Joachim Mertes

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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche als Abgeordneter meiner Heimatregion Hunsrück. Ich rede aber auch für Zweibrücken, den Flughafen Frankfurt-Hahn, für den Airport Weeze und auch für Saarbrücken. Das müssen wir grenzübergreifend tun. Worum geht es? – Soeben hat diese Koalition eine Luftverkehrsabgabe beschlossen. Frage an uns alle: Wo gibt es das noch?
Nirgends gibt es das noch. Das heißt, wir haben für die eben genannten grenznahen Flughäfen mit ca. 10.000 bis 12.000 Mitarbeitern eine einseitige Wettbewerbsverzerrung.
Das ist in den Niederlanden schon einmal ausprobiert worden. Es ist zurückgenommen worden, weil es riesige volkswirtschaftliche Schäden gegeben hat.
Der Kollege Brüderle, der Wirtschaftsminister, hat in der Zeitung „hahn affairs“ erklärt, er ist dagegen. Das Ergebnis sehen wir heute. Es ist eine einseitige Belastung nur für die grenznahen Flughäfen in Deutschland.
Meine Damen und Herren, das ist vor dem Bild hochinteressant, dass wir gestern noch über die Leute gesprochen haben, die unser Geld verbrannt haben, die als Eurozocker oder Spekulanten unterwegs waren und die Banken regulieren wollten. Da hat diese Koalition gesagt – in Berlin, versteht sich; nicht alles, was aus Berlin kommt, macht einem Freude im Land –, das kann man nur europaweit klären, weil wir sonst Nachteile für unser deutsches Bankensystem haben werden. Dies kann man nicht mitten in Deutschland allein und isoliert machen. Das geht nur in Europa.
Was ist die Botschaft an die Menschen? – Du musst Spekulant, Geldverbrenner, Zocker sein, dann wird man dir helfen.
Dann gibt es eine europäische Lösung. Bist du aber Ingenieur, Stewardess, Copilot oder Putzfrau auf einem Flughafen, dann werden wir dir nicht helfen.
Meine Damen und Herren, das ist die Botschaft.
So viel übrigens auch zu „Wir stehen zum Hahn“, Herr Kollege Bracht. Sie hätten wenigstens wie Rainer Brüderle den Versuch machen können, es einzuschränken. Aber es geht weiter.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Flughafen nun wirtschaftliche Nachteile erleben wird wie zum Beispiel Eindhoven damals, als Weeze wuchs, dann werden Sie sagen, meine Damen und Herren, sehen Sie, wir wussten es schon die ganze Zeit, ein Land kann keinen Flughafen wirtschaftlich führen, nachdem Sie perfiderweise vorher die Wettbewerbsverzerrung eingeführt haben.
Meine Damen und Herren, das ist das Schlimme an der Geschichte.
In sechs Monaten wird der Tag kommen. Da werden Sie hier sagen, Sie haben immer noch keinen Investor im privaten Bereich gefunden.
Natürlich werden die Investoren Schlange stehen, wenn sie in eine instabile rahmenpolitische Lage wie die gestellt werden, was Sie mit unseren grenznahen Flughäfen vorhaben. Jeder wird sagen: Wo darf ich mich anstellen, eintragen und Investor werden bei solch einer Bundesregierung, die instabile Situationen herausfordert und managt?
Meine Damen und Herren, keine Chance dürfen Sie haben, das hier vorzutragen.
Meine Damen und Herren, wir haben gerade gehört, dass die großen Energiekonzerne eine Steuer bezahlen müssen. Das können andere bewerten. Aber das Interessante an der Steuer ist – das geht auch an die FDP –, dass Sie ein Zeitfenster festgelegt haben. Es war Ihnen wert, denen zu sagen, es wird nur eine bestimmte Zeit diese Steuer geben.
Haben wir das Gleiche auch bei den Flughäfen, wenigstens den Versuch?
Ich will Ihnen noch zum Schluss sagen, wir fertigen die Passagiere zurzeit am Hahn für 4,65 Euro und in Luxemburg-Findel für 5 Euro ab. Wenn Sie nun 8 Euro aufschlagen, wie das vorgesehen ist, dann wird ganz bestimmt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Flughäfen entscheidend unterstützt. Herzlichen Dank für diese Unterstützung!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist nicht mehr genau in Erinnerung, warum mich meine Fraktion vorgeschlagen hat. Sie hat das bestimmt getan, weil ich vor 14 Tagen zum Vorsitzenden des Partnerschaftsverbandes RheinlandPfalz/Burgund gewählt worden bin. Frau Hayn ist meine Stellvertreterin geworden. Diese Zusammenarbeit ist symbolisch für das, was wir tun wollen.
Ich tue das gern, weil die Partnerschaft, die wir mit Burgrund haben, einmalig in Europa ist, was die Tiefe und die Dauer angeht. Sie ist geradezu signalsetzend dafür, wie die deutsch-französische Annäherung entwickelt worden ist und dass aus dieser Annäherung auch Freundschaft geworden ist.
Jetzt entwickeln wir neben dem, was wir an Basis haben, nämlich viele Dörfer, Städte und Gemeinden, die gemeinsame Verbindungen mit Burgund haben, auch die wirtschaftlichen Fragen neu. Burgund hat bereits gehandelt und beschäftigt in unserer Dependance einen
Mitarbeiter, der sich für wirtschaftliche Fragen interessiert. Wir werden das Gleiche nach dem Vorbild unserer Burgunder Freunde demnächst in Dijon tun.
Wir haben aus dieser Partnerschaft weitere Partnerschaften schöpfen können. Es gibt die Zusammenarbeit mit Oppeln und Mittelböhmen. Oppeln und Mittelböhmen sagen sich so einfach dahin. Das sind zwei Länder, die zur Europäischen Union hinzugestoßen sind.
Das ist das eine. Das andere ist das Politische. Wir haben es in Oppeln mit dem deutschen alten Schlesien zu tun. Mittelböhmen ist eine Region, mit der wir es zu tun gehabt haben, nämlich mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. In Böhmen und nicht in Mainz oder Trier hat die erste deutsche Universität gestanden. Es gehört dazu, dass wir mit diesen Ländern wieder Verbindungen schaffen.
Meine Damen und Herren, das Ziel ist es – das lesen Sie auch in dem Antrag; wir haben darüber lange und vernünftig diskutiert –, dass wir es vielleicht in Oppeln schaffen, eine gemeinschaftliche Einrichtung zu errichten, die dieses Vierer-Netzwerk repräsentiert, wie es jetzt das „Haus Burgund“ in Mainz und das „Haus Rheinland-Pfalz“ in Dijon tun.
Wir werden am 1. April 2009 eine neue Stelle mit Aufgaben der Wirtschaftskontakte in unserem „Haus Rheinland-Pfalz“ einrichten. Herzlichen Dank an das Wirtschaftsministerium, das in dieser Frage sehr kooperativ gewesen ist.
Wir werden als konkrete Chance des Austauschs am 29. Juni – der Termin ist den Fraktionen mitgeteilt worden – eine Delegation nach Dijon senden, die dort an der Sitzung des Regionalrates Burgund teilnimmt; denn wir haben zwischen Burgund und Rheinland-Pfalz vereinbart, dass sich auch die Parlamentarier und nicht nur die Administrationen treffen müssen. Ich glaube, diese Ergänzung ist notwendig, auch wenn es kleine Strukturschwierigkeiten geben wird. Wir sind ein Vollzeitparlament. Der Regionalrat ist ein Freizeitparlament.
Meine Damen und Herren, der Landtag und die Landesregierung werden gemeinsam diese Vereinbarung am 19. Juni unterzeichnen. Das ist schon vorgesehen. Zwischenzeitlich wird parallel ein Wirtschaftsforum gegründet sein. Wir wollen mit den Burgundern die Wirtschaftskontakte intensivieren. Das ist das, was sie sich wünschen.
Es wird mit dem Wirtschaftsministerium eine Unternehmerreise nach Burgund geben, um mit burgundischen Partnern gemeinsam nach Zusammenarbeit und danach zu suchen, was wir an Zusammenarbeit verbessern können.
Meine Damen und Herren, deshalb bitten wir Sie, diesem Papier sehr einheitlich zuzustimmen. Denken Sie an die Erwartungen, die in dem letzten Absatz ausgedrückt werden: Es wird damit gelingen, einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Partnerschaft beider Regionen zu leisten, und dies wird zum Nutzen des Landes Rheinland-Pfalz, der Region Burgund und der
Europäischen Union und ihrer Bürgerinnen und Bürger sein. –
Das klingt zwar sehr pathetisch, wäre aber vor 60 Jahren als ein Wunder angesehen worden.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Besuch im Haus, und zwar Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – – –
Entschuldigung, das ist jetzt das alte Gefühl. Herr Präsident, wenn Sie erlauben, darf ich für die SPD
Fraktion als Abgeordneter des Rhein-Hunsrück-Kreises zu dem Thema sprechen.
Danke schön.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Besuch im Landtag, und zwar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Flugplatz Hahn. Wir haben sie eben begrüßt. Wir haben sie als Landtag Rheinland-Pfalz zum Kaffee eingeladen.
Das Thema, über das wir heute reden, geht weit über den Hunsrück hinaus. Was ist die Ausgangsbasis gewesen? Hessen und Rheinland-Pfalz wollten ein Problem lösen, das auch in Mainz, Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt eine Rolle spielt. Das ist die Frage, wie sich bei einer zusätzlichen Landebahn der Nachtflugverkehr entwickelt. Dazu gab es auch von Hessen eine politische Antwort. Wir wollen eine Mediation. Diese ist gemacht worden. Sie haben gesagt: Wir können nachts in diesem Ballungsgebiet nicht so fliegen. –
Daraufhin haben wir uns zusammengesetzt und gesagt: Wir bieten euch an, Frankfurt-Hahn im Hunsrück als Nachtflughafen, als Ersatz für das, was hier nicht mehr möglich ist, zu nehmen. – Das ist also ein Teilen von Lasten im Land. Es ist die Aufgabe der Landesregierung gewesen, sich zu engagieren.
Meine Damen und Herren, nun sind wir da. Wir haben uns die Aufgaben geteilt. Glauben Sie, dass das Dabeibleiben des Landes Hessen nicht genau die Unterstützung dafür ist, dass wir diese strategische Option haben wollen und in Zukunft haben werden?
Wir übernehmen einen Teil des Lärms. Damit das klar ist, das haben alle Abgeordneten, die Bürgermeister und Landräte aus den Bereichen Rhein-Hunsrück, Birkenfeld, Kreuznach und Bernkastel-Wittlich übernommen. Sie wussten, dass sie das ihren Menschen zumuten. Dafür haben sie aber auch erwartet, dass man uns hilft, die Fragen der strukturpolitischen Entwicklung im Hunsrück miteinander zu lösen.
Meine Damen und Herren, diese Antwort hat die Landesregierung gegeben. Sie hat uns geholfen. Herzlichen Dank dafür!
Sie werden uns zu Recht fragen, warum Fraport ausgestiegen ist. Es gibt einen großen Unterschied in der Betrachtungsweise. Das eine ist die betriebswirtschaftli
che Sicht einer Aktiengesellschaft. Das andere ist die volkswirtschaftliche Sicht einer Landesregierung. Ich würde mir manchmal wünschen, die Unternehmen hätten mehr Volkswirtschaftler als Betriebswirtschaftler.
Meine Damen und Herren, wenn wir mit 60 Millionen Euro allein an Steuern und 40 Millionen Euro an Sozialabgaben von diesem Flughafen neben 3.500 Arbeitsplätzen innerhalb des Zaunes und 4.000 Arbeitsplätzen außerhalb des Zaunes profitieren, dann ist die Rechnung aufgegangen. So ist die Wahrheit.
Meine Damen und Herren, es gibt Leute, die wissen alles besser. Lieber Herr Kollege Bracht, ich las z. B., dass Sie dagegen sind, dass Fraport geht. Sie wollen, dass ein tüchtiger Flughafenunternehmer dabeibleibt.
Interessant ist, dass wir die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse, die wir auf dem Hahn haben, in neun Jahren unter Führung der Fraport erreicht haben. So viel sage ich zur Vergötzung der Frage, ob das ein Privater oder das Land richtig machen kann.
Ich sage Ihnen eins, reden Sie im Landtag so, wie Sie draußen im Hunsrück reden. Diese Doppelköpfigkeit ist unangenehm.
Meine Damen und Herren, man muss sich an den Kopf fassen, zumindest die Rhein-Hunsrücker CDU ist zusammen mit der Linkspartei und den GRÜNEN bei der Frage der Ablehnung dieses neuen Modells in einem Boot.
Herr Eymael redet klug daher. Es ist richtig, was er sagt. Wir brauchen neben Ryanair noch jemanden, der mitfliegt. Denken wir einmal fünf Jahre zurück, da war er Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Die Lage war damals genauso wie heute. Was war zu Ihrer Zeit die richtige Methode? Erinnern Sie sich noch?
Wahrscheinlich ist es lange her. Sie erinnern sich nicht mehr. Ich sage Ihnen eins: Wer hierherkommt und über Ryanair polemisiert, der soll über die Lufthansa nachdenken.
Alles, was wir heute an Problemen haben, ist ein Teil der Tatsache, dass Fraport einen Aktionär hat, der Lufthansa heißt und stetig Steine in den Weg legt.
Ich ärgere mich als Abgeordneter dieser Region mit vielen anderen darüber, dass das, was wir alle gemeinsam miteinander geschaffen haben, nur aus kleinen parteitaktischen Gründen zerredet werden soll.
Es war und wird ein Segen sein, dass das Land die Verantwortung übernimmt, meine Damen und Herren.
Ich kann nur eines sagen, wir Hunsrücker danken ganz besonders. Die Menschen in Mainz, Wiesbaden und Frankfurt sollten mitdanken. Wir nehmen ihnen nämlich nicht die Nachtruhe.
Meine Damen und Herren, Sie haben ja recht, man erregt sich manchmal. Aber man kommt nach Hause, die Katze schnurrt, und man schaut in die Zeitung.
Dort steht: „Die Landesregierung steht vor einem schweren Fehler“, äußert sich der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Hans-Josef Bracht, zu den Plänen,
die Fraport AG und das Land Hessen als Anteilseigner vielleicht sogar ab Januar abzulösen.
Meine Damen und Herren, wenn das Solidarität mit der gemeinsamen Sache ist, dann ist das Wort aus Ihrem Sprachgebrauch irgendwie – – –
Kollege Licht äußert sich nicht anders. Er sagt: Hatten die keinen Plan B? – Ich will Ihnen den Plan A erklären. Fraport hat gesagt: Betriebswirtschaftlich brauchen wir 5 Millionen Euro mehr. Nehmen wir den „Hahn-Taler“. Was, Ryanair geht weg? Sehr schlimm. Aber sie wissen doch als Geschäftsführer, wie sie dies zu verhandeln haben. Sie müssen eben Arbeitsplätze abbauen. Das ist mir persönlich geantwortet worden. Genau das haben wir zu verhindern gewusst.
Es kann nicht so gewesen sein, dass das jetzt zwischen Tür und Angel erzählt worden ist. Das haben Sie ganz gezielt gesagt. Ich kann nur sagen, Sie haben eine Fehleinschätzung gemacht.
Vielleicht haben Sie die Einschätzung auch zu früh abgegeben, vielleicht hat auch Kollege Licht zu früh dazu etwas gesagt. In der Region waren wir uns im Klaren: Wenn Ryanair geht, dann werden wir die größten Probleme bekommen; denn mit einem Hauptkunden kann man so nicht umspringen. Damit das auch gesagt ist.
Wenn in Frankfurt die Lufthansa sagt, wir ziehen 10 % unserer Flüge z. B. nach München, dann ist dort auch die Erde am Zittern. Nur machen die es diskreter als Herr O’Leary. Das ist wahr.
Wir werden uns bemühen, jemanden zu holen, der uns hilft. Aber wahr ist: Wer solche Sachen schreibt, der soll sie auch verantworten. Sie werden jetzt ja reden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich eine ungewöhnliche Stunde, in der wir die Diskussion beginnen, aber es ist auch ein ungewöhnliches Thema.
Ich bedanke mich bei den Fraktionen dafür, dass Sie mir erlauben, zu diesem Thema kurz einzuführen. Ich leite das ein Stück davon ab, dass der Kollege Christoph Böhr und ich, er für die CDU-Fraktionen, ich für die SPDLandtagsfraktionen, beim allerersten Kongress in Schleswig-Holstein zu diesem Thema als Vertreter zugegen waren. Ich will einfach eröffnen, was wir mit dem Föderalismusthema beginnen sollten.
Das Kernproblem ist nach meiner Einschätzung, dass man in der Öffentlichkeit viel zu wenig Föderalisten sieht und hört, meine Damen und Herren. Wir haben eine Diskussion in Deutschland, die eher davon ausgeht, dass eine zentrale Organis ation alles besser machen würde. Die Frage ist, wie wir zu diesem Zeitpunkt deutlich machen, was uns eigentlich der Föderalismus wert ist.
Was wollen die Deutschen? Meine Damen und Herren, die Deutschen wollen – behaupte ich – ein Leben in überschaubaren Gemeinschaften, das sie selbst organisieren können, bei denen das Wort „Subsidiarität“ – das nur für Schlaumeier gedacht ist –, also Selbstorganisation all dessen ist, was man selbst machen kann.
Sie wollen ihre eigene Verantwortung wahrnehmen. Sie wollen eigene Lösungen vor Ort ermöglichen. Sie wollen, dass die Verantwortung ein klares Gesicht hat: Wer ist nun derjenige, der mir als Politiker gegenübersteht? Wer ist derjenige, mit dem ich über diese Verantwortung streiten kann?
Kann ich das mit jemandem, der anonym irgendwo in der Bendlerstraße, der Behrensstraße oder der Wilhelmstraße – das sind alles Berliner Straßen, meine Damen und Herren – sitzt, oder kann ich das vielleicht mit einem von diesen 101 Abgeordneten, mit einer Landesregierung, die sich greifbar noch in einer vernünftigen Entfernung befindet? Das ist eigentlich die Frage, die hinter dem Föderalismus steht.
Wenn Gäste hierher gekommen sind – es kommen Gott sei Dank viele Gäste in den Landtag –, dann bin ich meistens von unseren französischen Nachbarn gefragt worden, was die tiefere Begründung für unsere Lebensart im Föderalismus sei.
Ich habe versucht, eine ganz einfache Erklärung zu geben. Meine Damen und Herren, wir brauchen den Föderalismus deshalb, weil wir gern das Leben der Menschen in dieser Region zusammen mit den Kommunen unterstützen möchten.
Wenn es ganz ordentlich beginnt, dann beginnt ein Leben sozusagen auf dem Standesamt, meine Damen und
Herren. Das muss aber nicht sein, das hat etwas mit meinem Alter zu tun.
Dann könnte es weitergehen, indem wir, das Land, die Kommunen und die Träger, die Krankenhäuser in die Landschaft stellen, in denen die Kinder zur Welt kommen. Wir und die Kommunen bilden zusammen entweder Zweckverbände oder Vereinbarungen, in denen wir Kindergärten anbieten, jetzt zum Beispiel ab dem zweiten Lebensjahr.
Wir und die Kommunen bauen gemeinsam die Schulen, stellen die Lehrerinnen und Lehrer, damit die Kinder ausgebildet werden können. Wir bauen die Universitäten. Wir bauen die Straßen dorthin. Wir sorgen für die Innere Sicherheit dieser Menschen, die bei uns wohnen.
Wir sorgen dafür, dass man all das, was der Mensch zum Leben braucht, von Ländern und Kommunen bekommen kann, und zwar in eigener Entscheidung. Deshalb wollen wir so organisiert leben. Dann ist also Föderalismus eine Lebensform, in der wir Eigenverantwortung in Gemeinschaften ermöglichen.
Jetzt gibt es Einwände, eine Menge Einwände, nämlich diejenigen, die sagen: Ja, aber dann habt ihr doch 16 verschiedene Einzellösungen und Kleinstaatereien. Das sind alles so wunderbare Worte, mit denen man alles kaputtmachen kann, ehe man so richtig angefangen hat.
Wenn man anstatt „Kleinstaaterei“ vielleicht das schöne deutsche Wort „Vielfalt“ benutzt, klingt es schon ganz anders. Ich benutze es bewusst, weil ich einmal erlebt habe, dass gerade mit Wörtern der Versuch unternommen wird, eine solche Debatte abzuwürgen.
Meine Damen und Herren, es wurde auch versucht, die Debatte abzuwürgen – ich versuche es einmal ganz schnell historisch –, indem man gesagt hat: Es war doch schon immer so, dass der französische Nachbar mit seiner Außenpolitik seit Ludwig XIV. nichts anderes versucht hat, als die Deutschen in kleinen Gemeinschaften leben zu lassen, am besten in Kurfürstentümern und Grafschaften. Das stimmt ja auch.
Der Reflex auf diesen historischen Ablauf wäre gewesen, sozusagen nach dem Krieg Rheinland-Pfalz zu gründen – wie falsch. Nordrhein-Westfalen ist vor Rheinland-Pfalz gegründet worden. Es war ein Reflex, den eigenen Staat zu gründen.
Wenn dann in der historischen Debatte umgedreht wird, man würde doch gerade an Frankreich sehen, wie gut ein zentraler Staat funktioniert, muss man sagen, wenn Sie sich die historischen Grundlagen anschauen, ist das, was die französische Außenpolitik, wie ich sie vorhin nannte, von Ludwig XIV. bis folgend, ausmacht, in einem Desaster, in der französischen Revolution gelandet war, und zwar deshalb, weil die Franzosen einen Krieg nach dem anderen auf Kosten ihres Volkes geführt haben, meine Damen und Herren.
Auch diese historische Ausführung führt nicht weiter. Also ist die Frage, wenn wir die Einwände weitergehen: Was hat sich wirklich so verschlechtert, wenn wir 16 Einzellösungen haben?– Meine Damen und Herren, was
hat sich – ich sehe gerade den ehemaligen Justizminister, bei ihm wird ganz besonders die Frage deutlich werden – zum Beispiel beim Strafvollzug getan?
Wir haben ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ganz deutlich besagt, dies seien die Standards für den Strafvollzug. Nach diesen Standards wird gehandelt. Wir haben gerade eines bekommen, über das bestimmt noch politisch gestritten werden wird. Es geht um die Frage, wie wir das bei der Jugend, beim Jugendstrafvollzug machen.
Stellen Sie sich vor, es gibt ein Land in Europa, das hat überlebt, obwohl 26 Kantone den Strafvollzug organisieren. Das ist die Schweiz.
Wenn man dies alles einmal zur Kenntnis nimmt, werden auch die Argumente der Einzellösungen und der Kleinparzellierung geringer. Im Gegenteil, ich nehme das Wort des Wettbewerbsföderalismus voll auf, und zwar in dem Sinn, dass jedes Land beweisen kann, worin es besser ist. Wir als Rheinland-Pfälzer sind zum Beispiel insgesamt stolz darauf, dass wir unsere Bildungspolitik so angelegt haben, dass sie andere nachmachen, beispielsweise in der Frage der Ganztagsschule oder mit welchem Alter ein Kind in den Kindergarten geht. Diese Art von Wettbewerb findet nun auf dieser Brücke dort draußen statt. Wenn Sie über die Brücke gehen, haben Sie etwas anderes. Jedes Land muss es für sich verantworten. Das ist der Satz, den ich soeben formuliert habe: Verantwortung soll ein Gesicht haben. Das heißt, wir verantworten in diesem Land diese Teile, und andere verantworten in ihrem Land andere Teile. Ich glaube, wir müssen diese Diskussion wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Es nutzt den Menschen, wenn wir in solchen Gebietskörperschaften miteinander reden.
Meine Damen und Herren, aber ein weiterer Einwand ist doch, dass wir sagen könnten: Hat diese Nachkriegsordnung auch in 10 oder 20 Jahren noch Bestand? – Diese Frage wird kommen, wenn die zweite Phase der Föderalismusdiskussion stattgefunden hat, über Finanzen zu reden. Dann wird auch diese Frage kommen. Aber ich wende jetzt schon ein: Es ist zu einfach, nach der Größe eines Landes zur gleichen Zeit dessen Bestand in irgendeiner Weise schon zu diskutieren. Gehen Sie nur nach Amerika. Dort hat man schon 200 Jahre lang Erfahrung in Demokratie.
Schauen Sie sich einmal die kleinen NeuenglandStaaten an. Schauen Sie sich Vermont an. Vermont ist mit 20.000 Quadratkilometern gerade einmal so groß wie Rheinland-Pfalz und hat 1,4 Millionen Einwohner. Ein Texaner – wenngleich Texas so groß ist wie Frankreich und die Beneluxstaaten zusammen und etwa 20 Millionen Einwohner hat – käme nie auf die Idee zu sagen: Wir wollen aufgrund unserer Größe fünf Senatoren und nicht genauso viele wie Vermont.– Das heißt, die Gleichung, die wir machen, die Größe ist entscheidend, ist nach meiner Meinung zu kurz gegriffen und reicht nicht aus.
Richtig gegriffen ist, wenn wir fragen: Wie groß sollte ein politisches System sein, das sich selbst trägt und das finanziell in der Lage ist, den Wünschen seiner Bevölkerung nach bestimmten Dingen nachzukommen? Richtig
ist, dass wir diese Frage natürlich mit einem Finanzausgleich, der nun auf 15 Jahre angelegt ist, so nicht beantworten können. Aber das wird kommen.
Ich möchte Ihnen danken, dass Sie mir die Gelegenheit einer Einführung gegeben haben und möchte zusammenfassen: Das Thema „Föderalismus" ist der Versuch, auch weiterhin Lösungen vor Ort und Verantwortung vor Ort zu schaffen. Das wollen wir nicht aufgeben.
Wir wissen aber, Bund und Länder müssen gemeinsam reformfähig bleiben und müssen diese Diskussion auch zu Ende bringen. Dabei wird es ein Geben und Nehmen sein. Ich habe mich nun bewusst auf Einzelheiten nicht eingelassen; denn dies wäre nicht der Sinn einer Einführung. Es ist Sache der Fraktionen, darüber zu sprechen.
Wenn wir – und das liegt in der Luft – in der Frage der Neuordnung weiterkommen wollen, dürfen nicht allein die Größen eine Rolle spielen, sondern es müssen auch ganz andere Zus ammenhänge mit hineingefügt werden, sonst wird es nichts. Es ist vielleicht für manch einen in Berlin, wenn er zuhören könnte, eine Überraschung: Die Bundesrepublik Deutschland ist von den Ländern und Gemeinden gegründet worden.
Ich bedanke mich.
Ja, Herr Präsident!
Ja, Herr Präsident! Ich nehme die Wahl an.