Hubert Gehring

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem es der Bundesregierung im Moment leider nicht gelingt, einen konstruktiven Gesprächsfaden zwischen allen demokratischen Parteien aufrecht zu erhalten, ist es sinnvoll, Herr Koplin, dass wir uns heute im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einmal mit der Rentenproblematik auseinander setzen. Ob allerdings diese Debatte ein Puzzlestein in der Erkenntnis der Herren Schröder und Riester sein kann, endlich einmal konsequent alle Fakten, bevor man dann redet, auf den Tisch zu legen und diese Fakten dann auch zu diskutieren, wage ich mal vorläufig zu bezweifeln.
Angesichts des Umstandes, dass nach zahlreichen Runden zwischen den demokratischen Parteien beim Bundeskanzler und bei Herrn Riester zwar Annäherungen möglich waren, aber in entscheidenden Fragen dann kein Durchbruch erfolgte, weil die Bundesregierung, aus welchen Gründen auch immer, abblockte,
wurde dann quasi im Schweinsgalopp in einer kurzen Runde zwischen Herrn Riester und Frau Engelen-Käfer in einer wichtigen Frage wie dem Renteniveau, das jetzt auf einmal doch wieder bei 64 Prozent landen soll, ein erster Punkt gesetzt. Dass angesichts derartiger Gesprächsmethoden der Bundesregierung und der mangelnden Bereitschaft oder Fähigkeit, was auch immer, alle Fakten auf den Tisch zu legen, die CDU heute nicht in der Lage ist, dann an der aktuellen Rentenrunde teilzunehmen, denke ich, spricht für sich.
Herr Rißmann, Sie haben vorhin erwähnt die Thematik Ausgleichsfaktor, Generationsfaktor. Das ist ein Beispiel, dass es von heute auf morgen drunter und drüber geht. Vor drei Wochen noch die Thematik Ausgleichsfaktor, heute Generationsfaktor, was auch, denke ich, durchaus Sinn macht.
Lassen Sie mich jetzt aber auf einen speziellen Bereich eingehen, meine Damen und Herren.
Die Bundesregierung hatte in ihrem ursprünglichen Vorschlag unter anderem die Einführung einer so genannten bedarfsorientierten Grundsicherung vorgeschlagen. Es ist gut, dass davon inzwischen abgerückt worden ist. Damit hat die Bundesregierung, was die CDU betrifft, zumindest eine wichtige Forderung auch erfüllt.
Jetzt, meine Damen und Herren, wird vorgeschlagen, das Sozialhilferecht zu modifizieren. Das ist in der Tat auch zielführender. Wir müssen gerade älteren Mitbürgern mit sehr niedrigen Rentenansprüchen besser helfen. Deshalb sind die Ansätze etwa hinsichtlich der Antragswege und der gemeinsamen Anlaufstellen durchaus richtig. Aber, und das ist ein entscheidender Punkt, diese Regelungen haben mit der eigentlichen Rentenreform nichts zu tun. Ohne Grund werden hier zwei Fragen miteinander vermischt, die zwar in einem engen Zusammenhang zu sehen sind, aber eben nicht gemeinsam gelöst werden können.
So geht es bei der Rente um die langfristige Sicherung einer grundsätzlich paritätisch getragenen Versicherung. Und die Reform berührt deshalb Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Beitragszahler und den Staat als Garanten und Träger der Rentenversicherung. Bei der Sozialhilfe wiederum geht es um eine Leistung, die bedarfsgerecht durch die Kommunen geleistet wird. Entsprechend der Gegebenheiten vor Ort und nach Prüfung und in Kenntnis der spezifischen Lebenssituation wird der Bedarf ermittelt und ausbezahlt.
Um für ältere Menschen Erleichterungen bei der Beantragung ergänzender Sozialhilfeleistungen zu erreichen, muss deshalb das Antragsverfahren aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden.
Dies sollte aber in einer sicherlich auch sinnvollen und notwendigen Reform der Sozialversicherung und nicht innerhalb der Rentenversicherung geregelt werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen den älteren Menschen die Sorge vor Rentenkürzungen und sinkenden Lebensstandards nehmen. Die junge Generation darf nicht durch hohe Beiträge überlastet und gleichzeitig über die späteren Rentenbezüge im Unklaren gelassen werden. Was die ganze Gesprächssituation betrifft, in der ja insbesondere unsere Kollegen im Bundestag stecken,
darf ich doch einmal erinnern an die Auseinandersetzungen, konstruktiven Auseinandersetzungen der Herren Blüm und Dreßler. Da hat man sich gefetzt im Deutschen Bundestag, aber es kamen dann auch Kompromisse zustande.
Im Moment habe ich wirklich den Eindruck, der Bundeskanzler stellt sich hin, doziert in sehr wohlgewogenen Worten, wie wichtig doch das Thema ist, und in den eigentlichen Gesprächsrunden wird dann erwartet, dass die Gesprächspartner sich in die Bauchlage begeben,
fünf Zentimeter unter der Grasnarbe sich ranrobben und danach mit dem Kopf nicken.
Und wissen Sie, das können andere mitmachen. Wir werden es nicht mitmachen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem Beitrag vielleicht einmal weniger auf unsere Befindlichkeiten eingehen als auf die Befindlichkeit der Jugend, also auf die Ergebnisse der Shell-Studie. In diesem Zusammenhang haben wir uns sicherlich daran gewöhnt, dass wir, wenn
wir über Jugend und Zukunft reden, immer gleich die Sorgenfalten auf der Stirn bekommen: Stichwort Null-BockGeneration, Stichwort Desinteresse am gesellschaftlichen Fortgang, Stichwort rechtsradikale Tendenzen, Stichwort Drogenmissbrauch und Gewalt an den Schulen.
Das ist einerseits auch richtig, denn tatsächlich besteht viel Anlass zur Sorge, und dies ist eine Herausforderung an uns. Und ich möchte erwähnen, dass das gestrige Eggesiner Urteil auch in diesem Zusammenhang für uns eine ständige Mahnung bleibt. Es gibt also viel zu tun. Wir werden deshalb als CDU-Fraktion auch in dieser Landtagssitzung einige Bereiche sehr genau beleuchten, Stichwort Zukunft der Bildung, Stichwort Sozialsysteme, Stichwort demographische Entwicklung in MecklenburgVorpommern.
Aber wir sollten uns auch einmal fragen, ob wir die Stimmung unter den Jugendlichen tatsächlich richtig beschreiben, wenn wir nur von den genannten Problemen als den allgemein gültigen Fragestellungen ausgehen.
Für mich etwas überraschend – das gebe ich gerne zu – haben die Autoren der 13. Shell-Jugendstudie, die Ende letzten Monats vorgelegt worden ist, ein modifiziertes Bild gezeichnet. Von Null-Bock-Generation oder vom In-denTag-hinein-Leben könne danach nur relativ wenig die Rede sein. Vielmehr haben die Jugendlichen „nüchtern und illusionslos erkannt, welche Herausforderungen in der modernen, globalisierten Gesellschaft auf sie zukommen. Ideologien oder starre Wertorientierungen sind für die große Mehrheit der Jugendlichen irrelevant. … Mit Blick auf die persönliche Lebensplanung gehen die Jugendlichen mehrheitlich davon aus, daß es ihnen gelingen wird, Familie und Beruf miteinander zu verbinden.“
Wer dies liest, kann sich auch einmal provokatorisch fragen, ob die Fragestellung, die wir heute diskutieren, letztendlich noch ganz richtig so ist, also die Frage: Wie weit müssen wir als Umwelt, als Politik uns um die Jugendlichen und deren Befindlichkeiten kümmern? Vielleicht ist es mittlerweile einfach auch so, dass die Jugend sich umgekehrt um den Fortgang der Gesellschaft weitaus mehr Gedanken macht, als es viele von uns für möglich halten. Sind die heute 10-, 12-, 15-jährigen Schüler und Schülerinnen nicht schon viel spielerischer, aber auch bewusster in der modernen Gesellschaft angekommen als wir? Zwei vielleicht banale Beispiele: Wer von den hier anwesenden Vätern und Müttern und Großvätern programmiert zum Beispiel seinen Videorecorder noch alleine?
Machen das nicht die Kinder? Und sehen die Jugendlichen von Los Angeles über Tokio bis Wladiwostok nicht die gleichen internationalen Musiksender und leben dadurch ein viel umfassenderes kulturelles Bewusstsein, so dass ihnen der Begriff der Globalisierung viel näher ist als uns und sich damit letztendlich dann auch weniger Ängste, sondern häufiger auch Chancen und Optimismus ergeben? Klar ist, denke ich, dass die heute 16-Jährigen nicht mehr mit den 16-Jährigen verglichen werden können, die beispielsweise unseren Generationen angehörten. Da sind die Jugendlichen von heute stellenweise wesentlich erwachsener, stellenweise auch wesentlich verantwortungsvoller. Sicherlich gilt das nicht für alle, aber die Tendenz – und dies zeigt die Studie – ist hier relativ eindeutig.
Für mich ergibt sich deshalb die Forderung, dass wir uns alle umstellen. Sicherlich, die Probleme gibt es weiterhin und da müssen wir auch im Detail – es ist hier auch schon diskutiert worden – die entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Gleichzeitig müssen wir, denke ich, aber auch erkennen, dass die Jugendlichen sich heute schon wesentlich mehr einbringen wollen und dies auch sachgerecht können. Vielleicht sollten wir, gerade wir als Politiker uns deshalb ein wenig darauf besinnen, dass Zuhören manchmal eine größere Tugend ist als das Reden. Wenn ich der Jugend zuhöre, dann erkenne ich schon ein Problembewusstsein beispielsweise hinsichtlich der Thematik Rente, hinsichtlich der Thematik Finanzierungsmöglichkeiten des Staates, Trend zur Selbstverantwortung. Und wenn dieser Trend vorhanden ist, dann müssen wir auch über die Möglichkeiten reden, wie wir die Jugendlichen künftig mehr in die Verantwortung einbeziehen können. Über die Instrumente, wie man das dann tut, kann man sich sicherlich und muss man sich auch streiten. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In drei Punkten ihrer Koalitionsvereinbarung haben sich SPD und PDS der Bekämpfung des Rechtsextremismus gewidmet. Und dort ist unter anderem die Rede davon, auf wissenschaftlicher Grundlage die Ursachen von Rechtsextremismus zu untersuchen. Und ich hätte eigentlich erwartet, obwohl das kein einfaches Thema ist, gerade auch in der Kürze der Zeit, dass Sie neben den Maßnahmen, Herr Minister Timm, die Sie geschildert haben und die auch begrüßenswert sind, etwas mehr zur Analyse der Ursachen eben dieses Rechtsextremismus vorlegen, denn es ist immer besser, sich zunächst über die Ursachen klar zu sein, um dann die Maßnahmen noch besser und zielgerichteter durchführen zu können.
Lassen Sie mich mal zwei Beispiele aus diesem ganzen Komplex Ursachen/Erscheinungen darlegen, um dazustellen, dass es eben nicht immer so einfach ist mit Rechts und Links,
wenn man über die Ursachen von Rechtsextremismus spricht.
Beispiel 1: Bereits 1988 hatte sich der spätere Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Konrad Weiß in einer Untersuchung mit rechtsextremen Tendenzen in der DDR beschäftigt. Im gleichen Jahr schloss das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig eine empirische Untersuchung in Städten der DDR ab. Beide Untersuchungen wurden in der DDR nicht veröffentlicht. Die Ergebnisse waren nämlich sehr ernüchternd. Durch einen überzogenen und zur leeren Phrase verkommenen Antifaschismus und durch die zunehmende Unglaubwürdigkeit auch der Herrschenden hatte sich im so genannten antifaschistischen Staat DDR auch eine rechtsextreme Jugendszene etabliert.
Beispiel 2, ein Beispiel aus dem Westen, aus der neueren Zeit: Im vergangenen Jahr, und das ist eine Parallele zum ersten Beispiel, wanderte eine Studie des DGB schnell wieder in eine Schublade. Wissenschaftler hatten festgestellt, dass rechtsextreme Tendenzen unter in Westdeutschland gewerkschaftlich organisierten Jugendlichen deutlich häufiger anzutreffen waren als unter nicht gewerkschaftlich organisierten. So konnten sich nach dieser Studie 32 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder zwischen 18 und 24 vorstellen, eine rechtsextreme Partei zu wählen. Bei Nichtmitgliedern waren es 17 Prozent. Folgerichtig musste Infatest dimap nach der Bundestagswahl feststellen, dass 11 Prozent der 18- bis 24-jährigen Gewerkschaftsmitglieder eine rechtsextreme Partei
gewählt hatten. Bei gleichaltrigen Nichtmitgliedern waren es 7 Prozent.
Diese zwei zugegebenermaßen isolierten Beispiele sollen deutlich machen, dass die Ursachen und die Erscheinungen von Rechtsextremismus relativ vielschichtig sind und dass mit unserem stellenweise gepflegten Rechts/Links, was die Parteien betrifft, dieses Vorgehen und die Diskussion dazu wahrscheinlich uns, was die Ursachenforschung betrifft, nicht weiterhelfen.
Insgesamt helfen auch Ausgrenzung und Stigmatisierung nur begrenzt. Wir brauchen deshalb – und das ist heute auch schon gesagt worden – präventive Jugendarbeit genauso wie repressive Polizeiarbeit. Dort, wo Straftaten geschehen, muss ein schneller Zugriff der Polizei erfolgen und eine schnelle Aburteilung der Täter gewährleistet sein.
Was ein mögliches Verbot von Aufmärschen von Rechtsradikalen betrifft, so ist es damit meiner Ansicht nach aber auch nicht getan. Die Ursachen lassen sich dadurch nicht beseitigen und im Übrigen zeigen alle Erfahrungen, dass die Versuche, solche Demonstrationen zu verbieten, oft mit einer Niederlage vor Gericht enden. Letztendlich müssen wir nach unserer Verfassung auch fähig sein, in der Demokratie Konflikte auszuhalten und auszutragen, auszudiskutieren. Genauso klar ist aber auch, dass, wenn aus solchen Demonstrationen heraus Straftaten begangen werden oder mit verfassungsfeindlichen Symbolen rumhantiert wird, die Polizei mit aller Härte eingreifen muss.
Meine Damen und Herren, wer politischen Extremismus verhindern will, muss im Land letztendlich für ein Klima sorgen, welches solchen Tendenzen den Boden entzieht. Und deshalb brauchen wir einen durch entsprechende Daten begründeten Optimismus in die Zukunft, einen starken Staat und vor allem auch Bürger, die Rechtsstaat und Demokratie annehmen und verteidigen. Das ist heute auch schon quer durch alle Reihen gesagt worden.
Und hier, denke ich, müssen wir ansetzen – die Landesregierung, indem sie unter anderem die wirtschaftliche Basis des Landes verbessert, die Landeszentrale für politische Bildung und auch die Stiftungen der Parteien, indem Veranstaltungen und Seminare zu Grundlagen der demokratischen Gesellschaft intensiviert werden, Polizei und Justiz, indem das Ansehen des Rechtsstaates verbessert wird, und – ich komme zum letzten Satz – wir selbst auch, indem wir eben nicht nur alle halbe Jahre anlässlich einer Aktuellen Stunde um und über das Thema und das Problem diskutieren, sondern entsprechend dann auch in den Ausschüssen und in den Gremien zur Lösung dieser Problematik mithelfen und arbeiten. – Ich danke Ihnen.