Florian Gerster

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bereits über viele Zahlen gesprochen worden. Ich will das nicht wiederholen. Ich möchte aber gern die Leitgedanken der Sozialpolitik mit ihren wichtigen Teilgebieten in Rheinland-Pfalz noch einmal in Erinnerung rufen. Dann steht, nicht, weil es der Buchstabe „A“ ist, an erster Stelle der Begriff „Arbeit muss sich lohnen“. Dann steht für die älteren und behinderten Menschen vor allen Dingen der Begriff „Selbst bestimmen, Hilfe nach Maß“ und für die Familien möchte ich gern sagen „Familien müssen gestärkt werden.“ Die Gesundheit muss bezahlbar bleiben. Sie muss natürlich qualitativ gut sein, aber sie muss bezahlbar bleiben. Das sind die wichtigen Überschriften, die meine Arbeit in den letzten acht Jahren bestimmt haben. Ich bin froh, dass viele Partnerinnen und Partner in der Politik im Landtag von Rheinland-Pfalz und der Landesregierung, aber auch weit darüber hinaus, diese ordnungspolitische Linie unterstützt haben und mir dabei geholfen haben, Akzente zu setzen, die für RheinlandPfalz – so hoffe ich – bleibend sind, die aber auch darüber hinaus die Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ein Stück weitergebracht haben.
An dieser Stelle kann man sagen: Unser Land ist nicht nur ein schönes Land, in dem es sich gut leben lässt. Es hat auch die richtige Größenordnung für neue Wege. Wir sind nicht so klein wie ein Land, das ständig seine Staatlichkeit begründen muss, wir sind aber auch nicht so groß wie etwa die Flächenländer Nordrhein-Westfalen oder Bayern, dass Administrationen bereits durch Verwaltungshandeln so belastet werden, dass man nicht mehr Akzente setzen kann, die in einer mittleren Größenordnung auch etwas bewegen, was man beobachten kann, was man weiterentwickeln kann, was man unter Umständen auch rechtzeitig in eine etwas andere Richtung steuern kann. Rheinland-Pfalz ist – so finde ich – ein ideales Land für neue Wege in der Sozialpolitik, in der Bildungspolitik, in der Wissenschaftspolitik, in allen wichtigen gesellschaftspolitischen Feldern.
Meine Damen und Herren, wie das so ist, sind Modelle, Versuche und Beispiele, nie etwas, was dauerhaft gemeint ist, aber sie geben Hinweise darauf, wie die Politik
weiterentwickelt werden muss, damit etwas dauerhaft werden kann. Meine Damen und Herren, deswegen hat es gar keinen Sinn, darüber zu streiten, ob in einem bestimmten Modellversuch nun 750 Teilnehmer sind, ob es nicht ein paar Tausend sein müssten oder könnten. Wichtig ist, ob der Modellversuch an der richtigen Stelle ansetzt. Richtig ist er auch dann, wenn er den Partnern, auf die es ankommt, Hinweise gibt, wie man gemeinsam etwas erreichen kann, also nicht nur das Land allein, das nie Akteur in aller Breite ist.
Ich will Ihnen ein Beispiel aus den letzten Tagen nennen, was mich sehr nachdenklich gemacht hat. Ich habe in den letzten Tagen die Anweisung der Bundesanstalt für Arbeit für die Arbeitsvermittler zur Anwendung des „Mainzer Modells“, nachdem es bundesweit angewandt wird, in die Hand bekommen. Soll ich Ihnen sagen, wie viele Seiten diese Anweisung hat? – 60 eng beschriebene Seiten auf schlichtem Papier, kaum lesbar, wie wir vor 30 Jahren in der Oberstufe der Schule oder an der Universität Referate abgegeben haben, also alles, was man didaktisch oder vom Layout ein bisschen schick machen kann, sodass die Leute überzeugt werden, ein bisschen farbig machen kann, dass es auch motiviert, nicht beachtet – 60 eng beschriebene Seiten. Jetzt sage ich: Neben allen anderen Problemen, die es gibt, habe ich Verständnis, dass ein Arbeitsvermittler, der zeitlich hoch belastet ist – das sind die meisten –, dass er das erst einmal zur Seite legt, bevor er hineinschaut, vielleicht sogar an einem Wochenende. Ich habe Verständnis dafür. Aber genau das muss anders werden.
„Arbeit muss sich lohnen“ heißt, wir müssen Wege aufzeigen, wie auch dort, wo der Sozialstaat mit Recht ein Existenzminimum bietet, das vor krasser Armut schützt – da stehe ich uneingeschränkt dahinter, ich glaube, wir alle –, wie man trotzdem Menschen, die mit mehreren Personen, mit einer Familie in der Sozialhilfe drin sind, zeigt, du kannst aussteigen, wir helfen dir, es lohnt sich für dich. Wenn dann die richtigen Instrumente angesetzt werden, bin ich ganz sicher, wird zum Beispiel nach einer Bundestagswahl, wenn die Karten neu gemischt sind, wenn man auch wieder über Sachpolitik reden kann und nicht nur über Machtpolitik reden muss, vieles möglich sein, was jetzt noch im Meinungsstreit ist. Ich denke, wir in Rheinland-Pfalz haben dafür einige Hinweise gegeben, übrigens auch in früheren Zeiten. Das Sozialministerium in Mainz war auch in früheren Phasen durchaus eine Modellwerkstatt. Ich bin sehr froh, dass ich auch an das eine oder andere anknüpfen konnte. Ich bin auch froh über manche Hinweise.
Heiner Geißler sei genannt. Ich bin auch froh über manchen Hinweis, den ich von vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem Hause bekommen habe, wie man das eine oder andere noch besser machen kann. Den edlen Wettstreit um bessere Ergebnisse würde ich gern auch mit dem einen oder der anderen von Ihnen fortsetzen. Aber ich würde nicht gern fortsetzen – vielleicht war ich in der einen oder anderen Debatte auch daran beteiligt, das will ich gar nicht ausschließen – den unfruchtbaren Streit, der aus dunkelgrau und hellgrau schwarz oder
In der Arbeitsmarktpolitik muss es um Zielgruppen gehen und geht es um Zielgruppen. Ich möchte nur ganz wenige Beispiele herausgreifen. Es geht zum einen um junge Menschen. Morgen wird an diesem Platz Frau Malu Dreyer sitzen, die als Sozialdezernentin der Stadt Mainz sehr engagiert mit uns gemeinsam das Projekt „Jobfux“ auf den Weg gebracht hat.
Im Rahmen der Schulsozialarbeit, die nicht aus dem Etat des Bildungsministeriums, sondern des Arbeits- und Sozialministeriums finanziert wird, haben wir für das letzte Jahr an der Hauptschule in Schulen in schwierigen sozialen Milieus in der Stadt Mainz, die als Wirtschaftsregion nicht arm ist, Sozialarbeiter mit öffentlichen Mitteln eingesetzt, die Schülerinnen und Schüler, die sich im letzten Hauptschuljahr befinden und möglicherweise die Hauptschule ohne ein Zeugnis verlassen hätten – das kann man bei manchen ungefähr voraussehen –, an die Hand nehmen, ihnen Praktika bei möglichen Ausbildungsbetrieben vermitteln, sie also begleiten und dem Handwerksmeister 500 DM oder 250 Euro für vier Wochen Betreuung zahlen. Somit wird gewährleistet, dass ein junger Mensch, der sonst auf der Strecke bleibt und im Übrigen auch aus der Statistik verschwindet, weil er sich möglicherweise beim Arbeitsamt gar nicht meldet, möglicherweise als Zuwanderer der zweiten Generation, der noch in der Schule ist, der noch erreichbar und beeinflussbar ist und mit dem man noch sinnvoll umgehen kann, nicht verloren geht und wenigstens einen Arbeitsplatz findet und eine Teilqualifikation erwirbt.
„Jobfux“ ist ein Projekt, das ich spannend finde, auch wenn man damit nicht die ganz großen Zahlen bewegen kann. Aber wenn man in Mainz auf diesem Weg einige hundert junger Menschen davor bewahrt, beim Einstieg in den Arbeitsmarkt Dauerarbeitslose zu werden, ist dies eine tolle Sache.
Ich finde es auch gut, dass wir am Beispiel des Betriebs KSB in Frankenthal in der Pfalz mit voller Übereinstimmung des Betriebsrats, der Unternehmensleitung, der IG-Metall, des Landes und des Arbeitsamts, also mit der Zustimmung aller Beteiligter, ein Projekt auf den Weg bringen, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch dann im Betrieb zu halten, wenn sie ihren gewerblichen Arbeitsplatz altersbedingt nicht mehr in der ursprünglichen Version bis zum 60. Lebensjahr oder gar darüber hinaus halten können. Ihnen wird ein neuer Arbeitsplatz angeboten, der allerdings nicht an der Pforte sein darf, sondern der anspruchsvoll sein und ihren Fähigkeiten entsprechen muss. Das tun wir, und dies ist der richtige Schritt, meine Damen und Herren.
Das ist die Chance der Größenordnung von RheinlandPfalz, aber auch der Konsensorientierung, die ich bei allem Streit in unserem Land immer noch stärker em pfinde und wahrnehme, als dies möglicherweise für anders geprägte Regionen in Deutschland gilt.
Lassen Sie mich nun etwas zu den behinderten Menschen sagen. Wir haben ein hohes Niveau an Versorgungsangeboten für behinderte Menschen. Ich schließe mich dem Dank an Herrn Dr. Auernheimer und Herrn Jensen, seinen Vorgänger, gern an, die als Landesbehindertenbeauftragte mit den Trägern, den Initiativen und den Wohlfahrtsverbänden sehr viel dazu beigetragen haben.
Wir haben einen Sonderarbeitsplatz für behinderte Menschen im zweiten Arbeitsmarkt eingerichtet. Aber wer wollte ihn als Ganzes in den ersten Arbeitsmarkt bringen?
Es handelt sich um 11.000 Arbeitsplätze in Werkstätten für behinderte Menschen, eine großartige Leistung im zweiten Arbeitsmarkt. Dort, wo Menschen mit einer leichteren Behinderung möglicherweise sogar in den ersten Arbeitsmarkt eintreten können, müssen Integrationsformen noch verstärkt werden.
In diesem Bereich geschieht einiges. Wir haben inzwischen eine Vielzahl von integrierten Betrieben. Wir haben Übergangslösungen vom zweiten in den ersten Arbeitsmarkt für die wichtige Zielgruppe behinderter Menschen. Meine Damen und Herren, aber ich bin stolz darauf, dass wir diese hohe Ausstattung mit über 10.000 Arbeitsplätzen und über 10.000 Wohnplätzen für behinderte Menschen in Rheinland-Pfalz haben.
Ich komme zum Landesgleichstellungsgesetz. Wir mussten sinnvollerweise das Bundesgleichstellungsgesetz abwarten. Aber ich kann Ihnen sagen, wir werden, wenn alles gut geht, die Kabinettsabstimmung im April, spätestens im Mai, noch vollziehen. Der Gesetzentwurf wird den Landtag kurz vor oder spätestens kurz nach der Sommerpause erreichen.
Wenn wir damit ein bisschen später dran sind, so hat dies im Wesentlichen etwas mit der Bundesgesetzgebung zu tun, die im Übrigen von Rheinland-Pfalz sehr stark beeinflusst worden ist. Die Monate, die wir dadurch scheinbar verlieren, haben jedoch ihren Sinn; denn wir haben auf Bundesebene beispielsweise darum gerungen, wie man privaten Gaststätten behindertengerechte Zugänge und Toiletten vorschreiben kann. Was kostet es? Wer muss es erstatten? – Dies sind Fragen, die man nicht einfach so in einer Ausschussberatung von zwei Stunden entscheiden könnte. Wir haben darum gerungen und waren sehr aktiv daran beteiligt. Ich bin sicher, dass wir mit Ihrer Unterstützung ein gutes Landesgleichstellungsgesetz erarbeiten werden.
Meine Damen und Herren, wir werden im Rahmen der Reformen, die der Bund in dieser Wahlperiode des Bundestags vorangebracht hat, das rheinland-pfälzische Gesundheitswesen weiterentwickeln, aber auch im Rahmen dessen, was wir selbst tun können und tun
müssen. Wir haben vor vielen Jahren einen Landeskrankenhauszielplan auf den Weg gebracht, der ehrgeiziger war als in anderen Ländern. Wir haben mehr zurückgeschnitten. Wir waren etwas mutiger, und es war auch schwieriger.
Aber ich denke, wir haben etwas erreicht, das sich auszahlen wird: Wir haben die Strukturen im Krankenhauswesen zukunftsfest gemacht. Ich bin an dieser Stelle ganz sicher, mehr Wettbewerb im Krankenhaus wird fast ohne Ausnahme die Krankenhäuser, die in RheinlandPfalz heute schon bedarfsgerecht strukturiert sind – das sind fast alle –, nicht schwächen, sondern stärken.
Wir werden möglicherweise an der einen oder anderen Stelle noch etwas zurückbauen. Die Krankenhäuser werden es selbstständig tun wollen, weil sie nicht mehr durch eine Planung gezwungen werden, sondern vergleichen können: Was kostet bei uns in der realen betriebswirtschaftlichen Rechnung eine Operation, die möglicherweise in einem anderen Krankenhaus günstiger angeboten wird? Geben wir vielleicht sogar die eine oder andere Spezialität ab, weil wir sie nicht mehr so gut abbilden können, und konzentrieren uns auf etwas anderes?
Dieser Wettbewerb wird eine leistungsfähige Struktur stärken. Er wird sicherlich das Angebot etwas zurückführen, aber dies wird kein Nachteil im internationalen Vergleich sein.
Wichtig war uns, Gesundheitspolitik den Menschen nahe zu bringen und nicht nur über Institutionen wie die großen Krankenhäuser zu sprechen, die, wenn wir ehrlich sind, jedem gemischte Gefühle verschaffen.
Ich sage ganz offen, bei jedem Krankenhaus, das ich besuche, bin ich froh, wenn ich wieder draußen bin und mir sagen kann, dass ich zwar als Patient gut behandelt würde – da bin ich mir bei fast allen Krankenhäusern sehr sicher; oder bei allen, sonst fragen Sie mich: Bei welchem nicht? –, aber natürlich ist jeder froh, wenn er nicht als Patient dort eingewiesen wird.
Wichtig ist, dass das Gesundheitswesen eben nicht nur mit Unannehmlichkeiten, also der Reparatur eines schädlichen Zustandes, verbunden ist, den man nicht möchte, sondern Gesundheit auch etwas ist, das man durch eine vernünftige Lebensweise, durch Prävention, durch Vorbeugung und auch durch freudvolles Leben selbst gestalten und erhalten kann.
Dazu gehören – – –
Dazu gehört aber zum Beispiel das Glas Rotwein, das wir gestern Abend getrunken haben oder das wir heute
Abend noch einmal trinken werden. Wenn es nicht vier oder fünf Gläser werden, sondern vielleicht bei zwei oder drei bleibt, ist dies auch gesundheitsfördernd.
Meine Damen und Herren, damit möchte ich sagen, Gesundheitspolitik hat auch etwas mit Selbsthilfe, mit regionaler Verankerung, mit Aufklärung, mit Schule und mit der frühen Beeinflussung junger Menschen zu tun. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in einem nicht unwichtigen Bereich bewiesen haben, was man tun kann, indem man Kinder sehr früh erreicht. Ich spreche von der Schulzahnpflege. Karies gibt es im Grund genommen nicht mehr. Wenn ich in die Reihen schaue und mir meine Jahrgänge anschaue, können wir nur davon träumen, welche Gebisse junge Menschen heute haben. Das liegt nicht nur an der Kieferorthopädie, sondern auch an solchen Dingen. In diesem Bereich haben wir einen Zugewinn an Lebensqualität erreicht.
Meine Damen und Herren, zu den Gesundheitsämtern möchte ich nur so viel sagen: Vorhin wurde von einer Anhörung berichtet, wobei die Landräte und die Leiter der Gesundheitsämter zitiert wurden.
Ich darf das konkretisieren, es geht um zwei Männer, die ich übrigens sehr schätze. Es geht um Landrat Dr. Groß und um Herrn Dr. Michels. Diese beiden repräsentieren ein Gesundheitsamt mit einem Etat von 5,5 Millionen DM, das gute Dinge macht, aber besonders aufwändig. Andere Gesundheitsamtsdirektoren und Landräte haben mir im Lauf des letzten Jahres gesagt – ich könnte sie an einer Hand aufzählen, es waren mindestens fünf –: Mein lieber Herr Gesundheitsminister, du hast mir oder Sie haben mir – je nachdem, wie nah man sich ist – eine tolle Sparkasse mit dem Gesundheitsamt beschert. Ich habe sofort die Verwaltung in meine Verwaltung integriert und habe fünf Plätze innerhalb von Wochen eingespart. – Dann habe ich ehrlich gesagt auch keine Widerstandskraft mehr, gegen den geschätzten Kollegen Mittler oder gegen Staatssekretär Dr. Deubel zu sagen: Um Himmels willen, da dürft ihr keinen Pfennig oder keinen Cent streichen. – Meine Damen und Herren, nein, da gab es Luft. Diese musste beschnitten werden, damit keine Überausstattung die Folge ist.
Herr Schmitt, gestatten Sie mir, dass ich meine Rede fortsetze, da ich insgesamt nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen möchte.
Ich komme nun zum Thema Familie. Lassen Sie mich zu Beginn dieses Themas und zu den wenigen Ausführungen, die ich dazu machen möchte, sagen, das ist nicht in erster Linie Sache des Sozialministeriums. Der größte Schritt der Familienpolitik ist das gemeinsame Projekt der Landesregierung, Ganztagsversorgungsangebote zu
schaffen, damit Frauen frei wählen können, wie sie ihr Leben verbringen möchten.
Herr Ministerpräsident, ich erwähne an dieser Stelle auch, ich war fasziniert, als dieses Projekt von Ihnen zum Thema gemacht wurde. Das muss ich jetzt auch einmal so sagen. Ich habe es übrigens noch nie gesagt. Als Sie dies zu Beginn des vergangenen Jahres zum Thema gemacht habe, haben alle gern mitgemacht, aber es war ein großes Projekt, ein Megathema der Landespolitik. Wir waren die Ersten. Andere orientieren sich zu Recht an uns.
Das, was das Sozialministerium dazu beitragen kann, wird es machen. Das Bildungsministerium muss natürlich das größte Rad drehen. Ich bin aber ganz sicher, dies ist auch für den Arbeitsmarkt ein Megathema. Wir müssen es schaffen, Frauen die Sicherheit zu geben, dass sie auch beispielsweise als Alleinerziehende nicht gezwungen sind, wenn sie eine gute Mutter sein wollen, zu Hause zu bleiben. Vielmehr wissen sie, dass sie zumindest für einen Teilzeitjob ihr Kind in einer guten Betreuung vor oder während der Schule wissen, um dann auch ihre Arbeitskraft im Arbeitsleben zur Verfügung zu stellen. Wir haben so gut ausgebildete junge Frauen wie keine Generation vor uns. Wir können es uns nicht leisten, sie zu Hause sitzen zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen letzten Akzent inhaltlicher bzw. fachlicher Art nennen, der mir sehr wichtig ist. Ich meine das Thema „Armutsbekämpfung“. Wir haben im Haushalt unverändert einen Betrag von etwa 1,4 Millionen Euro zur Bekämpfung von Armut und zugunsten von sozialen Brennpunkten eingestellt. Nun kann man sagen: Was sind 1,4 Millionen Euro? Natürlich muss man in einer Saldierung zum Beispiel sämtliche kommunalen Sozialhilfeausgaben als Bekämpfung von Armut registrieren. Heute geht es mir darum, dass wir richtige Schwerpunkte mit diesen modellhaften und projektbezogenen Mitteln setzen müssen. Bisher war dies die Wohnumfeldverbesserung.
Ich kann Ihnen Beispiele nennen, die ich aus der nächsten Nähe beobachten konnte, ohne Einfluss darauf zu nehmen, wo die Landesmittel eingesetzt werden. Darum habe ich mich nicht gekümmert. Ich konnte es aber aus nächster Nähe beobachten. Ich habe gesehen, wie man einen Stadtteil, in dem ein hohes Maß an Zuwanderern aus Mittel- und Osteuropa mit ihren Kindern die Strukturen zu verändern begannen, durch eine vernünftige Sozialarbeit, die gar nicht viel kostet, bei der man zwei oder drei Stellen für diese Zeit mit finanzieren muss, befrieden kann. Wir haben dort Akzente gesetzt, die ich wichtig finde.
Das Nächste wird das Schwerpunktprogramm für Kinder und Familien in sozialen Brennpunkten sein.
Meine Damen und Herren, ich habe auf Zahlen und Statistiken verzichtet. Lassen Sie mich abschließend sagen, der soziale Standort Rheinland-Pfalz ist nach meiner festen Überzeugung ein guter Lebensstandort.
Dies hat auch damit zu tun, dass so viele Menschen zu uns kommen, die hier leben wollen. Wenn man den Pendlersaldo nimmt und abzieht, wer nach Ludwigshafen, Koblenz und nach Mainz einpendelt und wer auspendelt, kommen wir auf etwa 120.000. Es pendeln 120.000 Personen mehr ein als aus. Wenn man diese Zahl mal zweieinhalb oder mal drei nimmt, dann hat man die Familie. Wo ist dort das Problem? Soll ich einem Menschen, der in Frankfurt arbeitet und mich fragt, ob er jetzt nach Offenbach oder Ober-Olm zieht, sagen, er soll nach Offenbach ziehen? Er hat gesagt, dass er in OberOlm ein Häuschen angeboten bekommen hat. Ober Olm ist ein wunderschönes Dörfchen. Eines der schönsten in Rheinhessen.
Ich rede aber im Moment von Ober-Olm. Wenn er sagt, er hat in Ober-Olm ein Häuschen angeboten bekommen, das er sich im Rhein-Main-Gebiet im Kern gar nicht leisten kann, soll ich ihm dann sagen, dann musst du eine halbe Stunde fahren und bleib doch bitte schön in Frankfurt, oder gehe, wenn du es dir nicht leisten kannst, nach Offenbach?
Meine Damen und Herren, ich verstehe denjenigen, der von Frankfurt nach Ober-Olm geht und damit Rheinhesse wird und dann mit Freude feststellt, dass es hier schön ist und man hier gut leben kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte einige wenige Worte in eigener Sache sagen. Sie wissen, dies ist meine letzte Landtagsrede, es sei denn, ich werde noch durch anschließende Kurzbeiträge provoziert.
Ich habe diesem Parlament mit Unterbrechungen seit 1977 angehört. Ich bin auch etwas erschrocken, als ich diese Zahl gelesen habe. Ich weiß sehr genau, wie es sich auf Oppositionsbänken fühlt, aber auch, wie es sich fühlt, wenn man als Minister oder zeitweise auch als Abgeordneter mehr gestalten kann. Ich bin dankbar für diese Zeit. Es war für mich eine wirklich schöne Zeit.
Ich war nicht immer ganz einfach für alle, manchmal auch nicht für die eigenen Freundinnen und Freunde.
Deswegen danke ich zunächst den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion, dass sie mich manchmal ertragen, aber meistens getragen haben. Ich danke Herrn Ministerpräsident Kurt Beck dafür, dass er mir in freundschaftlicher Verbundenheit und großer Übereinstimmung in den wesentlichen Fragen Freiheiten gelassen hat.
Ich danke dem Koalitionspartner für viele interessante und gemeinsame Projekte bei manchem Grundsatz
streit, der aber dann in den konkreten Folgen gar nicht mehr so wichtig war.
Ich danke auch den Mitgliedern der Oppositionsfraktionen für viele, wie ich finde, interessante und lohnende Debatten.
Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit. Ich sage jetzt wirklich uneingeschränkt, ich habe phantastische und gute Mitarbeiter. Ich danke dem Amtschef, Herrn Dr. Auernheimer, der in einer phantastischen Weise gemeinsam mit mir das Ministerium geführt hat. Davor war es Klaus Jensen, der, wie Sie wissen, ungern aus dieser Funktion ausgeschieden ist.
Wenn wir etwas dazu beitragen konnten, dass Sozialpolitik nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zur Modernisierung sein kann bei Beachtung der Menschenwürde und bei Beachtung der wichtigen sozialen Aufgaben, die wir alle gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern und gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern haben, wenn wir also neue Wege wenigstens ein Stück weit gemeinsam gehen konnten, dann bin ich froh, wenn ich daran mitwirken konnte.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit. Ich werde sehr genau beobachten, was in Rheinland-Pfalz vor sich geht, nicht nur bei den monatlichen Arbeitsmarktzahlen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
In verschiedenen Gesprächen, die Staatssekretär Dr. Auernheimer mit der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und den Kostenträgern führte, wurde deutlich, dass eine Gesamtanalyse erforderlich ist, um Lösungen zu erarbeiten. Es wurde aber auch deutlich, dass Einzelfälle nicht verallgemeinert werden können.
Zu Frage 2: Zu Beginn dieses Jahres treten Ergebnisse der Gespräche zwischen der LIGA der Spitzenverbände und den Kostenträgern in Kraft, die am 30. November des vergangenen Jahres vereinbart worden sind. Dies ist im Wesentlichen eine Vergütungsvereinbarung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege, wonach besonders die Hausbesuchspauschale, die bisher auf zweimal pro Tag begrenzt war, auf bis zu dreimal täglich gewährt werden kann. Das ist der wesentliche Teil dieser Vergütungsvereinbarung. Darüber hinaus sind einige Pauschalen vereinheitlicht worden.
Ein weiterer wesentlicher Teil der im November 2001 erzielten Verhandlungsergebnisse ist eine Gebührenvereinbarung für Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach SGB XI, wonach die Leistungen der Grundpflege um 5 % erhöht werden. Darüber hinaus wurden auch einige Pauschalen angepasst und vereinheitlicht.
Insgesamt tragen diese Vereinbarung und die beiden genannten Hauptpunkte dazu bei, dass sich das Vergütungsniveau um etwa 5 % erhöht. Das ist aber nicht bei allen Sozialstationen völlig gleich, weil es in dieser Vergütungsvereinbarung auch umsatzabhängige Komponenten gibt, die sich bei verschiedenen Sozialstationen verschieden auswirken können. Im Durchschnitt werden aber die Defizite, die in den belasteten Sozialstationen nach Aussage der LIGA bei etwa 30 %, also etwa 70.000 Euro pro Sozialstation liegen, ausgeglichen.
Zu Frage 3: Wir waren an diesem Verhandlungsergebnis indirekt beteiligt, also gewissermaßen als beteiligte Beobachter und als Unterstützer.
Wir beurteilen dieses Landesergebnis als positiv. Es übertrifft die Erwartungen, die zu Beginn der Verhandlungen an ein Ergebnis gerichtet werden konnten.
In Frage 4 wird nach der Projektgruppe „Sozialstationen in Rheinland-Pfalz“ gefragt. Ich bin Dr. Auernheimer dankbar, dass er diese Projektgruppe leitet. An ihr sind die Kommunen, die Pflegeeinrichtungen und die Kostenträger beteiligt. Bis zum Sommer dieses Jahres wird eine Bestandsaufnahme gemacht werden, was nach einer Vielzahl von Jahren, in denen wir Erfahrung mit dem rheinland-pfälzischen Pflegehilfengesetz gesammelt haben, sicherlich richtig und notwendig ist. Darüber hinaus wird aber auch in der Projektgruppe darüber nachgedacht, und es werden Vorschläge dazu gemacht werden, wie das System der ambulanten Pflege in Rheinland-Pfalz weiterentwickelt und zeitgemäß verbessert werden kann, wie möglicherweise auch die Rechtsprechung in diese Überlegung einbezogen wird, die das Verhältnis von privaten Trägern und freigemeinnützigen Trägern immer wieder auf einen Prüfstand stellt.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist eine Option auf regelmäßige Anpassung vereinbart worden. Es ist aber kein Automatismus. Es muss immer wieder neu verhandelt werden. Die Verhandlungspartner haben aber gemeinsam anerkannt, dass es einen regelmäßigen Anpassungsbedarf gibt.
Ich beginne mit der zweiten Frage. Sie beziehen sich auf die Bundesgesetzgebung. Das ist ein völlig eigener Vorgang, den wir damit bewusst nicht vermengen wollen. Zum Teil sind es auch verschiedene Träger und verschiedene Kostenstrukturen. Zum Beispiel ist die Sozialhilfe bei der stationären Versorgung nach wie vor ein ganz wichtiger Bestandteil, während dies in der ambulanten Versorgung weniger der Fall ist. Das wird von uns in dieser Projektgruppe nicht mitbehandelt.
Zu Ihrer ersten Frage, welche Teilnehmer namentlich welche Bänke repräsentieren, Frau Abgeordnete Thelen, kann ich leider nichts sagen. Aber wir sind gerne bereit, das nachzureichen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da ich nicht für überschwängliche Emotionen bekannt bin,
will ich auch an dieser Stelle den Jubel unterdrücken und mit Ihnen gemeinsam darüber sprechen, wie wir das „Mainzer Modell“ im Land und darüber hinaus zu einem Erfolg machen können.
Die Philosophie des Ganzen, die mir besonders wichtig ist, lautet schlicht und ergreifend: Arbeit muss sich lohnen. – Arbeit muss sich nicht nur für den hoch qualifizierten Ingenieur bei der BASF lohnen, der studiert hat, der etwas kann und der über 50.000 Euro verdient. Arbeit muss sich auch für den Kleinverdiener lohnen, der – oft ist es eine Sie – sich hochrappelt aus der Abhängigkeit von Lohnersatzleistungen, einen Job akzeptiert, der vielleicht nicht mit hoher Befriedigung und großen Erfolgserlebnissen verbunden ist, und der vielleicht gerade einmal 1.000 Euro oder ein bisschen mehr einbringt, aber nicht weniger in die Kasse der Familie oder des Singlehaushalts, als vorher durch Staatsknete bzw. durch Sozialversicherungsleistungen in der Kasse drin war, bringen darf.
Das ist die Philosophie des „Mainzer Modells“: Arbeit muss sich lohnen. Der, der arbeitet, muss immer mehr
haben, als wenn er nur passiv Lohnersatzleistungen oder soziale Leistungen bekommen würde.
Ich bedanke mich ausdrücklich für die positive Würdigung aller vier Fraktionen, natürlich mit Ab- und Zugaben. Das Gleiche gilt für die bundespolitische Wahrnehmung der Debatte. Ich bedanke mich aber auch ausdrücklich für die Konstruktion des „Mainzer Modells“, die schon ein paar Jahre zurückliegt und die ursprünglich in zwei Ministerien begonnen hat, nämlich in Ihrem und in meinem Haus, Herr Dr. Deubel. Darüber hinaus haben viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran mitgewirkt.
Ferner bin ich dankbar, dass der Koalitionspartner und viele andere geäußert haben, dass das ein guter Ansatz sei. Man muss auch neue Wege gehen können. Es ist übrigens der Vorteil der Landespolitik, etwas auszuprobieren, was in der Bundesgesetzgebung nicht einfach auf den Weg gebracht werden könnte. Das ist der Vorteil der mittleren politischen Ebene, den wir ganz gezielt nutzen sollten.
Wenn ein solcher Weg auf Bundesebene implementiert wird, ist es nicht sehr hilfreich, dass alle, die das Experiment für interessant hielten, plötzlich am Straßenrand stehen und sagen: Das wird nichts. Das ist ein winziges Mosaiksteinchen und kann bestenfalls 20.000 Arbeitsplätze bringen.
Soll ich Ihnen einmal sagen, wie diese Schätzung zustande kam? Sie kam durch Beamte im zuständigen Ministerium, im Bundesministerium für Arbeit, zustande, die ausgerechnet haben, wie viel Geld sie noch im CAST-Budget für diese Modellversuche haben. Wenn man das auf das „Mainzer Modell“ umrechnet, sind das etwas mehr als 20.000 Arbeitsplätze. Durch diese konservative – man kann es noch ganz anders nennen – bürokratische Rechnerei ist plötzlich die Losung ausgegeben worden: Es werden wahrscheinlich etwas mehr als 20.000 oder 30.000 Arbeitsplätze werden.
Ich habe mich am Montag, also vor wenigen Tagen, beim Bundesfinanzminister rückversichert und ihm gesagt: Wenn schon das zuständige Ressort so viel Angst vor dem Finanzministerium hat, dann kann es vielleicht ein Dritter versuchen. – Ich habe ihn gefragt: Herr Bundesfinanzminister, wenn es richtig gut läuft, wenn das Potenzial zwischen 50.000 und 100.000 schrittweise in einem Jahr ausgeschöpft wird – also von April 2002 bis März 2003 – und wenn alle richtig mitmachen – das ist die Voraussetzung –, sind dann die Mittel für diese Arbeitsplätze im Bundeshaushalt vorhanden?
Er sagte ja, uneingeschränkt ja.
Meine Damen und Herren, wenn alle Beteiligten das wollen, bin ich mir ganz sicher, dass man dieses Potenzial ausschöpfen kann. Dafür gibt es aber eben ein paar Voraussetzungen.
Noch etwas zur Ausgangslage: Wenn wir unsere 750 Beschäftigten im „Mainzer Modell“ auf das ganze Land umrechnen, sind das schon ungefähr 2.000. Wenn wir
die 2.000 auf den Bund umrechnen, sind das ungefähr 40.000. Bei konserativer Schätzung, nachdem wir erhebliche Anfangsschwierigkeiten hatten, kann man also von einem Potenzial ausgehen, das näher bei 50.000 als bei 20.000 liegt.
Dann kommt es darauf an – ich habe vor wenigen Tagen mit Herrn Jagoda darüber gesprochen, und wir werden uns nächste oder übernächste Woche deshalb auch treffen –, dass sich eben auch die Arbeitsverwaltung bewegt. Auch die Sozialverwaltungen müssen sich bewegen. Die Kommunen sparen dadurch übrigens Geld. Sie sind gut beraten, wenn sie voll einsteigen. Sie sparen dann richtig Geld.
Dann müssen Motivationskampagnen gefahren werden. Ich habe Herrn Jagoda vorgeschlagen – er hat sofort zugestimmt und gesagt, ja das machen wir – ein Benchmarking der Arbeitsämter zu machen, einen richtigen Wettbewerb der Arbeitsämter zu veranstalten, wer die meisten Arbeitsplätze mit diesem neuen Instrument schafft. Ich würde auch den Direktoren der Arbeitsämter raten, sich junge engagierte und aktive Leute zu nehmen und zu sagen: Du bist Projektmanager. Mache etwas daraus.
Meine Damen und Herren, ich bin mir ganz sicher, man kann das Potenzial deutlich stärker ausschöpfen, als das im Augenblick scheint. Es muss dafür geworben werden. Es müssen Menschen darauf hingewiesen werden, Betriebe darauf aufmerksam gemacht werden. Das gilt auch für einzelne Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Das muss dort geschehen, wo sie anzutreffen sind, also auch durch Plakate in den Sozialämtern und durch Hotlines. Es muss an den Bushaltestellen dafür geworben werden. Da muss man wirklich Geld in die Hand nehmen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dazu einen Beitrag leisten.
Wir haben zum Beispiel in Koblenz bei der Tagung im Dezember vergangenen Jahres festgestellt – – – Herr Marz, Sie habe ich dort nicht gesehen. Waren Sie da? Waren Sie in Koblenz, weil Sie berichtet haben, das sei auf der Tagung alles nicht angesprochen worden. Sie waren doch überhaupt nicht dort.
Bei aller Wertschätzung, die ich für Sie habe, ist das doch ein bisschen trickreich.
In Koblenz war ein zentrales Instrument die mangelnde Information, – –
Augenblick.
die durch zufällige Kanäle zu den Teilnehmern am Projekt geführt hat. Es ist unbestritten, dass das verbessert werden muss. Ich habe nichts zu den Abbrechern gesagt, sondern ich habe gesagt, die mangelnde Information über dieses Instrument überhaupt.
Es hat dort Beispiele gegeben, die sich erfreulicherweise sehr mutig selbst präsentiert haben. Es waren allein erziehende Frauen dort, die gesagt haben: Ich habe durch einen Zufall davon erfahren, dass es so etwas gibt. Da bin ich dann zum Sozialamt oder Arbeitsamt gegangen und habe gesagt: Da gibt es doch so ein Modell. Wenn ich diesen Job als Alleinerziehende annehme und dann auch noch eine Ganztagsbetreuung organisiere, bekomme ich ergänzendes Kindergeld und muss weniger Sozialbeiträge zahlen.– Das haben uns dort junge Menschen, die im „Mainzer Modell“ drin sind, präsentiert. Ich war erstaunt, dass diese jungen Leute bereit waren, vor 300 bis 400 Leuten ganz frank und frei über ihr persönliches Schicksal zu sprechen. Das ist wirklich bemerkenswert.
Die Arbeitgeber, die solche Leute eingestellt haben, haben auch gesagt: Ja, wir sind zufällig in einer Kammerzeitung darauf aufmerksam gemacht worden. – Das reicht alles noch nicht. Wenn man wirklich dafür wirbt, wenn man daraus eine Kampagne macht, kann etwas daraus werden.
Meine Damen und Herren, das Modell hat natürlich auch nur dann einen mittelfristigen Effekt, wenn man daraus Konsequenzen zieht. Die Konsequenz muss sein, dass wir in der nächsten Wahlperiode an die Ecken und Kanten unseres Sozialstaats herangehen, die wir mit dem „Mainzer Modell“ zu glätten versuchen. Das ist zum einen, dass wir ein großzügiges Existenzminimum im Steuerrecht haben, das jetzt bei 7.000 Euro im Jahr oder sogar darüber liegt. Der Sozialstaat schlägt aber mit den Abgaben bei 326 Euro im Monat mit über 20 % voll zu. Da stimmt etwas nicht. Das passt nicht zusammen.
Natürlich, gehen wir gemeinsam daran. Herr Böhr, soll ich über die Eröffnungsbilanz 1998 reden? Das ist ein ständiger Prozess. Wir müssen gemeinsam darangehen.
Es stimmt auch nicht, dass ein Sozialhilfeempfänger für sein Kind bis über 200 Euro im Monat bekommt, aber dann, wenn er einen Job annimmt, nur noch das reguläre Kindergeld, das bei ungefähr 150 Euro im Monat liegt, bekommt. Das passt auch nicht zusammen. An diesen Stellen muss sich Arbeit lohnen.
Dann müssen es auch die richtigen Instrumente sein. Bei einer Verdoppelung der Geringfügigkeitsgrenze würde beispielsweise die Bruchstelle, die wir heute bei 326 Euro haben, bei dann rund 700 Euro viel gefährlicher sein. Eine Verdopplung der Geringfügigkeitsgrenze bringt gar nichts.
Ich komme zum Schluss. Wenn wir in Rheinland-Pfalz als dem Geburtsland des „Mainzer Modells“ mit mehreren Vätern und Müttern besonders erfolgreich sind, wäre das eine tolle Sache. Ich darf Sie bei allen Bedenken, die jeder an einer bestimmten Stelle haben kann, bitten,
nicht die Bedenken in den Vordergrund zu stellen, sondern den Sinn dieses neuen Instruments. Werben Sie dafür, gehen Sie zu den Arbeitsämtern und Sozialämtern, motivieren Sie auch die Sachbearbeiter, damit die Spaß bekommen, etwas auzuprobieren, was noch nicht seit 20 Jahren gemacht wird.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Erfolg der Arbeitsmarktpolitik und der Beschäftigungspolitik des Landes im Ganzen kann wohl nur durch ein – Neudeutsch – Benchmarking beurteilt werden. Da sind wir mit 6,8 % Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2001 außerordentlich erfolgreich. Frau Thelen, ich wage sogar das Wort „Vollbeschäftigung“ in den Mund zu nehmen, wenn es zum Beispiel um den Arbeitsamtsbezirk Montabaur im Sommer geht. Montabaur im Sommer ist sehr nah an der Vollbeschäftigung. Es macht gar keinen Sinn, dass wir sagen, da gibt es aber dieses und jenes und Ausnahmen von der Regel. Insgesamt muss sich Rheinland-Pfalz nicht verstecken.
Herr Kollege Schmitz hat vorhin noch etwas über die Pendler gesagt. Es ist sogar noch ein Stück anders, als Sie es gesagt haben. Die Pendler ziehen zu uns und behalten ihren Arbeitsplatz. Sie ziehen zu uns, weil man bei uns noch zu familienfreundlichen Preisen bauen kann. Sie behalten aber im Rhein-Main-Gebiet, im Rhein-Neckar-Raum ihren Arbeitsplatz. Sollen wir denen sagen: Warum fahrt ihr täglich 40 Kilometer nach Lud
wigshafen oder nach Rüsselsheim? Sollen wir denen Vorwürfe machen? Ich finde es prima, dass wir die höchste Zuwanderung haben. Das zeigt, dass man bei uns noch gut leben kann. Mitten in Rheinhessen gibt es eine enorme dynamische Entwicklung. Dann kommen auch danach zusätzliche Arbeitsplätze ins eigene Land. Aber das dauert ein bisschen. Aber mitten in Rheinhessen können Sie das genau beobachten.
Meine Damen und Herren, zur Arbeitsmarktpolitik und zu anderen innovativen Instrumenten möchte ich gern nur stichwortartig noch sagen:
Die Dienstleistungsbeschäftigung ist mehr als nur eine ganz geschickte oder interessante Nische, sozusagen die Boutique der Arbeitsmarktpolitik. Die Dienstleistungsbeschäftigung ist im Grund genommen der Versuch, den Teilarbeitsmarkt Nummer 1 für Schattenwirtschaft oder Schwarzarbeit in Deutschland ins reguläre System zu holen – nichts weniger; denn in den Privathaushalten findet Arbeit auf Hunderttausenden Teilzeitarbeitsplätzen derzeit zu Bedingungen von 15 bis 20 DM bar auf die Hand statt.
Wenn es gelingt, einen Teil davon zum ersten Mal ins reguläre System zu holen, so bringt dies für alle Vorteile. Deshalb bin ich sicher, dass die Bundesratsinitiative unseres Landes zum Thema Dienstleistungsbeschäftigungen sich zu einem wesentlichen Teil refinanziert, wenn man volkswirtschaftlich und nicht in Einzelhaushalten, beispielsweise in einzelnen Budgets der Bundesministerien, rechnet.
Ich darf in Erinnerung rufen, wenn ein Privathaushalt eine geringfügige Beschäftigung anmeldet, schlagen wir eine 30 %ige Unterstützung durch den Staat von bis zu 300 Euro monatlich vor. Wenn er eine echte sozialversicherungspflichtige Teilzeitstelle schafft, schlagen wir 50 % Zuschlag bis zu 300 Euro monatlich vor. Das Ganze soll durch vermittelnde Agenturen erleichtert werden, damit der Normalhaushalt, der in der Regel mit solchen Dingen nichts zu tun hat, von dem Papierkram verschont bleibt und nicht mit dem Finanzamt oder der Sozialversicherung verhandeln muss. Ich bin sicher, dies ist zu Bedingungen möglich, die auf Dauer marktfähig sind.
In Frankenthal haben wir einen Modellversuch durchgeführt, der damals exorbitant hohe Kosten von über 1 Million DM jährlich verursacht hat. Aber wenn wir es richtig machen, kann daraus ein Teilarbeitsmarkt entstehen, der in einigen Jahren im Ergebnis sechsstellige Zahlen an Arbeitsplätzen bringen kann.
Im Bund höre ich von allen Seiten: Es ist toll, was ihr vorgeschlagen habt, aber wir können es noch nicht finanzieren.
Der Bundesarbeitsminister und der Bundesfinanzminister schauen natürlich sofort auf den Förderweg, den wir vorgeschlagen haben. Ganz töricht sind wir auch nicht. Ich darf einmal aus dem Nähkästchen plaudern: Das
Finanzministerium hat vorgeschlagen, die Arbeitsverwaltung für diese Förderzulage vorzusehen. - Man kann sicherlich darüber reden, wie es gemacht wird, wenn es auf Bundesebene schrittweise eingeführt wird.
Meine Damen und Herren, aber entscheidend ist, es darf nicht das alte „Dienstmädchenprivileg“ angewendet werden – das ist ein schlechtes Wort, das sage ich gleich dazu –, es darf sich nicht wie in der alten Förderung nur für Privateinkommen über 50.000 Euro lohnen. Das war der Fehler der alten Konstruktion. Es darf auch nicht nur für Steuerzahler lohnend sein, sondern muss sich beispielsweise auch für Sozialrentner rechnen. Rentnerhaushalte haben unter Umständen einen größeren Bedarf an Haushaltsdienstleistungen sowie Pflegeergänzungs- oder Pflegehilfeleistungen. Als Stichwort nenne ich Polinnen und alles, was sonst noch dazugehört.
Meine Damen und Herren, wenn dies, wie ich vermute, in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags eingeführt wird, können wir einen Konstruktionsfehler uns erer Arbeitsmarktpolitik an einer ganz entscheidenden Stelle wirksam beseitigen. Wir wollen in diesem Jahr mit einem Modellversuch in Zusammenarbeit mit Manpower, einer Zeitarbeitsfirma, beginnen, die diesen Weg gern gehen möchte, wenn die dadurch entstehenden Overheadkosten zu einem Teil oder vielleicht sogar vollständig von der öffentlichen Hand übernommen werden.
Wenn Manpower schwer vermittelbare Frauen, die langzeitarbeitslos waren, in einen Privathaushalt vermittelt, sind wir bereit, den Zusatzaufwand durch Leistungen auszugleichen und beispielsweise auch geringere Sozialleistungen, die durch eine solche Vermittlung möglich werden, zur Verbilligung des Stundensatzes und der Vermittlungsbedingungen wieder zurückfließen zu lassen. Wir wissen, wenn heute eine solche Arbeitskraft für 25 DM in der Stunde angeboten wird, und sie bekommt 15 DM pro Stunde bar auf die Hand – bitte rechnen Sie das in Euro um –, so ist dies nicht marktfähig und muss an dieser Stelle marktfähig gemacht werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang das Job-AQTIV-Gesetz ansprechen, da es genau an der Stelle ansetzt, die das Instrument Nummer 1 der Arbeitsmarktpolitik sein muss: Frühe engagierte Vermittlung, am besten sogar noch im alten Arbeitsplatz. Das ist ein Grund dafür, weshalb wir in den letzten Jahren bei bestimmten Projekten in RheinlandPfalz besonders erfolgreich waren.
Ich erinnere an die Zivilbeschäftigten bei den Streitkräften, bei denen dieses Modell funktioniert hat. Ich nenne auch Beispiele wie die Pfaff-Auffanggesellschaft, mit der es uns gelungen ist, Arbeitslosigkeit durch Kombination verschiedener Instrumente, wie beispielsweise Abfindungen, die eingeflossen sind, Leistungen der Arbeitsverwaltung und den Einsatz von Vermittlern, die sich früh unternehmerisch mit den durchaus qualifizierten langfristigen Arbeitnehmern eines Industriebetriebs auseinander gesetzt haben, zu vermeiden.
Das Job-AQTIV-Gesetz wird eine Menge bewirken. Es wird im Augenblick zu sehr kleingeredet. Es wird vor
allem die Arbeitsverwaltung in die Lage versetzen, viel frühzeitiger als bisher tätig zu werden.
Ich erwähne darüber hinaus die Kampagne „Landarbeit“, die zusammen mit den Bauernverbänden und den Landwirtschaftskammern auf Landesebene durchgeführt wurde. Meine Damen und Herren, ich finde mich einfach nicht damit ab, dass es nicht möglich sein soll, sowohl Saisonbeschäftigung als auch Ganzjahresbeschäftigung, die es in der Landwirtschaft gibt, ausschließlich mit ausländischen Hilfskräften zu organisieren. Ich erinnere an die Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Billen. Wir haben in den verschiedenen Regionen des Landes immerhin zweistellige Vermittlungsergebnisse in Dauerarbeitsplätze im Bereich der Landwirtschaft erreicht. Ich denke, dies ist ein wichtiger Anfang.
Ich möchte auf die Arbeitszeitberatung hinweisen, mit der wir die ideenlose und kontraproduktive Verwendung von Überstunden eindämmen können, die es in Deutschland in viel zu hohem Maß gibt. Dies ist natürlich auch ein Hinweis darauf, dass möglicherweise Flexibilität an anderer Stelle fehlt. Dies ist zweifellos ein Bypass, der genutzt wird, der aber kontraproduktiv ist, weil er nur den Belegschaften in Geld zugute kommt, die in den Betrieben arbeiten, den Familien vielleicht sogar schadet, aber keine neuen Mitarbeiter in die Betriebe bringt.
Meine Damen und Herren, ich finde, das Stichwort „Flexicurity“ drückt eine gute Philosophie aus und zeigt auf, in welchen Bereichen wir noch besser werden können und besser werden müssen, auch über das hinaus, was bereits geschieht. Es bestehen Widersprüche, die sich auf den ersten Blick nicht vereinbaren lassen, etwa die relativ hohe Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem hohen Fachkräftemangel.
Wenn dies so ist, macht es doch keinen Sinn, ausgerechnet diejenigen Arbeitskräfte früh gehen zu lassen, die hoch qualifiziert sind und die in der Mehrzahl fähig und auch willens sind, möglicherweise an einem leicht veränderten Arbeitsplatz noch einige Jahre zu arbeiten. Darüber reden wir derzeit mit dem Betriebsrat und der Unternehmensleitung von KSB in Frankenthal. Dort wird ein Projekt durchgeführt, das zum Ziel hat, ältere Arbeitnehmer im Betrieb zu halten. Die IG Metall und auch andere Vertreter der Wirtschaft beteiligen sich daran und wollen etwas versuchen, was bisher nicht möglich war.
Man kann nicht alle Industriearbeiter, die für die Schichtarbeit oder die körperlich belastende Arbeit nicht mehr kräftig genug sind, an die Pforte setzen. Also muss man andere Wege finden. Wir suchen diese Wege, und wir werden sie finden.
Wir müssen mit ergänzenden Formen der Beschäftigung flexibler werden, dürfen aber nicht die Unsicherheit in das Kernbeschäftigungsverhältnis hineintreiben. Meine Damen und Herren, wir können nicht durch angelsächs ische Reformen dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin, die einen guten Arbeitsplatz haben und davon ihre Familie ernähren können müssen, den Keil der Unsicherheit in das normale Arbeitsverhältnis hineintreiben. Dies kann nicht das Ziel einer Modernisierung sein. Wir müssen flexibler werden, wenn es um ergänzende
Beschäftigung geht, damit eine Wirtschaft atmen kann und, wenn sie sich wieder erholt hat, neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen kann. Wir dürfen die Uns icherheit bei den Menschen nicht so verankern, dass sie wie in anderen Ländern gezwungen sind, zwei oder drei Jobs anzunehmen, um ihre Familie ernähren zu können. Ich bin sicher, das werden wir gemeinsam verhindern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gerade weil es eine lohnende Debatte ist, möchte ich zwei letzte Anmerkungen machen, damit sich unter Umständen nichts verfestigt, was ich vorhin nicht ausdrücklich richtig gestellt habe. Ich bleibe bei der Aussage, dass das „Mainzer Modell“ ein Potenzial von 100.000 Arbeitsplätzen hat. Ich weiß aber inzwischen genauer, dass wir, um diesen Erfolg zu erreichen, von Strukturen abhängig sind, die wir selbst nicht voll beeinflussen können. Deswegen sage ich inzwischen, 50.000 bis 100.000 sind erreichbar, wenn alle wollen und das Modell noch einmal modifiziert wird.
Herr Fraktionsvorsitzender Böhr, zu Ihrem Beitrag möchte ich sagen, wir können uns vermutlich auf zweierlei einigen, zum einen darauf, dass der Sozialstaat in Deutschland zu teuer ist. Ein wesentlicher Grund ist zum Beispiel das Gesundheitswesen, bei dem wir bei mittlerer Qualität inzwischen europaweit an der Spitze der Kosten stehen. Das ist ein Grund, allerdings nicht der Einzige. Wir können uns aber möglicherweise auch darauf einigen, was ich hoffe, dass die Art und Weise, wie wir den Sozialstaat finanzieren, ebenfalls ein Konstruktionsfehler ist. Wir überlasten den Faktor Arbeit, übrigens auf beiden Seiten.
Deswegen bin ich auch froh und sage dies jetzt ohne jeden Schlenker zu der K-Frage und beginnendem Wahlkampf, dass die Union nicht mehr verlangt, die Ökosteuer abzuschaffen. So unvollkommen die Ökosteuer sein mag, sie ist zumindest ein Instrument, das in die richtige Richtung weist, nämlich im Zweifel den Verbrauch mehr als die Arbeit zu belasten. Sie wissen, wenn wir die Ökosteuer abschaffen würden, hätten wir Rentenbeiträge, die weit über 20 % lägen. Deswegen gehen wir diesen Weg noch weiter, dass wir sagen, wenn schon Belastung, dann aber an der Stelle weniger, wo sie heute besonders spürbar ist, nämlich bei dem Faktor Arbeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann an vieles Gesagte anknüpfen, das ich nicht wiederholen möchte.
Es ist richtig, dass die Forderung des Marburger Bundes besteht, 15.000 zusätzliche Krankenhausärzte einzustellen. Das sagt Herr Montgomery, und derselbe Herr Montgomery räumt ein, dass es diese Ärzte derzeit auf dem Arbeitsmarkt nicht gibt. Sie können auch nicht in kurzer Zeit dafür ausgebildet werden.
Wenn es ginge, würde die kurzfristige Einstellung von 15.000 Krankenhausärzten bedeuten, dass wir dem gesetzlichen Krankenversicherungswesen und den anderen Kostenträgern Mehrausgaben zumuten, die nicht unter 750 Millionen Euro im Jahr liegen.
Das ist derselbe Betrag, den die Bundesgesundheitsministerin hofft, durch ihre Sparmaßnahmen bei den Ar zneimittelausgaben einzusparen. In dieser Größenordnung möchte die Bundesregierung derzeit einsparen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Dieses Ziel würde also durch die Einstellung von 15.000 Krankenhausärzten konterkariert. Ich möchte dies nur sagen, damit die Größenordnung deutlich wird.
Im Übrigen müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass die Gesundheitspolitik eine wichtige Aufgabe hat. Sie nimmt die Verantwortung für die Öffentlichkeit gegenüber den Beteiligten im Gesundheitswesen wahr, und die Bundesgesundheitspolitik normiert gesetzlich und bindet die Beteiligten an die gesetzlichen Vorgaben.
Es kann jedoch nicht so sein, dass die Gesundheitspolitik auf der jeweiligen Ebene für alle Beteiligten im Einzelnen durchführungshaftbar gemacht wird. Es kann nicht sein, dass der Gesundheitsminister die Instanz ist, wenn beispielsweise die Arbeitszeitregelungen bei einem bestimmten Krankenhausträger nicht stimmen.
Wenn mit Arbeitszeitregelungen nicht vernünftig umgegangen wird, ist die erste Beschwerdeinstanz nicht der Gesundheitsminister, sondern es gibt die Tarifvertragsparteien, den Krankenhausträger oder die Instanzen, die die Einhaltung von Gesetzen überprüfen und die wir im Augenblick gezielt darauf ansetzen. Es gibt vielfältige Beteiligte. Die Macht und die Zuständigkeit der Gesundheitspolitik ist gewissermaßen auf die Rahmengebung und die Überwachung darüber begrenzt, dass diese Rahmengebung weitgehend eingehalten wird, nicht
jedoch auf die Durchführung der einzelnen gesetzlichen Vorgaben.
Es ist unbestritten, dass wir nur Probleme im ärztlichen Bereich, nicht jedoch im Pflegesektor haben. Dies hängt damit zusammen, dass bisher alle Beteiligten der Überzeugung waren, dass ein volles Schichtsystem bei den Ärzten, unabhängig davon, ob es von ihnen gewünscht wäre – dazu ist von Herrn Kollegen Brinkmann und anderen etwas gesagt worden –, die Folge hätte, dass Ärzte dann im Krankenhaus sind, wenn nichts los ist.
Dann sind sehr wohl Schwestern erforderlich, aber nicht in jedem Fall eine besonders hohe Zahl fachärztlich qualifizierter und spezialisierter Ärzte. Diese braucht man, wenn sozusagen der Hauptbetrieb läuft, und man braucht sie im Bedarfsfall, aber nicht im Regelfall.
Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfragen.
Es gibt natürlich auch eine Vielzahl von Bereitschaftsdiensten, in denen eine Stunde Arbeit und neun Stunden Schlaf möglich sind. Auch das gibt es.
Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele. Aber wie wollen Sie beispielsweise in einem gut organisierten Krankenhaus, das nicht von einer ganz besonderen Situation, beispielsweise von einer schweren Grippewelle in einer Region oder durch Großschadensereignisse in der chirurgischen Notversorgung erfasst wird, – – – Wenn solche Sondersituationen nicht vorhanden sind, ist es völlig unmöglich, dass wir einen Bereitschaftsdienst, der mit einem hohen Anteil an Ruhemöglichkeiten verbunden ist, wie einen vollen Einsatz bezahlen und das Vollschichtsystem auf alle Ärzte übertragen.
Ich leugne nicht die Probleme, die es in verschiedenen Krankenhäusern gibt. Aber dass diese Probleme in den letzten Monaten des vergangenen Jahres besonders breit dargestellt worden sind, hängt auch damit zusammen, dass Herr Montgomery auf der Bundesversammlung des Marburger Bundes vor seiner Wiederwahl stand.
Herr Montgomery ist ein Gewerkschaftsvorsitzender, der mir voller Stolz gesagt hat: Lieber Herr Gerster, es gibt nur zwei Gewerkschaften, die derzeit bei den Mitgliedern zulegen. Das ist der Marburger Bund und eine weitere Gewerkschaft.
Dann werden solche Muskeln gemacht, und das Ganze ist natürlich auch ein Rollenspiel. Von demselben Herrn wird beispielsweise gesagt: Ich habe der Bundesregierung Vorschläge gemacht, wie sie dieses Problem in diesem Jahr unter Umständen ziemlich tief hängen kann. Aber sie ist darauf nicht eingegangen. – Nun ja!
Ich möchte auch etwas zu der objektiven Veränderung der Belastungssituation für das ärztliche Personal und das gesamte Personal in den Krankenhäusern sagen. Das Verhältnis von Krankenhauspflegetagen zu Vollkräften ist von 6,8 im Jahr 1991 auf 4,5 im Jahr 2000 zurückgegangen.
Die Wahrheit ist, dass wir eine enorme Verbesserung und Verstärkung des Krankenhauspersonals haben. Die Wahrheit ist, dass wir in Deutschland über 50 Milliarden Euro im Jahr für das Krankenhauswesen ausgeben.
Die Wahrheit ist auch, dass wir durch eine Verdichtung der Arbeit eine höhere Belastungssituation haben, die aber durch die Mehreinstellung nicht völlig aufgezehrt worden ist.
Herr Dr. Altherr, wenn Sie neben dem Sich-Aufregen auch ab und zu zuhören würden, – – –
Ich bitte nur darum, sonst nichts. Ich bitte nur darum.
Die Wahrheit ist auch, dass wir bei unserer derzeitigen Überprüfungsaktion festgestellt haben, dass es Krankenhäuser im Land gibt, in denen es ganz offensichtlich keine Probleme gibt, und dass es andere Krankenhäuser gibt, in denen es diese Probleme gibt. Dort muss man der Situation auf den Grund gehen.
Ich will die ersten Ergebnisse der Schwerpunktaktion der Gewerbeaufsicht knapp skizzieren. Der Endbericht ist noch nicht erstellt. Natürlich wird er Ihnen sehr bald zur Verfügung gestellt, sodass Sie alles im Einzelnen nachvollziehen können.
Die Gewerbeaufsicht war bisher in 45 Krankenhäusern in Rheinland-Pfalz und hat die Arbeitszeiten von mehr als 2.000 Ärzten und mehr als 10.000 nichtärztlichen Beschäftigten überprüft. Sie stellte fest, dass im Bereich des Pflegedienstes feste Schichtpläne bestehen und wir damit dort im Wesentlichen im grünen Bereich sind.
In 36 der 45 überprüften Kliniken waren nach dem Arbeitszeitgesetz Aufzeichnungen über die werktägliche
Arbeitszeit der Ärzte von mehr als acht Stunden zu führen.
In 14 dieser 36 Kliniken, die zu dieser Aufzeichnungspflicht angehalten waren, fehlten die entsprechenden Aufzeichnungen. In 15 Kliniken wurden die geleisteten Überstunden nicht aufgeschrieben. Die tatsächliche Dauer des Bereitschaftsdienstes war in 16 von 45 Krankenhäusern nicht angegeben.
Die größte Problematik zeigte sich bei der Anzahl der Überschreitungen der maximal zulässigen Arbeitszeit von täglich zehn Stunden. In 31 von 45 Kliniken wurde die maximal zulässige Arbeitszeit überschritten.
Auch die tarifvertraglichen Regelungen, die die Zulässigkeit einer Beschäftigung im Anschluss an den Bereitschaftsdienst beinhalten, wurden in 8 Fällen nicht beachtet. Um das sehr deutlich zu sagen, das ist nicht hinzunehmen. Das macht auch klar, dass die Klagen ihre Berechtigung haben, auch wenn die Dimension der Klagen unter Umständen nicht immer mit objektiven Entwicklungen verbunden ist.
Wir haben die Gewerbeaufsicht deswegen gebeten, Beratungsgespräche zu führen. Darüber hinaus gibt es eine Arbeitsgruppe „Arbeitszeit in Krankenhäusern“ im Ministerium mit allen Beteiligten, die die Konsequenzen aus diesen Untersuchungen ziehen soll. Wir werden Ihnen in wenigen Monaten den Schlussbericht dieser Untersuchung vorlegen. Zum 1. Juli 2002 ist dieser Bericht zugesagt. Sie bekommen dann den Bericht über die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den Krankenhäusern.
Ohne jeden Zweifel gibt es Probleme, aber wir müssen damit so umgehen, dass wir die Probleme lösen und nicht durch ein Überziehen in der öffentlichen Darstellung Barrieren aufbauen, die dann nicht mehr zu überwinden sind.
Ich kann auch keinem angestellten Arzt im Land raten, sich dem vom Marburger Bund angedrohten Computerstreik anzuschließen. Das wäre eine Pflichtverletzung, die man nicht hinnehmen könnte. Ich würde kein Krankenhaus daran hindern, dies disziplinarisch und rechtlich in aller Konsequenz zu ahnden. Das geht nicht.
Der Marburger Bund sollte sich deshalb auf eine Linie besinnen, die ihn auch als Partner seriös und verhandlungsfähig erhält.
Meine Damen und Herren, diese Linie des Landes Rheinland-Pfalz ist von der Gesundheitsministerkonferenz im November des vergangenen Jahres einstimmig beschlossen worden. 16 Länder haben unserem Antrag, den wir eingebracht haben, zugestimmt. An dem Ergebnis 16 zu 0 sehen Sie, dass die Problemlage in allen Ländern ähnlich eingeschätzt wird. Ich beteilige mich durchaus auch an einer Kritik, dass sich der Bund mit der Überprüfung des europäischen Urteils zu viel Zeit
lässt. Ich bin mit Ihnen sofort dabei, wenn es darum geht, in einem Rahmen, den wir gemeinsam verantworten und gestalten können, das Problem zu lösen, aber nicht mit Maximalforderungen, die nicht einmal umgesetzt werden könnten, wenn wir das Geld, das wir dafür nicht zur Verfügung haben, bereitstellen könnten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich betone noch einmal, dass wir jetzt nicht die unterschiedliche Situation an verschiedenen Häusern aufarbeiten können. Es gibt aber diese sehr unterschiedlichen Situationen. Es gibt Häuser, die gut organisiert sind. Vielleicht sollte man sich einmal die Mühe machen, genau zu schauen, warum es dort gut läuft.
Herr Kollege Dr. Rosenbauer, Sie haben gefragt, wie die Belastungszahlen zu interpretieren sind. Es sind die Belastungszahlen für das ärztliche Personal, die ich genannt habe, also eine Reduzierung bezogen auf die Pflegetage von Vollkräften zu Pflegetagen von 6,8 im Jahr 1991 auf 4,5 im Jahr 2000.
Ich möchte eine letzte Bemerkung anfügen. Wenn die Einführung des Fallpauschalensystems das Ergebnis haben wird, das es haben soll, dann werden wir im Krankenhaussektor Kapazitäten deutlich zurückschneiden. Bis zum Jahr 2007 werden die Fallpauschalen in allen Häusern ohne Einschränkungen – nur mit gewissen Zu- und Abschlägen – eingeführt sein. Alles, was wir gemeinsam auf mittlere Sicht anlegen, zum Beispiel auch die Gestaltung der Nachwuchsgewinnung, muss darauf gerichtet sein, diese künftigen Strukturen, die gegenüber heute deutlich reduziert sein werden und sein
müssen, zu berücksichtigen. Das, was wir machen, muss kurz- und mittelfristig mit der Entwicklung zusammenpassen, die die Politik für das stationäre Gesundheitswesen für notwendig hält. Das meine ich jetzt parteiübergreifend.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Rosenbauer, Sie haben gesagt, das Budget ist das Hauptproblem, also mehr Geld ins System, in diesem Fall ins Krankenhaus.
Sie haben es nachher abgemildert durch die Unterstützung von Reformüberlegungen, die über das jetzige System hinaus gehen.
Aber wenn Sie sagen – stark vereinfacht –, es muss mehr Geld ins Krankenhaus, dann sagen Sie bei dem jetzt schon teuersten Sektor des deutschen Gesundheitswesens exakt das Gegenteil von dem, was Ihr Fraktionsvorsitzender heute Morgen über die Kosten des
Sozialstaats in einer arbeitsmarktpolitischen Rede gesagt hat.
Wenn man die beiden Reden nebeneinander legt, dann ist der Widerspruch mit Händen zu greifen. Dann einigen Sie sich bitte. Brauchen wir mehr Geld für das Gesundheitswesen, oder sagen wir, 14 % Beiträge sind bereits zu hoch – das sage ich –, und über 50 Milliarden, die wir bundesweit für die Krankenhäuser zahlen, sind bereits sehr viel Geld, das lässt sich nicht mehr ohne Weiteres steigern?
Herr Abgeordneter Marz, Ihre grobe Verzerrung meiner Argumentation, die im Grund genommen einer üblen Unterstellung nahe kommt, die ein gewolltes Missverständnis ist – Sie argumentieren im geschlossenen Raum im Ausschuss, wie es Ihnen auch möglich ist, in einer sehr differenzierten Weise, nachdenklich, offen für alle Argumente Pro und Kontra, und stellen sich dann hier vor dem Publikum hin und machen sozusagen den Holzschneider –, ist ein bisschen zu einfach. Heute Morgen haben Sie gesagt: In Koblenz sind Sie gefragt worden und konnten nicht antworten. – Sie waren nie in Koblenz bei dieser Tagung. Also bitte nicht so trickreich.
Ich sage noch einmal zum Mitschreiben: Das Kostenproblem ist ein Kostenproblem, aber selbstverständlich ist das Krankenhaus kein rechtsfreier Raum. Die öffentliche Hand hat verdammt noch einmal die Pflicht, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen, das heißt, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zum Beispiel und im Übrigen auch die Mitarbeiterrechte. Da wird immer gesagt, die Ärzte wagen nicht, sich zu beschweren, weil sie sofort ihren Job verlieren. Gibt es keine starken Gewerkschaften in den Krankenhäusern, die auch Macht haben? Der Marburger Bund macht solche Muskeln. Kann der nicht durch Rechtsschutz seine Mitglieder so vertreten, dass sie, wenn sie klar aussagen, wie sie im Einzelfall ausgebeutet werden, dann auch davor geschützt werden, ihre Existenz zu verlieren? Sind wir im Jahr 1900 oder im Jahr 2002?
Dasselbe gilt für ver.di. Also bitte, überzeichnen wir nicht. Es ist genug Geld im System. Es muss an der richtigen Stelle ausgegeben werden. Wo wir zu viel ausgeben, müssen wir es wegnehmen, damit an der einen oder anderen Stelle auch im Einzelfall mehr Personal beschäftigt werden kann, im Einzelfall, aber nicht sozusagen als große Linie mit den geschätzten und genannten Milliardenbeträgen. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Rechtssicherheit für alle Beteiligten im Krankenhaus durchgesetzt wird und Zivilcourage nicht nur eingefordert, sondern auch möglich wird, weil niemand
um seine Existenz bangen muss, wenn er sagt „bis hierhin und nicht weiter“.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Rosenbauer beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2: Die Besorgnis erregende Entwicklung der Arzneimittelausgaben in diesem Jahr, aber auch das abgeschwächte Wirtschaftswachstum haben in besonderer Weise zur Kostensteigerung in der gesetzlichen Krankenversicherung beigetragen. Es besteht also einerseits ein besonderes Ausgabenproblem, insbesondere im Arzneimittelsektor, andererseits ein besonderes Einnahmenproblem durch höhere Arbeitslosigkeit und damit einhergehend sinkende Beitragseinnahmen.
Die Rechnungsergebnisse für die ersten drei Quartale 2001 verzeichnen für die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von über 6 Milliarden DM. Im letzten Quartal, in dem wir uns derzeit befinden, können zusätz
liche Einnahmen aus Einmalzahlungen, vor allen Dingen Weihnachtsgeld, erwartet werden, sodass für das gesamte Jahr 2001 mit einem Defizit von etwa 4 Milliarden DM gerechnet werden muss.
Ganz besonders fällt in diesem Zusammenhang das Wachstum der Arzneimittelausgaben von über 10 % ins Gewicht. Demgegenüber sind die Ausgaben für ärztliche Behandlungen und für Krankenhausbehandlungen sehr unauffällig gestiegen. 2,5 Milliarden DM des geschätzten Defizits von 4 Milliarden DM gehen also zulasten des Arzneimittelsektors.
Dieser Ausgabenentwicklung konnte sich auch die AOK Rheinland-Pfalz nicht entziehen. Nach den Berechnungen der AOK wird sie das Geschäftsjahr 2001 voraussichtlich mit einem Defizit von rund 88 Millionen DM abschließen. Dabei werden die Ausgaben für Arzneimittel gegenüber dem Haushaltsansatz mit etwa 82 Milliarden DM deutlich über dem Vorjahresergebnis liegen.
Die AOK Rheinland-Pfalz wird das Haushaltsjahr 2001 insgesamt mit einem Betriebsmitteldefizit von rund 122 Millionen DM abschließen. Um dieses Defizit aufzufangen und die zu erwartenden Leistungsausgaben im kommenden Jahr finanzieren zu können, hat der Verwaltungsrat der AOK Rheinland-Pfalz am 26. November den vom Vorstand für das Jahr 2002 aufgestellten Haushaltsplan mit einem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 % festgestellt und bes chlossen. Dies sind 0,5 % mehr, als der Beitragssatz derzeit beträgt. Über die Genehmigung der Beitragserhöhung wird das Ministerium als Aufsichtsbehörde in Kürze entscheiden müssen.
Zu Frage 3: Die bevorstehenden Beitragssatzerhöhungen sind in erster Linie eine Belastung für die Lohnnebenkosten. Sie tragen auf der Arbeitgeberseite zu einer Verteuerung des Faktors Arbeit und damit auch direkt und indirekt zu einer Erschwerung des Beschäftigungsaufbaus oder zu einer Verstärkung des Beschäftigungsabbaus in einer Zeit leicht steigender Arbeitslosigkeit bei. Sie führen aber auch dazu, dass auf der Seite der Beitragszahler, also der Haushalte, der Familien, weniger Geld im Budget ist und damit auch weniger Lebensqualität bezogen auf die Kaufkraft im volkswirtschaftlichen Sinn einhergeht.
Zu Frage 4: Die Politik der Landesregierung insgesamt ist darauf ausgerichtet, die Belastung der Versicherten und damit auch die Lohnnebenkosten zu begrenzen, also auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite dazu beizutragen, dass die Belastung des Faktors Arbeit reduziert und auf längere Sicht deutlich zurückgeführt wird. Die Landesregierung hat deswegen die Rentenreform unterstützt, die dazu beiträgt, dass der Rentenbeitrag stabil auf einem deutlich niedrigeren Niveau bleibt, als er noch vor wenigen Jahren gelegen hat. Sie erinnern sich, er lag einmal bei 21 %, und heute liegt er bei 19 %.
Die Landesregierung ist sich auch darüber einig – dies hat sie in der Koalitionsvereinbarung formuliert –, dass eine Gesundheitsreform über das bereits Angelegte hinaus notwendig ist. Sie stimmt darin überein, dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
überprüft werden muss, aber das, was für notwendig gehalten wird, in einem überprüften Leistungskatalog auch weiterhin durch die gesetzliche Krankenversicherung gewährleistet bleiben muss.
Darüber hinaus besteht Einigkeit darüber, dass im Gesundheitswesen mehr Wettbewerb notwendig ist. Dazu gehört die Vertragsfreiheit. Dazu müssen bestimmte Systementscheidungen getroffen werden, die mit Sicherheit zeitlich nicht mehr in dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages möglich sind und deswegen für die Zeit unmittelbar nach der Neuwahl des Deutschen Bundestages und der Neubildung der Bundesregierung vorbereitet werden müssen.
Herr Dr. Rosenbauer, meine Damen und Herren, ich bitte aber auch zu berücksichtigen, was bereits derzeit auf dem Weg ist. Ich erwähne in diesem Zusammenhang insbesondere die Entgeltreform im Krankenhauswesen, die schrittweise dazu führen wird, dass durch mehr Wettbewerb in den Krankenhäusern der teuerste Ausgabenblock der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisiert wird. Man darf diesen Wettbewerb aber auch nicht verhindern.
Ich erwähne darüber hinaus die Reform des Risikostrukturausgleichs, die dazu führen wird, dass wir in den nächsten Jahren einen besseren Wettbewerb um eine besonders gute Versorgung kranker Menschen bekommen und kein Wettbewerb um gesunde, junge und gute Beitragszahler entsteht, wie dies im Augenblick der Fall ist. Dies ist eine Entartung des Wettbewerbs, die nicht hingenommen werden kann.
Dies sind Reformen, die angelegt sind. Ich verweise auch auf die Arzneimittelgesetzgebung, die durch die so genannte Aut-Idem-Regelung dazu führen soll, dass es bei den Arzneimitteln mehr Preiswettbewerb geben wird. Dies ist noch im Entstehen, aber ich bin zuversichtlich, dass durch solche Entscheidungen, die in den nächsten Monaten getroffen werden, noch in dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages vieles auf den Weg gebracht werden kann, was sich mittelfristig kostendäm pfend auswirken wird.
Was die Ausgestaltung der Gesundheitsreform 2003 anbelangt, so wissen Sie vermutlich, dass ich mich so wie auch andere innerhalb und außerhalb des Landes an der Debatte beteiligt habe. Es gibt weitgehende Übereinstimmung, aber sicherlich auch noch abzustimmende Elemente, sodass sich die Landesregierung wie üblich im Bundesrat eine Meinung bilden wird, die, wie ich hoffe, eine große Schnittmenge aufweisen wird.
Herr Kollege Dr. Rosenbauer, wenn man die gesetzliche Krankenversicherung sektoral betrachtet, dann haben diese von Ihnen genannten Verschiebungen zwischen den verschiedenen Arten der Sozialversicherung natürlich eine unmittelbare Auswirkung auf die Einnahmenseite der GKV. Das ist richtig. Ich sage Ihnen aber ganz offen, ich bin an dieser Stelle nicht so leidenschaftlich wie andere, weil wir mit 90 % einen sehr hohen Anteil der gesetzlich Versicherten in der Bevölkerung haben, sodass es im Grunde nicht so entscheidend ist, ob Sozialabgaben nun in die eine oder in die andere Kasse fließen.
Ich weiß, dass das aus Sicht einer gesetzlichen Krankenkasse etwas anders aussieht, aber für die Gesam tbelastung der Volkswirtschaft und der Haushalte ist es nicht entscheidend, ob es über die Steuerseite oder über die Beitragsseite erhoben wird. Das möchte ich zum Beispiel zum Thema Mehrwertsteuer bei den Arzneimitteln sagen.
Entscheidender ist, dass wir die Belastung insgesamt senken und Systementscheidungen herbeiführen, die an der Ursache anpacken. Nicht so entscheidend ist, dass wir zwischen den verschiedenen sozialen Kassen hinund herschieben.
Herr Kollege Dr. Rosenbauer, ich bin in der „FAZ“ nach einem Gespräch zitiert worden, in dem es um die Koali
tionsfrage ging. Mir wurde die Frage gestellt, ob das Mainzer Koalitionsmodell nicht so strahlend sei, dass es gewissermaßen alles überstrahle und der Königsweg in allen Ländern und bundesweit sein müsste.
Auf diese Frage habe ich gesagt, dass ich für Realismus bin. Dies bedeutet, es gibt Schnittmengen mit den Sozialliberalen, die nicht gering sind. Diese liegen aber nicht schwerpunktmäßig auf dem Feld der Sozialpolitik. Es gibt Schnittmengen mit der rotgrünen Koalition, die vielleicht in dem einen oder anderen Punkt mehr auf dem Feld der Sozialpolitik liegen. Man muss einfach abwägen. In diesem Fall bin ich für das komplizierte Wort der Äquidistanz, also des gleichen Abstandes zu möglichen Koalitionspartnern.
Sie spielen auf die Entscheidung zu Beginn des Jahres an, das Arzneimittelbudget aufzuheben. Diese Entscheidung ist umstritten, aber sie ist gleichwohl eine Entscheidung, die verständlich ist; denn der Kollektivregress, der sozusagen theoretisch gedroht hat, dass also dann, wenn die Arzneimittelbudgets überschritten worden wären, bei den Ärzten kollektiv gekürzt worden wäre, wäre de facto nie angewandt worden. Das wissen alle Beteiligten.
Es ist trotzdem umstritten, ob man dieses Instrument aus der Hand geben soll, bevor man ein neues Instrument hat. Das ist ohne jeden Zweifel umstritten. Aber an diesem Beispiel zeigt sich, wie labil das Geschehen ist, wie labil auch das Verhalten der Beteiligten ist. In dem Augenblick, in dem ein so theoretisches Strafinstrument weggenommen wird, brechen alle Dämme. Das zeigt, dass wir neue Elemente der Steuerung im Gesundheitswesen brauchen, weil die derzeitigen nicht mehr greifen. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich an dieser Debatte im Hinblick auf das Jahr 2002 bzw. 2003 intensiv beteilige.
Herr Kollege Dr. Altherr, der Blick in die Koalitionsvereinbarung zeigt, dass sich die Koalitionspartner einig sind, dass der Leistungskatalog überprüft werden muss und dieser überprüfte Leistungskatalog, also das, was notwendig ist, dann auf dem bisherigen Weg der gesetzlichen Krankenversicherung allen zugute kommen muss. Das ist ein klarer Standpunkt.
Wenn es darüber hinaus Leistungen gibt, die dem Markt überlassen bleiben, dann bin ich auch für alles Mögliche. Das darf aber nicht für die medizinisch notwendigen Maßnahmen gelten. Diese müssen weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert bleiben.
Herr Kollege Dr. Altherr, es wäre sehr ergiebig, wenn sich die Union einmal intern zwischen CDU und CSU einig würde, ob sie Zuzahlungen oder Grund- und Wahlleistungen möchte. Das geht wild durcheinander. Ich kann Ihnen das belegen.