürgermeister wie auch meine Vorgänger Ole von Beust und Christoph Ahlhaus.
Meine Damen und Herren!
"Heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, […] nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe […]"
ein schöner Traum war das immer und wird es immer bleiben, auch in heutiger Zeit, da die meisten Elbfische längst wieder essbar sind. Natürlich wusste der Urheber dieses Zitats, dass "kritisieren" aus dem Griechischen kommt und "unterscheiden" bedeutet.
Unterscheiden wir also, was das Bundesverwaltungsgericht zur Wasserrahmenrichtlinie gesagt und gefragt hat und was nicht. Machen Sie sich auf ein etwas längeres und nicht ganz einfaches Zitat gefasst.
"Klärungsbedürftig ist, ob das sogenannte Verschlechterungsverbot eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung der Gewässer darstellt oder ob die Zulassung eines Projekts grundsätzlich zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Gewäs
serzustands verursachen kann (Frage 1), unter welchen Voraussetzungen von einer 'Verschlechterung des Zustands' auszugehen ist (Fragen 2 und 3) und welche Bedeutung dem sogenannten Verbesserungsgebot neben dem Verschlechterungsverbot zukommt (Frage 4). Die Fragen sind entscheidungserheblich, da die von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion vorsorglich zugelassene Ausnahme vom Verschlechterungsverbot nicht auf einer hinreichenden Tatsachenermittlung und -bewertung beruht, und sie eine eigenständige Bedeutung des Verbesserungsgebots für die Zulassung der Vorhaben verneint hat."
Soweit das Zitat.
Die genannten vier Fragen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits vor einem Jahr dem EuGH gestellt – es ging um die Weservertiefung –, und die Antworten zu formulieren, scheint nicht ganz so einfach zu sein. Das sind jedenfalls die Worte, um die Fragen geht es, und wer jetzt behauptet, er oder sie haben das auf Anhieb verstanden, ist Parlamentarier des Tages.
Leider, und das ist der Punkt, können wir zu dieser Thematik offenbar nicht auf eine ständige Rechtsprechung, 200 Seiten stark und leicht verständlich, zurückgreifen. Nein, sondern es wird, sozusagen, gerade an Seite 1 formuliert.
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und das bundesdeutsche Wasserhaushaltsgesetz verbieten prinzipiell jede Verschlechterung der Gewässer. Fachlich umstritten ist, ab wann eine Verschlechterung als solche definiert werden muss. Geht es um Zustandsklassen und den etwaigen Abstieg in eine schlechtere? Oder geht es um jede Veränderung gegenüber dem vorherigen Zustand im Sinne jeder messbaren Qualitätsminderung? Um diese Frage, marginal wie sie auf den ersten Blick scheinen mag, geht es, und das nicht nur jetzt und nicht nur an der Elbe.
Liegt eine – wie auch immer definierte und festgestellte – Verschlechterung vor, darf ein Vorhaben auch dann ausnahmsweise genehmigt werden, wenn besonders gewichtige öffentliche Interessen eine Ausnahme rechtfertigen. Im vorliegenden Fall haben die Planfeststellungsbehörden nach einer vorsorglichen Prüfung hilfsweise, wie die Juristen sagen, eine Verschlechterung unterstellt, dann aber in Anerkennung der Allgemeinwohlinteressen, die mit einer Elbvertiefung verbunden sind, eine solche Ausnahme gestattet. Damit haben sie aus meiner Sicht verschiedene Szenarien ausgeleuchtet und auch gut gearbeitet.
An den Gründen, die eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot rechtfertigen – also am Ausbaubedarf, an der Schiffsgrößenentwicklung, an
den Arbeitsmarkteffekten und anderen Parametern –, hat das Gericht ausdrücklich keine Zweifel. Da es aber bislang noch keine anerkannte Standardmethode zur Bestimmung einer Verschlechterung gebe, sei dennoch die Auslegung durch den EuGH abzuwarten.
Zu einem anderen Punkt. In einer fünftägigen mündlichen Verhandlung im Juli 2014 ist alles auf den Tisch gekommen, ganz wörtlich zu nehmen: Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Tidewasserstände, die Strömungsgeschwindigkeiten und die Sedimentationsraten, ferner der Verkehrsbedarf und die alternativen Prüfungen sowie die Frage, welche geschützten Tier- und Pflanzenarten in welcher Weise zu befassen wären, wenn sie denn selbst mitreden dürften. Ich habe das Ergebnis schon zitiert: Weder einzeln noch in der Summe führen die Monita zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse.
Meine Damen und Herren! Die anstehende Entscheidung des EuGH zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie hat, wie leicht erkennbar ist, eine ökologische und eine industriepolitische Dimension. Ohne jeden Zweifel muss ein Planfeststellungsbeschluss so ausgerichtet sein, dass die Umweltverträglichkeit gewährleistet ist. Reden wir also davon, gern auch einmal mit dem größeren Ganzen im Blick. In der "ZEIT" hat Frank Drieschner ausgerechnet, dass rund um ein fiktives Hamburg des Jahres 2025 ohne Elbvertiefung, das aus diesem Grund Teile seines Container- und überhaupt Güterumschlags an andere Häfen abgegeben hätte, im norddeutschen Raum plus Rotterdam pro Jahr eine halbe Million Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr zusätzlich entstünde, wohlgemerkt per saldo, denn die Einsparung in Hamburg sowie stromaufund -abwärts hat er eingerechnet. Und weil die Zahl eine halbe Million Tonnen den meisten nichts sagt, fügt er hinzu, das entspräche drei Milliarden zusätzlich gefahrenen Kilometern im privaten Autoverkehr.
Nun bin ich durchaus skeptisch gegenüber Modellrechnungen, seit ich weiß – und führende Klimaforscher wie auch Statistiker es bestätigen –, dass Unsicherheitsfaktoren und Variabilitäten leicht unterschätzt werden. Dennoch ist es eine beeindruckende Vorstellung – und keine angenehme –, dass Bayern, Österreich und die Tschechische Republik von ihren guten Schienenverbindungen nach Hamburg abweichen müssten, und Polen, ein wichtiger Handelspartner Hamburgs, Lkws in enorm steigender Zahl quer durch Deutschland in Richtung von Häfen außerhalb unseres Landes schicken würde, nicht zu vergessen Hamburg selbst, das Teile seiner eigenen Versorgung und der der Metropolregion ebenfalls von weiter her über Land zu transportieren hätte.
So viel zu denjenigen, meine Damen und Herren, die der Meinung sind und sie uns auch hier in der Bürgerschaft einreden wollen, dass eine ausbleibende Fahrrinnenanpassung nichts schade, aber viel nütze. Es sind nicht alle Ecken rund, auch nicht im Umweltschutz.
Die Geschichte aber lehrt, dass die Industrialisierung in Deutschland und Europa sehr viel mit Wasser und Wasserwegen zu tun hat. In durchaus dialektischer Weise, denn Flüsse, große Flüsse zumal, waren und sind immer alles: Verkehrswege für Binnen- und Seeschiffe und Verkehrshindernisse für andere Fahrzeuge, Orte der Erholung – auf dem Wasser und entlang der Ufer –, Quellen des Brot- und Fischerwerbs und, gerade auch in Hamburg in der frühindustriellen Zeit, Vorfluter für Trübes.
Flüsse sind ein einzigartiger Lebensraum für Flora und Fauna, an manchen Stellen von hoher ökologischer Bedeutung, und sie erinnern an Sturmfluten und die Verpflichtung, diesen vorzubeugen. Dieser Dialektik und dem Zwang, uns damit auseinanderzusetzen, entkommen wir nicht.
Die meisten wirtschaftlich erfolgreichen Standorte liegen am Wasser, die einen näher am Meer, die anderen, wie Hamburg, weiter entfernt. Hamburgs Wohlstand und seine ökonomische Stärke beruht letztlich auf seiner Lage am Wasser, und wir sind in der Pflicht, das nicht zu gefährden.
"Am Hamburger Hafen […]"
das mahnt mit Recht auch Uwe Polkaehn für den Deutschen Gewerkschaftsbund –
"hängen Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der gesamten Region. Angesichts der Gütertransporte auf der Straße hat der Ausbau der Wasserwege auch eine wichtige ökologische Dimension. […] Stillstand wäre nicht gut für den Norden."
Dem stimme ich zu. Der Hamburger Senat hat alles getan und wird alles tun, um eine Realisierung der Fahrrinnenanpassung so schnell wie noch möglich zu erreichen. Wir müssen aber auch sehen, dass mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie über viele entschieden wird, weit über Hamburg hinaus – über die wirtschaftliche Stärke Hamburgs und die anderer Wirtschaftszentren in Deutschland und in Europa, die am Wasser liegen. Die Weser wird insofern ein Präzedenzfall für die ganze Europäische Union.
Wir müssen die Angelegenheit also richtig einordnen. Es geht um eine schicksalhafte Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs für ganz Europa. Die rechtlichen Grundsätze, die er aus den wenigen Sätzen der Wasserrahmenrichtlinie ableitet, werden überall in Deutschland und Europa Konsequenzen haben. Europas Städte und Kultur, die Industrialisierung und der Handel sind mit und an den Flüssen entstanden. In Deutschland sind schon jetzt viele Flüsse von dieser Frage berührt. Ein Stillstand der Entwicklungsmöglichkeiten würde mit einer jahrtausendealten Entwicklung brechen. Sollte am Ende die Auslegung die sein, dass alle Projekte gegen das Verschlechterungsverbot verstießen, die auch nur marginale Folgen für die Wasserqualität nach sich ziehen könnten, dann wären zahlreiche Infrastrukturvorhaben in allen Mitgliedsländern betroffen. Das führte nicht nur zu einem unverhältnismäßigen Planungs- und Untersuchungsaufwand inklusive Verlängerung und Verteuerung aller Genehmigungsprozesse, sondern es ergäben sich ernstliche Risiken, letztlich auch für ständig notwendige Unterhaltungs- und Hochwasserschutzmaßnahmen. Und sogar für umweltpolitisch eigentlich erwünschte Verkehrskonzepte wie etwa das sehr zu unterstützende, wenngleich am Ende einer Rede zungenbrecherische Short See Shipping Program.
Wir werden intelligente Lösungen suchen und finden müssen. Ich will die französische Lösung nicht verschweigen. Dort ist offenbar die vorhin angesprochene Zustandsklassentheorie ins eigene nationale Umsetzungsgesetz – das auf Französisch hoffentlich einen eleganteren Namen hat – hineingeschrieben worden. Vielleicht müssen wir hin und wieder gemeinsam in Europa und mit der Bundesregierung überlegen, wie wir europäische Vorgaben jeweils national implementieren.
Meine Damen und Herren! Nicht nur für die eigene Konkurrenzfähigkeit, nein, auch als entschiedene Europäer, die wir sind, müssen wir aufpassen, dass wir mit der Anwendung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie den Fisch nicht mit dem Wasser ausschütten. Es darf nicht so weit gehen, dass die Auslegung einer europäischen Umweltrichtlinie für Standorte am Wasser in Deutschland und Europa bedeutet, dass die Industrie dort generell gefährdet ist.
Vielmehr müssen wir eine Debatte in Deutschland und in Europa darüber führen, wie wir ökologischen Schutz und wirtschaftliches Wachstum in ein Gleichgewicht bringen. Wir können es uns in Zeiten der Globalisierung nicht leisten, bei wichtigen Infrastrukturentscheidungen unnötig Zeit zu verlieren. Damit verhindern wir Investitionen in Standorte in Deutschland und in Europa. Vielen Dank dafür, dass Sie alle das nicht wirklich wollen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen eine sehr wichtige Debatte, in der es um viele Themen geht. Eines dieser Themen ist die Frage, wie wir selbst unsere Stadt sehen. Angesichts mancher Beiträge in den Medien, auch den überregionalen, habe ich mich gefragt, ob das die Stadt ist, in der ich lebe, in der ich aufgewachsen bin und in der ich jeden Morgen aufwache. Und ich glaube, das geht vielen in diesem Raum so, denn es ist ein Bild
von Hamburg gezeichnet worden, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Dies ist eine liberale Stadt, eine soziale Stadt, eine Stadt, die sich auf vielfältige Weise Mühe gibt, dass jeder, der hier sein Glück machen will, auch eine Gelegenheit dazu bekommt. Wir wissen, dass manche Hoffnungen sich nicht realisieren lassen, dass manches Leben sehr schwer verläuft. Das löst immer wieder neue Diskussionen aus, und diese Diskussionen müssen geführt werden. Wir wissen aber auch, dass gerade die Tatsache, dass es hier möglich ist, viele unterschiedliche Lebensentwürfe zu leben, einen großen Teil der Attraktivität der Hoffnungs- und Zukunftsstadt Hamburg ausmacht. Wir werden dieses Bild unserer Stadt verteidigen, und wir werden dafür sorgen, dass dieses Bild auch immer der Realität entspricht.
Über das, was in dieser Stadt zu tun ist, muss diskutiert werden. Das hat dann immer wieder auch politische Konsequenzen. So wurde zum Beispiel der Wohnungsbau über zehn Jahre lang vernachlässigt, bis er vor dem Regierungswechsel fast zum Erliegen gekommen ist. Das hat natürlich dazu geführt, dass es in dieser Stadt einen großen Mangel an Wohnraum gibt. Nach mehreren Schätzungen fehlten 2011, zum Zeitpunkt des Regierungswechsels, 30 000 bis 40 000 Wohnungen in Hamburg. Und dieser Regierungswechsel ist auch zustande gekommen, weil das ein Problem war, aber mittlerweile sind 25 000 Baugenehmigungen erteilt. Das ist ein Erfolg der großen Mobilisierung gegen Gentrifizierung und für den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt.
Es gilt in der ganzen Stadt eine Mietpreisbremse, es gibt mehr Soziale Erhaltungssatzungen als zuvor und eine unglaubliche Mobilisierung des sozialen Wohnungsbaus. Die städtische Wohnungsgesellschaft SAGA GWG baut wieder. Trotzdem ist es Realität, dass der Mangel, den wir übernommen haben, nicht mit sofortiger Wirkung aufgearbeitet werden kann. Deshalb ist es richtig, über die Frage, was wir tun können, damit jeder in dieser Stadt eine bezahlbare Wohnung finden kann, weiter zu diskutieren, denn das wird für lange Zeit eine Aufgabe in Hamburg sein.
Dies ist eine Stadt, die sich in Sachen Zuwanderungspolitik sehr viele Verdienste erworben hat. Wir haben eine der größten Einbürgerungswellen in Deutschland überhaupt, und zwar auch deshalb, weil dieser Senat sich darum bemüht und wir alle anschreiben, die die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen können. Wir haben einen Staatsvertrag mit Muslimen und Aleviten abgeschlossen, um
den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt zu stärken. Wir haben als eines der ersten Bundesländer die Anerkennung ausländischer Abschlüsse möglich gemacht.
Selbstverständlich gehört auch dazu, dass in dieser Stadt über 10 000 Flüchtlinge eine ordentliche Begleitung bekommen und ein dreistelliger Millionenbetrag aufgewendet wird, damit diese Menschen hier eine sichere Zuflucht finden können. Alles das gehört zu einer großen Stadt wie Hamburg dazu.
Ob das genug ist oder ob man weniger, mehr oder etwas ganz anderes tun sollte, muss in dieser Stadt diskutiert werden – in den Tageszeitungen, in Blogs und sozialen Netzwerken, hier in der Bürgerschaft.
Man kann auch auf verschiedenste Weise kreativ oder mit lustigen Aktionen demonstrieren. Aber eines ist von zentraler Bedeutung: Diese Diskussion kann nur gewaltfrei stattfinden. Die Frage, wie wir unsere Stadt weiterentwickeln wollen, muss im politischen Dialog gelöst werden und nicht durch Steinewerfen und nicht durch Gewalt.
Deshalb stellt es die liberale Debatte, die offene Diskussion über Lösungswege, die wir in Hamburg vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ansichten und Einstellungen zu bestimmten Fragen führen, vor eine große Herausforderung, wenn versucht wird, durch Gewalt auf Demonstrationen eine Richtung gegen den Dialog und gegen die Diskussion über die notwendigen Zukunftswege zu erzwingen. Ich sage ausdrücklich: Politische Konflikte politisch zu lösen ist richtig. Diejenigen, die Steine in die Hand genommen haben, diejenigen, die diese Steine mitgebracht haben, die eine gewalttätige Demonstration vor Weihnachten organisiert haben und die Mehrheit der friedlichen Demonstranten, die es auch gegeben hat, in die falsche Richtung getrieben haben, die haben Steine gegen die Diskussion und gegen eine offene Debatte in unserer liberalen Stadt Hamburg geworfen.
Es ist die Polizei, die unmittelbar vor Weihnachten, aber auch an jedem anderen Tag, an dem sie ihre Arbeit verrichtet, Toleranz, Liberalität und eine offene Debatte verteidigt. Sie sorgt dafür, dass politische Konflikte politisch gelöst werden können, und das ist etwas, wofür wir alle der Polizei und den vielen Männern und Frauen, die dort arbeiten, Dank schulden.
Deshalb darf man auch niemandem, der Gewalttaten verüben will, zubilligen, dass er auf diese Weise politische Absichten ausdrückt. Die Steine, die geworfen werden, sind immer Steine gegen die Demokratie, gegen die politische Debatte und gegen die Freiheit, die wir alle miteinander verteidigen wollen. Ich bitte deshalb auch alle, in der politischen Debatte einen solchen Zusammenhang weder auf die eine noch auf die andere Weise herzustellen. Es ist richtig, dass wir über Inhalte diskutieren, aber wenn Menschen Steine werfen, dann sollten wir uns darauf beschränken zu sagen, dass das nicht in Ordnung ist. Wir müssen die Polizei, die für die Liberalität dieser Stadt steht, gegen das verteidigen, was dort passiert ist.
Ich bin all denen dankbar, die gegen Gewalt aufgerufen haben, angefangen bei einer großen Tageszeitung bis hin zu vielen anderen – übrigens von sehr unterschiedlichen politischen Standpunkten aus. Das ist auch völlig in Ordnung. Man muss nicht einer Meinung sein, um sich darüber einig zu sein, dass Gewalt nicht infrage kommt.
Ich bitte darum, dass wir gemeinsam diese Haltung vertreten, wenn wir über das, was in Hamburg zu tun ist, diskutieren. Niemand sollte auch nur den Versuch machen zu sagen: Wäre die Frage der Esso-Häuser anders gelöst worden, dann hätte es diesen Gewaltausbruch nicht gegeben.
Das ist eine falsche Unterstellung, und deshalb ist die Debatte darüber richtig. Aber ich bitte darum, keinen Zusammenhang herzustellen, der gar nicht existiert.
In der Debatte über die Frage, was mit den EssoHäusern passiert, kann man sich vieles vorhalten. So halte ich zum Beispiel all denen, die vorher in Hamburg regiert haben, vor, dass sie es dazu haben kommen lassen, dass es nicht genügend Wohnungen in dieser Stadt gibt und damit natürlich Druck und ein Problem erzeugt haben, das nicht in Ordnung ist.
Und dennoch hat dieser Fehler nichts mit den Gewaltausbrüchen zu tun. Es wäre eine falsche Herangehensweise zu glauben, dass in einer Debatte über Gewalt über diese Fragen diskutiert werden müsse und dort die Lösungen zu finden seien
mit der Annahme im Hinterkopf, die Gewalt wäre andernfalls nicht passiert. Die Tatsache, dass viele
aus ganz Deutschland und manche aus Europa angereist sind, ist der sicherste Hinweis darauf, dass es keinen solchen Zusammenhang gibt und dass wir ihn uns als Demokraten in dieser Stadt auch nicht gefallen lassen dürfen.
Ich bin im Übrigen dafür, dass wir uns alle gemeinsam darum bemühen, das, was uns ausmacht, voranzutreiben, nämlich über all diese Fragen hier in der Bürgerschaft und auch an vielen anderen Stellen zu diskutieren. Ich glaube, dass das notwendig ist, denn es wird nicht einfacher werden, wenn es beispielsweise große Zuwanderungswellen nicht nur aus Europa, sondern auch von anderswo gibt. Wenn die Kriege weltweit zunehmen, werden wir in unserem Land Probleme lösen müssen, die nicht leicht zu lösen sind.
Wir tun das und wir werden das auch in Zukunft tun, und ich bitte alle, sich an der offenen Debatte darüber, was wir tun können, tun wollen oder tun sollen, zu beteiligen. Wir dürfen uns diese Debatte aber nicht von denjenigen kaputt machen lassen, die andere Vorstellungen verfolgen, indem sie zum Beispiel auf diese Weise gewalttätig sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal sagen, dass es selbstverständlich richtig ist, dass Solidarität mit der Polizei immer auch bedeutet, dafür zu sorgen, dass sie gut ausgestattet ist. Diese Einstellung hat Konsequenzen gehabt, für die ich mich seit langer Zeit eingesetzt habe, zum Beispiel die Entscheidung, die Zahl der Polizeivollzugsstellen stabil zu halten, oder die Entscheidung, Neueinstellungen und Neuausbildung von Polizistinnen und Polizisten möglich zu machen, ferner die bessere Bezahlung während der Ausbildungszeit, die Tatsache, dass wir die Beihilfe, die abgeschafft worden war, wieder einführen, oder die Tatsache, dass es keine Wachenschließungen gibt, und, und, und. Alle diese Entscheidungen wurden aus dem Blickwinkel heraus getroffen, dass sie notwendig sind, um die liberale Qualität und die liberale Kultur dieser Stadt aufrechterhalten zu können.
So ist auch die Entscheidung zu verstehen, die der Innensenator mitgeteilt hat, dass wir noch einmal zusätzliche Mittel in die Hand nehmen werden. Darüber haben wir übrigens schon im letzten Jahr nachgedacht.
Das alles gehört zu unserem Gesamtkonzept einer offenen Stadt mit all ihren Kontroversen, mit Streit, mit unterschiedlichen Lebensverhältnissen und ganz unterschiedlichen Lebenskulturen. Und ich lade jeden ein, sich an der Debatte darüber, was für die Zukunft wichtig ist, zu beteiligen. Dies gehört
aber auch zu einer Stadt, die ihre Liberalität gegen Gewalttäter verteidigt und nicht akzeptiert, dass diese die Debatten bestimmen. Das muss uns gemeinsam wichtig sein. – Schönen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist etwas Besonderes, wenn in Deutschland das dritte Mal eine Große Koalition auf der Ebene des Gesamtstaats gebildet wird. Von 1966 bis 1969 gab es die erste Große Koalition – über die wurde hinterher und auch während ihres Bestehens gut berichtet – mit dem für die SPD sehr erfreulichen Ausgang, dass Willy Brandt später Kanzler geworden ist. Es gab eine zweite Große Koalition von 2005 bis 2009, von der auch berichtet wird, dass die Arbeit dort ganz gut gelaufen sei. Und jetzt wird es das dritte Mal eine Große Koalition geben, wenn die Mitglieder der SPD so entschieden haben sollten, was ich annehme und hoffe.
Natürlich sind solche Regierungsbildungen immer etwas ganz Besonderes, weil die SPD und die beiden Unionsparteien diejenigen sind, die um die Führung des Landes konkurrieren und letztendlich auch diejenigen sind, die bei einem Wahlerfolg den Anspruch erheben, den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen. Man muss es sich also schwer machen, wenn man eine solche Entscheidung trifft. Aber es gilt in der Demokratie und in dem parlamentarischen System, das wir in Deutschland haben, dass die Regierung nicht direkt, sondern vom Parlament gewählt wird, dass Kompromisse geschlossen und Koalitionen gebildet werden müssen – nicht überall
und nicht immer, aber insgesamt gehören Koalitionen in der Bundesrepublik oft zum Geschäft. Darum ist es richtig, jetzt zum dritten Mal diesen Versuch einer Großen Koalition in Deutschland zu unternehmen.
Ich habe sehr sorgfältig zugehört, was die GRÜNEN und die Partei DIE LINKE im Hinblick auf die noch nicht umgesetzten Forderungen der SPD vorgetragen haben. Ich habe das durchaus mit Interesse und auch mit ein klein wenig Freude gehört, denn das macht deutlich, dass es auch bei der Bundestagswahl 2017 gute Gründe geben wird, die SPD zu wählen.
Kommen wir aber zu diesem Vertrag und zu dem, was in ihm vereinbart worden ist. Handelt es sich doch um eine ganze Reihe von Dingen, die für diese Stadt und auch für unser Land insgesamt von größter Bedeutung sind.
Eines der großen Themen, das wir in Hamburg mit großem Engagement vorangebracht haben, wird nun auch in Deutschland etwas leichter voranzubringen sein. Wir haben massiv in die Bildung, den Ausbau von Krippen und Betreuungseinrichtungen und die Universitäten investiert. Die Mittel, die die Stadt Hamburg dafür zur Verfügung stellt, sind enorm gesteigert worden; allein 1000 zusätzliche Lehrer sind eingestellt worden, um die Dimension einmal anhand eines Beispiels zu schildern. Das ist natürlich eine große Aufgabe, die nicht nur in Hamburg existiert, sondern in ganz Deutschland. Deshalb ist es richtig, wenn der Bund bei der Verteilung der Steuermittel den Ländern und Gemeinden für diese drei Aufgabenkomplexe etwas mehr Geld zur Verfügung stellt. Natürlich ist es nicht so viel, wie wir uns gewünscht hätten, aber 6 Milliarden Euro, die neu verteilt werden, zusätzliche Investitionen des Bundes in Bildungsaufgaben und für Forschungseinrichtungen in einer Größenordnung von 3 Milliarden Euro sind nicht wenig, und das wird sich positiv auf die Betreuungs-, Bildungsund Schullandschaft in Deutschland auswirken.
Gut ist auch, dass in größerem Maße Mittel für die Infrastruktur zur Verfügung stehen, zwar nicht so viel, wie nötig wäre. Alle 16 Verkehrsminister sind sich einig, dass pro Jahr etwa 6 bis 7 Milliarden Euro zusätzlich notwendig wären, um die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen der Bundesverkehrswegeinfrastruktur zu finanzieren und um den Ausbau an den Punkten voranzubringen, an denen es besonders drängt und wo es besonders eng geworden ist. Alle diese Maßnahmen können mit den Mitteln, die die künftige Regierung gemäß Koalitionsvertrag in diesem Bereich hat, nicht finanziert werden, aber 5 Milliarden Euro zusätzlich und außerdem die Einnahmen aus der Lkw-Maut sind
schon ein bedeutender Schritt vorwärts, damit wir die überregionale Infrastruktur, auf die Hamburg insbesondere angewiesen ist, weiter ausbauen können. Auch das ist ein Erfolg, auf den wir in dieser Stadt gemeinsam mit einer gewissen Freude blicken können.
Es sind wichtige Fortschritte für die Situation behinderter Bürgerinnen und Bürger erzielt worden. Wenn es das in Deutschland seit vielen Jahren geforderte Bundesteilhabegesetz endlich geben wird, dann ist das zuallererst einmal ein sozialpolitischer Fortschritt, denn es geht doch darum, dass die behinderten Bürgerinnen und Bürger bei ihrer Integration in das Arbeitsleben nicht als Sozialhilfefälle betrachtet werden, als Gegenstände der Fürsorge, sondern dass ihr Teilhabeanspruch anerkannt und eine Möglichkeit geschaffen wird, nach der diese Leistungen nicht alle auf ihr Einkommen angerechnet werden. Das ist die sozialpolitische Reform, die wir anstreben, und die ist in diesem Koalitionsvertrag verankert worden.
Auch für die Stadt Hamburg, die nicht nur ein Staat, sondern eben auch eine Gemeinde ist, bedeutet das eine Entlastung. Das ist gut und wird sich über die Legislaturperiode hinaus positiv auswirken, aber das ist der zweite Aspekt. Der viel wichtigere ist der sozialpolitische Fortschritt, der damit verbunden ist, und der seit vielen Jahren dringend erforderlich war. Ich bin froh, dass er jetzt zustande kommt.
Aus meiner Sicht ist es gut, dass Deutschland jetzt einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn bekommt. Ich will ausdrücklich sagen, dass das etwas ist, an dem die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit fast zehn Jahren arbeiten. In der letzten Großen Koalition haben wir viele zusätzliche Branchenmindestlöhne durchgesetzt. Damals haben wir gesagt: Am Ende wird ein flächendeckender Mindestlohn stehen. Nun kommt er 2015 für ganz Deutschland. Das ist auch für viele Hamburgerinnen und Hamburger eine dringend notwendige Verbesserung ihrer spärlichen Einkünfte.
Der Missbrauch der Leiharbeit wird zurückgedrängt werden durch eine gesetzliche Höchstüberlassungsdauer und die Festlegung, dass ab einem gewissen Zeitpunkt "equal pay" gilt, gleicher Lohn für gleiche Arbeit innerhalb eines Betriebs. Auch das ist eine Verbesserung, mit der manche nicht gerechnet haben. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Teil seit Jahren in ein und demselben Betrieb eingesetzt werden und weniger verdienen als die Kollegen, neben denen sie ste
hen, werden das als eine große Verbesserung für ihr Leben sehr wohl wahrnehmen.
Und natürlich ist es schön, dass aus der Diskussion darüber, dass Tarifverträge etwas Feines wären – man hörte das auch aus Mündern, von denen man das in den letzten Jahren nicht so oft gehört hat –, jetzt auch noch eine Stärkung der Tarifautonomie geworden ist, indem das Tarifvertragsgesetz mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge zulässt. Auch das wird dazu beitragen, dass der Tarifvertrag, der für die Löhne viel wichtiger ist als die Mindestlohnregelung, eine neue Bedeutung für das Arbeitsleben bekommen wird. Das wird noch viel mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei ihrer Lebensgestaltung sehr helfen.
Nun mag man über die Beschlüsse zur Rente vieles sagen, aber bei jeder Diskussion ist immer Respekt angesagt. Es ist kein Zufall, dass über 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sagen, dass sie die einzelnen Vorschläge sehr gut finden. Ich greife einmal zwei heraus. Da ist zum einen die Erwerbsminderungsrente für Männer und Frauen, die in ihrem Leben plötzlich beeinträchtigt sind und ihrer Erwerbstätigkeit nicht mehr richtig nachgehen können. Dass diese Menschen etwas besser gestellt werden, als es bisher der Fall war, sodass sie nicht mehr mit so wenig Geld auskommen müssen wie bisher, ist eine Forderung, die viele erhoben haben. Gut, dass das jetzt im Koalitionsvertrag steht.
Natürlich ist es auch gut, dass jemand, der wirklich 45 Jahre gearbeitet hat – das sind nicht so viele –, sagen kann: Jetzt ist mal gut. Ich glaube, das versteht jeder. Für jemanden, der so lange einer schweren Arbeit nachgegangen ist – meistens geht es mir nämlich um gewerbliche Arbeit –, ist das eine Verbesserung. Dieser sozialpolitische Fortschritt hat viele Freunde, und er wird jetzt Realität in der zukünftigen Gesetzgebung werden.
Lassen Sie mich zum Schluss ein Thema ansprechen, das mir sehr wichtig ist. Wir haben gute Fortschritte erreicht für die Situation derjenigen, die nach Deutschland zugewandert sind. Hier gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die es wert sind, darüber zu berichten. Ich will ausdrücklich ein Thema in den Vordergrund stellen, das mir seit vielen Jahren sehr am Herzen liegt. Hamburg ist – darauf ist vielfach hingewiesen worden und so stand es auch als Ergebnis der Recherchen unseres Statistischen Landesamtes in den Zeitungen – eine
Stadt mit sehr vielen Männern und Frauen, die einen Zuwanderungshintergrund haben. Wir sind als kosmopolitische Stadt immer in der Lage gewesen, daraus gute Perspektiven für uns alle und die einzelnen zu entwickeln. Ich sage ausdrücklich: Hamburg ist für viele in Deutschland und in der Welt eine Hoffnungsstadt. Sie muss das sein und sie muss das bleiben, wir sind stolz auf diese Tradition unserer Stadt.
Dazu gehört zum Beispiel, dass wir uns so viel Mühe geben, dass diejenigen, die lange in Deutschland leben, die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. Ich will ausdrücklich sagen: Es gibt kaum etwas Berührenderes als die Einbürgerungsfeiern, die wir in unserem Rathaus veranstalten, wo manchmal fast 1000 Leute im Saal sind, ganze Familien. Das ist jedes Mal ein großer Moment für alle, die sich daran beteiligen, und ich bin froh, dass sich so viele auf den Brief hin, den ich ihnen geschrieben habe, einbürgern lassen.
Es ist ein großer Fortschritt, dass die jungen Leute, die Deutsche sind und gleichzeitig die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern haben, die als Ausländer hier lebten, als ihre Kinder geboren wurden, sich nicht mehr zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr zwischen der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und der mit der Geburt erworbenen deutschen entscheiden müssen.
Dass dieser Optionszwang bisher im Gesetz war, war damals die Bedingung dafür, um überhaupt eine Mehrheit für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland zu erreichen. Sonst wäre das nicht möglich gewesen angesichts einer hessischen Kampagne gegen die Mehrstaatigkeit, die ein späterer Ministerpräsident angefacht hatte. Aber umso wichtiger ist es, das jetzt geschafft zu haben, denn jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem sich Tausende entscheiden müssten, die seit Wochen, Monaten oder auch ein paar Jahren darauf warten, dass diese Verbesserung vor ihrem 23. Geburtstag kommen möge. Wir haben sie gerade rechtzeitig hinbekommen, und ich bin froh, dass das Gegenstand dieses Koalitionsvertrags ist. Auch das wäre ein guter Grund, den Koalitionsvertrag zu unterschreiben.
Wir haben auch Verbesserungen für diejenigen erreicht, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Immer wieder haben wir im Bundesrat eine Verbesserung beantragt, die sich in diesem Koalitionsvertrag wiederfindet, in dem sogar ausdrücklich die Bundesratsinitiative der Freien und Hansestadt Hamburg erwähnt ist, mit Drucksachennummer. Das ist also exakt das, was wir im
mer beantragt haben. Im Koalitionsvertrag steht, dass junge Leute, die zum Beispiel durch Erfolg in der Schule gut integriert sind – dazu gehört auch ein Hauptschulabschluss und ein Realschulabschluss und nicht nur das Abitur –,
die also einen Schulabschluss in Deutschland erworben haben oder die durch Arbeit integriert sind, die Möglichkeit haben, einen lediglich geduldeten Status in ein festes Bleiberecht zu verwandeln. Dafür haben wir uns lange eingesetzt. Jetzt steht das in einem Koalitionsvertrag mit der Union, und ich glaube, das ist ein guter Erfolg, weil er Leistung und Anstrengung honoriert, und das ist etwas, was unsere Gesellschaft zusammenhält und auch auszeichnen sollte.
Meine Damen und Herren! Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart – darauf hätten Sie bestimmt nie gewettet, und wenn Sie gewettet hätten, dann hätten Sie eine ziemlich gute Quote im Wettbüro gehabt –, dass Asylbewerber und Geduldete nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis bekommen können. Das ist eine wesentliche Verbesserung, denn es trägt dazu bei, dass jemand Gelegenheit hat zu zeigen, dass es mit ihm eine Perspektive in diesem Land gibt, unabhängig von der Frage, was nun bei der rechtlichen Prüfung von Asyl- und Duldungsgründen herauskommt. Ich finde, das ist ein guter rechtspolitischer Fortschritt, der auch manche Diskussion verändern wird, die wir in den nächsten Jahren in dieser Bürgerschaft und anderswo führen werden, weil er immer möglich macht, auf einem zu beharren: Diejenigen, die geflüchtet sind vor Verfolgung und schlimmsten Zuständen werden in diesem Land nach unseren Gesetzen und den von uns unterschriebenen internationalen Verträgen Schutz finden. Diejenigen, die eine Integration geschafft haben – wie auch immer, als junge Leute oder durch Arbeit –, werden auch eine bessere Perspektive bekommen. Das ist das beste Integrationssignal, das eine Gesellschaft aussenden kann.
Wie einst beim Mindestlohn ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns auch im Hinblick auf die Neueinbürgerung mit der Hinnahme der Mehrstaatigkeit nicht mehr so anstellen. Daher finde ich es einen guten Fortschritt, dass nun freundlicherweise die CSU und die CDU in Baden-Württemberg und in Hessen und anderswo mithelfen zu begründen, warum zunächst einmal die Abschaffung des Optionszwangs eine gute Sache ist und gut funktionieren wird. Es wird dann kein Argument mehr gegen den letzten Schritt geben.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist ein ordentlicher Koalitionsvertrag. Ich hoffe, die SPDMitglieder, die darüber eine demokratische Entscheidung herbeiführen dürfen, werden am Sonnabend so abstimmen, wie ich es jedenfalls empfohlen habe. Wenn das geschieht, dann werden wir vier Jahre lang eine Regierung begleiten, die auch viele Gesetze auf den Weg bringen wird, die Hamburg und den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt nützen. – Schönen Dank.
Die Geschäftsordnung sieht nicht vor, dass ich während eines Redebeitrags nach hinten gehe und eine Frage stelle. Deshalb werde ich von hier aus kurz etwas zu dem Redebeitrag des Abgeordneten Tjarks sagen, und zwar nur zu einem Punkt. Das mit der Windenergie stimmt nicht, das Gegenteil ist richtig.
Die norddeutschen Ministerpräsidenten haben – auch wenn es kritisiert wurde, dass sie so viel Einfluss genommen haben – alle gemeinsam dafür gesorgt, dass die besondere Berücksichtigung der Entwicklungsmöglichkeiten der Windenergie in diesem Koalitionsvertrag untergebracht worden ist, indem nämlich jetzt schon vereinbart wurde, dass das sogenannte Stauchungsmodell, das für die Perspektive der Offshore-Windkraftindustrie von größter Bedeutung ist, bis 2019 verlängert wird. Diese Verlängerung war bis zur letzten Sekunde umstritten, ist aber die Voraussetzung dafür, damit es endlich losgeht mit den vielen geplanten Windparks. Es geht um Milliardeninvestitionen, die sich – das allerdings ist richtig – unmittelbar auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt auswirken werden, weil viele Unternehmenszentralen und Ingenieursfirmen, die sich mit der Windkraftentwicklung beschäftigen, ihren Sitz in Hamburg haben.
Nun könnte man noch viel dazu sagen, aber selbstverständlich gehört zu den Perspektiven der erneuerbaren Energien und ihrem Ausbau, um den wir uns sehr bemühen, immer auch, dass wir diese fördern, weil wir davon ausgehen, dass der technische Fortschritt wohl in den Zwanzigerjahren und bei einigen sogar schon etwas früher dazu führen wird, dass sie ohne Förderung wirtschaftlich sein werden. Wir hoffen, dass das mit der OffshoreWindkraft Mitte der Zwanzigerjahre der Fall sein
wird, und bei der Onshore-Windkraft ist es in vielen Fällen schon jetzt der Fall. Deshalb wird es auch einen weiteren Ausbau von Onshore-Windkraft geben, allerdings nicht an Standorten, wo es gar nicht weht. Das kann man vertreten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin ein großer Anhänger der Volksgesetzgebung, und ich glaube, dass es zur Volksgesetzgebung schon dazu gehört, dass sie eine Stadt zusammenführt. Das war nicht nur im klassischen Athen der Fall, sondern es ist auch heute der Fall. Es ist eine antidemokratische Vermutung zu glauben, dass eine Stadt nur dann zusammenhält, wenn immer alle einer Meinung sind. Das ist keine demokratische Vorstellung. Zur Demokratie gehört, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Zur Demokratie gehört übrigens auch, dass die Bürgerinnen und Bürger in einem Fall auch eine andere Meinung haben als sonst, wenn sie eine Partei wählen. Es ist der Sinn der neu geschaffenen plebiszitären Elemente in einer ansonsten parlamentarischen Demokratie, dass man nicht so, wie man bei der Wahl abstimmt, auch in der Einzelfrage abstimmen muss, denn wenn wir das nicht wollen, bräuchten wir die ganze Volksgesetzgebung nicht. Ich sage noch einmal: Volksgesetzgebung ist in Ordnung, und wenn das Volk eine Entscheidung getroffen hat, dann ist sie auch zu beachten.
Der Einigungsprozess, der in der Volksgesetzgebung für eine Gemeinschaft wie unsere Stadt zustande kommt, bedeutet aber auch, dass sich nach der Entscheidung alle daran halten müssen. Es bedeutet nicht, noch einmal all die Argumente, die wir vorher aus guten Gründen sehr unterschiedlich vorgetragen haben, sorgfältig erneut vorzutragen, denn das alles ist bereits gesagt.
Jetzt geht es darum, den Volksentscheid umzusetzen. Wie das zu geschehen hat, war schon vorher absehbar, und das ist auch gut beschrieben in dem Antrag, der nachher noch zu beraten sein wird, aber auch in vielen anderen Äußerungen, die wir in diesem Haus und anderswo gehört haben.
Wir werden natürlich die Unternehmen fragen, ob sie uns ihre Anteile an den drei Netzgesellschaften verkaufen. Das gehört sich so, weil es die unmittelbare, schnelle und zügige Umsetzung des Volksentscheids ermöglichen würde und weil möglicherweise auch die Unternehmen für sich erwägen, eine solche Entscheidung zu treffen, wenn sie das alles einmal sorgfältig durchdenken. Wir kennen den Ausgang nicht, wir haben in den Medien gelesen, dass das möglicherweise schwierig ist. Aber
es gehört sich, dass man darüber spricht und diese Frage stellt. Der Senat wird sie im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt unseren Geschäftspartnern, den drei Netzgesellschaften, stellen.
Als wir die drei Netzgesellschaften neu aufgestellt haben und uns selbst mit 25,1 Prozent als Stadt daran beteiligt haben, haben wir immer vorgesehen, dass ein Volksentscheid, der schon absehbar war, zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Deshalb gibt es in all diesen Verträgen sorgfältige Regelungen über die Rückabwicklung der Beteiligung. Sollte es also so sein, dass die Geschäftspartner sagen, sie seien nicht bereit, diese Anteile an uns zu vertretbaren Bedingungen zu verkaufen, dann werden wir selbstverständlich von den Rückabwicklungs- und Kündigungsmöglichkeiten, die damit verbunden sind, Gebrauch machen. Das muss nach den Verträgen auch schnell und zügig erfolgen, damit wir uns dann im Wettbewerb zu den heutigen Netzbetreibern um die jeweiligen Konzessionen bemühen können.
Das heißt selbstverständlich auch, dass wir den ruhenden Streit über die Frage, ob es sich beim Fernwärmenetz um eine Konzession handelt, die neu vergeben werden kann, bei der die Stadt auch selbst wieder in die Besitzrechte eintreten kann oder auch nicht, wieder aufnehmen. Wir brauchen natürlich diese Klärung, um den Volksentscheid umsetzen zu können. Das ist ebenfalls in den verhandelten Verträgen vorgesehen. Wir haben gesagt, dass wir das ruhen lassen, aber falls die Volksgesetzgebung anders ausgehe, würden wir diesen Rechtsstreit wieder aufleben lassen. Dieser Fall ist nun eingetreten.
Wir werden uns zügig darauf vorbereiten, falls es nicht zu Einigungen kommt, die jetzt schnell absehbar sind, uns mit einer eigenen Netzgesellschaft um die Konzessionen zu bewerben. Die nächste Konzession, die ansteht, ist schon ausgeschrieben, das ist bereits bekannt gemacht, es ist die Konzession um das Stromnetz. Hier muss man sich bis Anfang Januar melden, ob man überhaupt Interesse daran hat. Dann gibt es ein festgelegtes und zügiges Verfahren, das noch im nächsten Jahr zu einer Entscheidung über die Stromnetzkonzession führen wird.
Wir werden uns für diesen Fall vorbereiten und dafür Sorge tragen, dass wir in der Lage sind, eine Bewerbung abzugeben, die so gut ist, dass sie keine Behörde irgendwo in Deutschland ablehnen könnte. Das ist die Aufgabe, die wir uns selbst gestellt haben, und ich bin sicher, dass wir alle unsere Kraft und alle unsere Möglichkeiten zusammennehmen, die beste Bewerbung um das Stromnetz
in Hamburg vonseiten einer von der Stadt gegründeten Gesellschaft abzugeben.
Ein Punkt ist mir an dieser Stelle aber wichtig. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser drei Unternehmen – diejenigen, die jetzt im Stromnetz tätig sind, aber auch die anderen – dürfen nicht die Leidtragenden dieser Entwicklung werden. Wir werden deshalb bei allem was wir machen sicherstellen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine gute Perspektive auch in Zukunft haben.
Damit das alles gut gelingt, wird der Senat den Auftrag der Bürgerinnen und Bürger umsetzen, aber er wird sich natürlich von allen beraten lassen – von der Bürgerschaft, von der Initiative und von vielen anderen. Alle, die uns Vorschläge zu machen haben, sind eingeladen, diese auch tatsächlich loszuwerden. Es wird Vorschläge geben, die wir in großer Breite diskutieren und erörtern können. Es wird auch vielleicht einen so guten Vorschlag geben, dass wir den nur für uns behalten wollen, damit er nicht von den Netzbewerbern gewissermaßen eingesetzt werden kann. Aber das sind alles Dinge, die in gutem Einvernehmen miteinander entschieden und vorbereitet werden können.
Meine Damen und Herren! Wir haben eine Entscheidung im Rahmen der Volksgesetzgebung. Wir haben uns gewünscht, dass es möglich ist, in der Hamburger Verfassung niederzulegen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Einzelfällen Entscheidungen treffen können. Wenn diese Entscheidungen getroffen sind, dann müssen sie beachtet werden; dieser Senat wird das tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat beantragt heute bei der Hamburgischen Bürgerschaft, dass unserem verdienten Mitbürger, Herrn Dr. Michael Otto, die Ehrenbürgerwürde verliehen werde – die höchste Auszeichnung, die die Freie und Hansestadt Hamburg zu vergeben hat. Sie tut das nicht oft und wenn sie es tut, dann setzt sie ein Signum Exclamationis, das weit über unsere Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen wird. Im Namen des Senats trete ich heute vor das Plenum in der Überzeugung, dass wir ein neues würdiges Ausrufezeichen setzen.
Warum sind wir dieser Überzeugung? Michael Otto ist erstens ein erfolgreicher Unternehmer – auch, aber da ist er in unserer Stadt nicht der Einzige. Er
hat das von seinem Vater übernommene Unternehmen weitergeführt und er hat es in beeindruckender Weise ausgebaut. Ein hamburgisches Unternehmen als wahrhafter Global Player: Es gibt Amazon, den großen weltweiten Wettbewerber, und es gibt OTTO.
Zweitens: Wer Produkte überall einkauft, hat Verantwortung für die Produktionsbedingungen, auch und besonders in den Teilen der Welt, die wir die Dritte Welt nennen. Dieser Verantwortung stellt sich der OTTO-Konzern, und er hat sich nicht zuletzt dadurch weltweit Anerkennung erworben, dass er die Umwelt- und Sozialstandards einhalten will, auf die sich die dafür zuständigen Organisationen und Gremien geeinigt und die sie festgelegt haben. Das erste und das zweite verdient Beachtung und Erwähnung, denn nicht alle tun es, und doch wäre Michael Otto der Erste, der sagen würde: Das ist selbstverständlich.
Meine Damen und Herren! Der Senat will Dr. Michael Otto nicht als erfolgreichen, pflichtgemäß seiner Verantwortung nachkommenden Unternehmer ehren, sondern als Citoyen, als einen Hamburger Bürger und Unternehmer, der über das Notwendige hinaus wirtschaftliche und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, der verstanden hat, dass wir als Bürger und als Unternehmer eine Verantwortung haben, die über uns selbst hinausgeht, und der die Überzeugung, dass jeder eine faire Chance verdient, in Projekte und Förderaktivitäten gegossen hat.
Meine Damen und Herren! Die Öffentlichkeit – gerade auch hier in seiner Wahlheimat Hamburg – kennt Michael Otto als Förderer. Dazu werden gleich etliche Beispiele zu nennen sein.
Ich will besonders zu dem Hamburger Hauptschulmodell etwas sagen. Dieses Projekt, diese Initiative, dieses Modell hat Dr. Michael Otto vor mehr als zehn Jahren sehr wesentlich mit angeschoben. Und ich habe es so verstanden, dass er für die Überzeugung einstehen wollte, dass Bildung nicht nur für alle als Angebot zur Verfügung stehen muss – diese Überzeugung ist längst mehrheitsfähig –, sondern dass alle jungen Leute tatsächlich in die Lage versetzt werden müssen, dieses Angebot wahrnehmen zu können, beziehungsweise es überhaupt erst einmal zu wollen. Man kann gute Bildungsabschlüsse schaffen, auch wenn man vom familiären Hintergrund, von den Bedingungen des Aufwachsens her nicht privilegiert ist, wenn man aus einem eher bildungsfernen Milieu kommt und auch, wenn man arm ist.
Aber es funktioniert nicht von selbst und es funktioniert auch noch nicht automatisch dadurch, dass man Schulsysteme ändert, umstrukturiert und wieder zurück reformiert. Manche brauchen eine besondere Art von persönlicher Ansprache, von Anschub, nötigenfalls auch nachdrücklich, so lange bis klar ist: Auch der hier oder die hier wird nicht
zurückbleiben, sondern die Möglichkeit haben, sich ein selbstständiges Leben, ein gutes Erwerbsleben aufzubauen. Und so muss es sein, denn auf dem Weg in die Zukunft unserer Stadt Hamburg darf niemand am Wegesrand zurückbleiben.
Das Hamburger Hauptschulmodell und die weiteren Entwicklungsschritte hin zur heutigen Jugendberufsagentur, die inzwischen europaweit Beachtung und Nachahmer findet – diese Entwicklung ist etwas Besonderes. Darauf können wir stolz sein.
Und darauf, einen solchen Citoyen in unseren – früher hätte man gesagt: Mauern – zu haben, aber Mauern hat und will Hamburg keine mehr um sich herum, einen solchen Citoyen in unserem offenen, polyglotten Gemeinwesen zu haben, dem es am Herzen liegt, älteren und jungen Leuten zu ermöglichen, sich in ihren Kompetenzen zu entfalten.
Übrigens, was die unterschiedlichen Kompetenzen betrifft, die bringt auch das großartige Projekt "The Young ClassX" zum Klingen. Kinder und Jugendliche werden für die klassische Musik begeistert und lernen dabei, wiederum mit der Unterstützung von Michael Otto, wie man gemeinsam erfolgreich sein und einen wunderbaren Sound erzeugen kann. Inzwischen sind sie schon Dauer-Gaststars bei unseren stimmungsvollen Einbürgerungsfeiern.
Meine Damen und Herren! Der Stifter Michael Otto hat etliche weitere Ausrufezeichen gesetzt: mit zahlreichen Projekten im Bereich Jugend und Bildung, mit weiteren Unterstützer-Aktivitäten im Bereich Kunst und Kultur, wobei das Stichwort "Elbphilharmonie" nicht das Unwichtigste ist, mit etlichen Ehrenämtern und Tätigkeiten in der Handelskammer, Initiativen und Vereinen und natürlich mit der bekannten Michael-Otto-Stiftung für Umweltschutz. Das alles fügt sich in die spezifisch hanseatische Kultur des Stiftens, des Bürgersinns, der in Hamburg älter ist als der heutige Begriff "Corporate Social Responsibility".
Als ein signifikantes Beispiel mag auch die Rettung des 800. Hafengeburtstags 1989 dienen. Ein Jahr vorher sah es um den Vorbereitungsstand nicht gut aus. Hohen Erwartungen standen ebenso hohe Kosten, aber kaum Spenden und Sponsoren gegenüber, ein unkalkulierbares Defizit drohte. Es war Michael Otto, der sich – das ist jetzt ein Vierteljahrhundert her – dem Senat zur Verfügung sowie an die Spitze einer Ehrenkommission stellte. Das war nicht eben frei von Risiken, doch er hat im Verein mit anderen die achthundertsten Jubiläumskastanien aus dem Feuer geholt – ein frühes Beispiel für seine stete Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen in die Pflicht nehmen zu lassen.
Das, meine Damen und Herren, ist die eine Seite des Dr. Michael Otto. Die andere – und das Stichwort "Umwelt" ist schon gefallen – ist mindestens genauso wichtig. Michael Otto ist vor Jahren der Sustainability Leadership Award einer internationalen Investmentagentur verliehen worden, die sich dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet sieht. Nicht seine erste, nicht seine letzte, vielleicht auch nicht seine wichtigste Ehrung. Oder doch? Der Preis, hieß es seinerzeit, werde vergeben in der Überzeugung, dass Personen, die der Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz hohe Aufmerksamkeit und Anstrengung widmeten, öffentliche Anerkennung zustehe.
Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz ist ja sehr viel mehr als das, was einem zuerst in den Sinn kommt, etwa dass stromsparende Computer angeschafft, Baustellenabfälle sortenrein getrennt und die Thermostatventile an den Büroheizungen mit Überlegung benutzt werden. Damit fängt es an, und das ist in keiner Weise gering zu schätzen. Doch in Verbindung mit Leadership und befeuert von den Ideen eines innovativen Unternehmers, der sich dem Gemeinwohl verpflichtet sieht, kombiniert mit dem bürgerlichen Stifter-Sinn des Privatmanns, wird aus Sustainability oder Nachhaltigkeit viel mehr, etwas viel Umfassenderes: die verantwortungsbewusste Mitarbeit an der ökologischen, sozialen und demokratischen Sustainability des Gemeinwesens.
Die firmeneigene Definition des Begriffs "Produktqualität" will ich zitieren, übrigens auch, weil sie sehr ähnlich in der Umweltbehörde unserer Stadt angewendet wird:
"Ein Produkt ist nicht schon dann qualitativ hochwertig, wenn es besonders haltbar, gut verarbeitet und schön anzusehen ist, sondern erst dann, wenn auch die unsichtbare Qualität stimmt. Dies ist der Fall, wenn bei seiner Herstellung so wenig negative Auswirkungen wie nur möglich auf Mensch und Umwelt entstanden sind."
Zitatende.
Daraus folgt die Verpflichtung der eigenen Unternehmen nicht nur auf Mitarbeit an der Entwicklung zertifizierungsfähiger Sozialstandards der Branche, sondern auf eigene Verhaltenskodices, auch für Zulieferer, keine Kinderarbeit, ordentliche Arbeitszeit- und Lohnregelungen, gute Sicherheitsstandards und auf ein klares Diskriminierungsverbot.
OTTO hat seit 1997 als erstes Handelshaus weltweit die ISO-14001-Zertifizierung für sein Umweltmanagementsystem erhalten. Die Unternehmen arbeiten an der Verringerung transportbedingter Emissionen, verwenden Holz mit dem FSC-Siegel und vieles andere, was ich hier nur beispielhaft nennen kann. Nicht zuletzt geht es um nachhaltige, gesundheitsverträgliche Produkte, namentlich
Textilien, aus schonendem Anbau – wichtig für die Produzenten und auch für uns hier; erinnern wir uns doch mit Schrecken an zum Beispiel hohe Dioxin-Rückstände in Waschmaschinen-Abwässern durch den Import pestizidbelasteter Baumwollkleidung.
Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen. Michael Otto hat sich um seine, um unsere Stadt verdient gemacht als Unternehmerpersönlichkeit, als Stifter, als Kulturfreund und engagierter Bürger. Sein langjähriger und vielfältiger Einsatz im Sinne der Stadt Hamburg und ihrer Bürgerinnen und Bürger macht ihn zu einer herausragenden Persönlichkeit. Hamburg würdigt die Leistungen von Dr. Michael Otto mit der höchsten Ehrbezeugung, die die Stadt verleihen kann: der Ehrenbürgerwürde. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte ein Déjà-vu-Erlebnis. Vor der letzten Bürgerschaftswahl habe ich mich zusammen mit vielen meiner Freunde mit der Frage beschäftigt, ob man die Netze zurückkaufen soll oder nicht. Wir haben Vertreter der Unternehmen, der Betriebsräte und der Gewerkschaften gehört und mit kommunalen Netzbetreibern aus ganz Deutschland sowie mit Experten und auch mit Vertretern der Initiative gesprochen. Wir haben damals gefragt, was wir mit den
Netzen wollen, wenn wir sie kaufen, wie Sie das vorschlagen. Wenn man sich an die Gespräche zurückerinnert, dann ist kein einziger Vorschlag dazu gekommen, was man mit diesen neu erworbenen Netzen anstellen könnte. Nun, viele Monate und Jahre später, stellen wir fest, dass es außer der Aussage "Wollen wir haben" keine einzige Begründung dafür gibt, warum die Netze gekauft werden sollen.
Eben wäre für die beiden wichtigsten Redner der GRÜNEN und der LINKEN die Gelegenheit gewesen, das erste Mal ein einziges Argument zu nennen. Es ist erneut nicht genannt worden, und ich sage auch warum: Es gibt kein gutes Argument, das mit Energiewende und Klimaschutz zu tun hat, diese riesige finanzielle Bürde auf sich zu nehmen.
Natürlich ist mit dieser Investition verbunden, dass man sich mit 2 Milliarden Euro verschulden muss – mehr als das.
Die Summe ist in Wahrheit nicht mehr streitig. Man hätte, als wir verschiedene Wirtschaftsprüfungsgutachten vorgelegt haben, alle Gelegenheit gehabt auszurechnen, dass das anders ist. Da ist nicht viel gekommen, und das kann auch nicht seriös erfolgen. Es ist das Geld, um das es geht.
Eben ist darauf hingewiesen worden, dass man es sehr leicht hat, wenn man zu den jetzigen Bedingungen kauft, weil die Zinsen sehr gering sind. Sie sind aber aus dem Grunde gering, weil eine weltweite wirtschaftliche Krise existiert, die dazu führt, dass insbesondere dem deutschen Staat zu sehr günstigen Konditionen Geld geliehen wird. Glauben wir doch nicht, dass man die Zukunft der ganzen Stadt auf dem Umstand aufbauen kann, dass man Zinsen hat, die teilweise unterhalb der Inflationsrate liegen. Das gilt weder bei der Staatsverschuldung noch beim Kauf von Unternehmen.
Schlimm ist, wenn man sich verrechnet hat.
Dann hat man die Schulden immer noch. Und schlimm ist auch - wie jeder feststellen kann, der ein Haus kauft und dann umschulden muss, weil die Kredite verlängert werden müssen –, dass es viel höhere Zinsen geben kann als am Anfang, als man sich alles schöngerechnet hat. Dann sitzt man da mit dieser riesigen Zinsbelastung und möglicherweise niedrigen Einnahmen und muss aus sei
nem eigenen Vermögen oder durch neue Kreditaufnahme die Schulden, die Monat für Monat und Jahr für Jahr allein wegen der Kreditbelastung neu entstehen, selber finanzieren. Das dürfen wir der Zukunft unserer Hamburger Bürgerinnen und Bürger nicht antun.
Dafür, dass das schöne Luftschloss zerplatzt,
spricht im Übrigen ziemlich viel, denn die Gewinne, die man mit den Netzen machen kann, unterliegen bewusst einer öffentlichen Regulierung. Die Bundesnetzagentur kümmert sich darum. Kennen Sie die Klagen der Telekom, die sagten, sie kommen mit dem Geld nicht aus? Kennen Sie die Klagen der Post, und kennen Sie die Klagen aller Netzbetreiber? Sind Sie schon einmal als Politiker durch Deutschland gereist und haben sich von Bürgermeistern und kommunalen Versorgern anhören müssen, dass sie demnächst alle Verlust machen werden, wenn das mit der Bundesnetzagentur so weitergeht? Und in einem so unsicheren Umfeld sollen wir 2 Milliarden Euro neue Schulden den vielen Schulden hinzufügen, die wir bereits haben. Das kann man vernünftigerweise nicht unterstützen.
Wir sind eine Stadt, die viel mit Hafen und Wirtschaft zu tun hat, und natürlich betrachten wir die Entwicklung der Schiffsfinanzierung gegenwärtig mit großer Sorge. Wir machen uns viele Gedanken. Aber jeder von uns weiß, dass es Unzählige gibt, die Prospekte gesehen haben, die glauben machen, dass die Gewinne nur so sprudeln und sie reich werden würden, wenn sie ihr Geld in irgendwelche Schiffsfonds und -beteiligungen stecken. Im Augenblick ist dabei aber niemand reich geworden, und viele machen Verluste.