Protokoll der Sitzung vom 13.10.2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich.

Erkrankt sind die Abgeordneten Astrid Höfs und Jutta Schümann. - Ich wünsche den Kolleginnen von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Angelika Birk, Anette Langner, Ulrike Rodust und heute Nachmittag Herr Kollege Peter Sönnichsen. Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene sind Herr Ministerpräsident Carstensen sowie die Herren Minister Austermann, Dr. Stegner und Wiegard beurlaubt.

Eine besondere Freude ist es mir zu sagen, dass der Kollege Thomas Rother heute am Freitag, dem 13. Oktober, Geburtstag hat.

(Beifall)

Möge Ihnen dieser 13. Oktober ganz viel Glück bringen. Ich freue mich auf die weitere gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Alles Gute, Herr Rother!

Auf der Tribüne begrüße ich ganz herzlich die Gemeindevertretung Hattstedter Marsch sowie Schülerinnen und Schüler der Realschule mit Grund- und Hauptschulteil Viöl und deren Lehrkräfte. - Seien Sie uns alle ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkte 27 und 35 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Umsetzung der Ergebnisse der Föderalismuskommission: Nichtraucherschutz im Gaststättenrecht verankern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1022

b) Rauchfreier öffentlicher Raum

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/437 (neu)

Bericht- und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 16/1018

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Sozialausschusses, Frau Abgeordneter Siegrid Tenor-Alschausky, das Wort. - Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Der Sozialausschuss hat den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Rauchfreier öffentlicher Raum“, der ihm durch Plenarbeschluss vom 16. Dezember 2005 überwiesen worden war, in vier Sitzungen, zuletzt am 28. September 2006, beraten.

Er empfiehlt dem Landtag einstimmig, die Überschrift des Antrags in „Nichtraucherschutz in Schleswig-Holstein“ zu ändern.

Ferner empfiehlt er dem Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP die Annahme des Antrags in der Fassung, die Ihnen in Form der Drucksache 16/1018 vorliegt.

Ich verzichte darauf, die neun Unterpunkte vorzutragen, da ich davon ausgehe, dass die Rednerinnen und Redner auf die Inhalte eingehen werden.

(Beifall)

Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihren Bericht. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Ich mache vorab einen Vorschlag. Da der erste Antrag, Nichtraucherschutz im Gaststättenrecht, noch nicht im Ausschuss beraten worden ist, wird dem Antragsteller zunächst Gelegenheit gegeben, zu seinem Antrag Stellung zu nehmen, damit gemeinsam über Beschlussempfehlung und Antrag beraten werden kann.

Aus diesem Grund eröffne ich die Aussprache und erteile Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss setzen wir einen weiteren Eckpfeiler auf dem langen und mühsamen Weg zum Nichtraucherschutz um. Ich möchte mich bei den Kollegen des Sozialausschusses dafür bedanken,

dass die Beratung im Sozialausschuss von dem Willen geprägt war, gemeinsam zu einer guten Lösung im Sinn des Gesundheitsschutzes zu kommen. Die Expertenanhörung war umfänglich, sie war informativ und sie war im Ergebnis eindeutig: Gesundheitsschutz muss vor dem individuellen Bedürfnis des einzelnen Rauchers stehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Dennoch haben CDU und SPD sehr lange gebraucht, um sich auf den heutigen Kompromiss zu verständigen: Neun Monate Beratung - die große Koalition hat sich schwer getan.

Nun gibt es ein Ergebnis, welches den Nichtraucherschutz in Schleswig-Holstein deutlich verbessert. Zukünftig wird das Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden des Landes zur Normalität. Geraucht werden darf nur noch in extra dafür ausgewiesenen Bereichen. Die Kommunen werden aufgefordert, dem Vorbild des Landes zu folgen. Auch mit den Trägern der Kindertagesstätten soll eine Einigung herbeigeführt werden, damit auch hier der Nichtraucherschutz umgesetzt wird. 2008 soll die Landesregierung berichten, ob die getroffenen Maßnahmen den Nichtraucherschutz sicherstellen. Wenn nicht, wird der Landtag eine gesetzliche Regelung treffen - so der Beschluss, den wir heute fassen wollen. Der Landtag fordert auch, dass Deutschland endlich das Tabakwerbeverbot konsequent umsetzt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Der Antrag besagt auch, dass auch im Landeshaus bis auf extra dafür ausgewiesene Räume - nicht mehr geraucht wird. Das Parlament nimmt damit Vorbildcharakter ein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Im Dezember hatte meine Fraktion weitergehende Regelungen beantragt. So hatten wir im Interesse des Jugendschutzes gefordert, dass die Landesregierung gemeinsam mit den Kommunen eine Regelung trifft, damit zukünftig auch im öffentlichen Raum in den Kommunen keine Zigarettenautomaten mehr aufgestellt werden. Leider konnten sich SPD und CDU nicht dazu durchringen, diese Forderung gemeinsam zu unterstützen.

Ziel eines effektiven Nichtraucherschutzes ist für alle Gesundheitspolitikerinnen und -politiker die

(Präsident Martin Kayenburg)

Vermeidung der hohen Risiken, welche durch das Passivrauchen entstehen. Der Rauch einer Zigarette überschreitet den zugelassenen Kohlenmonoxidgehalt am Arbeitsplatz um das 1000-fache. Jedes Jahr sterben in Deutschland 3.300 Nichtraucherinnen und Nichtraucher an den Folgen des sogenannten Passivrauchens, 60 von ihnen sind Säuglinge. Das Einstiegsalter von Jugendlichen für das Rauchen sinkt seit Jahren. Mit derzeit durchschnittlich elf Jahren sind es heute unsere Kinder, die mit dem Rauchen beginnen.

Der Nebenstromrauch einer Zigarette ist schädigender als der Hauptstromrauch, den der Raucher selbst einatmet. Er enthält bis zu 400-mal mehr krebserregende Nitrosamine. Insgesamt sind im Zigarettenrauch bis zu 4.000 chemische Substanzen enthalten, 40 davon sind nachweislich krebserregend. Viele dieser Substanzen setzen sich nach der Verbrennung als Feinstaub in Wänden, in Gardinen und in Möbeln fest und auch durch Lüften sind sie nicht mehr zu entfernen. Gelangen diese Feinstäube in die Lunge, so bleiben sie dort ein Leben lang bei Rauchern ebenso wie bei Nichtrauchern. Passivrauchen ist gesundheitsgefährdend; es kann tödlich sein.

Die Frage, ob es rechtens ist, Rauchern in öffentlichen Gebäuden das Rauchen zu verbieten, ist aus meiner Sicht damit beantwortet. Es geht nicht um eine willkürliche Entscheidung, welche die individuelle Freiheit von Rauchern beschneidet, sondern darum, Nichtrauchern die gleiche freie Entfaltung wie Rauchern zuzugestehen und ihr Recht auf Gesundheitsschutz einzulösen - am Arbeitsplatz, im Büro, in der Gaststätte.

Jeder soll frei und eigenständig entscheiden können, ob und wie viel er raucht. Aber jeder soll auch die Möglichkeit haben, sich diesem Gesundheitsrisiko zu entziehen, um trotzdem am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Die entscheidende Frage ist, ob man es Rauchern erlauben darf, durch ihren Rauch und den sich in allen Raummaterialien festsetzenden schädigenden Feinstaub andere Menschen gegen deren Willen zu schädigen. Hier ist die Antwort ein klares Nein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Privat muss jeder selbst entscheiden, was er sich, seiner Familie und seinen Mitbewohnern zumutet. Den staatlichen Eingriff durch eine Gesundheitspolizei im Kinder- oder Wohnzimmer, wie es Herr Lauterbach von der SPD kürzlich gefordert hat, lehne ich als überwachungsstaatliche Maßnahme ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Allerdings appelliere ich an alle Eltern, auf ihre Kinder Rücksicht zu nehmen und auch hier den Gesundheitsschutz vor die eigene Sucht zu stellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach neuesten Erkenntnissen der aktuellen Gesundheitsstudie des Robert-Koch-Instituts lebt jedes zweite Kind mit mindestens einem Raucher zusammen. Entsprechende Rückstände im Urin weisen eine wachsende Gesundheitsbelastung durch Zigarettenrauch nach.

Wir haben also noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit vor uns. Es gibt noch viel Handlungsbedarf. Ein erster Schritt, ihm Rechnung zu tragen, ist der heutige Antrag.

Mit dem Beschluss sind wir auch dem Bundestag einen Schritt voraus, welcher sich noch immer mit einem Gruppenantrag quält. Ich hoffe, dass sich in Berlin die Gesundheitspolitiker durchsetzen. Unterstützt werden sie von der Drogenbeauftragten der Union, welche einen Nichtraucherschutz fordert, der auch die Gastronomie einschießt. Auch die Bundesärztekammer fordert ein umfassendes Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und in der Gastronomie.

Wie weit Deutschland hinter dem Weltniveau zurücksteht, zeigt die Diskussion um die rauchfreie Gaststätte. Was in Irland, Schottland, Schweden, Italien, Kalifornien und sogar in New York möglich ist, sollte auch in Deutschland möglich sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese und andere Länder zeigen, dass die rauchfreie Gaststätte auch wirtschaftlich ein Erfolgsmodell ist und die Akzeptanz des Rauchverbotes mit der Dauer der Umsetzung steigt. Sogar das Genussland Frankreich traut sich, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Ab 2007 wird Frankreich rauchfrei. Ab 2008 folgen alle Gaststätten bedingungslos der neuen Regelung. Sie haben ein Jahr Übergangszeit. Also: Was im Genussland Frankreich möglich ist, sollte auch im Genussland Schleswig-Holstein möglich sein.