Dagmar Kaselitz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich kann mich noch an die vergangene Landtagssitzung erinnern. Die Linksfraktion hatte eine Aussprache genau zu diesem Thema beantragt. Vor einem Monat trug mein Kollege Jörg Heydorn vor und stellte fest, dass man sich in der Sache einig ist. Gern hätte er heute auch selbst zu Ihnen gesprochen, er ist leider erkrankt. Ich wünsche ihm von hier aus gute Besserung.
Festzustellen ist, noch immer sind wir uns in der Sache einig. Es muss was getan werden, um die steigenden Eigenanteile in den Griff zu bekommen. Es wurde aber auch deutlich, dass das eine große Herausforderung ist und dass das auf Bundesebene zu lösen ist. Trotz dieser Erkenntnis legt uns die Linksfraktion heute einen Antrag vor, der schnelle Lösungen verspricht. Eine Bundesinitiative und die Übernahme der Investitionskosten durch das Land sollen es richten. So einfach wird es nicht funktionieren, und das wissen Sie.
Was Sie wollen, ist ein erheblicher Eingriff ins derzeitige System. Das bedeutet nämlich – und das wird schon seit geraumer Zeit diskutiert –, den Anteil für die Pflegebedürftigen zu deckeln, den sogenannten Sockel-SpitzeTausch. Damit müssten Kostensteigerungen dann von der Pflegeversicherung getragen werden. Das setzt man aber nicht über Nacht um. Immerhin geht es um eine neue Ausrichtung der gesamten Pflegeversicherung. Das kostet alles viel Geld, das entweder aus Steuermitteln oder direkt über die Beiträge, die dann steigen, in die Pflegeversicherung gehen muss.
Mit diesem Thema hat sich bereits schwerpunktmäßig die Arbeits- und Sozialministerkonferenz beschäftigt. Die
Ministerin hat in ihrem Beitrag darauf hingewiesen. Auch dort wird das Problem so gesehen. Fachleute verweisen darauf, dass dieses umfassende Thema in einem längeren Prozess, unterstützt durch aktuelle Forschungen, bearbeitet werden muss. Der Grund ist allen klar: Wenn ich auf der einen Seite will, dass Pflegekräfte besser bezahlt werden, dann führt das zu höheren Kosten. Das muss refinanziert werden. Kosten steigen. Gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern kam es in den letzten Jahren zu Lohnsteigerungen in der Pflege. Aber wir sind mit den Löhnen da noch längst nicht am Ende angekommen. Das hat viele Gründe: bessere Löhne in den Krankenhäusern, bessere Löhne in den Nachbarbundesländern, die generalistische Pflegeausbildung und so weiter.
Der Trend, dass die Pflegekosten steigen, wird sich also fortsetzen. Und blickt man auf den gesamten Bund, dann sind die Eigenanteile in Mecklenburg-Vorpommern noch am unteren Ende. Dabei sind die Investitionskosten nicht der Hauptkostentreiber. Natürlich kann das Land die Investitionskosten übernehmen, kann man machen, da muss man aber auch sagen, woher das Geld kommt. Und wenn das Land diese Kosten übernimmt, wird man sehen, dass die Eigenanteile dennoch steigen. Das zeigt, wir brauchen Veränderungen. Darin sind wir uns einig. Deshalb müssen diese Veränderungen auch kommen. Die Lösung liegt aber nicht allein hier im Landtag, sondern aktuell im Bund. Wir unterstützen das Anliegen unserer Ministerin für ein länderübergreifendes Gesamtkonzept und lehnen deshalb Ihren Antrag heute ab. – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge – dieser Aufgabe stellt sich MecklenburgVorpommern bis heute seit Jahren täglich. Die Zuständigkeit liegt bei Jugendämtern. Den Verantwortlichen dort ist bewusst, welche hohen Anforderungen damit verbunden sind. Es geht um Erstversorgung, einschließlich der medizinischen, es geht um Unterbringung, es geht um das Clearingverfahren, es geht um die Inobhutnahme, es geht um Hilfeleistungen. Zahlreiche Fachkräfte in unserem Land leisten auf diesem Gebiet eine unwahrscheinlich gute Arbeit unter Rahmenbedingungen, die nicht immer einfach waren und sind.
Seit 2015 liegt eine Zeit hinter uns, in der gerade auf diesem Gebiet fachliche Kompetenz wachsen konnte. Ich erinnere mich an die Situation der Jugendämter, vor allem im Landkreis Ludwigslust-Parchim, die aufgrund der Nähe zur Erstaufnahmeeinrichtung als erstes Jugendamt zuständig waren für unbegleitete Minderjährige. Von damals im August 2015 zum Beispiel 178 Kindern und Jugendlichen hat allein Parchim 106 in ihren Einrichtungen unterbringen können. Es kam dann auf bundeseinheitlicher Ebene zur Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel, und auch wir in Mecklenburg-Vorpommern haben dann – gleichmäßig und gerecht auf alle Ebenen
verteilt – auch bei uns im Land dann noch einmal die Verteilung auf Grundlage dieses Schlüssels auch in die einzelnen Landkreise vorgenommen.
Wir können verzeichnen, dass wir zum Beispiel im Februar 2017 964 unbegleitete Minderjährige im Land hatten und – wir haben die Zahl heute schon einmal gehört – im Februar dieses Jahres waren es 358. Wir haben also von einem stetigen Rückgang Kenntnis nehmen müssen. Bis heute bin ich dankbar den Menschen, die sich damals so aktiv und intensiv für diese Arbeit, die sehr schwer war, eingesetzt haben. Beginnend 2015 haben sich vielfältige Initiativen den Herausforderungen dazu gestellt. Es gab im Land neben den von uns bekannten Kommunalgipfeln und einer Arbeitsgruppe zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Treffen der Sozialministerin mit Landräten und Oberbürgermeistern. Mecklenburg-Vorpommern hat zu keiner Zeit eine zentrale Aufnahmeeinrichtung für diese Jugendlichen und Kinder eingerichtet. Es war fachlich geboten von Anfang an, sie dezentral sozialräumlich unterzubringen, mit sozialpädagogischer Betreuung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe.
Kinder-, Jugend- und Familienhilfe hatten sich damals mit einer Ausweitung ihrer Aufgabenbereiche auseinanderzusetzen. Unsere Ministerpräsidentin war zu der Zeit Bundesministerin und sie sagte: „Viele Kinder und Jugendliche sind allein unterwegs und ohne Begleitung ihrer Eltern aus der Heimat vor Krieg, Verfolgung oder Armut geflohen. … Wir wollen dafür sorgen, dass die nächsten Wege leichter werden …“ Und unter ihrem geführten Bundesfamilienministerium wurde damals das Bündnis für junge Flüchtlinge ins Leben gerufen „Willkommen bei Freunden“. Von 2015 bis 2018 hat uns dieses Programm umfangreich begleitet bei der Bewältigung der Aufgabe.
Es gab Qualifikationsveranstaltungen für Fachkräfte, nicht nur von diesem Bündnis, sondern auch von anderen Weiterbildungsträgern. Die Fachkräfte damals haben sich mit klinischer Pädagogik, mit migrationssensibler Kompetenz, mit Krisenkompetenztraining, mit dem Modul Asyl-, Aufenthalts-, Kinder- und Jugendhilferecht beschäftigt. In unserem Land gab es zahlreiche Maßnahmen, nicht nur die Qualifizierung der Fachkräfte, sondern auch Expertenanhörungen, Fachveranstaltungen waren an der Tagesordnung, und es gab eine intensive Prozessbegleitung bei der Schaffung von Rahmenbedingungen.
Zahlreiche Wohngruppen sind in dieser Zeit mit engagierten Mitarbeitenden ins Leben gerufen worden. Wir haben einen Campus zum Beispiel in Neubrandenburg entwickelt, bei dem Leben und Lernen der geflüchteten Jugendlichen an einem Ort stattfinden konnten. Wir haben das Engagement in der Schulsozialarbeit auch auf die Berufsvorbereitungsklassen für jugendliche Ausländer ausgeweitet.
Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum erzählt die das alles.
So viel Fachkompetenz und Erfahrung – das ist die Basis für die Arbeit mit minderjährigen Flüchtlingen. Und wir haben also in Mecklenburg-Vorpommern diese Basis. Und ich möchte Ihnen hier an dieser Stelle damit die
Sorge nehmen, dieser Aufgabe künftig nicht gewachsen zu sein. Wenn wir dann noch landesweit überall die strukturellen Rahmenbedingungen stärken, gibt es gute Bedingungen zur Aufnahme weiterer minderjähriger Flüchtlinge, und letztlich verpflichten uns heute schon angemahnte, international geltende Konventionen, hinzuschauen und Entscheidungen für die zu treffen, deren Menschenrechte gefährdet sind.
Kein Mensch kann sich den Bildern und den Entwicklungen an der Grenze von der Türkei nach Griechenland und auf den griechischen Inseln entziehen. Die Situation in den überfüllten Flüchtlingslagern ist dramatisch und schwer erträglich. Das gilt besonders mit Blick auf Kinder und Jugendliche, die schnell aus dieser Situation herausgeholt werden müssen. Und es muss parallel die Situation vor Ort sofort verbessert werden. Laut Medienangaben sind auf den griechischen Inseln, die eine Kapazität in ihren Flüchtlingslagern von etwa 8.000 Menschen haben, aktuell 42.000 Personen dort vorhanden, und damit sind sie völlig überlastet. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 2.404 neue Anträge auf Asyl in unseren Erstaufnahmeeinrichtungen registriert. Es ist also richtig, dass in diesen Tagen unter Hochdruck auf europäischer Ebene über eine humanitäre Lösung verhandelt wird.
Für mich ist es nur schwer zu ertragen, dass sich dieser Prozess so in die Länge zieht und es so schwer ist, eine Koalition der Willigen zu bilden, der sich Deutschland anschließt und dort bereit ist, einen angemessenen Beitrag zur Lösung beizusteuern. Ich bin dankbar, dass zuletzt im Koalitionsausschuss auf Bundesebene Anfang März 2020 entschieden wurde, Griechenland bei der Grenzsicherung und bei der Unterbringung und Versorgung der dort ankommenden Flüchtlinge zu unterstützen. Es soll der Einstieg in eine schnelle Hilfe für die besonders Schutzbedürftigen sein. Noch in dieser Woche, so war zu lesen, wird Herr Seehofer mit seinen Amtskollegen dazu auf europäischer Ebene verhandeln.
Jede Initiative, Kinder aus dramatischen Umständen, wie sie uns von den griechischen Inseln bekannt sind, zu retten, erkennen wir an und unterstützen sie auf allen Ebenen. Dabei gibt es durchaus auch Rückhalt und Unterstützung im Land. Erinnert sei an Städte, die sich dem Bündnis „Städte sicherer Häfen“ angeschlossen haben, in dem bisher 140 Städte zusammengeschlossen sind, und aus Mecklenburg-Vorpommern auch die Hansestadt Rostock und die Hansestadt Greifswald mit dabei sind.
Aber noch warten wir in Mecklenburg-Vorpommern auf die Ergebnisse der Verhandlungen und die Entscheidungen auf europäischer Ebene, die dann für Deutschland und letztlich für unser Land daraus erwachsen. Ich sage aber auch, wenn diese europäische Lösung nicht schnell herzustellen ist, dann muss Deutschland auf Grundlage des Koalitionsbeschlusses handeln, wenn es dann tatsächlich um 1.000 bis 1.500 Kinder geht. Es geht um humanitäre Nothilfe. Mittlerweile ist es wichtig, um jede Stunde dort zu ringen, diese Lösung herbeizuführen. Und selbst wenn Deutschland zunächst alle Kinder aufneh
men würde, wäre das für Mecklenburg-Vorpommern ein durchaus erträgliches Maß an zusätzlicher Verantwortung. Das muss möglich sein.
Der Landtag wird sich heute nicht mehrheitlich zu einer konkreten Festlegung bezüglich der Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen einigen. Und um auf den Beitrag des AfD-Kollegen zu reagieren, natürlich ist es aus Ihrer Sicht ein Fakt, wer kommt, der bleibt. Aber seien Sie sicher, so ist es weitaus nicht. Da sind Sie ein bisschen schlecht informiert, denn auf Grundlage gesetzlich geltender Regelungen werden Menschen zurückgewiesen aus unserem Land, werden abgeschoben.
Und das ist nicht immer so, dass das die Menschen im Land verstehen können, denn darunter sind manchmal auch Menschen, die bereits allein ihren Lebensunterhalt verdienen oder die hier schon jahrelang in Deutschland oder in Mecklenburg-Vorpommern leben. Und natürlich haben Sie recht, Flucht und Einwanderungsland ist nicht ursächlich ein Zusammenhang, aber unsere Entscheidungen, die wir treffen auch in dieser Situation, machen einen Ruf aus, den Mecklenburg-Vorpommern bekommt oder eben auch nicht in Bezug als Einwanderungsland, als das wir gelten wollen.
Ich wünsche mir,
dass nicht mehr so viel Zeit vergeht,
bis wir zu menschlichen Entscheidungen kommen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!