Erwin Sellering

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen MecklenburgVorpommern und dem Leningrader Oblast bestehen seit vielen Jahren besondere partnerschaftliche Verbindungen. Das hängt auch damit zusammen, dass nach der Wende das neue Bundesland Mecklenburg-Vorpommern im wirtschaftlichen Aufholprozess neben vielen Nachteilen und Problemen einen Vorteil aufweisen konnte: über Jahrzehnte gewachsene, belastbare wirtschaftliche Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern, vor allem zu Russland. Es drängte sich auf, an diese Kontakte anzuknüpfen, sie zu pflegen und zu intensivieren. Das haben alle SPD-geführten Landesregierungen über viele Jahre getan, mit gut organisierten gegenseitigen
Besuchen, immer begleitet von Wirtschaftsdelegationen, und später dann auch mit großen Wirtschaftstreffen einmal im Jahr, auf unserer Seite der sogenannte Russlandtag.
Das gegenseitige Vertrauen, die Verlässlichkeit ist übrigens erheblich dadurch gestärkt worden, dass Mecklenburg-Vorpommern an diesem Russlandtag auch 2014 in politisch sehr schwierigen Zeiten entgegen vielerlei Kritik festgehalten und den Gesprächsfaden aufrechterhalten hat.
Ich halte das nach wie vor für richtig. Deutschland darf nicht mitmachen bei einer Rhetorik, die einen Rückfall in die Mechanismen des Kalten Krieges bedeutet
und die eben leicht die Vorstufe zu wirklicher militärischer Auseinandersetzung sein kann.
Wenn man davon ausgeht, bedeutet das Verantwortung, auch für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Und die Landesregierung kommt dieser Verantwortung nach durch die Aufrechterhaltung und Pflege guter und freundschaftlicher Beziehungen zu ihrer russischen Partnerregion, dem Leningrader Oblast. Ich halte es für sehr wichtig, dass diese Haltung der Landesregierung auch von der Zivilgesellschaft unterstützt und mitgetragen wird. Das ist das Ziel der deutsch-russischen Partnerschaft, die sich vor einem Jahr gegründet hat und sich als gemeinnütziger Verein für ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu Russland einsetzt, übrigens kann man ja deutlich sagen, auch in Fortsetzung unserer jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte, die gerade auch mit Mecklenburg-Vorpommern besteht. In Kultur, Sport, Wissenschaft, anderen sozialen Bereichen wollen wir ein vertieftes gegenseitiges Kennenlernen ermöglichen, zum Beispiel in Workshops, gemeinsamen Camps, gemeinschaftlichem kreativen Schaffen und so weiter, mit Schwerpunkt auf dem Austausch gerade von jungen Menschen.
Viele der inzwischen über 70 Mitglieder des Vereins sind seit Jahren ehrenamtlich in den verschiedenen sozialen Bereichen tätig und bringen sehr engagiert ihre Erfahrungen und Kompetenzen als anerkannte Multiplikatoren in diese Vereinsarbeit ein, zum Beispiel Herr Bluhm für den Landessportbund, Professor Schareck, Professor Steininger für die Wissenschaft, Frau Lutz-Auras für politische Bildung, Miro Zahra, Dr. Neumann, Dr. Fein für Kunst und Kultur, der ehemalige Bildungsminister Henry Tesch für Schüleraustausch und so weiter.
Als erstes großes Event haben wir mit engagierten Partnern im Juli dieses Jahres eine deutsch-russische Jugendwoche durchgeführt. In sieben verschiedenen Projekten an unterschiedlichen Orten im ganzen Land haben deutsche und russische Jugendliche sich beim Sport, beim Denkmalschutz, mit einem politischen Planspiel, bei kreativem Schaffen, gemeinsamem Musizieren, in der Feuerwehr kennen- und verstehen gelernt. Dabei sind gute Kontakte und Freundschaften entstanden und
ich bin überzeugt, das ist ein wichtiger, langfristiger Beitrag zu einem guten Verhältnis zwischen unseren Ländern.
Das ist ein Beitrag zur Völkerverständigung und letztlich zur Erhaltung und Stärkung eines friedlichen Zusammenlebens. Und darum geht es uns. Wir sind davon überzeugt, dass Menschen, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit kennen- und schätzen gelernt haben, die zu Freunden geworden sind, dass sie sich weniger leicht aufhetzen lassen, sich weniger leicht weismachen lassen, ein anderes Volk sei böse, wolle Krieg und müsse bekämpft werden.
Im nächsten Frühsommer wird die deutsch-russische Jugendwoche im Leningrader Oblast von den Russen durchgeführt. Außerdem werden wir im nächsten Jahr im Herbst bei uns eine große Kulturwoche mit Workshops, anschließenden Aufführungen beziehungsweise Ausstellungen in den Bereichen Musik, bildende Kunst, Theater und so weiter durchführen. Dieser wichtige Beitrag der Zivilgesellschaft wird unterstützt von beiden Regierungen der Partnerregionen. Die Ministerpräsidentin und der Gouverneur engagieren sich persönlich, das ist gut und sehr wichtig. Heute liegt ein Antrag vor, mit dessen Annahme auch der Landtag zu einem wichtigen Akteur bei dem Ausbau und der Pflege guter Beziehungen mit Russland, mit der Leningrader Oblast werden soll. Das ist eine großartige Sache.
Die SPD-Fraktion war vor einigen Wochen in der Leningrader Oblast und hat dort einen warmherzigen Empfang und viel freundschaftlichen Austausch erfahren. Es wäre schön, wenn auch die anderen antragstellenden Fraktionen es ihr gleichtun würden, denn dieses wichtige Bemühen um Frieden und Völkerverständigung zwischen Deutschland und Russland muss ein überparteiliches Anliegen sein.
Meine Damen und Herren, wir wissen natürlich alle, dass viele – gerade in Westdeutschland, in anderen Ländern Europas – eine andere Grundeinstellung zu Russland haben und uns Naivität vorwerfen. Ich denke, daran ist durchaus richtig, dass auch die Außenpolitik einen moralischen Kompass haben sollte. Aber wir brauchen dabei einen realistischen Blick auf die Politik aller drei Großmächte, China, Russland und die USA, die doch jede ihre eigenen Interessen an die erste Stelle setzt und aggressiv verfolgt, im Zweifel sogar unter Missachtung der Menschenrechte und des Völkerrechts. Ich halte es für wichtig, da nicht auf einem Auge blind zu sein.
Europa ordnet sich gerade neu und ich wünsche mir sehr, dass es gelingt, eine selbstbewusste, eigenständige Position im Verhältnis zu diesen drei Weltmächten zu finden und uns nicht auf einer Seite in einen unkalkulierbaren Konflikt hineinziehen zu lassen. Ich wünsche mir
sehr, dass der Antrag hier in diesem Hause eine große Mehrheit findet. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Manthei, der Antrag macht aufmerksam auf die große und bitte nicht zu verharmlosende Gefahr durch den Rechtsextremismus in Deutschland.
Ich glaube nicht, dass der Antrag geeignet ist für semantische Übungen. Darum kann es, glaube ich, nicht in erster Linie gehen.
Das, was von Herrn Ritter gesagt worden ist, teile ich nahezu zu hundert Prozent. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten nehmen in Deutschland in erschreckendem Maße zu,
und die Sorge vor Anschlägen rechtsextremer Terrorgruppen ist leider nur zu real. Ich glaube, dem müssen wir uns stellen. Da ist es unbedingt notwendig, dass der demokratische Rechtsstaat diesen Angriffen wehrhaft entgegentritt und Straftaten mit rechtsstaatlichen Mitteln in aller Härte verfolgt. Ich glaube, das ist selbstverständlich.
Wichtiger erscheint mir – das ist ja ein ganz großes Thema, wo sich jeder verschiedene Aspekte herausnehmen
kann, ich möchte zu dem Aspekt etwas sagen –, wichtiger scheint es mir, alles zu tun, dass man der Entwicklung in unserer Gesellschaft, die man beobachten kann, zu einer immer größeren rechtsextremen Gewaltbereitschaft politisch entgegentritt. Und das ist etwas, was man nicht einigen besonders Engagierten, von denen im Antrag die Rede ist, überlassen und sie damit auch nicht alleinlassen darf.
Nach meiner Überzeugung haben wir einen Punkt erreicht, an dem alle demokratischen, den liberalen Rechtsstaat bejahenden und verteidigenden Kräfte bereit sein müssen, klar Stellung zu beziehen, auch dafür auf die Straße zu gehen und Gesicht zu zeigen. So darf zum Beispiel die wichtige Form der Gegendemonstration nicht von Kräften dominiert werden, die ihrerseits bereit zu körperlicher Auseinandersetzung sind.
Niemals darf das Bild entstehen, den gewaltbereiten extremen Rechten stünden nur gewaltbereite extreme Linke gegenüber,
sondern,
sondern dem Rechtsextremismus entgegenzutreten, ist die Aufgabe aller demokratischen politischen Parteien und Kräfte, gerade auch der moderaten. Und ich denke, da können übrigens auch wir Koalitionsparteien noch ein bisschen mehr tun.
Die AfD aber, denke ich, muss sich die Frage gefallen lassen, wie weit sie mit ihrer Politik, mit ihren Äußerungen zu diesem Thema der Gewalt beiträgt und es anheizt. Ich weiß, viele Anhänger, viele Mitglieder der AfD werden es entrüstet von sich weisen.
Und wenn man sie auf Äußerungen von Höcke und Genossen anspricht, dann werden sie sagen, das sind einige wenige Extreme, mit denen wir gerade eine interne Auseinandersetzung führen. Und es ist ja richtig, die AfD bietet der Öffentlichkeit seit einiger Zeit das Bild einer Partei, die ihren Kurs sucht zwischen dem sogenannten Flügel, der sich gefällt in immer provokanteren und aggressiveren Äußerungen mit zumindest rechtsextremistischer Färbung inklusive ganz deutlicher Anleihen beim Nazivokabular – Flügel auf der einen Seite –, und den sogenannten Gemäßigten.
Aber, meine Damen und Herren von der AfD, aber ist es in Wahrheit nicht so, dass die fortschreitende Radikalisierung, die steigende Zahl, der wachsende Einfluss der Radikalen bei Ihnen in Ihrer Partei, dass das die denknotwendige Folge der wichtigsten politischen Grundaussagen, der wichtigsten Grundpositionen der AfD ist? Ist das nicht eine sozusagen automatische Radikalisierung, die bei Ihnen stattfindet?
Die AfD versammelt ihre Anhänger unter dem Begriff „Volk“. Sie spricht angeblich für das Volk, sie will angeblich das Beste für das Volk, sie fordert dessen angebliche Rechte mit großer Aggressivität ein.
Und der Begriff „Volk“ ist bei Ihnen nicht irgendwie einladend, umfassend, versöhnend, sondern aggressiv, aggressiv ausgrenzend, rassistisch aufgeladen.
Der angebliche Volkswille...
Sie können sich gleich melden.
Der angebliche Volkswille wird über alle demokratischen Institutionen gestellt,
die verächtlich gemacht und als gegen das Volk gerichtet verunglimpft werden.
Und da frage ich Sie, Herr Foerster: Wohin soll das führen? Wohin soll das führen? Mein Appell an alle diejenigen in der AfD, die sich für gemäßigt halten, die vielleicht sogar wirklich eine gemäßigte, verfassungskonforme, konservative Politik machen wollen: Stellen Sie sich bitte ernsthaft diese Frage!
Nicht sofort die Gegenrede ansetzen, Herr Förster! Stellen Sie sich ernsthaft diese Frage: Wenn die Kernbotschaft der AfD aggressiv ausgrenzend, Institutionen verachtend ist, wenn sie Ihre als Volkswille behaupteten Ziele absolut setzt, kann das zu irgendetwas Konstruktivem führen oder ist nicht die fortschreitende Spirale der Radikalisierung programmiert mit negativster Signalwirkung auf alle, die sich dadurch ermuntert fühlen?
Wenn Sie diese Frage ehrlich prüfen, dann kommt vielleicht doch der ein oder andere unter Ihnen zu dem gleichen Ergebnis wie Herr Wildt und seine drei Mitstreiter vor einiger Zeit. Diese vier haben eine Entscheidung getroffen, die mir persönlich Respekt abnötigt. Das ist eine Entscheidung, die ich dem einen oder anderen von Ihnen auch wünsche. – Vielen Dank.
Herr Förster!
Ja.
Ich denke, wir brauchen in Deutschland auch für die Fragen, die in der Tat auf dem Tisch liegen und die schwierig sind, auch politische Kräfte, die sich im besten Sinne als konservativ bezeichnen. Das Problem bei Ihrer Partei ist das, was ich eben gesagt habe, was ich eben ausgeführt habe, dass sie über diese Parteinahme, über diese politische Wahrnehmung der Probleme versucht, die Probleme zu lösen, dass sie das mit ganz aggressiven Vokabeln, ganz aggressiver Propaganda machen. Und meine große Befürchtung ist – deshalb eine ernste Frage an Sie, darüber nachzudenken –, meine große Befürchtung ist, dass das nahezu zwangsläufig ist wegen Ihrer Grundaussagen. Wer sagt, das Volk steht über allem, und die Demokratie verachtet, da kann nichts Gutes rauskommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! In der Tat kenne ich die Reform ganz gut,
war durchaus an ihr beteiligt und stehe nach wie vor zu ihr.
Und, liebe Frau Bernhardt, ich glaube, dieser durchgängig aggressive Tonfall, den Sie haben, der hilft ja nicht, wenn die Sachkenntnis fehlt.
Nehmen wir zum Beispiel Ihren immer wieder geäußerten Verdacht, dass wir selbstverständlich die Nebenstellen irgendwann abschaffen wollen, und zwar so wie 1993. Da wäre es vielleicht mal ganz vernünftig, jeweils ins Gesetz zu schauen. In 1993 stand für jede einzelne Nebenstelle, jede einzelne Zweigstelle das Datum fest, wann die abgeschafft werden sollte. Wenn Sie die Materialien des jetzigen Gesetzes nachlesen, dann war immer völlig klar, dass wir die Zweigstellen selbstverständlich ohne so eine Frist ins Gesetz schreiben, damit ganz klar ist, dass sie nur abgeschafft werden können, wenn aus der Mitte dieses Parlaments entsprechende Anträge kommen, wie heute von Ihnen erstaunlicherweise.
Ich finde übrigens den Antrag ganz spannend, dass Sie sagen, die Zweigstellen sind als solche so klein, dass sie gar nicht lebensfähig sind, und deshalb sollen sie richtige Gerichte werden.
Das ist irgendwie, wie ich finde, eine fantastische Argumentation.
Herr Manthei hat eben die Reform in einen größeren Zusammenhang gestellt, völlig zu Recht, und er hat zu der Gebietsreform gesagt, wir hätten die größten Kreise überhaupt in Deutschland. Ich weiß nicht, wie das Wort war, das Sie gebraucht haben, ob Sie gesagt, das war ein Rekord, aber so was in der Art. Dazu muss man wissen, dass dieses Land schon eine Besonderheit, einen Rekord darstellt. Wir sind nämlich das am dünnsten besiedelte Bundesland,
und zwar das mit Abstand am dünnsten besiedelte Bundesland. Und deshalb, meine Damen und Herren, stellt sich der Politik in ganz vielen Feldern die Frage: Was ist wichtiger, Nähe oder Qualität? Darum geht es.
Man braucht beides. Übrigens, dieser Kompromiss mit den Zweigstellen soll genau das sicherstellen, dass wir weiter vor Ort sind und trotzdem die notwendige Qualität da ist.
Ich nehme an, dass nicht alle wissen, dass für Richter eine gewisse Besonderheit besteht: Wenn man Richter wird, bekommt man eine Urkunde und da steht nicht drin „wird zum Richter ernannt“, sondern da steht „wird zum Richter am Amtsgericht Bergen ernannt“ zum Beispiel. Und wenn Sie dem Richter dann sagen, ich brauche dich jetzt aber dringend, weil da ständig Krankheitsausfälle sind, in Wolgast, dann sagt der, guckt dir mal meine Urkunde an, da ist nichts zu machen. Das ist bei Zweigstellen anders. Das ist ein Gericht – das Hauptgericht und die Zweigstelle. Deshalb besteht da die Möglichkeit, einen vernünftigen Austausch zu machen.
Zur Qualifikation. Wenn man eigene Beispiele bringt, ist das immer ein bisschen problematisch. Ich habe eine Urkunde über 25 Jahre Verwaltungsrichter. Verwaltungsrichter sind sehr spezialisiert. Ich habe in meinem Berufsleben ab und zu die Materien gewechselt und ich sage Ihnen, das ist etwas sehr Spannendes, da muss man sich sehr vertieft einarbeiten. Es ist schon gut, wenn man auf einen Richter trifft, der Spezialist ist in seiner Materie.
Ich habe während der Diskussion damals ab und zu das Beispiel gebracht: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen schweren Meniskusschaden, gehen zum Arzt, und zwar zu einem, der schnell erreichbar ist, jetzt „Erreichbarkeit/Qualität“, der wohnt um die Ecke, und der sagt, das ist ja spannend. Also das wollte ich immer mal machen, so eine Operation wollte ich immer mal machen. Seit ich studiert habe, denke ich daran. Schön, dass ich Sie treffe, ich würde das gerne mal versuchen.
Ich glaube, jeder von Ihnen würde sagen, nee, nee, nee, also da gucke ich doch lieber, ob wir eine Universitätsklinik haben, wo spezialisierte Leute sind. Um diese Idee geht es auch bei den Gerichten, dass man das Gefühl hat, ich habe da jemanden, der sieht nicht zum ersten
Mal so einen Fall, sondern der kann das richtig beurteilen. Ich glaube, dass das eine wichtige Sache ist.
Jetzt zu der Frage, hat denn die Reform überhaupt was gebracht. Man könnte natürlich sagen, die Reform hat verhindert, dass die Dinge zusammengebrochen sind. Ja, wenn wir weniger Fälle haben. In der Justiz, das wissen wahrscheinlich die meisten auch nicht, ist es so, dass immer ganz genau erfasst wird, wie viele Fälle haben wir und wie viele Richter brauchen wir dafür, und dann wird auch entsprechend nachgesteuert. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir sagen, ja, es hat hier keinen Zusammenbruch der Justiz gegeben, sondern es ist wirklich so, dass sogar die Bearbeitungszeiten besser geworden sind.
Nun können wir nicht so tun, als hätte dies nichts mit der Struktur zu tun. Da komme ich wieder auf den Arzt zurück. Der Arzt, der zum ersten Mal ein Knie operiert, braucht ein bisschen länger. Ich hoffe jedenfalls, dass er sich etwas vorbereitet, und dann braucht der einfach länger. Wenn Sie spezialisierte Leute haben, dann erledigen die die Fälle selbstverständlich viel schneller. Der Richter kriegt ganz neu eine Akte und er sagt, Mensch, das kenne ich doch, schreibt die Parteien an und sagt, wir haben schon 13-mal so entschieden, überlegen Sie sich, ob Sie die Klage beibehalten wollen, und schon ist der Fall erledigt. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Sache.
Jetzt ist gesagt worden, ja, das ist so eine Riesenarbeit, die Akten hin- und herzutransportieren. Wir alle gehen davon aus, dass wir demnächst die elektronische Akte haben, und dann fällt dieses Argument weg. Ich bitte, diese Reform in dem Kontext zu sehen, dass wir als das am dünnsten besiedelte Bundesland diese schwierigen Entscheidungen immer wieder zu treffen haben, wie organisieren wir das. Ich will deutlich sagen, ich glaube auch, dass wir das im Gesundheitswesen machen müssen, dass wir sehr genau ordnen müssen, was ist mit den kleinen Krankenhäusern, die ich alle erhalten möchte. Aber sollen die in Zukunft immer alles machen oder muss man die spezialisieren? Was ist mit den Universitätskliniken? Auch da wird man einen klugen Plan brauchen.
Ich halte viel davon, dass man, wenn man solche Reformen macht, ganz viel mit den Leuten spricht. Das sollten wir dann auch tun. Gerade bei der Gesundheit ist das, glaube ich, eine Riesengeschichte. Das haben wir ja gesehen in Wolgast. Da muss man einfach genug werben, damit die Leute verstehen, worum es geht. Es geht nicht darum, dass ich vor meiner Tür ein Gericht finde, das irgendwie urteilt, sondern es geht darum, dass ich die bestmögliche Behandlung kriege bei der Gesundheit, in der Verwaltung und auch vor Gericht. Das ist das Ziel.
Ja, so ist es.
Bitte? Irgendwie?
Nein, okay, sagen wir noch mal zwei, drei Sätze mehr. Wenn Sie ein Gericht haben, das mit dreieinhalb Leuten besetzt ist, und da fällt einer dauerhaft aus oder vielleicht eineinhalb oder eine der jungen Richterinnen, auf die wir stolz sind, bekommt ein Kind, so, wenn Sie da nicht die Möglichkeit haben, dass Sie gegensteuern können, dass da genug am Gericht sind, dann wird das ein Riesenproblem sein. Es geht um die Rechtsuchenden, es geht um die Bürgerinnen und Bürger des Landes, dass sie ihr Recht kriegen.
Denen ist es, glaube ich, lieber, dass sie schnelle Urteile bekommen, und nicht, dass sie etwas weniger fahren müssen bei dem einen Mal in fünf Jahren, bei dem sie vor Gericht sind. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Richterbund hat öffentlich Kritik an der Ministerpräsidentin geübt, und da finde ich es gut, dass wir heute zwei Oppositionsanträge haben, die das Thema in den Landtag tragen. Das bietet die Möglichkeit, hier mit sachlichen Hinweisen auf die Rechtslage öffentlich geradezurücken, was da an abwegigen Vorwürfen geäußert worden ist. Es geht um drei Punkte: die Kompetenzen der Ministerpräsidentin in Bezug auf Richter überhaupt, die bundesweite Ausschreibung für Spitzenämter in der Justiz und die Frauenförderung.
Wir haben eben schon gehört, die Kompetenzen der Ministerpräsidentin in Bezug auf Richter sind verfassungsrechtlich klar geregelt. Artikel 48 der Landesverfassung bestimmt, die Ministerpräsidentin ernennt die Beamten und Richter. In dem hoch anerkannten Kommentar zu unserer Landesverfassung können Sie zu Artikel 48 nachlesen, dass Ernennung und Einstellung keine bloße Formsache sind, sondern in den Befugnissen enthalten sind das Recht zur Personalauswahl – nach dem Prinzip der Bestenauslese selbstverständlich – und zur Gestaltung der Verfahren, wie diese Auswahl zu erfolgen hat.
Die Ministerpräsidentin kann, wie hier geschehen, die Befugnisse übertragen, sie muss allerdings weiterhin für die Personalwirtschaft die volle Verantwortung behalten.
Sie kann deshalb jederzeit wieder Regelungen treffen, wie das zum Beispiel regelmäßig vor Wahlen passiert, indem sie einen Beförderungsstopp erlässt. Das wird, glaube ich, jedem einleuchten.
Das Gleiche gilt für Äußerungen zu der Frage, ob die höchsten Ämter in der Justiz des Landes bundesweit ausgeschrieben werden sollten. Die Ministerpräsidentin bewegt sich mit solchen Anregungen im Kernbereich ihrer verfassungsrechtlichen Rechte aus Artikel 48. Und sie spricht damit ganz sicher keine rechtswidrige Handlungsweise an. Wir haben das eben von der Justizministerin gehört.
Herr Dr. Manthei, Sie haben ja mehrfach zitiert, dass die Beförderung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfolgt, und haben dann trotzdem davon gesprochen, dass es problematisch sei, bundesweit auszuschreiben. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass das, was Sie zitiert haben, aus Artikel 33 ist. Juristen sollten Vorschriften immer vollständig lesen, in diesem Fall ist es sehr interessant. Also danach ist es so, dass Artikel 33 Absatz 2 jedem Deutschen in jedem Bundesland gleiche Rechte gibt – und jetzt kommts – und nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung „gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“. Das bedeutet – das, was Sie zitiert haben –, dass ganz selbstverständlich ist, dass die bundesweite Ausschreibung eigentlich der von der Verfassung vorgesehene Regelfall ist.
Jetzt kann man natürlich im Wege der Ermessensentscheidung zu anderen Überlegungen kommen – das ist hier im Land der Fall –, dass es andere gewichtige Interessen gibt, zum Beispiel die Umsetzung des Personalkonzeptes oder auch eben die Frage, dass es ein Personalkonzept gibt, das alle Richterinnen und Richter kennen, und dass sie sich dann auch darauf verlassen können müssen.
Ich will noch einen Satz vielleicht sagen zu der Motivation, die hier angesprochen ist, bei Richterinnen und Richtern. Da ist es so – ich habe jetzt kein Zitat, weil mich die Frage überrascht hat –, aber da ist es einfach so, dass die Besoldungssituation für Beamte und Richter sehr unterschiedlich gestaltet ist, und zwar mit dem Hintergedanken, dass Richter möglichst nicht auf eine Beförderung schielen sollen. Die beginnen mit einem Gehalt, das etwa A13 entspricht, und enden mit einem Gehalt, das A15 entspricht. Also die normale Beförderung für Beamte, die die Motivation fördern sollen, wird für Richter so nicht geplant. Das ist nicht das, was es ist.
Jetzt zurück: Die Argumente, dass man sagt, wir verzichten auf eine bundesweite Ausschreibung, die verlieren aber, meine ich, deutlich an Gewicht, wenn es um die Besetzung der absoluten Spitzenämter geht. Da, meine ich, sollte das Land nicht darauf verzichten, den oder die Beste aus ganz Deutschland zu bekommen.
Meine Damen und Herren, wenn das alles so eindeutig und klar ist, ist natürlich die Frage, wie kann denn dann der Richterbund zu diesen Anwürfen und Angriffen kommen. Und da, denke ich, haben wir einfach ein grundsätzliches Problem, das einmal deutlich angesprochen werden muss. Der Richterbund ist die Interessenvertretung der im Richterdienst des Landes Beschäftigten. Er betreibt selbstverständlich Lobbyarbeit und er ist dabei noch nie zimperlich gewesen. Das muss er auch nicht sein. Da ist er im Grunde wie jede Gewerkschaft, die einfach das Beste für ihre Leute herausholen will. Der Richterbund untermauert seine Forderung aber regelmäßig damit, dass sonst die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr sei.
Das ist ein durchaus geschickt aufgebauter moralischer Druck: hier die Politik, die unter Generalverdacht gestellt wird, rechtswidrig geheimnisvolle Ziele zu verfolgen, dunkle Ziele zu verfolgen, und da die unabhängige Justiz, die höchstes Ansehen verdient.
Am Ende, am Ende.
Und das klappt ja ganz gut in der Öffentlichkeit. Es ist offensichtlich gelungen, den Kampfbegriff „Unabhängigkeit der Justiz“ fest zu verankern. Der wird ja auch von der Opposition hier bedenkenlos gebraucht. Mir liegt daran, heute einmal sehr deutlich zu sagen, dass dieser Begriff inhaltlich falsch ist. Die Justiz nimmt damit etwas für sich in Anspruch, das ihr nicht zusteht. Zur Justiz zählen die Gerichte der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten, die Staatsanwaltschaft, der Justizvollzug, die sozialen Dienste der Strafrechtspflege, die Justizverwaltung. Unabhängigkeit genießen ausschließlich die Richterinnen und Richter. Nur sie sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
Alle übrigen Angehörigen der Justiz genießen ihre Unabhängigkeit eindeutig nicht.
Bei dem Justizvollzug, den sozialen Diensten und der Verwaltung ist das offenkundig, aber auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind nicht unabhängig, sondern sie sind Teil der Behörde. Ihre Arbeit unterliegt der Aufsicht durch den Behördenleiter und letztlich durch den Generalstaatsanwalt. Daran muss man immer mal wieder erinnern.
Die auf die Richter beschränkte Unabhängigkeit ist kein individuelles Grundrecht. Das ist eine Pflicht, der jeder Richter zu genügen hat, und sie gilt ausschließlich für die Entscheidungsfindung in den konkreten Einzelfällen, in denen er der gesetzliche Richter ist oder sie, und nicht etwa für alles,...
Ja.
... und es gilt nicht etwa für alles, was sie sonst noch so sagen. Die richterliche Unabhängigkeit ist kein persönliches Privileg. Sie verleiht keine Unfehlbarkeit, weder bei der Entscheidung in dem Fall, wo sie zuständig sind, noch erst recht, wenn sie sich außerhalb ihrer eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit zu Wort melden. Wenn der Richterbund bei seinen Angriffen so tut, als sei die richterliche Unabhängigkeit – darum kann es ja nur gehen – in Gefahr, wenn nicht in seinem Sinne gehandelt wird, wenn zum Beispiel die lukrativsten Beförderungsposten im Land nicht ausschließlich den von ihm vertretenen, im Land bereits tätigen Richtern vorbehalten bleiben, dann reklamiert er damit richterliche Unabhängigkeit in einem Bereich, der eindeutig – wir haben eben etwas zur Gewaltenteilung gehört –, der eindeutig der vollziehenden Gewalt, der Regierung, zugeordnet ist
und nicht der rechtsprechenden Gewalt, ganz eindeutig.
Und, meine Damen und Herren, ich halte es für ein Alarmsignal, wenn der Richterbund die Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Rechte, die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrages durch die Ministerpräsidentin als, ich zitiere, „rechtsstaatswidrige Einflussnahme“ kritisiert oder wenn er sich gegen, Zitat, „jegliche Einflussnahme bei der Besetzung von Spitzenämtern in der Justiz“ verwahrt. Diese sehr scharfe Kritik stellt eine völlige Verdrehung der Rechtslage dar. Das ist eine Missachtung der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes und im Grunde eine Missachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung. Der Richterbund sollte seine Haltung dringend überprüfen, und ich denke, eine klarstellende Entschuldigung wäre sehr angebracht.
Zur Frauenförderung. Die Ministerpräsidentin beziehungsweise die von ihr beauftragte Justizministerin müssen bei den einzelnen Beförderungsentscheidungen die Beurteilungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber selbstverständlich als gegeben hinnehmen.
Diese Beurteilungen werden verfasst von den vorgesetzten Richtern, die damit entscheidenden Einfluss auf die einzelne Auswahlentscheidung haben. Aber die Ministerpräsidentin trägt weiter die Verantwortung für das richtige Auswahlverfahren insgesamt, für das richtige Verfahren, wie man die Besten ermittelt. Deshalb ist es ihre Aufgabe, zusammen mit der von ihr beauftragten Justizministerin das gesamte Fördersystem, das gesamte Beförderungssystem zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu ordnen, wenn es offensichtliche Mängel aufweist, wie das bei der Besetzung von Spitzenämtern in der Justiz mit Frauen deutlich geworden ist. Das ist der Hintergrund, weshalb die Ministerpräsidentin gleiche Beförderungschancen in der Justiz angemahnt hat.
Das ist übrigens nicht nur eine von Manuela Schwesig besonders engagiert verfolgte politische Idee, das sicherlich auch, aber vor allem erfüllt die Ministerpräsidentin damit einen entsprechenden klaren Verfassungsauftrag. Nach Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes hat der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung – die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung! – von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Das ist ihre Aufgabe. Und in der Justiz des Landes ist es um die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen vielleicht doch nicht zum Besten bestellt. Offenbar gibt es doch, das ist hier ja auch angeklungen, Hindernisse, ernst zu nehmende Hindernisse, über die wir dringend reden müssen, die man dringend beseitigen müsste. Zwar gibt es immer die Möglichkeit, schönzurechnen, wie viele Frauen schon in der Justiz sind und was wir schon alles machen, aber nehmen Sie nur einmal die wichtigsten und einflussreichsten Behördenleiter in den beiden Bereichen, in denen jetzt die Spitzen neu zu besetzen sind, ordentliche Justiz und Staatsanwaltschaft. Die Präsidenten des Oberlandesgerichts und der vier Landgerichte, der Generalstaatsanwalt und die vier Leiter der Staatsanwaltschaften – zehn absolute Spitzenämter, zehn Männer. Auch in den höchsten Ämtern mit reiner Rechtsanwendung ohne Verwaltungsanteil ist das Verhältnis Mann/Frau auf Dauer sicherlich nicht hinnehmbar.
Und, Herr Förster, das liegt nicht an der fehlenden Einstiegsqualifikation, das kann es nicht, denn die Frauen weisen im Durchschnitt, wenn sie in den Landesdienst kommen, bessere Examina auf als Männer.
Dann kann man doch nur sagen, wenn sie am Ende auf der Strecke bleiben, gestaltet sich ganz offenbar der Berufsalltag in der Justiz des Landes höchst nachteilig für Frauen. Und dann muss man da hinschauen in dieser Situation. Dass man da das ganze System der Förderung und Beförderung auf den Prüfstand stellt, dass man sich um die offenkundig bestehenden strukturellen Benachteiligungen – einige sind hier angesprochen worden – kümmert, dass man die möglichst weitgehend abbaut, dass man kluge Förderinstrumente entwickelt, dass man nicht eine Frau befördert, weil sie eine Frau ist, das ist völlig albern, sondern kluge Förderinstrumente entwickelt, die es auch Frauen ermöglichen, die notwendige Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu erwerben, das zu tun, das ist kein Verstoß gegen die Verfassung, gegen Artikel 3, wie jetzt manche glauben, ganz im Gegenteil, es ist die Erfüllung des besonderen Verfassungsauftrages aus Artikel 3 Absatz 2.
Meine Damen und Herren, die Benachteiligung von Frauen in der Justiz hat eine lange Geschichte. Beim Vierten Deutschen Richtertag in Leipzig wurde noch darüber abgestimmt, ob Frauen – daran musste ich eben denken, als Sie gesprochen haben –, ob Frauen überhaupt Richterinnen werden können. Darüber wurde abgestimmt.
Die höchsten Juristen des Landes und Richter waren da. Es wurde abgestimmt, und 248 : 2 wurde gesagt, also Frauen können nicht Richterinnen werden. Darüber wurde stundenlang diskutiert. Das Hauptargument war, Frauen sind im Unterschied zu Männern einfach nicht in der Lage, abstrakt und sachlich zu denken und ihre Gefühle zu beherrschen.
Das war – zum Glück, kann man da sagen – 1921. Der Deutsche Richterbund war damals treibende Kraft dieser rückwärtsgewandten Sicht.
Beim Richterbund Mecklenburg-Vorpommern heute scheinen mir manche Äußerungen nahezulegen,
dass die Distanz von 100 Jahren vielleicht nicht vollständig überwunden ist. Auch manche Äußerungen, die wir eben hier gehört haben, sind so.
Jetzt zu einem ganz ernsten Punkt. Manche Aussagen hören sich so an, als könnten Sie sich Frauenförderung nur vorstellen als eine rechtswidrige Bevorzugung von Frauen. Wer das denkt, der muss, glaube ich, sein Frauenbild mal überprüfen.
In den beiden anderen staatlichen Gewalten sieht es zum Glück deutlich besser aus. Hier im Landtag, was wir hier ständig erleben: drei Frauen an der Spitze. In der Exekutive die Ministerpräsidentin, drei Ministerinnen, drei Staatssekretärinnen, eine deutlich zunehmende Zahl an Abteilungsleiterinnen. Das ist eine gute Bilanz und sie zeigt, dass man an diesem Problem arbeiten kann.
Meine Damen und Herren, ich hatte eben gesagt, der Richterbund – und das ist ja von manchen hier geteilt worden – hat in drei Punkten Kritik geübt. Wir können also in diesen drei Punkten sagen, es gibt eine klare Rechtslage, die geäußerte Kritik ist einfach juristisch abwegig. Ich muss aber sagen, was mir Sorge macht, ist, mit welch verletzender Schärfe und mit welch völlig abwegigen Unterstellungen die Diskussionen der letzten Wochen aufseiten des Richterbundes geführt worden sind. Einzelne Richter und Staatsanwälte haben den Richterbund dabei in peinlicher Weise, finde ich, unterstützt, darunter ein BeinaheJustizminister – glücklicherweise nur beinahe, kann man sagen, wenn man liest, was er da von sich gegeben hat.
Und, liebe Frau Ministerin, ich bin sehr froh, dass Sie diese Position bekleiden. Ich bin zuversichtlich, dass Sie gemeinsam mit der Ministerpräsidentin zum Beispiel den Verfassungsauftrag aus Artikel 3 engagiert vorantreiben werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem ernsten Appell schließen. Für mich ist die öffentliche Diskussion, sind diese völlig unberechtigten öffentlichen Angriffe ein alarmierendes Signal in Zeiten, in denen der Rechtsstaat allerlei Gefahren ausgesetzt ist und seine Akzeptanz keineswegs mehr unangefochten und selbstverständlich ist. Ich bitte deshalb alle, die in Mecklenburg-Vorpommern Verantwortung für diesen Staat tragen – wir hier als gesetzgebende Gewalt, die Regierung als ausführende Gewalt, besonders aber auch die rechtsprechende Gewalt –, seien Sie sich Ihrer Verantwortung, Ihrer besonderen Verantwortung sehr bewusst, führen Sie Diskussionen mit dem notwendigen Respekt voreinander und vor allem niemals losgelöst von der verfassungsmäßigen Ordnung, die für uns alle gilt und für die wir aktiv eintreten sollten! – Vielen Dank.
Ja, sehr gern.
Dann haben Sie mich missverstanden. Dann haben Sie mich missverstanden. Es ist so, dass der Grundsatz heißt: bundesweite Ausschreibung, aber dass es, wie wir alle wissen, in vielen Bereichen nicht passiert und es dafür gute Gründe geben muss. Das ist eine Ermessensentscheidung. In der Ermessensentscheidung kann man sagen, nein, das Personalkonzept ist mir wichtiger, wie auch immer. Am Ende würden darüber gegebenenfalls Richter entscheiden.
Wir haben das eben jahrelang hier so gemacht. Ich finde das nach wie vor nicht schlecht, aber ich meine, dass wir in jedem Einzelfall eigentlich eine solche Ermessensentscheidung treffen müssen und dass wir bei den höchsten Spitzenämtern immer bedenken sollten, sind wir denn wirklich so aufgestellt als Justiz des Landes, dass wir sagen – anders als andere Organisationen, bei denen wir alle davon überzeugt sind, da nimmt man manchmal die Spitze von außerhalb, damit da frischer Wind reinkommt –, dass wir sagen, nee, darauf können wir verzichten, wir sind so spitze, das brauchen wir alles nicht. Da könnte man natürlich schon auf den Gedanken kommen, allein dieses wichtige Führungsproblem Frauenförderung könnte vielleicht einen Impuls vertragen.
Insofern, generell, bin ich nach wie vor der Meinung, kann man im Ermessenswege dazu kommen zu sagen, wir schreiben beschränkt aus, auch in der Motivationsfrage, aber ich würde bei jedem Spitzenamt sehr gut finden, das, was die Ministerpräsidentin angeregt hat, jeweils zu überlegen, ist das nicht etwas, was man bundesweit ausschreiben sollte.
Ja, natürlich.
Nein, eine Spitzenposition, an die ich mich erinnere, haben wir auch bundesweit ausgeschrieben.
Was die Frauenförderung angeht, will ich mal auf Ihre ungefragte Frage eingehen, habe ich zum Ende meiner Dienstzeit als Justizminister ein Extrareferat eingerichtet, um die Fragen, die Sie bewegt haben, nämlich, wie kriegen wir Richterinnen dazu zu sagen, ich will mich dieser besonderen Anforderung der Verwaltungserprobung stellen, wie schaffen wir das, dass wir das nicht als Männer vom Tisch entscheiden. Sondern wir haben ein eigenes Referat eingerichtet, das das Gespräch mit den Richterinnen im Land suchen sollte. Das ist leider nach meinem Ausscheiden aus dem Amt nicht fortgeführt worden.
Selbstverständlich.
Meiner Rolle als Abgeordneter entsprechend bitte ich, meine Rede so zu verstehen, dass ich sage, ich finde die Anregung der Ministerpräsidentin gut. Ich finde gut, wenn beide, Ministerpräsidentin und Justizministerin, sehr genau das Bisherige überprüfen. Ich stehe nicht an, als Abgeordneter zu sagen, macht das doch so oder so. Das ist vorbei. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir nicht vorgestellt, dass meine erste Rede hier spontan sein wird, aber das eine oder andere fordert doch dazu heraus, etwas zu sagen.
Der Tagesordnungspunkt selbst betrifft ja eigentlich einen ganz kleinen Punkt. Aber ich glaube, dass nicht ganz zu Unrecht das jetzt breit und sehr emotional diskutiert wird. Und ich will gleich zu Anfang sagen, ich habe volles Verständnis dafür, dass diese Flüchtlingsfrage in Deutschland, in Europa mit sehr viel Emotion und Betroffenheit diskutiert wird. Frau Larisch hat zu Recht hier gesagt, wir haben in sachlicher Hinsicht in Deutschland vielleicht im Moment deutlich wichtigere Probleme. Aber es gibt kein Problem, das die Menschen in ähnlicher Weise emotional bewegt wie das Flüchtlingsthema.
Übrigens, ich habe schon vor vielen Jahren die Feststellung gemacht, und das wird durch viele Umfragen bestätigt, dass diese Spaltung, die wir hier jetzt in den Parteien sehen, dass diese Spaltung ganz häufig auch in den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern existiert. Umfragewerte haben ergeben, dass 80 Prozent sagen, natürlich muss man Menschen, die politisch verfolgt sind, die Schlimmstes zu befürchten haben, natürlich muss man denen helfen.
Und 80 Prozent sagen, es dürfen aber nicht zu viele sein.
Ich glaube, inzwischen ist das Allgemeingut, was ich relativ früh gesagt habe und wofür ich auch noch ange
griffen worden bin damals, dass ich gesagt habe, wir haben bei der Lösung des krisenhaften Zustandes 2015 doch einige Fehler begangen und diese Fehler haben zu einer Spaltung in dieser Gesellschaft geführt, auch zu einer Spaltung in Europa. Unser Ziel kann doch jetzt nicht sein, die Spaltung dadurch weiter zu vertiefen, dass wir uns gegenseitig an die Wäsche gehen,
sondern es kann doch nur sein, dass wir versuchen müssen, Lösungen zu finden, die das alles wieder zusammenführen.
Ich will deutlich sagen, bei der Wahl 2016 haben wir einen hohen Anteil an AfD-Wählern gehabt. Ich gehöre nicht zu denen, die AfD-Wähler beschimpfen, sondern das waren Menschen, die sich große Sorgen gemacht haben und die eine Alternative gesucht haben zu der damaligen Stimmung und der damaligen Flüchtlingspolitik. Das muss man sehr ernst nehmen. Was ich allerdings verurteile, ist, dass es eine Partei gibt, die aus den Ängsten dieser Menschen auf peinlichste Weise versucht, politisches Kapital zu schlagen. Wir haben das eben erlebt.
Die Diskussion heute hatte teilweise die Züge einer juristischen, akademischen Diskussion. Damit werden wir das Problem nicht lösen. Das hilft uns überhaupt nicht. Sich gegenseitig Gutachten vorzuhalten, ist ziemlicher Unsinn. Wir können auf Straßburg verweisen, die dazu irgendetwas gesagt haben. Es geht um politische Lösungen, völlig klar. Es geht um politische Lösungen!
Inzwischen ist Allgemeingut, glaube ich, ziemlich weitgehend in der Gesellschaft, dass sich so etwas wie 2015 nicht wiederholen darf. Das hat viele Facetten, warum sich das nicht wiederholen darf, was sich auf keinen Fall wiederholen darf. Ich stehe hier auch als jemand, der viele Jahre Asylrichter war. Was sich überhaupt nicht wiederholen darf, ist, dass wir Menschen ins Land winken, ohne sie anzuhören, ohne zu klären, wer sie eigentlich sind. Das ist völlig unmöglich. Das darf niemals wieder passieren!
Wie kann man das unter einen Hut bringen, was ich eben gesagt habe, was wir im Grunde alle als Zwiespalt in unserer Brust verspüren: helfen zu wollen, aber nicht allen helfen zu können. Ich glaube, wir werden unser Asylrecht, unser Verfahrensrecht überarbeiten müssen. Das fällt uns sehr schwer in Deutschland, weil das Asylrecht das Ergebnis bestimmter politischer Zustände in Deutschland war, wobei man ganz deutlich sagen muss, den Vätern des Grundgesetzes hat nicht vorgeschwebt, dass Millionen von Menschen auf der Welt auf der Flucht sind,
sondern sie haben an die während der Nazizeit verfolgten Sozialdemokraten und Kommunisten gedacht, die
Hilfe haben müssen, ähnliche Fälle. Das muss man deutlich sagen.
Können wir uns anlässlich der großen Zahl davon verabschieden, dass wir – wir reden jetzt über Europa und dass Europa auseinanderzubrechen droht –, dass wir eine Wertegemeinschaft sind, die den Grundsatz, den Artikel hochhält, den wir eben schon besprochen haben: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“? Das ist nichts Abstraktes. Mit der Würde des Menschen ist nach unserer Auffassung nicht vereinbar, jemanden zu foltern, jemanden zum Tode zu verurteilen und vieles andere mehr, was Menschen in dieser Welt droht. Deshalb sind wir als Wertegemeinschaft dazu verpflichtet zu sagen, wir müssen versuchen, jedem zu helfen. Das ist Nummer eins.
Aber ich glaube, wir müssen auch die Einsicht haben, dass wir sagen, wir können nicht jedem dadurch helfen, dass wir ihn in Deutschland aufnehmen. Ja, auch das gilt.
Deshalb unterstreiche ich, unterstütze ich – das ist schwierig, in allen Parteien werden unterschiedliche Auffassungen diskutiert, auch bei Ihnen wird diskutiert –, deshalb unterstütze ich das, was sich da in Europa jetzt abzeichnet, eine Lösung, bei der wir dazu stehen, dass wir politisch Verfolgten helfen, aber gleichzeitig versuchen, Lösungen zu finden, die sagen, ja, aber außerhalb unserer Grenzen müssen wir ein Angebot machen.
Und was wir auch sagen müssen: Es hat ja in der politischen Diskussion interessante Ausschläge gegeben die letzten Jahre. Die Diskussion darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört – ich finde den Satz ziemlich dumm, ich finde, der wird nur noch übertroffen von dem dummen Satz: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ –, das ist völlig unsinnig, diese Diskussion. Unser Staat heute, natürlich haben wir ein christliches Fundament, eine christliche Geschichte, aber wir sind geprägt durch die Aufklärung. Das ist das, was uns charakterisiert.
Uns charakterisiert, dass wir sagen: Keine Religion kann uns irgendetwas vorschreiben.
Und deshalb ist es völlig egal, welcher Religion jemand, der in Deutschland lebt, angehört, sondern jede Religion muss sich unter unser Grundgesetz beugen und das anerkennen. Unsere Regeln gelten, völlig klar.
Insofern ist das eine unsinnige Diskussion. Aber wenn wir sagen, wir fußen auf der Aufklärung, dann ist ja einer
der wichtigsten Sätze der Aufklärung von Kant – ich kann ihn nicht vollständig zitieren, nur aus der Erinnerung –, wie wir handeln, soll so sein, dass es ein allgemeines Gesetz sein kann, dass alle so handeln wie wir. Und deshalb gilt, wenn unsere Werte uns gebieten, Flüchtlingen, allen Flüchtlingen zu helfen, soweit das irgendwie möglich ist, dann, glaube ich, dürfen wir auch daran appellieren, dass das auch für andere gilt. Deshalb halte ich für wichtig, dass wir immer versuchen, andere Regionen, andere Länder dafür zu gewinnen, dass sie mit uns gemeinsam Pläne entwerfen, wie man Flüchtlingen helfen kann.
60 Millionen, sagt man, sind im Moment auf der Flucht, und zwar unter Verhältnissen, die furchtbar sind. Das kann man nicht einfach tolerieren, da muss man etwas machen.
Ich will etwas sagen zu den Zurückweisungen an der Grenze. Das berührt unseren Rechtsstaat. Ich war ein paar Jahre Justizminister, und es ist nichts schwieriger, als Bürgerinnen und Bürgern die abstrakten Vorteile des Rechtsstaates zu vermitteln – die sind einfach völlig abstrakt –, sondern man muss jetzt versuchen zu erklären, worum es denn in der Sache geht. Deshalb sollten Paragrafen, finde ich, heute in dieser Diskussion überhaupt keine Rolle spielen, sondern es geht darum zu sagen, wie kann ich denn jemanden überzeugen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das bedeutet für uns, dass nicht nur unsere staatliche Gewalt, die an das Grundgesetz gebunden ist, niemandem die Würde absprechen kann, sondern im Laufe der Jahre hat sich unsere feste Überzeugung herausgebildet, dass wir aktiv dafür arbeiten müssen, dass niemand in dieser Weise verletzt wird. Johannes Rau hat vor Jahren schon in seiner Antrittsrede darauf hingewiesen, dass dieses Grundrecht nicht heißt, die Würde jedes deutschen Menschen ist unantastbar,
sondern die Würde jedes Menschen.
So, und jetzt kommen wir zu der schwierigen Frage, dass der Rechtsstaat immer wieder herausgefordert wird von Leuten, die sich seiner Regeln exzessiv bedienen. Wie kann man dem begegnen? Zum Beispiel, das hat uns damals viel bewegt: Was ist mit Sexualstraftätern, die lange im Gefängnis waren und die wir wieder rauslassen müssen, wenn die Strafe zu Ende ist, und wo wir aber das Gefühl haben, die sind nach wie vor gefährlich? Da war dann die Diskussion zu sagen, ja, aber der Gefängniswärter, der Aufseher, der ist doch die ganzen Jahre mit dem umgegangen, der kann das am besten beurteilen. Das geht nicht, wir brauchen eine richterliche Entscheidung in solchen Fragen. Wenn an der Grenze jetzt jemand auftaucht, der nicht wieder einreisen darf, weil sein Antrag abgelehnt worden ist, gibt es das Instrument des Folgeantrages. Dann kann ich sagen, ja, die Gründe, die mich damals zur Flucht bewogen haben, die habt ihr abgelehnt, aber inzwischen war ich zu Hause und es gibt neue Gründe. Und wenn der an der Grenze vorträgt,
„Asyl, neue Gründe“, dann kann das nicht der Grenzer entscheiden, dann kann das nicht der Polizist entscheiden.
Dann kann das übrigens erst recht kein Polizist entscheiden wie Herr Kramer. Ja, das muss man auch mal sagen.
Meine Damen und Herren, in dieser Diskussion spielt ja der Begriff „Rechtsbruch“ eine Rolle. Da liegt mir doch sehr daran, sehr deutlich zu machen, dass die Geschichte, die Herr Kramer immer vorträgt und die von Rechtsbruch redet, völliger Unsinn ist. Dazu kann man viele Zitate anführen, die ihn wahrscheinlich auch noch nicht überzeugen werden, aber ich kann vielleicht auf Herrn Förster verweisen als Zeugen für mich. Beim letzten Mal haben hier beide nacheinander gesprochen und Herr Kramer hat wortreich erklärt, warum die jetzige Rechtslage von der Kanzlerin gebrochen worden sei. Und dann kam Herr Förster und hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das, was ihm vorschwebt – und über das wir reden müssen, völlig klar –, dass das eine Rechtsänderung erfordert. Da müssen Sie ihm mal erklären, dass eine Rechtsänderung natürlich bedeutet, dass die bisherige Rechtslage das eben genau so zugelassen hat.
Ich will eins vielleicht noch mal sagen: Die AfD war heute, fand ich, besonders aggressiv, und ich kann mir das eigentlich ganz gut erklären. Ich kann mir das ganz gut erklären. Die AfD war eine ganz kleine Partei und dann kam 2015 die Flüchtlingsfrage, die ungelöste Flüchtlingsfrage in Deutschland. Die haben sie zum Anlass genommen, daraus politisch Kapital zu schlagen. Jetzt wird in Brüssel eine Lösung gefunden, die sich abzeichnet, eine Lösung gefunden, die das Problem löst.
Sie spüren im Nacken den Untergang der AfD,
und das macht sie so aggressiv. – Vielen Dank.
Ich nehme die Wahl an.