Siegrid Tenor-Alschausky
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede zunächst definieren, was unter Frühförderung im Kontext des uns vorliegenden Berichts der Landesregierung zu verstehen ist.
Nach der gesetzlichen Definition des SGB IX wird darunter sowohl Früherkennung als auch Frühförderung verstanden. Die Leistungssysteme des SGB V, die gesetzliche Krankenversicherung, und des SGB XII, die Eingliederungshilfe, sind betroffen und sollen zusammenwirken. Das zeigt das Problem an sich schon auf.
Wir haben weiter zu berücksichtigen, dass die zu erbringenden Leistungen entweder als Komplexleistung oder auch als ambulante Leistungen für die behinderten oder von Behinderung bedrohten Kinder erbracht werden können. Schon in dieser kurzen Darstellung wird deutlich, dass an dem Leistungskomplex Frühförderung verschiedene Leistungserbringer, verschiedene Kostenträger beteiligt sind.
Im Bericht wird dargestellt, dass im Jahr 2004 in Schleswig-Holstein mehr als 2.800 unter siebenjährige Kinder heilpädagogisch betreut wurden. Wenn wir einmal der Vereinfachung wegen davon ausgehen, dass jährlich etwa 400 Kinder geboren werden, die behindert oder von Behinderung bedroht sind, heißt das, dass jedes Jahr die Eltern von 400 Kindern häufig erst nach der Geburt mit einer Situation konfrontiert sind, auf die sie sich nicht haben vorbereiten können. Ihr Kind bedarf einer zusätzlichen, besonderen Förderung.
In dieser Situation sind Eltern zum Wohl ihrer Kinder auf kompetente Beratung und Unterstützung angewiesen. Deshalb wurde die Idee der Förderung „aus einer Hand“ entwickelt: Information über und Angebot von Frühfördermaßnahmen unter Hintanstellung einer vorrangigen Klärung der Frage, welcher Leistungsträger die Finanzierung welcher Teilleistung zu erbringen hat.
Nachdem auf Bundesebene die Bemühungen um eine einvernehmliche Regelung gescheitert waren, weil die unterschiedlichen Interessen der Krankenversicherungen und der Sozialhilfeträger nicht in Einklang zu bringen waren, hat das Bundesministerium für Gesundheit und Sozialordnung mit Wirkung zum 1. Juli 2003 die „Verordnung zur Früher
kennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder“ - kurz Frühförderungsverordnung - erlassen.
Auch diese Verordnung führte nicht dazu, dass offene Fragen und bestehende Konflikte geklärt oder gar gelöst wurden. Einzelne Fragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Komplexleistung Frühförderung wurden deshalb Absprachen auf Landesebene überlassen; meine Vorrednerinnen wiesen darauf hin.
Die Frühförderung ist für die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein ein Aufgabenbereich, dem sie sich schon seit Jahren widmen. Es gibt circa 60 Frühförderstellen, die überwiegend als heilpädagogische Einrichtungen konzipiert sind. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen erfolgt häufig lediglich auf informeller Ebene. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Kreise und kreisfreien Städte bei der Gewährung von Leistungen zur Frühförderung unterschiedlich handeln.
Um zu einer landesweit guten und miteinander verzahnten Palette von Angeboten für Frühfördermaßnahmen zu gelangen, ist es deshalb für meine Fraktion dringend erforderlich, dass die Rehabilitationsträger zu einer Kooperationsvereinbarung kommen. Deshalb begrüße ich es, dass sich die gesetzlichen Krankenkassen zu einer quotalen Mitfinanzierung der Komplexleistungen Frühförderung bereit erklärt haben. Das ist ein erster wichtiger Schritt. Diese Entscheidung bringt uns im Land weiter.
Wir müssen die vorhandene Infrastruktur zu integrierten und interdisziplinär arbeitenden Frühförderstellen weiterentwickeln. Stationäre und ambulante Angebote haben für uns ihren jeweils eigenen Stellenwert, der sich nach dem Bedarf des jeweils betroffenen Kindes richtet. Um es klar zu formulieren: Ambulante Angebote der Frühförderung sind nicht als Sparkasse für die jeweils zuständigen Leistungserbringer zu betrachten.
Unser Ziel: Behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder sind so zu fördern und ebenso wie ihre Eltern zu unterstützen, dass ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird und sie ihre jeweiligen Fähigkeiten bestmöglich entwickeln können.
Meine Vorrednerinnen haben es schon angesprochen: Es gibt Beratungsbedarf im Ausschuss. Auch ich gehe davon aus, dass uns die kreisfreien Städte die erforderlichen Daten werden zur Verfügung stellen müssen.
Das hat nichts mit Bürokratie zu tun, sondern es ist die Grundlage für eine sachgerechte Weiterentwicklung des Themenkomplexes Frühförderung. Lassen Sie mich schließen mit den Worten: Am Engagement der Parlamentarierinnen und Parlamentarier wird es nicht mangeln.