Alexander Funk

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Kulturgeschichte, nämlich Wilhelm von Humboldt, hat einmal gesagt, man muss die Zukunft abwarten und die Gegenwart genießen oder ertragen. Ich glaube, in diesen Tagen ist es mehr ein Ertragen der Gegenwart. In diesen Tagen spüren wir alle, wie uns diese Pandemie, die nunmehr seit acht Monaten auf uns lastet, auch zunehmend an den Nerven zehrt. Es gibt eine wachsende Unruhe in der Bevölkerung. Die Politik bekommt gut gemeinte Ratschläge, besserwisserische Vorschläge und was auch immer.
Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Wir alle leiden. Die Politik, Wirtschaft, Unternehmer, Kulturschaffende, Pflegekräfte, Ärzte, Lehrer, alle leiden
weltweit unter dieser Pandemie. Niemand von denen hat sich dieses Virus ausgesucht. Niemand von denen wollte dieses Virus. Bundeskanzlerin Merkel hat an einer anderen Stelle vor Wochen einmal gesagt, sie hatte sich für ihr letztes Amtsjahr anderes vorgenommen.
Auch diese Landesregierung sowie die CDU-Landtagsfraktion haben für 2020 andere Pläne gehabt. Ich glaube, ich spreche für alle in diesem Land, wir hatten 2020 anderes vor als nur diese Pandemiebekämpfung. Insofern habe ich Verständnis für diese fehlende Geduld und die zunehmende Ungeduld, sowie auch damit einhergehende Vorwürfe an die Regierenden, wenn gesagt wird, was hätten wir in der Vergangenheit alles anders und besser machen können. Aber der Ministerpräsident hat es deutlich gemacht. Es gibt ja keinen Masterplan für diese Pandemie. Wir müssen auf Sicht fahren. Wir müssen jedes Mal wieder neu begründen, warum wir welche Maßnahmen machen und immer wieder am Infektionsgeschehen ableiten, was richtig und wichtig ist.
Herr Lafontaine, Sie haben gesagt, man muss doch auch über Fehler sprechen können. Man muss die Fehler erwähnen. Man muss die Fehler sehen, um daraus zu lernen. Das ist richtig. Insofern kann ich Ihnen schon fast ein Kompliment machen. In Ihrer Rede haben Sie wirklich meisterhaft Ihre Vorstellungen dargestellt, die aber meisterhaft eigentlich nur Nebel waren.
Sie sitzen auf dem Beifahrersitz, während wir am Steuer versuchen, auf Sicht zu fahren. Sie sitzen auf dem Beifahrersitz mit der Nebelmaschine und machen noch mehr Nebel, verwirren und verunsichern die Menschen in diesem Land. Ich will darauf eingehen.
Es ist vollkommen richtig, dass man als Beifahrer betroffen ist, wenn das Auto am Baum landet, aber es wäre vielleicht hilfreich, wenn der Beifahrer keinen Nebel macht und damit die Sicht versperrt.
Wir haben gesagt: demokratischer Rechtsstaat, Beteiligung des Parlaments. Das ist vollkommen richtig. Deswegen sind wir heute Morgen erneut in einer Sondersitzung. Deshalb war der Ministerpräsident am Sonntag im Erweiterten Präsidium und hat für die Vorhaben geworben. Selbstverständlich kann man jetzt eine Beschlussfassung machen, die Sie ja gefordert haben. Es gibt aber Juristen in diesem Land, die sagen, durch das Bundesinfektionsschutzgesetz hat die Landesregierung rechtlich die Handhabe, diese Rechtsverordnung zu machen.
Wir haben immer gesagt, selbstverständlich kann dieses Parlament jederzeit entweder eine neue Rechtsverordnung erlassen oder auch eine neue Regierung wählen. Das ist unser Recht als Parlament. Ich sehe keine neue Rechtsverordnung, weder von der Großen Koalition noch von der Opposition, auch nicht von Ihnen, Herr Lafontaine. Das wäre doch dann Ihr gutes Recht, darüber abstimmen zu lassen.
Warum haben wir als Große Koalition keinen Beschlussantrag oder keine neue Rechtsverordnung gemacht? Ich kann Ihnen die Antwort ganz klar sagen: Weil wir zu dieser Rechtsverordnung stehen! Auch Sie haben gesagt, es gibt jetzt keine Alternative zu dieser Rechtsverordnung und zu diesem Lockdown. Deswegen ist es doch richtig und nur eine theoretische Diskussion, ob wir jetzt noch einmal darüber abstimmen oder nicht. Wir stehen zu dieser Rechtsverordnung. Wir stehen zu diesem Lockdown, auch wenn es für uns alle und für die Bevölkerung im Saarland schwierig ist.
Sie haben die Wissenschaft und die Anzahl der Tests angesprochen. Wir stellen noch einmal ganz deutlich für alle fest: Tests bedeuten keine Heilung. Ja, es ist das Navigationsgerät, wenn wir auf Sicht fahren. Selbstverständlich können wir durch Tests erfahren, wo die Infizierten sind, und sie dann besser schützen beziehungsweise sie isolieren, damit sie andere nicht anstecken können. Es ist aber falsch, dass bei uns nur die Tests zurückgegangen sind. Wir sind im Saarland mit 10 Prozent bei den Testungen bundesweit gesehen überdurchschnittlich. Wir haben in den vergangenen drei Monaten die Testungen in den Einrichtungen nahezu verdoppelt. Waren es vor elf Wochen noch 12.000 Testungen in den Einrichtungen, so sind wir mittlerweile bei über 23.000.
Ich kann an dieser Stelle sagen, wir testen alle, die getestet werden wollen. Wenn Sie mehr testen wollen, dann müssten Sie in Ihrer virtuellen Rechtsverordnung, die Sie ja nicht vorgelegt haben, eine Testpflicht für alle machen. Das kann man natürlich fordern. Ob wir die Kapazitäten haben und wer die Kosten tragen soll, sei mal dahingestellt, aber dann tanzt jeder Saarländer morgens zu einem Test an. Auch das kann man machen, aber man muss es konkret fordern!
Sie stellen sich hin und sagen, wir haben keine Zahlen, wir testen zu wenig. Die Rechtsverordnung ist zwar richtig und es gibt keine Alternative, aber wirklich etwas an dieser Rechtsverordnung und dem Vorgehen kritisiert haben Sie nicht. Sie haben vielmehr Nebel gemacht und die Sicht versperrt.
Zur Wissenschaft an sich und zur Ampel wird später die Kollegin Jutta Schmitt-Lang darlegen, auf welcher Grundlage wir diese Entscheidung treffen. Wir setzen uns selbstverständlich mit allen auseinander - mit Wissenschaftlern, Juristen und Unternehmern. Das sage ich mit Blick in Richtung AfD, die ebenfalls einen Antrag vorgelegt hat und eine Kommission fordert. An der Stelle das Kompliment, dass Sie einmal einen konkreten Vorschlag gemacht haben. Aber ich kann Ihnen sagen, das machen wir seit Wochen und Monaten ohnehin. Wir treten mit all diesen Menschen in Kontakt und sind im Gespräch, um die richtigen Entscheidungen für dieses Land zu treffen.
Sie haben die Altenheime und den besseren Schutz angesprochen. Das ist etwas, was wir zunehmend in der Bevölkerung hören, die jetzt ungeduldig und so langsam all dieser Einschränkungen müde wird. Da hört man: Macht eine Langzeitstrategie und schützt die Risikogruppen. Abgesehen davon empfehle ich jedem den Leserbrief von Dr. Schwarzkopf vom Uniklinikum Homburg, der heute in der Saarbrücker Zeitung abgedruckt war, dass es nicht nur eine Risikogruppe betreffen kann und dass es auch junge Menschen ohne jegliche Vorerkrankung sind, die auf den Intensivstationen landen.
Es ist eine besondere und schwierige Situation in den Altenhilfeeinrichtungen. Ich empfehle, dass man mit den Menschen redet, die dort arbeiten. Selbstverständlich machen wir eine verbesserte Teststrategie. Sie sprechen über Fehler, vielleicht hätten wir früher dort noch mehr testen müssen. Aber all das heilt nicht! All das wird nicht verhindern, dass das Virus auch in Altenhilfeeinrichtungen Einzug hält. Wenn es erst einmal drin ist, dann ist es verdammt schwierig, es noch einmal loszuwerden, weil oftmals weder das Personal noch die Raumkapazitäten da sind, um alle zu isolieren. Das muss man ja alles erst einmal leisten, Herr Lafontaine!
Wenn ein Mensch demenzkrank ist, können wir ihn nicht einfach wegsperren. Er läuft über den Flur und verbreitet gegebenenfalls das Virus. Das gehört doch zur Wahrheit dazu. Es sind Altenhilfeeinrichtungen, die auch Besucher empfangen wollen, und keine Seniorenknäste, wo wir die Leute einfach wegsperren können. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Und dann der Sozialministerin zu sagen, sie schütze die Altenheime zu wenig und sie sei indirekt verantwortlich für die Toten, dann ist das wirklich unanständig! Das will ich in diesem Parlament nicht so stehen lassen!
Als sei das nicht genug Nebel, den Sie in unserem Fahrzeug verbreiten, kommen Sie jetzt und verunsichern in Sachen Impfung. Wenn wir über Langzeitstrategien sprechen, dann ist die Impfung sicherlich die Strategie, auf die wir setzen. Es ist nämlich not
wendig, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen. Ohne jegliche wissenschaftlichen Erkenntnisse einfach einmal zu sagen, wir wissen aber noch nicht, wie der Impfstoff wirkt, wir wissen noch nicht, wie langfristig das ist und welche Folgen das haben könnte, Herr Lafontaine, das halte ich an der Stelle für unverantwortlich.
Sie sagen einfach, wir hätten gerne eine Tablette, die dieses Virus im Körper stoppt. Die hätte ich auch gerne. Jeder darf sie auch entwickeln. Niemand verbietet das den Wissenschaftlern und den Pharmakonzernen. Aber einfach nur von einer virtuellen Tablette zu reden, ist ein Niveau wie das des noch amtierenden US-Präsidenten Trump, der sagt, das Virus wird irgendwann wie ein Wunder verschwinden. Ich glaube, auf diesem Niveau brauchen wir nicht zu diskutieren, Herr Lafontaine.
Das ist wirklich nur Nebel. Wir werden weiterhin unsere Forschung hochhalten und selbstverständlich auch für neue Medikamente Forschungsgelder bereitstellen. Herr Lafontaine, an der Stelle sage ich aber auch: Das alles sind Themen, mit denen sich auch der Sozialausschuss im Landtag befasst. Dort informieren und berichten Wissenschaftler regelmäßig. Ich habe es schon erwähnt, die Kollegin Jutta Schmitt-Lang wird die wissenschaftliche Sicht später darlegen.
Sie haben die Wirtschaft und die Schwierigkeiten angesprochen, die der Einzelhandel natürlich hat. Das ist uns auch bewusst. Trotzdem sind wir uns einig, dass der Lockdown jetzt kommen muss. Insofern ist es richtig und wichtig, dass auch die Bundesregierung die Wirtschaftshilfen dargestellt hat und diese verbessern möchte. An der Stelle gebe ich Ihnen recht: Diese Gelder müssen natürlich schnell ausgezahlt werden.
Ich glaube, es war richtig, dass der Bundesfinanzminister Scholz diese November-Hilfen schon vorgestellt hat. Ich glaube auch, dass es eine gute Idee war, diese Bundesplattform zu machen. Es ist nur leider für die Betroffenen schwierig, wenn das der Grund ist, warum es diese Verzögerung gibt. Deswegen ist es gut, dass wir im Saarland gesagt haben, zur Not helfen wir. Unsere Wirtschaftsministerin und die Landesregierung helfen mit, dass es schnelle und unbürokratische Hilfe geben kann.
Eben sind die Schulen angesprochen worden, auch das natürlich gerade unter dem sozialen Aspekt ein schwieriges Thema. Wir unterstützen die Entscheidung der Bildungsministerin Frau Streichert-Clivot ausdrücklich, dass lange am Präsenzunterricht festgehalten wurde. Es gibt nämlich Betroffene, es gibt Eltern, für die es wichtig ist, dass die Kinder in Präsenzform in der Schule am Unterricht teilnehmen können. Deswegen ist die jetzige Lösung wichtig
und richtig, die Verpflichtung des Präsenzunterrichts auszusetzen, aber auch die Möglichkeit zu geben, weiter in die Schule zu gehen. Wir haben als Parlament mit dem Nachtragshaushalt viel Geld bereitgestellt, um das digitale Lernen und den Heimunterricht voranzubringen. Da ist noch nicht alles perfekt, es ist noch nicht alles umgesetzt, aber auch ich zeige nicht mit dem Finger und mache Vorwürfe, sondern sage, das dauert auch seine Zeit, bis das alles umgesetzt ist. Vielleicht hilft an dieser Stelle noch einmal das Gespräch mit Bundesaußenminister Heiko Maas. Im Auswärtigen Amt haben sie nämlich Erfahrung mit dem Heimunterricht für alle Schulformen für die Diplomatenkinder überall auf der Welt. Vielleicht kann man auch aus diesen Erfahrungen etwas lernen und Lehren ziehen.
Insgesamt, meine Damen und Herren, bleibt es dabei: Wir müssen auf Sicht fahren. Wir ringen dabei regelmäßig sowohl in der Landesregierung als auch in den Fraktionen mit Wissenschaftlern um die richtigen Lösungen. Ein wesentlicher Punkt sind die Kontaktbeschränkungen, die gerade jetzt über Weihnachten, über das Fest der Liebe besonders treffen. Zur Liebe gehört, dass man Menschen begegnet, um diese Liebe auch schenken zu können. Das ist in diesem Jahr anders. Trotzdem sage ich ganz klar, man muss die Zukunft abwarten - wir wissen nicht, was am 10. Januar sein wird - und die Gegenwart genießen und ertragen. Ich wünsche uns allen, dass wir trotz dieser schwierigen Situation das Weihnachtsfest genießen können. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Rückschlag hat oft die gleiche Wirkung wie der Rückstoß eine Rakete, er ist der Antrieb nach vorn. Dieses Zitat vom Publizisten Willi Meurer trifft sicherlich ganz gut auf das Jahr 2020 zu, das für viele natürlich auch ein Rückschlag war. Viele mussten mit Schicksalsschlägen umgehen. Es würde aber auch gut auf unseren Astronauten aus dem Saarland, Matthias Maurer, passen, der im kommenden Jahr vermutlich - wenn alles gut geht - als erster Saarländer zur Internationalen Raumstation fliegen wird.
Wir haben gerade in diesem Jahr mit den vielen Rückschlägen durch Corona natürlich auch eine gesellschaftliche Debatte. Trotzdem können wir heute einen Doppelhaushalt verabschieden, der genau das werden soll, nämlich ein Antrieb nach vorne. Er soll uns aus dieser Krise führen, er soll die Ziele ermöglichen, die wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben, um auf den Gipfel zu kommen.
Wir haben harte Sparbemühungen der vergangenen Jahre hinter uns. Natürlich war das Jahr 2020 durch einen Haushaltsplan mit einer schwarzen Null geprägt. Herr Lafontaine, Sie haben genau diese schwarze Null kritisiert. Ich werde an dieser Stelle darauf hinweisen, den Blick auf andere europäische Länder zu richten. Sie können in der Pandemie nicht so ihre Wirtschaft unterstützen, sie können in dieser Krise nicht so helfen, wie das Deutschland machen kann. Die Ursache, warum wir in der Krise diese Milliardenbeträge bereitstellen können, ist, dass wir in den vergangenen Jahren einen guten Haushalt hatten, weil wir die schwarze Null im Grundgesetz haben. Ich halte das nach wie vor für einen großen Erfolg der Großen Koalition von 2005 bis 2009.
Ja, unser Doppelhaushalt ist der Treibstoff für unsere Rakete, die wir jetzt starten. Wenn an dieser Stelle von einem Altschuldenfonds gesprochen wird, weise ich darauf hin, dass eine Einmalzahlung von beispielsweise 1 Milliarde Euro ‑ wie es gefordert wurde ‑, um die andere Hälfte des Saarlandpaktes und somit die andere Hälfte der Kassenkredite unserer Kommunen zu übernehmen, weniger ist als das, was wir in Berlin erreicht haben. Die Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Bund wird in spätestens zehn Jahren mehr Geld ins Saarland bringen als eine Einmalzahlung.
Wenn ich dann die Vertreter der AfD höre, wenn ich Ihnen, Herr Dörr, zuhöre, sage ich, Sie sehen nicht, was unsere Politiker in Berlin machen. Das liegt vielleicht daran, dass Sie politisch blind sind, dass Sie blind durch die Galaxie umherirren und absurde Dinge vortragen. Auf der einen Seite sagen Sie, dass Sie diese Millionen im Saarland sehen, auf der anderen Seite fordern Sie mehr Geld vom Bund. Im gleichen Atemzug sagen Sie, dass Sie die Eigenständigkeit des Saarlandes und - um das noch zu toppen - mehr Zuwanderung wie in Luxemburg wollen. Das passt doch alles nicht zusammen, Herr Dörr!
Wir werden mit diesem Haushalt die Krise in dieser Pandemie in den kommenden zwei Jahren abfedern. Dazu muss man natürlich auch den Nachtragshaushalt lesen, den wir im Sommer einstimmig in diesem Hause verabschiedet haben. Niemand von uns weiß aber, wie diese Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht. Es wird schwierig bleiben und Kraftanstrengungen erfordern. Wir, Ulrich Commerçon und ich, sind uns einig, SPD, CDU und der Finanzminister Peter Strobel sind sich einig: Wir werden alles daransetzen, damit wir gut aus dieser Krise kommen. Wenn es einen Nachtragshaushalt im nächsten Jahr geben muss, werden wir auch den beschließen. Wir können den Saarländerinnen und Saarländern versichern, wir werden aufgrund unserer Haushaltsnotlage nicht schlechter mit dieser Krise, dieser schwierigen Pandemie umgehen als andere Bundesländer. Nein! Wir setzen alles daran, damit wir genauso gut dastehen wie andere Bundesländer in Deutschland. Das ist unser Versprechen an die Saarländerinnen und Saarländer!
Die Pandemie dauert schon lange und die Geduld geht bei vielen von uns flöten. Insofern habe ich Verständnis für Menschen, die auf die Straße gehen und sich um unsere Demokratie sowie Eingriffe in die Grundrechte sorgen. Deshalb will ich an dieser Stelle sagen, dass das nicht alles Deppen sind. Es sind Bürger, die sich um unser Gemeinwohl sorgen. Es ist - Herr Lafontaine, das habe ich in der Saar
brücker Zeitung von Ihnen gelesen - vielleicht auch eine Verarbeitungsstrategie von dem einen oder anderen, um mit dieser Ohnmachtssituation umzugehen. Da stimme ich Ihnen durchaus zu. Ich kritisiere an dieser Stelle - auch bei dieser sogenannten Querdenker-Bewegung - die fehlende Abgrenzung zu Rechtsradikalen, zu Menschen, die von braunen Umstürzen träumen. Dass sie dort mit Reichsflaggen und was weiß ich mitmarschieren, ist der eigentliche Skandal. Ich erwarte eine ganz klare Distanzierung von diesen Menschen.
Die zunehmende Radikalisierung macht mir große Sorgen. Das bezieht sich nicht nur auf die CoronaDemonstrationen, es bezieht sich mittlerweile auf die Gesellschaft. Die fehlende Diskussionskultur breitet sich immer weiter aus. Es wird immer radikaler argumentiert und diskutiert, und zwar von rechts und links. Es gibt mittlerweile zunehmend Denk- und Sprechverbote in unserer Gesellschaft. Ich erinnere daran, dass der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine Lesung nicht durchführen konnte, weil von Linksradikalen demonstriert wurde. Ich erinnere an den Shitstorm, den Dieter Nuhr in den sozialen Medien erfahren musste. Das ist eine Kultur des Abwürgens, die sich breitmacht, insbesondere in den sozialen Medien.
Das ist nicht nur meine Sorge, sondern es ist auch eine Sorge, die 2019 durch eine Allensbach-Umfrage festgestellt wurde. Rund zwei Drittel der Bundesbürger haben Angst, bestimmte Themen anzusprechen. Ich glaube, das ist eine Schieflage, so dürfen wir nicht weitermachen. Es ist an uns Politikern, mit gutem Beispiel voranzugehen, andere Meinungen zu hören und darauf einzugehen. Es erfordert Präventionsarbeit. Deshalb ist es gut, dass wir in diesem Haushalt das Landesdemokratiezentrum in seiner wertvollen Arbeit stärken. Wir als Große Koalition bringen weiterhin ein Zeitzeugenprojekt in den Haushalt ein, bei dem Geschichten von Zeitzeugen aus dem Dritten Reich mit Schülerinnen und Schülern multimedial aufgearbeitet werden. Ich glaube, auch das ist ein ganz wichtiger Beitrag.
So sehr uns diese Präventionsarbeit am Herzen liegt, so sehr wir dort mit gutem Beispiel vorangehen können, sagen wir aber auch ganz klar, dass wir unsere Meinungsfreiheit und den Schutz der Demokratie aktiv verteidigen müssen. Deswegen haben wir als Große Koalition einen Schwerpunkt in diesem Haushalt gesetzt, nämlich im Bereich der inneren Sicherheit. Mit einem Abänderungsantrag werden wir zusätzlich über 1 Million Euro für Staats- und Verfassungsschutz bereitstellen, lieber Klaus Bouillon, um die wichtige Arbeit der Sicherheitsbehörden zu verstärken. Ein guter Regierungsentwurf, der dort schon einen Schwerpunkt gesetzt hat, wird dadurch noch besser. Im Regierungsentwurf haben wir schon den Pakt für den Rechtsstaat beschlossen. Wir ha
ben zusätzliches Personal in der Justiz, in der Staatsanwaltschaft und beim Verfassungsschutz geschaffen. Diese zusätzliche 1 Million Euro kann für technische Neuerungen genutzt werden, denn die Herausforderungen sind nicht nur im islamischen Terror groß - Stichworte sind Dresden, Paris, Nizza und Wien, was wir unter allen Umständen verhindern wollen -, sondern auch bei der angesprochenen Radikalisierung bei den Corona-Demos und bei den Extremisten, die über Umsturzpläne fantasieren und zunehmend aggressiver gegenüber der Polizei auftreten. Auch da wird eine ganz klare Antwort gegeben, um dies zu bekämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir als Große Koalition im Sicherheitsbereich aufrüsten, rüsten andere ab. Vor zwei Jahren hat die AfD an dieser Stelle noch die Reiterstaffel gefordert. In diesem Jahr ist es nur noch der Ausbau der Hundestaffel.
Es bleibt zu hoffen, dass Sie in zwei Jahren keinen Einfluss mehr haben. Richtigerweise haben Sie gesagt, dass Sie jetzt schon keinen Einfluss haben. Deswegen bleibt zu hoffen, dass Sie in zwei Jahren nicht mehr beim Haushalt mitwirken, denn sonst stelle ich mir die Frage, was dann wohl kommt. Vielleicht Murmeltiere mit Blaulicht? - Das würde zumindest zu Ihren immer wiederkehrenden Anträgen passen.
Finanzielle Mittel für den Staats- und Verfassungsschutz bereitzustellen, ist das eine, wir müssen aber auch im nächsten Jahr über die Kompetenzen diskutieren. Dort müssen wir das digitale Zeitalter mit angehen. Es wird sicherlich strittige Fragen geben wie etwa Onlinedurchsuchungen und Präventionsarbeit, damit nicht schon 14-Jährige in die Fänge von Islamisten geraten. Da gilt es, Fragen des Datenschutzes und die Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzbehörden zu beachten. Ich freue mich jetzt schon auf diese wichtige Debatte.
Herr Lafontaine, Sie haben China angesprochen. Ich stimme oder wir alle stimmen Ihnen zu, dass die Ansiedlung von SVOLT ein großartiger Erfolg der saarländischen Landesregierung ist und die Zusammenarbeit mit China durchaus intensiviert werden kann und darf. Ich erinnere daran, dass im vergangenen Jahr unser Finanzminister Peter Strobel gemeinsam mit dem Innovationsbeauftragten Ammar Alkassar und einer saarländischen Delegation in China war. Das Saarland war das Hauptland auf einer Technologiemesse in China. Ich sage ausdrücklich, dass diese Aktivitäten verstärkt werden müssen. Warum sollte nicht auch einmal der Wirtschaftsausschuss des saarländischen Landtags nach China reisen und selbst für das Saarland werben? - Das kann nicht nur die Regierung machen, das müssen wir alle, das
müssen die saarländischen Unternehmen machen. Da werden weiterhin solche Erfolge richtig und notwendig sein.
Ich sage aber auch an dieser Stelle, dass China kein Heilsbringer ist. Wir sollten mit China diskutieren und in eine Partnerschaft auf Augenhöhe eintreten, China aber nicht als Heilsbringer sehen. Herr Lafontaine, es gehört eben auch dazu, den Blick nach Australien zu richten. Australien befindet sich gerade im Handelskrieg mit China. Warum? - Weil Australien der Herkunft des Coronavirus nachgehen wollte und Untersuchungen angestrengt hat. Auch das ist das Gesicht von China. Wer seine Meinung sagt, wer offene Gesellschaften hat, wird ganz schnell bestraft. Sie haben von Ihrem Besuch in China kurz berichtet. Auch ich war in China und konnte mit dem chinesischen Justizminister über Demokratie diskutieren. Darüber können wir uns gerne einmal austauschen, weil das sicherlich auch bemerkenswert ist. Deshalb ist unser Weg, nicht einseitig auf China zu setzen, sondern in Forschung und Ausgründungen zu investieren. Der Kollege Commerçon hat es bereits gesagt: Das ist der zweite Schwerpunkt unseres Änderungsantrags für diesen Haushalt, nämlich die Förderung der Start-up-Szene. Ich glaube, auch das ist richtig und wichtig.
Herr Lafontaine, wenn Sie im Bereich Wirtschaft davon sprechen, dass die Saarländer 500 Euro monatlich weniger verdienen als im Bundesdurchschnitt, erinnert mich das an meine erste Statistikvorlesung. Damals hat uns mein Professor das Buch „So lügt man mit Statistik“ empfohlen. Ich habe den Eindruck, dass Sie dieses Buch gelesen haben. Das ist kein Vorwurf. Ich habe es auch gelesen. Man muss die Zahlen natürlich in Relation setzen. Wenn man es im Durchschnitt betrachtet, ist es richtig, es verkennt aber die Tatsache, dass uns viele Unternehmenszentralen fehlen, dass uns die obere und mittlere Managementebene fehlen und damit auch die Löhne in diesem Bereich. Betrachtet man die Facharbeiter, dann verdienen die Saarländerinnen und Saarländer überdurchschnittlich. Dann ist das kein Skandal, Herr Dörr, sondern ein Erfolg, weil die Menschen hier besonders Schichtarbeit gewohnt sind. Das zeugt vom Fleiß der Saarländerinnen und Saarländer und darauf kann man stolz sein, meine Damen und Herren.
Davon abgesehen will ich einfach nur darauf hinweisen, dass wir aus guten Gründen eine Tarifautonomie haben und die Arbeitgebervertreter mit den Arbeitnehmervertretern die Löhne aushandeln. Da sollte sich die Politik auch möglichst heraushalten.
Unser Weg ist es, in die Forschung zu investieren. Dort zeigen sich jetzt schon Erfolge. Wir haben 20 Millionen Euro ins CISPA investiert. Ich habe gerade
heute in der Zeitung gelesen, dass der Spatenstich zum Innovationscenter erfolgt. Wir haben 17,2 Millionen Euro investiert. Für das HIPS, der große Erfolg unserer Berliner Politiker, steuert der Bund 47 Millionen Euro bei. Es ist ein Forschungszentrum, wo es um Medikamente und Therapien der Zukunft geht. Das Land packt noch einmal 37 Millionen Euro drauf. Es sind insgesamt 70 Millionen Euro, mit denen wir unsere Rakete in Richtung Zukunft schießen. Das sind Erfolge, auf die wir stolz sein können, meine Damen und Herren!
Während wir diese Rakete starten, habe ich den Eindruck, Herr Lafontaine, dass Sie versuchen, einen Heißluftballon mit lauwarmer Luft zum Fliegen zu bringen. Unsere Innovationsschwerpunkte sind die Informatik wie etwa DFKI, CISPA, MPI, Smartproduktion, Life Science und Materials Science. Das sind Forschungseinrichtungen, die in den letzten Jahren tolle Erfolge gezeigt haben. Es gibt auch Firmen, die davon profitieren und in dem Bereich dazu beitragen, dass uns der Strukturwandel gelingt. Ich will keine anderen wichtigen Industriezweige vergessen zu erwähnen, aber ich möchte an der Stelle auch einmal andere Firmen nennen, die für den Strukturwandel stehen. Das sind Scheer, die Software AG, ORBIS, Hager, Fresenius, Theiss, URSAPHARM, kohlpharma und Dillinger. Auch das sind alles Bereiche der Zukunft, die mit uns gemeinsam den Strukturwandel an der Saar schaffen werden. Darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren.
Eine Rakete ins Weltall zu schießen, ist das eine, wir müssen aber auch auf dem Boden bleiben, insbesondere im Bereich der Verkehrspolitik. Es geht um den Verkehr im ländlichen Raum. Die LINKE hat hierzu einen Änderungsantrag mit 2,5 Millionen Euro eingebracht, die Sie zusätzlich bereitstellen wollen. Das Ansinnen ist grundsätzlich nicht falsch, ich weise nur darauf hin, dass wir gemeinsam auch mit Ihren Stimmen den Nachtragshaushalt verabschiedet und 50 Millionen Euro für nachhaltige Mobilität bereitgestellt haben. Ich halte es für sinnvoll, dass wir diese Gelder erst einmal sinnvoll verausgaben.
Wir müssen natürlich in die Digitalisierung investieren. Dazu wird es das Kompetenzzentrum Digitalisierung mit digitalen Tarifen, Tickets und Servicebereichen geben. Wir wollen auch Daten für Start-ups zur Verfügung stellen, damit sie neue Geschäftsmodelle entwickeln können. All dies werden wir mit diesem Doppelhaushalt in Angriff nehmen. Es werden auch neue Schienenverbindungen diskutiert und unsere Infrastruktur wird verbessert.
Ich möchte an dieser Stelle noch auf etwas hinweisen, das bei den ganz vielen Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss des Bundestages für das Saarland beschlossen hat, in der Berichterstattung etwas
untergegangen ist, was ich aber für elementar wichtig halte. Ich halte es nicht nur für wichtig, weil ich in den letzten Monaten in Berlin war und dafür geworben habe. Der Haushaltsausschuss hat 1 Million Euro zur Verfügung gestellt, um den grenzüberschreitenden Verkehr zu beleuchten und die Möglichkeit zu schaffen, eine Machbarkeitsstudie zur Schienenschnellverbindung Brüssel - Luxemburg Saarbrücken - Straßburg und eine Schienenschnellverbindung Saarbrücken - Frankfurt Flughafen in Auftrag zu geben, um zu eruieren, ob das überhaupt möglich ist und unter welchem Aufwand es möglich wäre. Das zeigt, dass, wenn man den Blick über die Landesgrenze hinaus schweifen lässt, es ganz viele spannende Verkehrsprojekte gibt. Es wird ein langwieriges Projekt - da mache ich mir nichts vor -, wenn es überhaupt realisiert werden kann. Ich weiß auch nicht, ob ich es noch erleben werde. Jedes große Projekt beginnt aber nun mal mit dem ersten Schritt. Die Machbarkeitsstudie wäre ein solcher Schritt. Deswegen sollten wir Druck auf Berlin, auf den Bundesverkehrsminister ausüben, sodass diese Studie in Auftrag gegeben wird.
Digitalisierung ist auch das Stichwort für den Bildungsbereich. Der Kollege Ulrich Commerçon hat schon darauf hingewiesen, dass wir natürlich jetzt in dieser schwierigen Phase personell über 350 neue Stellen aufgestockt und im Nachtragshaushalt 50 Millionen Euro für die Digitalisierung bereitgestellt haben. Es geht nicht nur darum, Endgeräte für Schüler und Lehrer anzuschaffen, sondern die digitale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Das muss so selbstverständlich werden wie die Fächer Deutsch, Mathe, Naturwissenschaften oder Englisch. Diese Kompetenz muss gefördert werden. Das geht durch Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Wir müssen neu denken, was und wie gelernt wird. Auch dafür haben wir die finanziellen Mittel bereitgestellt. Es gibt viele digitale Bildungsplattformen. Ich will gar nicht darüber streiten, welche die beste ist. Es wäre schon viel geholfen, wenn wir deutschlandweit Schnittstellen schaffen würden, damit sie miteinander kompatibel sind. Ich glaube, auch da können wir insgesamt in Deutschland noch besser werden.
In die Digitalisierung im Gesundheitswesen investieren wir bereits seit Jahren; Monika Bachmann und ihr Haus fördern schon seit Längerem Digitalisierungsprojekte in den Krankenhäusern. Im Moment ist allerdings dort die analoge Welt das Entscheidende, glaube ich, nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch wegen der Investitionsmittel für die Krankenhäuser selbst. Das ist heute bereits in der Debatte angesprochen worden.
Ja, wir haben in den vergangenen Jahren vielleicht zu wenig Geld bereitgestellt, aber im Sommer haben
wir eine kluge Entscheidung getroffen, mit dem Sondervermögen Krankenhaus 222 Millionen Euro bereitgestellt mit der Möglichkeit, jährlich noch einmal auffüllen zu können, um den Trägern Planungssicherheit zu geben, die notwendigen Investitionen im Brandschutz anzugehen. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg, den wir jetzt schon sehen. Wir sehen, dass es in Lebach weitergehen kann. Wir sehen, dass es in Losheim Bewegung gibt. Wir sehen aber auch, dass in Wadern Bewegung drin ist und dort vielleicht der Medizincampus entstehen kann. Deshalb sage ich nicht nur Dank an Magnus Jung und Hermann Scharf, sondern auch an die zuständige Ministerin Monika Bachmann und ihren Staatssekretär Stefan Kolling. Vielen Dank für diese wertvolle Arbeit für unser Land.
Ja, wir können stolz auf unser Gesundheitswesen sein, auch wenn es sicherlich immer etwas zu nörgeln, immer etwas zu verbessern gibt. Man kann immer etwas besser machen, aber ist es nicht schon mal ein Wert an sich, dass in Deutschland jeder, unabhängig von seiner Herkunft, unabhängig von seinem Einkommen, die beste medizinische Versorgung erhält? Auch da lohnt sich manchmal der Blick in andere Länder dieser Welt, wo das eben nicht der Fall ist. Ich jedenfalls bin stolz darauf, dass wir in Deutschland ein solches Gesundheitswesen haben, das uns auch etwas kostet und etwas wert ist. Diese Investitionsmittel für die Krankenhäuser sind der Treibstoff, den unsere Rakete jetzt braucht.
Neuen Treibstoff braucht auch die Kulturszene, das ist bereits angesprochen worden. Das ist ein weiterer großer Schwerpunkt der Großen Koalition in den Abänderungsanträgen, denn ohne Kunst und Kultur wird es still. DIE LINKE hat auch einen Änderungsantrag gemacht und fordert 5 Millionen Euro mehr. Wir haben 2,5 Millionen draufgesattelt, auf einen Regierungsentwurf, der bereits ordentlich Geld bereitgestellt hat, plus das, das will ich an der Stelle erwähnen, was Saartoto noch für die Kultur bereitstellen wird. Damit können wir vorhandene Projekte nach der Pandemie wieder aufleben lassen.
Wenn DIE LINKE 5 Millionen mehr fordert, hätte ich eigentlich erwartet, Herr Dörr, dass Sie 10 Millionen mehr fordern und die fraktionslosen Abgeordneten vielleicht noch 20 Millionen. Man kann natürlich immer mehr fordern, aber uns als Große Koalition war wichtig, nicht nur Geld bereitzustellen, um vorhandene Projekte wieder aufleben zu lassen, sondern haben uns Gedanken gemacht, wie wir die Kultur insgesamt stärken können, insbesondere im ländlichen Raum. Wir wollen einen lebendigen Kulturraum Saarland und, ohne die Projekte wieder zu nennen, die der Kollege Commerçon aufgezählt hat, vielleicht neue Ideen einbringen, wie etwa das Projekt „Jedem Ort ein Kinderchor“, damit Kinder noch einmal Spaß am Singen haben und sich in einem Chor engagie
ren, um dem Chorsterben entgegenzuwirken. Wir wollen auch einen multimedialen Tanz- und Chorwettbewerb durchführen. Wenn dann an der einen oder anderen Stelle gesagt wird, wieso kriegen wir nichts, dann sage ich, mein Gott, dann macht doch mit, macht doch nicht irgendjemandem etwas madig - wie beispielsweise der Verband der Karnevalisten, der sich darüber aufgeregt hat -, sondern überlegt, wie ihr bei diesem Wettbewerb mitmachen und davon profitieren könnt.
Ein neuer Schub, das ist angesprochen worden, wird bei der Hochschule für Musik umgesetzt. Wir haben einen klaren Arbeitsauftrag an die Landesregierung, dass das Projekt jetzt angegangen wird. 6 Millionen Euro stehen seit Jahren für die Renovierung im Haushalt bereit, wir wollen natürlich, dass das jetzt umgesetzt wird. Ich sage an dieser Stelle aber auch, da bin ich mir mit Ulrich Commerçon einig, dass es ordentlich umgesetzt wird; wir wollen an dieser Stelle keine saarländische Knauberei. Experten sagen uns heute schon, dass die 6 Millionen Euro nicht ausreichen werden. Dann sage ich, wir werden das Geld bereitstellen, das notwendig ist, damit die Hochschule für Musik angemessen und schön - ohne Luxus, aber angemessen - ausgebaut wird.
Vielleicht muss man dann an der Stelle irgendein anderes Projekt zurückstellen, das werden wir dann diskutieren müssen, das ist aber nicht das Thema.
Jetzt komme ich zu einem anderen Thema, nämlich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ich habe eben angedeutet, dass sich der Verband der Karnevalisten über Chorgelder aufregt. Heute in der Saarbrücker Zeitung haben sich auch Vertreter vom Sportverband über E-Sport aufgeregt. Ich glaube, es tut einer Gesellschaft nicht gut, solche Neiddebatten zu führen: Wieso kriegen die jetzt was, wieso kriegen die etwas und ich nicht? Ich muss an dieser Stelle in Richtung Landessportverband doch ein paar deutliche Worte sagen, ich bin selbst als Präsident der DJK Mitglied, mit in der Familie. Ich finde es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet der Landessportverband, der jedes Jahr über das SportAchtel rund 13,5 Millionen Euro erhält - in diesem Jahr übrigens 14,5 Millionen, also 1 Million mehr -, der von diesem Landtag aus, von der Politik eine Landesbürgschaft erhalten hat, damit er überhaupt noch existieren kann, jetzt mit dem Finger auf E‑Sport-Aktivitäten zeigt und diese 200.000 Euro kritisiert, bei einem Landeshaushalt in zwei Jahren von 10 Milliarden Euro. Ich erwarte in der Politik schon lange keine Dankbarkeit mehr, aber vielleicht muss man auch mal anerkennen, dass es auch andere Aktivitäten, andere Sichtweisen, anderes Engage
ment von jungen Menschen gibt. Das muss man nicht gut finden, aber es wäre doch ein wesentlicher Punkt, das zu tolerieren, gerade in der Adventszeit.
Ja. - Ich muss gerade an eine Geschichte in der Adventzeit denken mit meiner Tochter, als sie 5 Jahre alt war und mit ihrer Mutter den Weihnachtsbaum geschmückt hat. Wie das so üblich ist, macht eine Fünfjährige das in ihrer Sichthöhe. Ihre Mutter wollte aber den Baum komplett schmücken. Typisch Mann, war mir ein bisschen egal, wo die Kugeln hängen. Das Ganze ist aber in einen Streit eskaliert, mit Tränen. Was will ich damit sagen? Es wäre vielleicht hilfreich, wenn nicht jeder nur seine Weihnachtskugel vor der Nase sehen und betrachten würde. Man könnte vielleicht auch mal den Blick des anderen zulassen. Dann brauchte man nicht eine solche Kampagne zu fahren wie heute in der Saarbrücker Zeitung und sich über E-Sport aufzuregen und dann noch zu behaupten, es sei ein Schlag ins Gesicht des Saarsportes. Das ist wirklich absurd!
Ein Rückschlag hat oftmals die gleiche Wirkung wie der Rückstoß einer Rakete, es ist der Antrieb nach vorne. Gerade in diesem Jahr der Pandemie mit vielen Rückschlägen, mit vielen Schicksalsschlägen, mit der Sorge vieler Menschen, wie die Existenz weitergeht, wie das Unternehmen, wie der Betrieb weitergeführt wird, wollen wir als Große Koalition mit diesem Haushalt etwas Hoffnung geben. Wir wollen mit diesem Doppelhaushalt den Antrieb nach vorne ermöglichen. Aus diesem Grund bitte ich morgen Abend um Zustimmung zu diesem tollen Werk. Vielen Dank, Herr Finanzminister Peter Strobel für die Vorlage des Entwurfs, vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss, die das beraten haben. - In diesem Sinne Glückauf!
Ich will noch eine Bemerkung machen, man kann hier vorne die Uhrzeit wirklich nicht gut sehen, es ist schlecht zu erkennen. Ich hoffe, ich habe nicht zu lange gesprochen, man kommt mit der Zeit nicht ganz klar.
Nein, Herr Lafontaine, E-Sport ist kein Sport. Ich glaube, zumindest diese Feststellung betreffend sind wir hier im Plenum weitestgehend einer Meinung. Das ist auch die Position des DJK-Landesverbandes, um das deutlich zu sagen. Selbstverständlich sollen Kinder und Jugendliche sich bewegen und Sport treiben, aber deswegen stecke ich doch nicht den Kopf in den Sand, sondern nehme um mich her
um wahr, dass es junge Generationen gibt, die EGaming betreiben. Das gibt es. Ich glaube, es ist auch niemand hier im Plenum, der das verbieten will. Dann stellt sich doch für eine Landesregierung beziehungsweise die Politik vielleicht die Frage, über den Tellerrand hinauszuschauen, einmal nach Asien zu schauen, wo das ein riesiger Wachstumsmarkt ist, wo Arbeitsplätze hintendran hängen und eine Wertschöpfung dahinter steht. Wir haben im Saarland schon vor zwei Jahren ein kleines Pflänzchen gepflanzt und 100.000 Euro im Haushalt für die Förderung von diesen E-Gaming-Spielen bereitgestellt. Jetzt wollen wir es mit 100.000 Euro zusätzlich, auch für die junge Generation, die das trotzdem betreibt, machen. Daraus so einen Popanz zu machen, das habe ich kritisiert. Das verstehe ich nicht. Das wird auch so schnell nicht in meinen Kopf hineingehen.
Vielleicht sollte ich Ihnen das Buch „So lügt man mit Statistik“ schenken.
Dann können Sie es einmal lesen. Eine Kernthese beziehungsweise ein Kernbeitrag darin ist, dass man statistische Zahlen, die sehr wohl Fakten sind, in ein anderes Verhältnis zu setzen hat. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich komme aus Bexbach. Dort gibt es den ältesten Bahnhof des Saarlandes. Das ist toll. Man stellt fest, dass irgendwo in jeder Kommune beziehungsweise jedem Dorf irgendetwas das Älteste, das Größte, das Weiteste et cetera ist. Man muss einfach nur die Bezugsgröße ändern. Welcher Bahnhof ist jetzt der älteste Bahnhof in Deutschland oder der älteste Bahnhof der Welt? - Bei anderen Dingen wäre das wieder eine andere Geschichte. Darauf weise ich hin. Natürlich sind Ihre statistischen Zahlen richtig. Sie setzen sie aber immer in ein falsches Verhältnis und lassen immer die halbe Wahrheit weg. Darauf habe ich hingewiesen. Deswegen kann man das an dieser Stelle so nicht stehen lassen.
Ebenso will ich diese Investitionsquote nicht stehen lassen. Ich empfehle, einen Blick beispielsweise in den Rechnungshofbericht oder den Haushalt zu werfen, wie viele zig Millionen für unsere Investitionsoffensive noch zur Verfügung stehen. Wir müssen auch die Menschen haben, die das umsetzen, die diese Gelder auf die Straßen bringen. Da sind wir dran. Mit Hochdruck arbeiten wir daran, diese Millionen im Saarland zu verausgaben, um diesen Anschub für unsere Rakete zu bekommen. Deswegen sage ich, dass wir da bereits verdammt gut dastehen.
Selbstverständlich wehre auch ich mich nicht, wenn der Bund noch 10, 20 oder 50 Milliarden an das Saarland überweist. Das ist doch gar nicht die Frage, die sich hier stellt. Allerdings muss ich doch zu
nächst einmal anerkennen, dass wir durch den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich bereits 400 Millionen jedes Jahr bekommen. Das ist ein Erfolg, auf den wir stolz sind. Wir sind dabei kein Bittsteller und bekommen sie nicht als Almosen. Es sind jedes Jahr 400 Millionen Euro. Und dann muss ich mir hier so ein Geschwätz anhören, als würden unsere Politiker in Berlin nichts für uns machen. Werfen wir einen Blick auf die Kosten der Unterkunft, bei denen der Bund bereit ist, den Anteil auf 75 Prozent zu steigern. Das ist eine Entlastung der Kommunen in nie da gewesener Größenordnung. Wenn dann ausgerechnet von Ihnen, Herr Lafontaine, der viele Jahre hier Ministerpräsident an der Saar war, dieser Vorwurf kommt, dann verstehe ich die Welt nicht, denn zu Ihrer Zeit hat das Land ständig Kosten von dem Land auf die Kommunen abgewälzt und damit die Investitionsmisere erst verursacht. Jetzt ist es diese Landesregierung, die das unter anderem mit dem Saarlandpakt angeht.
Es geht um die Übernahme von 50 Prozent der Kassenkredite der Kommunen, damit sie in Zukunft wieder mehr investieren können. Deswegen ist dieses Geschwätz von der mangelnden Investitionskraft einfach nur hohles Geschwätz und deswegen lassen wir das hier so nicht stehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Volksmund sagt: Zahlen lügen nicht. - Deswegen schauen wir uns in meiner Rede die Zahlen zunächst einmal an: eine Verdreifachung der Infektionszahlen in den vergangenen 14 Tagen, eine Verfünffachung seit Mitte Oktober. - Nun wirft uns der Oppositionsführer Herr Lafontaine vor, dass wir nur auf diese Infektionszahlen starren. Wir würden der Bevölkerung mit diesen Infektionszonen Angst und sie dadurch krank machen. An der Stelle könnte ich Hannah Arendt zitieren: Angst ist für das Überleben
unverzichtbar. - Was mich eigentlich an Ihrer Aussage und an der Aussage vieler Wissenschaftler und Experten, die in den letzten Wochen immer wieder in den Raum geworfen haben, dass man nicht nur auf die Infektionszahlen starren dürfe, enttäuscht, ist die Verharmlosung, diese Beschwichtigung. Denn darum geht es Ihnen letztendlich. Sie wollen so tun, als sei diese Pandemie nicht so schlimm, wie sie ist. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, Herr Lafontaine!
Zumal es auch nicht stimmt, dass wir nur auf diese Zahlen starren, mal davon abgesehen, dass das RKI einen täglichen Lagebericht zusammenstellt, der im Übrigen jedem Abgeordneten des saarländischen Landtages jeden Tag zur Verfügung gestellt wird. Dort stehen dann auch das Verhältnis zur Bevölkerung, die Inzidenzen zu 100.000 Einwohnern, die Anzahl der Testungen, die Positivraten, die Zahl der Intensivbetten, die Zahl der Todesfälle und so weiter. Es gibt also noch viel mehr Kriterien, die für diese Maßnahmen herangezogen werden. Es ist das Entscheidende, dass alles aus den Infektionszahlen abgeleitet werden kann, und jeder intelligente Mensch sollte das auch tun können.
Mittlerweile gibt es 2.061 COVID-19-Patienten, Stand 01. November. Es ist eine Verdopplung in zehn Tagen. 47 Prozent dieser Patienten müssen beatmet werden - es ist heute schon vom Ministerpräsident angesprochen worden. Der Oberarzt am UKS Philipp Lippert hat dazu ausgeführt, dass 32 Prozent davon sterben.
In den vergangenen Wochen und Monaten sind die Infektionszahlen trotz aller Appelle und Mahnungen gestiegen. Vielleicht ist die Politik auch mitverantwortlich, beispielsweise wegen des Flickenteppichs, den es in Deutschland gab. Viele Menschen haben auch nicht mehr so richtig gewusst, was man wo überhaupt noch tun darf. Das muss man dann auch selbstkritisch sagen, Herr Lafontaine. Es ging Ihnen darum, dass man auch mal Selbstkritik übt. Deswegen ist es so wertvoll, deswegen ist es so wichtig, dass die Bundeskanzlerin mit allen Bundesländern einen gemeinsamen Weg für den Monat November aufgezeigt hat. Herr Dörr, deswegen wurden auch die Parteien genannt, die irgendwo in einer Landesregierung dabei sind. Dort ist die AfD Gott sei Dank nicht dabei.
Die Folgen dieser steigenden Infektionszahlen sind relativ einfach zu erklären, weil wir jetzt seit einem halben Jahr Erfahrung haben. Als Erstes sind die Gesundheitsämter überlastet. In vielen Städten in Deutschland können die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung gar nicht mehr gewährleisten.
Berlin hat quasi aufgegeben. Der nächste Schritt ist, dass die Testkapazitäten an ihre Grenzen kommen und überlastet sind. In Belgien wird nur noch getestet, wenn man in ein Krankenhaus kommt. Anschließend werden die Krankenhausbetten belegt und die Krankenhäuser überfüllt sein. Am Ende werden uns auch die Medikamente ausgehen. Dann brauchen wir uns nur in Europa umzuschauen und können es beobachten. Wir wissen, wie es vor einem halben Jahr in Italien war, als die Menschen in Behelfskrankenhäusern gestorben sind und die Ärzte nicht mehr ausreichend helfen konnten. Herr Lafontaine, wenn Sie dann sagen, Angela Merkel hätte für eine Kraftanstrengung in unserem Gesundheitswesen 15 Jahre lang Zeit gehabt, müssen wir heute doch feststellen, dass unser deutsches Gesundheitswesen eines der besten auf der Welt ist. Darauf können wir stolz sein!
Natürlich hat es auch Schwächen und natürlich ist eine solche Pandemie, die niemand vorhergesehen oder sich gewünscht hat, eine besondere Belastung für das Gesundheitswesen. Deswegen machen wir doch die Maßnahmen, um eben dieses Gesundheitswesen zu schützen. Die Situation in den Krankenhäusern ist heute doch eine ganz andere, im Übrigen auch eine andere als vor einem halben Jahr. Vor einem halben Jahr sind die Menschen ganz normal zur Arbeit gegangen. Heute stellen wir fest, dass Menschen zunehmend Angst haben und sich krankmelden, wenn eine Infektion im Krankenhausbetrieb aufgetreten ist. Auch das verstärkt den Personalmangel. Trotzdem haben wir in der Vergangenheit gegen diesen Fachkräftemangel angekämpft. Der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht: Wir haben schon vor vier Jahren den Pflegepakt initiiert, wir haben die Deutsche Fachkräfteagentur und die ersten Pflegerinnen und Pfleger aus dem Ausland sind schon da, die uns unterstützen. Das sind alles richtige und wichtige Maßnahmen. Sie zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Trotzdem ist es notwendig, dass jetzt wieder Operationen verschoben werden können, dass die Krankenhäuser Betten freihalten können, dass Operationen, die nicht dringend notwendig sind, ins Frühjahr verschoben werden. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir jetzt den Rettungsschirm für die Krankenhäuser verlängern, wie es bis zum 30. September der Fall war, um diese Kapazitäten freizuhalten. Natürlich können wir warten, bis die Krankenhäuser voll sind. Wir können wie der ungläubige Thomas sagen: „Ich glaube erst an die Auferstehung, wenn ich meinen Finger in die Wunde von Jesus stecken kann.“ Ich kann aber auch sagen: „Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“ Ich appelliere ganz stark, dass wir nicht warten, bis die Krankenhaus
betten voll sind und das Gesundheitswesen zusammenbricht, sondern dass wir vorher handeln. Deswegen haben die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundeskanzlerin diesen Lockdown veranlasst. Wir halten das für richtig und wichtig.
Jetzt haben Sie, Herr Lafontaine, gefragt, warum die Museen schließen müssen. Warum der Amateursport? Warum die Gastronomie? - Ich höre da ein bisschen die Frage heraus: Ist das denn gerecht? Die Profifußballer dürfen weiter Fußball spielen, die Amateurfußballer nicht. So sehr ich Ihnen zubillige, dass Sie die Partei der Gerechtigkeit sein wollen und die ein zentrales Element Ihrer politischen Tätigkeit ist, geht es in dieser Frage gar nicht um Gerechtigkeit. Es geht schlicht und ergreifend um Prioritäten. Der Ministerpräsident hat gesagt: Die erste Priorität ist, dass unsere Wirtschaft weiter am Laufen bleibt, die Schulen geöffnet bleiben und wir unser Freizeitverhalten an die pandemische Lage anpassen müssen. - Wenn wir die Gastronomie schließen, geht es nicht darum, dass wir irgendwen bestrafen wollen. Wir müssen die Weichen und Drehkreuze schließen, an denen sich die Wege des Virus kreuzen, um anschließend wieder in alle Himmelsrichtungen zu verschwinden. Es geht nicht um die Orte der Ansteckung, sondern um Wege der Verbreitung, deshalb müssen aus der Autobahn der Verbreitung wieder ganz schnell verkehrsberuhigte Zonen werden. Das geht nur, meine Damen und Herren, indem wir die Kontakte reduzieren und insbesondere das Freizeitverhalten überdenken und ändern. Ja, das geht einher mit Grundrechtseingriffen. Das ist jedem von uns bewusst. Gerade zu diesem Thema hat mein Kollege im Deutschen Bundestag Ralph Brinkhaus am vergangenen Donnerstag einen wichtigen Satz gesagt: Freiheit ist nicht immer nur die Freiheit der Jungen und Starken, Freiheit ist auch immer die Freiheit der Schwachen und der Anderen. Wer in dieser Pandemie Freiheit nur darauf reduziert, dass die Starken diese Freiheit ausüben können, degeneriert diesen Freiheitsbegriff zum Recht des Stärkeren. - Übrigens, die Fallzahlen bei der Altersgruppe der über Sechzigjährigen sind in kürzester Zeit um 80 Prozent angewachsen, so wird dieser Satz umso gehaltvoller.
Wir bringen deshalb heute auch das COVID-19Maßnahmengsetz ein. An dieser Stelle darf ich sehr herzlich unserem Landtagspräsidenten für die Initiative danken, alle Fraktionen einzuladen, an diesem Gesetzentwurf mitzuarbeiten. Und ich bedanke mich auch bei allen Fraktionen, dass sie das so konstruktiv getan haben und dass wir am heutigen Tag diesen Gesetzentwurf in Erster Lesung einbringen können. Uns allen ist bewusst, dass es noch Anhörungen geben wird, dass auch andere Kollegen der Fraktionen ihre Meinung dazu sagen sollen. Es kann
dann auch Änderungsanträge geben. Wir wissen auch, dass in den vergangenen Tagen die bundespolitische Debatte an Fahrt aufgenommen hat und vielleicht auch der Bundestag selbst tätig werden wird, um das Infektionsschutzgesetz des Bundes zu konkretisieren. Es könnte daher auch dazu kommen, dass dieses Gesetz überflüssig wird, weil Bundesrecht Landesbrecht bricht. Wir sind aber jedenfalls mit diesem Gesetz bundesweit Vorreiter. Ich glaube, darauf können wir Saarländerinnen und Saarländer auch ein wenig stolz sein. Deshalb noch einmal einen herzlichen Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben. Ich bitte um Zustimmung in Erster Lesung.
Da ich, meine Damen und Herren, gerade am Danken bin, bedanke ich mich angesichts dieser für unser Land so schwierigen Situation auch bei allen, die jetzt ganz besonders Verantwortung tragen. Ich weiß, dass einer Aufzählung die Schwäche innewohnt, dass gerne einmal jemand vergessen wird. Aber ganz besonders sei in diesen Tagen ein Dank an die Lehrerinnen und Lehrer gerichtet, die einen sehr schwierigen Job machen und jeden Tag aufs Neue in den Schulen planen müssen.
Ein Dank geht selbstverständlich an die Pflegenden, an die Ärztinnen und Ärzte, aber auch an die Polizisten und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern, die diese wichtige Arbeit der Kontaktnachverfolgung leisten. Ein Dank auch an alle anderen, die ich jetzt vielleicht vergessen habe, an alle, die in dieser Pandemie ganz besonders betroffen sind. Unser Appell an die Gesamtbevölkerung: Es kommt auf jeden Einzelnen an! - Bleiben Sie gesund.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon vieles zu dem Gesetzentwurf gesagt worden. Ich versuche, das noch einmal zusammenzufassen und zu strukturieren. Zum einen möchte ich eines ganz deutlich betonen: Die Rechtsverordnungen, die in den letzten Monaten durch die Landesregierung verabschiedet wurden, waren demokratisch legitimiert. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass das auf Grundlage eines Infektionsschutzgesetzes erfolgt ist, das 2001 im Bundestag beraten wurde und damit den Behörden die Möglichkeit gibt, diese Verordnungen zu machen, und zwar zum Schutz der Bevölkerung!
Selbstverständlich hat die Landesregierung das Parlament jederzeit informiert. Ich darf daran erinnern, dass der Gesundheitsausschuss wöchentlich getagt hat, wöchentlich über diese Rechtsverordnung informiert wurde und dass jeder Abgeordnete auch seine Fragen stellen konnte. Wenn jetzt darüber gesprochen wird, die Rechte des Parlaments zu stärken, bin ich als überzeugter Parlamentarier sofort dafür, aber, wie der Kollege Thielen gesagt hat, es muss dann auch substanziell sein.
Grundsätzlich haben wir als gewählte Parlamentarier, als Landtag jederzeit jede Möglichkeit, alle Regelungen zurückzunehmen. Wir haben die Möglichkeit, im Extremfall eine neue Regierung zu wählen, wir haben die Möglichkeit, nicht die Rechtsverordnung außer Kraft zu setzen, aber durch neue gesetzliche Regelungen dies zu beschließen. Insofern haben wir alle Rechte und selbstverständlich konnte das Parlament jederzeit tagen. Insofern müssen wir über diese Frage, wie wir die Rechte des Parlamentes stär
ken können, durchaus diskutieren, aber ich sage noch einmal, das muss dann auch substanziell sein.
Jetzt hat der Verfassungsgerichtshof an einem Punkt - in der Tat schon der zweite - der aktuellen Rechtsverordnung Bedenken geäußert, es geht um die Kontaktnachverfolgung. Er hat nicht gesagt, das ist nicht zweckmäßig, ganz im Gegenteil, sondern ein solcher Grundrechtseingriff muss in einem Parlament öffentlich debattiert werden, es muss das Für und Wider abgewogen werden, es muss geklärt werden, wer die Daten erhebt, wie sie geschützt werden und wer am Ende darauf zugreifen darf.
Hier, Herr Kollege Lafontaine, haben Sie die Frage gestellt, wie das mit dem Zugriffsrecht der Polizei ist. Natürlich werden wir auch das im Rahmen einer Anhörung ausführlich diskutieren, aber ich darf an der Stelle sagen, dass auch hier ein Bundesgesetz, nämlich die Strafprozessordnung, eigentlich schon eine Vorgabe macht. Selbst unsere Datenschutzbeauftragte hat dazu geschrieben, und ich darf zitieren: „Ebenso ist uns natürlich auch bewusst, dass die Strafprozessordnung den Zugriff auf die CoronaGästelisten erlaubt und auch grundsätzlich keine Beschränkung auf schwere Straftaten vorsieht.“ Auch das muss in diesem Zusammenhang erwähnt und berücksichtigt werden.
Insofern teile ich das, was Kollegin Berg gesagt hat, wie jetzt das weitere Vorgehen ist. In einem ersten Schritt werden wir das tun, was uns der Verfassungsgerichtshof aufgetragen hat, nämlich die Kontaktnachverfolgung öffentlich zu debattieren, das Für und Wider abzuwägen. Daher der heutige Gesetzentwurf.
In einer zweiten Stufe werden wir darüber debattieren, wie ein solches zukünftiges Corona-Gesetz auszusehen hat, das heißt, welche Bestimmungen in der Rechtsverordnung eignen sich, dass man sie gesetzlich regelt, sprich, dass sie längerfristig Bestand haben und nicht alle 14 Tage geändert werden müssen? Denn das ist ja gerade der Vorteil einer Rechtsverordnung, dass man schnell reagieren kann. Ich darf nur einmal daran erinnern, als darüber gesprochen und diskutiert wurde, ob jetzt die Kontaktbeschränkung so weit aufgeweicht wird, dass sich wieder fünf Menschen treffen dürfen. Das Parlament hätte noch wochenlang darüber diskutiert, ob wir jetzt vier oder sechs Personen zulassen, da war die Rechtsverordnung schon bei 20 Personen. Insofern muss man in einer solchen Krise, die besondere Maßnahmen erfordert, natürlich auch flexibel sein, aber alles, was langfristig geregelt werden kann, werden wir dann in einem Corona-Gesetz regeln.
Dann muss, und das halte ich für den noch wichtigeren, noch entscheidenderen Punkt, um ein handlungsfähiges Parlament zu haben, die dritte Stufe kommen, nämlich die Frage: Wie sieht ein Pandemiegesetz aus? Wie ist der saarländische Landtag
auch in Zukunft handlungsfähig, auch wenn das halbe Parlament beispielsweise in Quarantäne ist? Darüber müssen wir uns gemeinsam Gedanken machen, dazu hat der Landtagspräsident eine Kommission eingerichtet und darüber werden wir diskutieren und die notwendigen Maßnahmen auf den Weg bringen.- Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Tagen und Wochen zur Vorbereitung des heutigen Tages, der Verabschiedung dieses historischen Nachtragshaushaltes, fühle ich mich ein wenig in einem Tunnelblick gefangen. Diese Krise als Chance nutzen, jetzt Investitionen tätigen, Projekte vorziehen, um unser Land in eine gute Zukunft zu führen, das hat eine solche Euphorie bei mir ausgelöst! Verbunden mit zurückgehenden Infektionszahlen, kombiniert mit dem schönen Wetter, ist alles wieder gut.
Dann ereilt mich gestern die Nachricht, dass es einen weiteren Corona-Toten im Saarland gegeben hat. Eine junge Mutter, die ich kenne, und plötzlich bekommt dieses ganze Corona ein Gesicht. Deshalb lassen Sie mich zu Beginn dieser Debatte an die 171 Saarländerinnen und Saarländer erinnern, die gestorben sind aufgrund dieses Virus. Erinnern wir an diese Menschen, die noch leben könnten, hätte dieses Virus ihr Leben nicht zu früh beendet. Denken wir an die Familien, an die Hinterbliebenen.
Meine Damen und Herren, vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an meine „Bergrede“ bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2019/20. Ich habe damals den Konsolidierungskurs mit der Besteigung des Mount Everests verglichen, ein Projekt, das viele als unmöglich erachtet haben. Wir haben uns darüber gefreut, dass das Jahr 2020 ein Jahr mit einem Haushalt ohne neue Schulden im Saarland sein sollte, und dann kommt dieses Virus und reißt uns im wahrsten Sinne fast in den Abgrund. Und diese schwarze Null, Herr Lafontaine, sollte kein Selbstzweck sein. Ich bin auch davon überzeugt, dass dieser Konsolidierungskurs mit dazu beiträgt, dass wir jetzt diese Investitionen tätigen können, dass wir aufgrund von soliden Finanzen jetzt investieren können. Aber diese schwarze Null sollte lediglich eine Rast sein, eine Pause, in der wir einmal durchatmen, in der wir zurückblicken können, was wir schon erreicht haben auf dem Weg zum Gipfel. Das ist doch das Ziel! Das Ziel, 2030 in einem Saarland zu leben, in dem wir zukunftsfeste, krisenfeste Arbeitsplätze haben in allen Bereichen, in der Industrie, im Handwerk, im Handel und Ge
werbe und auch in der IT, und dort insbesondere weltweit spitze zu sein!
Herr Lafontaine, Sie haben das richtig gesagt, dass die Durchschnittlöhne im Saarland etwas geringer sind. Aber eben nicht in der Industrie, das haben Sie ja gesagt, dass nämlich unsere Arbeiter und Arbeiterinnen gerade im Industriebereich überdurchschnittlich viel verdienen, dass sie flexibel sind, dass sie im Schichtbetrieb arbeiten. Aber unser Problem im Saarland ist es, dass wir nicht die Unternehmenszentralen haben, dass wir nicht die Top-Manager hier im Saarland haben. Deswegen ist es wichtig, jetzt in der Investitionsoffensive die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch neue Unternehmen hier bei uns im Saarland entstehen, gerade im Bereich der IT.
Wenn ich vorhin gesagt habe, dieses Virus hätte uns beinahe in den Abgrund gestürzt, können wir dankbar sein, dass wir einen Landesvater und eine Landesmutter haben, die hier wie erfahrene Bergsteiger sofort reagiert haben. Ich gebe zu, das Bild ist vielleicht etwas bizarr, Tobias und Anke auf dem Mount Everest, aber wir haben zunächst einen Schutzschirm für die Kleinunternehmen und viele andere Bereiche darüber hinaus gespannt. Jetzt, mit dem heutigen Nachtragshaushalt, gehen wir insbesondere dort rein, wo es besonders weh tut, wo die Grundlage für das Saarland 2030 geschaffen werden muss, nämlich in den Kommunen.
Der Finanzminister hat einen Nachtragshaushalt vorgelegt, mit dem wir die Kommunen in den nächsten Jahren mit über 600 Millionen Euro unterstützen. Die Steuerschätzung vom vergangenen Jahr nehmen wir als Grundlage und auf dieser Grundlage können die Kommunen weiterarbeiten. Wir wollen, dass der Saarland-Pakt weiterhin gelingt, wir wollen, dass vor Ort in die Kindergärten, in die Schulen, in die Straßen, in die Hallen investiert werden kann, und dieser Nachtragshaushalt ist die Voraussetzung dafür und das ist ein gutes Signal für unsere Kommunen.
Der zweite Schwerpunkt, der in diesem Nachtragshaushalt abgebildet wird, sind die Krankenhäuser. Ich glaube, ich brauche hier niemandem zu erzählen, dass diese Krise deutlich gemacht hat, wie wichtig unsere Krankenhäuser sind. An dieser Stelle ein Kompliment, ein Lob an die Ärzte, an die Pflegekräfte in den Krankenhäusern, die teilweise Übermenschliches geleistet haben in dieser Krise und die allesamt mit dazu beigetragen haben, dass unser Gesundheitswesen eben nicht überfordert ist, sondern dass wir bislang so gut durch diese Krise gekommen sind.
Wir haben aber gesagt, selbstverständlich müssen wir dann auch in die Krankenhäuser stärker investieren. Auch andere Bundesländer machen das, Nord
rhein-Westfalen stellt ebenfalls Geld zur Verfügung, aber nur für zusätzliche Beatmungsplätze. Das haben wir hier im Saarland auch diskutiert und sind zu dem Ergebnis, zu dem logischen Schluss gekommen, dass es überhaupt nichts bringt, nur zusätzliche Beatmungsplätze in Krankenhäusern herzurichten, wo es vielleicht reinregnet oder die wir vielleicht irgendwann schließen müssen, weil der Brandschutz nicht mehr gewährleistet ist.
Und deswegen ist dieses Sondervermögen Krankenhäuser ein haushaltstechnischer Begriff, um jetzt einzuzahlen und um den Trägern Planungs- und Investitionssicherheit zu geben und unser Versprechen, dass wir jedem Träger, der investieren kann und möchte, mindestens 50 Prozent der Investitionskosten zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist eine wichtige, richtige Regelung, sie gibt ausreichend Flexibilität an weißen Flecken, vielleicht auch mehr investieren zu können. Auf der anderen Seite sagen wir auch nicht, wir übernehmen die gesamten Wünsche der Träger, um am Ende vielleicht Krankenhäuser saniert zu haben, deren Träger zwei, drei Jahre später sagt, aus wirtschaftlichen Gründen schließen wir wieder. Das kann natürlich auch nicht sinnvoll sein. Insofern haben wir mit diesem Sondervermögen jetzt die Voraussetzungen geschaffen, um unsere Krankenhauslandschaft modern zu gestalten. Auch das ist ein gutes, ein wichtiges Signal in diesem Nachtragshaushalt!
Herr Lafontaine, wenn Sie sagen, ja, wir müssen mehr machen, wir müssen neue Ideen entwickeln, dann sage ich, das werden wir gerade in diesem Bereich der Digitalisierung vornehmen. Zunächst der Gigabit-Ausbau. Da stellen wir 100 Millionen Euro zur Verfügung. Aber diese 100 Millionen Euro reichen ja gar nicht, das ist ja nur ein Kofinanzierung zu den Mitteln des Bundes. Insgesamt werden wir da über 300 Millionen Euro zur Verfügung haben, um im Saarland den Gigabit-Ausbau durchzuführen, um am Ende dann auch wirklich 5G an jeder Milchkanne zu haben, um das hier einmal bildlich auszudrücken. Aber auch das ist ja nur die Voraussetzung, um neue Unternehmen hier anzusiedeln, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Und um das zu verstärken, werden wir noch über 260 Millionen Euro in die Digitalisierung stecken, in die Digitalisierung der Landesverwaltung, in die Digitalisierung der Kommunen.
Für uns als CDU-Fraktion ist es dabei wichtig, dass jetzt nicht nur analoge Geschäftsprozesse im digitalen Zeitalter abgebildet werden. Ein schlechter analoger Prozess bleibt ein schlechter digitaler Prozess. Wir wollen Abläufe neu strukturieren, straffer machen und damit auch bürgerfreundlicher, schneller und investitionsfreudiger im Saarland werden. Auch das ist ein gutes, ein wichtiges Signal in diesem Nachtragshaushalt!
Dazu gehört natürlich auch die Bildung. Bereits 2000 haben wir als Junge Union gefordert, Notebooks für jeden Schüler anzuschaffen - Schule 2010 war unser Motto. Diese Krise, dieser Heimunterricht an der Schule hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass wir auch im Bildungsbereich in das digitale Zeitalter einsteigen. Deshalb bin ich froh, dass wir 50 Millionen Euro für die digitale Bildung zur Verfügung stellen, für Endgeräte, für Tablets, aber nicht nur. Einhergehen muss natürlich auch ein pädagogisches Konzept. Es müssen die Lehrer fortgebildet werden und es müssen auch IT-Experten in den Kreisen oder in den Schulen da sein, um diese Dinge dann auch umzusetzen. Aber unser Ziel ist und bleibt es, die modernsten und besten Schulen in Deutschland zu haben. Daran arbeiten wir und auch das ist ein gutes Signal in diesem Nachtragshaushalt!
Und wir werden die Voraussetzungen schaffen, damit der ÖPNV im Saarland besser wird. Wir wollen 50 Millionen bereitstellen für eine nachhaltige Mobilität. Auch das hat die Krise deutlich gemacht, dass wir im Bereich des ÖPNV noch Luft nach oben haben, auch was den Bereich Digitalisierung angeht. Natürlich ist das noch viel Arbeit. Ich behaupte jetzt auch nicht, dass wir irgendwann im Jahr 2030 am Hauptbahnhof in den Transrapid einsteigen können, um dann in 20 Minuten auf dem Gipfel des Mount Everests rauszukommen. Ich glaube, das wäre auch nicht wirklich nachhaltig. Aber es wäre ja schon viel gewonnen, wenn wir zumindest in einem angemessenen Zeithorizont von Saarbrücken aus an den Höcherberg fahren könnten. Auch dafür legen wir jetzt die Voraussetzungen in diesem Nachtragshaushalt.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne lasst uns die Stiefel fest schnüren und weitermarschieren zum Gipfel, auf geht’s!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lafontaine, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede der Landtagsverwaltung für die hervorragende Organisation gedankt. Das gibt mir die Gelegenheit, zunächst auf diesen Ort einzugehen, denn wir tagen heute an einem besonderen Ort, der mehr ist als nur ein Ausweichquartier in Corona-Zeiten. Die Congresshalle im Herzen von Saarbrücken ist eng verbunden mit der Geschichte unseres Saarlandes. Am 01. Januar 1957 schloss sich das Saarland als zehntes Bundesland an die Bundesrepublik Deutschland an. An diesem geschichtsträchtigen Tag bei der Feierstunde im heutigen Staatstheater verkündete der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, dass die Bundesregierung beschlossen habe, zur Erinnerung an den damaligen Tag die Mittel für die Errichtung eines Hauses zur Verfügung zu stellen, das der Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen des Landes werden soll. Der 01. Januar 1957 war die Geburtsstunde der Congresshalle. Der Bau und die Finanzierung waren ein Kraftakt, ein gemeinsames Aufbäumen von Stadt, Land und Bund so kurz nach der Wiedereingliederung, sozusagen ein erster gelebter Akt des Zusammenhalts. Dieser Ort ist aber nicht nur ein Ort der Vergangenheit, sondern vielmehr ein Ort der Zukunft. Bis 2025 soll an dieser Stelle ein modernes Messe- und Kongresszentrum, ein neuer Mittelpunkt der Kulturlandschaft im Saarland, entstehen.
Zusammenhalt leben, Zukunft gestalten - dieser Leitsatz gilt in diesen Wochen und Monaten ganz besonders für unser Saarland. Wir erleben eine Krise mit historischem Ausmaß. Sie kam unerwartet, plötzlich und ihre Folgen sind immer noch nicht abzuschätzen. Zehn Wochen ist es nun her, dass der erste Corona-Fall im Saarland festgestellt wurde. Von einem auf den anderen Tag stand das öffentliche Leben still, genauso still wie die Bänder in den saarländischen Betrieben in Völklingen, Dillingen und Saarlouis. Einige schwierige Wochen liegen hinter uns und noch mehr schwierige Wochen vor uns, denn der Kampf gegen das Coronavirus ist noch lange nicht gewonnen, auch wenn wir uns in der ersten Runde recht gut geschlagen haben. Trotzdem können wir positiv und mit Tatendrang nach vorne blicken, denn wir haben in den vergangenen Wochen erlebt, was unser Land und seine Menschen leisten können, dass sie über sich hinauswachsen können, dass sie zusammenhalten.
Unser Ministerpräsident Tobias Hans hat in seiner Regierungserklärung all diesen Menschen gedankt und sie aufgezählt. Er hat die systemrelevanten Berufsgruppen genannt. Natürlich, Herr Lafontaine, gehört es auch dazu, dass sie ausreichend und angemessen bezahlt werden, aber in unserer sozialen Marktwirtschaft ist es richtig und wichtig, dass die
Tarifpartner diese Löhne verhandeln. In dieser Krise sollte man von diesem Prinzip der Marktwirtschaft keinen Abstand gewinnen.
Bei dieser ganzen Aufzählung wurde zumindest bei unserem Ministerpräsidenten eine Gruppe nicht erwähnt, deswegen mache ich das gerne: Ich möchte der Landesregierung danken. An vorderster Front steht unser Ministerpräsident, aber natürlich auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und das gesamte Kabinett. Sie haben in den vergangenen Wochen Hervorragendes geleistet. Wir als CDU-Fraktion können sagen, dass wir stolz auf diese Landesregierung sind.
Die Große Koalition hat an einem Strang gezogen bis hin zu den Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern im Land und in den Kommunen. Auch ihnen gebührt unser Dank. Die vergangenen Wochen waren für jeden von uns Wochen der Entbehrung, Wochen schwieriger Entscheidungen, vielleicht sogar Wochen der Verzweiflung. Jeder von uns kann dazu eine Geschichte erzählen. Es sind Geschichten von großen und kleinen Unternehmern, die nachts nicht schlafen konnten, weil sie Angst um ihre Beschäftigten und ihren Betrieb hatten, und von Beschäftigten, die nachts auch nicht schlafen konnten, weil sie Angst um ihren Lohn und die Zukunft ihrer Familie hatten, und von Familien, die nachts nicht schlafen konnten, weil sie Angst um ihre Liebsten hatten, die sie nicht besuchen oder gar auf ihrem letzten Weg begleiten konnten, die plötzlich durch Grenzen getrennt waren, die es lange Zeit gar nicht mehr gab. All das sind Geschichten, die uns zeigen, dass diese Krise jeden einzelnen von uns auf ihre ganz eigene Art getroffen hat. Genau deswegen danke ich Ihnen allen, liebe Saarländerinnen und Saarländer, für Ihr Durchhaltevermögen, Ihr Verständnis für diese Maßnahmen, für den besonderen Zusammenhalt in unserem Land und für das Miteinander der letzten Wochen. Herzlichen Dank!
Der Zusammenhalt im Saarland wird auch weiterhin dringend nötig sein. Wir können die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen dieser Krise nur gemeinsam bestehen. Das Saarland, Deutschland, Europa und die gesamte Welt steuern auf eine Wirtschaftskrise zu, deren Ausmaße heute noch gar nicht abzuschätzen sind. Nicht wenige Experten vergleichen sie mit der großen Depression der Zwanzigerjahre.
Prompt melden sich auch die ersten Schlaumeier zu Wort und behaupten: Die gesamten Schutzmaßnahmen und das Herunterfahren der Wirtschaft seien überhaupt nicht notwendig gewesen. - Natürlich gibt es ein moralisches Dilemma der Krise. Natürlich gibt
es ein moralisches Dilemma bei der Bekämpfung dieser Pandemie. Welchen Preis ist eine Gesellschaft bereit zu zahlen, um Menschenleben zu retten? - Das ist eine Frage, die in weniger existenziellen Zeiten mit einem Tabu belegt ist, aber selbst da stellt sie sich, zum Beispiel wenn es um die Finanzierung teurer Krebsmedikamente oder um den Personalabbau im Gesundheitswesen geht. In diesen Wochen und Monaten stellt sie sich jedoch drängender und für viele von uns. Eigentlich geht es nicht um ein Dilemma, sondern um ein Trilemma. Drei Güter müssen gegeneinander abgewogen werden: Wohlstand und soziale Sicherheit, Freiheitsrechte der Demokratie und die Pflicht des Staates, Gesundheit und Menschenleben zu retten. - Demokratie lebt von offener Debatte, von der Abwägung dieser Güter. Gerade in einer Krise darf sie das auch nicht aufgeben.
Herr Lafontaine, da bin ich bei Ihren Ausführungen, dass das Parlament regelmäßig oder sogar vor diesen einschneidenden Maßnahmen, die die Regierung getroffen hat, gehört werden soll. Ich glaube, dass das in der Tat eine Bremse wäre. Es musste oft schnell von heute auf morgen reagiert werden. Natürlich hat die Landesregierung im sogenannten Corona-Ausschuss das Parlament darüber informiert. Wir waren also informiert. Jedoch eine Pflicht daraus zu machen, vor einer solchen Maßnahme das Parlament zu hören, halte ich in einer solchen Krise für gefährlich. Selbstverständlich können wir über andere Vorschläge der LINKEN diskutieren wie Ihren Vorschlag eines Pandemieberichts, der dann jährlich im Parlament zu hören ist. Das halte ich für durchaus möglich. Außerdem hat ein Parlament jederzeit die Möglichkeit, handlungsfähig zu sein und zu bleiben, Sitzungen einzuberufen und andere Gesetze zu machen. Wie es der Landtagspräsident zu Beginn der heutigen Sitzung gesagt hat: All diese Maßnahmen basierten auf einer gesetzlichen Grundlage, dem Infektionsschutzgesetz, das im Bundesrat und Bundestag beschlossen wurde. - Insofern waren alle Maßnahmen demokratisch legitimiert.
Trotzdem ist es richtig, dass gerade diese schwierigen Entscheidungen nicht getroffen werden dürfen, ohne dass klar ist, was auf dem Spiel steht. Es ist weder unmoralisch noch zynisch zu benennen, was gegeneinander abgewogen werden muss. Die Politik muss diese Abwägung offener als bisher debattieren und kommunizieren. Wenn wir jetzt die gesundheitlich Schwächsten schützen, müssen wir sicherstellen, dass die wirtschaftlich Schwächsten nicht langfristig den Preis dafür zahlen. Das gilt für Deutschland, das gilt aber ganz besonders für die Europäische Union.
Die ersten Reaktionen auf COVID-19-Virus waren besorgniserregend. Grenzschließungen, Abschottung und der Kampf um Masken und Schutzausrüs
tung - jeder war sich zunächst selbst der Nächste. Beinahe hätten wir unseren europäischen Kompass verloren. Zum Glück kehrt aber eine Besinnung auf unsere Gemeinschaft zurück. Deutschland und das Saarland stellen freie Krankenhauskapazitäten für unsere europäischen Freunde zur Verfügung. Auch die gemeinsame europäische Beschaffung von Schutzausrüstung im Kampf gegen das Virus ist ein wichtiger Schritt. Der Weg der Solidarität und Zusammenarbeit muss fortgesetzt werden. Ich bin daher unserer Kollegin Helma Kuhn-Theis ausgesprochen dankbar dafür, dass sie gemeinsam mit dem Interregionalen Parlamentarierrat bereits frühzeitig einen grenzüberschreitenden Pandemieplan gefordert hat. Dieser sollte nun auch zügig erarbeitet werden. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht hat, dass wir natürlich den Austausch mit unseren Nachbarn benötigen und dass er daher als Gipfelpräsident der Großregion einschlägige Gespräche führt.
An dieser Stelle möchte ich auch Ihnen, Herr Lafontaine, ausdrücklich beipflichten, dass die Abschottung, dass die Grenzschließung vonseiten der Bundesregierung besser hätte kommuniziert werden müssen. Dabei wurde Porzellan zerschlagen und es liegt nun an uns, dafür zu sorgen, dass die grenzüberschreitende Freundschaft auch künftig mit Leben gefüllt wird. Wir müssen begreifen, dass Europa diese Pandemie gemeinsam angehen muss - auch und gerade, was die wirtschaftlichen Folgen angeht.
Ich habe davon gesprochen, diese Wirtschaftskrise könne die Dimensionen der Krise in den Zwanzigerjahren annehmen. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, damit die damaligen Fehler nicht wiederholt werden. Viele glauben ja, Auslöser der damaligen Krise sei der „schwarze Freitag“ gewesen, der weltweite Börsencrash. Dabei war dies nur der Funke, der das Pulverfass zum Explodieren brachte. Infolge des Ersten Weltkriegs bestanden weltweit zwischen nahezu allen Ländern Spannungen. Nahezu alle Länder waren hochverschuldet, jedes Land versuchte, durch hohe Zollmauern, Abschottung und Nationalismus für sich den größten Vorteil herauszuschlagen. Statt sich auf den Weltmarkt zu konzentrieren, konzentrierte man sich auf den Binnenmarkt.
Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass historische Vergleiche immer hinken und wir heute nicht in die Depression der Zwanzigerjahre hineinrutschen werden, bereiten mir doch gewisse Parallelen Sorgen: Die Staatsschuldenkrise in Europa ist nicht gelöst, Handelshemmnisse nehmen zu, der Welthandel nimmt ab. Und jeder schaut derzeit zunächst einmal auf sich selbst. So hat der deutsche Staat in kürzester Zeit insgesamt 1,4 Billionen Euro mobilisiert, die Größe des Hilfspakets für die deutsche Wirtschaft umfasst 33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und
das wird noch mehr werden, denn nach dem Ende der Corona-Krise sind große Konjunkturprogramme erforderlich, um die Volkswirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Unser Motto dabei ist: Wir können uns das leisten. Denn wir haben, auch darauf wurde bereits hingewiesen, einen starken Rechtsstaat; dass das so ist, haben wir in den vergangenen Wochen gesehen. Wir haben auch eine starke soziale Marktwirtschaft, bei der wir aus dem Vollen schöpfen können, um die Folgen dieser Krise abzumildern. Andere Länder haben das nicht und können das nicht. Nur zum Vergleich: Die Rettungspakete von Spanien und Italien haben ein Volumen von 7 Prozent des jeweiligen BIP.
Da aber das Problem gesamteuropäisch ist, sollten auch die Gegenmaßnahmen gesamteuropäisch sein. Europa benötigt ein gemeinsames Hilfspaket, das für alle zugänglich ist und das Geld dorthin verteilt, wo die wirtschaftlichen Schäden am schlimmsten sind. Nur so kann Europa als Gemeinschaft mit dieser Jahrhundertkrise fertigwerden! Das Argument, damit belohne man nur das unverantwortliche Fehlverhalten der Schuldenländer, ist aktuell ein völlig deplatziertes Totschlagargument. Denn es geht hier nicht um die permanente Einführung von Eurobonds, sondern um einen einmaligen Sonderfonds zur Bewältigung der Folgen einer globalen Pandemie. Dafür braucht man Mut und es bedarf des politischen Willens. Europa könnte damit ein starkes Signal sowohl nach innen als auch nach außen senden: Wir stehen diese Krise gemeinsam durch. - Das würde die Finanzmärkte beruhigen und spekulative Attacken schon im Keim ersticken.
Darüber hinaus gibt es aus unserer Sicht aber auch ein starkes eigennütziges Argument: Deutschland braucht als Exportnation Handelspartner, die nicht am Boden liegen. Benötigt werden Partner, die unsere Spitzenprodukte nicht nur kaufen wollen, sondern auch kaufen können. Helfen wir also Italien und Spanien, so helfen wir auch ein Stück weit uns selbst.
Denn auch unsere Wirtschaft braucht Europa. Globalisierung, lange Lieferketten, Just-in-Time-Produktion werden sicherlich auch in Zukunft nicht ganz verschwinden. Das ist auch gut so, denn Deutschland war einer der großen Profiteure der Globalisierung. Die Krise verdeutlicht aber wie unter einem Brennglas, wo die Schwächen dieses Systems liegen. Der Selbstversorgungsgrad ist, abgesehen vom Lebensmittelbereich, in den zurückliegenden Jahren stetig gesunken.
Lebenswichtige Medikamente und Grundstoffe werden teilweise nur noch in einem Land produziert. So etwas kann in einer Krise Leben kosten. In unserem Homeoffice machen wir Videoschalten mit Systemen
und auf Basis von Servern aus den Vereinigten Staaten. Das alles heizt den Wettbewerb der Systeme an. China und andere Staaten bewerben bereits heute im Ausland ihr staatszentriertes Wirtschaftssystem, dies gepaart mit einem prall gefüllten Geldbeutel, mit dem China schon nach der letzten Finanzkrise auf große Shopping-Tour durch Europa ging und damit seinen Einfluss in vielen europäischen Unternehmen massiv erhöht hat. So etwas darf sich nicht wiederholen, wir müssen europäisch helfen und müssen den weiteren Ausverkauf unserer Unternehmenslandschaft verhindern.
Ich glaube, angesichts dessen müssen wir uns in der Zukunft einer Frage stellen, der Frage der Abwägung zwischen wirtschaftlicher Effizienz und Risikoabschätzung. Wir müssen uns darüber klar werden, was Schlüsseltechnologien sind und was wir bereit sind, für den Erhalt dieser Technologien zu bezahlen. Was ist uns eine Reduzierung der Abhängigkeit letzten Endes wert und wie finanzieren wir diese Kosten? An dieser Stelle kommt wieder die Europäische Union ins Spiel: Schutzmasken, Medikamente oder IT-Ausstattung müssen ja nicht unbedingt einzig und allein bei uns hier im Saarland produziert werden, das können auch unsere Freunde in Frankreich, in Spanien oder in anderen Ländern der EU. Aber dann darf es eben in einer Krise auch keine Ausfuhrbeschränkungen und keine nationalen Egoismen in Europa mehr geben. Oder, wie Helmut Kohl es formulierte: Nur wenn Europa mit einer Stimme spricht und seine Kräfte bündelt, kann es sein Gewicht angemessen zur Geltung bringen. Volkswirtschaftliches Vertrauen in der Europäischen Union ist der Schlüssel zu mehr Selbstständigkeit.
Das alles wird in Deutschland, auch im Saarland, Investitionen erfordern. Das beziehe ich übrigens auch auf unsere Krankenhäuser. Ja, Herr Lafontaine, auch darüber müssen wir diskutieren. Ob wir nun gleich wieder über ein Gewinnerzielungsverbot gehen müssen oder doch andere Lösungen wählen zunächst einmal ist mir wichtig, dass die Krankenhäuser ausreichend in ihre Gebäude investieren können. Denn in einer solchen Krise ist es notwendig, dass auch insoweit die Voraussetzungen stimmen.
Es bedarf eines gesellschaftlichen Konsenses darüber, was uns in unserem Land und in unserer Wirtschaft lieb und wichtig ist und was das Ganze kosten darf. Diese Debatte möchte die CDU‑Fraktion von der heutigen Plenarsitzung ausgehend starten. Schon im nächsten Plenum, am 24. Juni, werden wir einen Nachtragshaushalt verabschieden und damit auch für uns im Saarland entscheiden, wie wir diese
Krise als Chance nutzen können. Für mich ist klar, dass dafür dringend Investitionen in unsere Infrastruktur notwendig sind, dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern müssen und dass wir auch unsere Kommunen nicht im Stich lassen dürfen. Ich werbe dafür, dass der Nachtragshaushalt, der in Form eines Sondervermögens „Corona“ gestaltet wird, alle direkten und indirekten finanziellen Folgen dieser Pandemie abdeckt und dazu beiträgt, dass wir künftige Krisen dieser Art noch besser abfangen können. Ich warne davor, den Blick zu eng zu fassen und zu glauben, man könne dies in fünf oder zehn Jahren leisten beziehungsweise das in diesem Zeitraum finanzieren. Nein, es handelt sich hier um eine Generationenaufgabe. Sie beinhaltet den ökologischen Umbau unserer Wirtschaft, Gebäudesanierungen zur Energieeinsparung und die Aufrechterhaltung unseres sozialen und kulturellen Lebens im Saarland.
Auch unsere Kommunen müssen handlungsfähig bleiben. Unser Ministerpräsident hat es schon gesagt, ich halte das für einen der wesentlichen Punkte: Der Erfolg des Saarland-Paktes darf durch die Folgen der Corona-Pandemie nicht verpuffen. Deshalb setzen wir uns für die Unterstützung unserer Kommunen ein. Rettungsschirme sind nicht nur für die Wirtschaft, für Unternehmer, Künstler, für Vereine, für wen auch immer sonst noch notwendig, sondern auch für das Herz unserer Gesellschaft, gerade für unsere Kommunen. Dort, wo unser Zusammenleben organisiert wird, müssen wir handlungsfähig bleiben. Deshalb darf ich bereits heute unseren Kommunen versprechen, dass wir sie mit den Kosten der Pandemie nicht allein lassen.
Ich werbe auch dafür, dass nun eine Digitalisierungsoffensive folgt, die den Bildungsbereich ebenso umfasst wie die Landes- und Kommunalverwaltungen, ja, auch unseren Landtag. Das Abstandsgebot und die daraus resultierende Heimarbeit oder der Heimunterricht haben unsere Schwachstellen schonungslos offengelegt. Die öffentliche IT-Infrastruktur ist ebenso wie die IT-Infrastruktur in manchen Unternehmen unterentwickelt oder überlastet. Der Umgang mit Video- und Telefonkonferenzen ist teilweise viel zu wenig erprobt. Wesentliche Prozesse in der öffentlichen Verwaltung, nicht nur in der Gesundheitsversorgung, sind noch nicht digitalisiert und sorgen für eine langsamere Handlungs- und Reaktionsfähigkeit. Auch ist der Anteil digitaler Geschäftsmodelle und digitaler Arbeitsprozesse an der Bruttowertschöpfung in Deutschland noch zu gering, um die Konjunktur beim Rückgang im produzierenden Gewerbe substanziell stabilisieren zu können. Auch dies ist mindestens anteilig eine Folge der unterentwickelten öffentlichen IT-Infrastruktur.
Diese Schwachstellen zu beseitigen und dort zu helfen, wo Hilfe notwendig und erforderlich ist, wird natürlich viel Geld kosten. Auch insoweit bin ich, lieber Tobias, dankbar, dass du genau das angekündigt hast: Dass wir jetzt auf dem Weg in die Wirtschaft 4.0 die Digitalisierung schneller angehen wollen und angehen werden, denn auch das ist notwendig, um zukünftige Krisen dieser Art schneller zu bewältigen. Das mag viel Geld kosten, aber wir müssen nun bereit sein, dieses Geld zur Verfügung zu stellen.
So sehr die Schuldenbremse in der Vergangenheit notwendig und richtig war - schließlich ist sie auch die Voraussetzung dafür, dass Deutschland in dieser Situation so handlungsfähig ist - und so sehr diese Schuldenbremse auch in der Zukunft gebraucht wird, so richtig ist es jetzt, dieses geplante Sondervermögen - das ja im eigentlichen Sinne kein Vermögen ist, sondern die Möglichkeit, neue Schulden zu machen - zu nutzen, um unser Land zukunftsfähig zu machen.
Meine Damen und Herren, die vergangenen Wochen haben vielen Saarländerinnen und Saarländern, haben uns allen vieles abverlangt. Sie haben uns aber auch verdeutlicht, dass wir zusammenhalten. Am 01. Januar 1957 ging mit der Ankündigung des Baus der Congresshalle, in der wir heute tagen, schon einmal ein Signal ins Land. Ich wünsche mir, dass auch von der heutigen Plenarsitzung in diesem Haus ein Signal ausgeht, ein Signal des Aufbruchs in unserem Land. Ein Signal, dass wir bereit sind, anzupacken und die Zukunft mit Mut und Tatendrang zu gestalten. Dazu rufe ich Sie alle auf!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.” So sprach 1996 der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner Proklamation zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Seither ist der 27. Januar ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag. Auch hier bei uns im saarländischen Landtag fand in diesem Jahr - wie auch in den Jahren zuvor - eine Gedenkstunde statt, um die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten wachzuhalten.
Der 27. Januar ist nicht zufällig gewählt. Vor 75 Jahren wurde am 27. Januar das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreit, das neben vielen anderen Konzentrationslagern und Gräueltaten der Nazis zu dem Symbol für den Holocaust geworden ist. Bei diesen Gedenkstunden, ob im Bundestag oder hier bei uns im Landtag, kommen oft Zeitzeugen zu Wort. Es sind Überlebende des Holocaust, die an die Toten erinnern, ihnen einen Namen, ein Gesicht geben und die eindrucksvoll, authentisch und schmerzhaft erzählen, was sie erlebt haben.
Sie werfen aber auch Fragen auf: Wie konnten diese abscheulichen Verbrechen an der Menschheit geschehen? Wie konnte es so weit kommen? Warum haben so viele weggeschaut, nicht geholfen, geschwiegen?
Eine solche Gedenkstunde, an der ich teilgenommen habe und die mich tief bewegt hat, war 2013 im Deutschen Bundestag. Die Holocaust-Überlebende Inge Deutschkron hat aus ihrem zerrissenen Leben berichtet. Sie ist eine deutsch-israelische Schriftstellerin, schrieb über die Auschwitz-Prozesse und wurde 1978 mit dem Buch „Ich trug den gelben Stern” berühmt.
Als Tochter eines jüdischen, sozialdemokratischen Gymnasiallehrers wuchs sie im Nazi-Deutschland in Berlin auf und überlebte, durch Glück und aufgrund von Zivilcourage, weil es auch im Nazi-Deutschland Menschen gab, die ihre Zivilcourage und Mit
menschlichkeit nicht ablegten und Jüdinnen und Juden, besser gesagt, ihre Nachbarn und Freunde, bei sich versteckten.
Es waren aber leider viel zu wenige Menschen, die nicht wegschauten, die sich diesem Verbrecherregime rechtzeitig entgegenstellten. Wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, Hitler und die Nazis zu verhindern? 1933, bei der Machtergreifung? Bei den Reichstagswahlen 1930? Oder bei dem Scheitern der letzten parlamentarischen Regierung in der Weimarer Republik? Dem Scheitern der Großen Koalition am 27.03.1930? War es am 01.04.1933, als zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen wurde? Oder das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, als jüdische Beamte und Beamtinnen entlassen wurden, unter anderem auch der Vater von Inge Deutschkron?
„Wehret den Anfängen!“, heißt es heute oft. Doch woran erkennt man die Anfänge? Werden sie nicht allzu oft erst erkannt, wenn es zu spät ist? Inge Deutschkron berichtete im Deutschen Bundestag aus dem Berlin der Dreißigerjahre. Ich zitiere: „Fast täglich gab die Regierung neue Gesetze, neue Vorschriften, neue Verbote für Juden bekannt, nach denen wir leben mussten. In ein sogenanntes Judenhaus eingewiesen, mussten sich immer zwei Personen ein Zimmer teilen. Um unsere Ausgrenzung perfekt zu machen, wurden die Telefonkabel durchgeschnitten, nahm man uns die Radioapparate weg. Der Gang zum Friseur wurde uns verboten sowie das Waschen unserer Wäsche in einem Salon. Seife durfte uns nicht verkauft werden, auch Eier und Kuchen nicht. Das Einkaufen der wenigen uns zugeteilten Lebensmittel war uns nur zwischen 16.00 und 17.00 Uhr erlaubt. Besuche von Kulturstätten waren Juden als Erstes untersagt worden. Es schloss den Spaziergang im Grünen ein. Haustiere wurden Opfer der angeblichen Rasse ihrer Herrchen. Ach, es muss zu jener Zeit eine Riege von Unmenschen im Reichsinnenministerium beschäftigt worden sein, deren einzige Aufgabe es war, darüber nachzudenken, wie man Leben zur Qual macht.“
Erschreckend ist, dass immer weniger junge Menschen unsere Geschichte kennen. Im Jahr 2019 hat eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergeben, dass nur 47 Prozent der befragten 14- bis 16-Jährigen wissen, dass Auschwitz-Birkenau ein Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg war.
Wenn aber die Jugend unsere Geschichte nicht kennt, wie sollen sie „den Anfängen wehren“? Wie sollen sie erkennen, wann es Zeit ist, aufzustehen, entgegenzutreten? Welchen Sinn hat es, dass unse
re Großväter schreckliche Fehler begangen haben, wenn wir heute daraus keine Konsequenzen ziehen?
Und dabei wird es zunehmend schwieriger, Schülerinnen und Schüler über Nationalsozialismus und Judenverfolgung aufzuklären: Zeitzeugen werden weniger und die Informationsflut in den sozialen Medien lässt die Grenzen zwischen Wahrheit und Unwahrheit immer häufiger verschwimmen. Hinzu kommt, dass Erinnerungskultur, die nur auf Schuld und Scham abzielt, abschreckt.
Um Schuld und Scham geht es auch nicht. Aber wie Helmut Kohl es schon formulierte: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“
Vielleicht verstehen deshalb so viele in unserem Land die Aufregung um eine Ministerpräsidentenwahl in Thüringen nicht. „Es war doch eine demokratische Wahl“, sagen manche. Auch die AfD sei in den Landtag gewählt worden, man könne ein Viertel der Wählerinnen und Wähler nicht einfach ausgrenzen, meinen andere.
Ja, natürlich war es eine demokratische Wahl. Es war eine demokratische Wahl auch im thüringischen Landtag. Aber die Frage, die man sich doch stellen muss, lautet: Ab wann gefährden Wahlen die Demokratie? Heute wird in der Tagesanalyse der Saarbrücker Zeitung zu Recht darauf hingewiesen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen kann, dass man die Weimarer Zeit nicht mit dem Grundgesetz, mit der heutigen Demokratie vergleichen kann, dass man Höcke nicht mit Hitler vergleichen kann. Das ist richtig. Und doch gelangen die Analysten zu einem Trugschluss. Das ist aus meiner Sicht nicht zu Ende gedacht. Denn politische Systeme sterben und gerade die Demokratie ist ein anfälliges System, ein labiles System, weil es vom Engagement der Menschen abhängt, ob es steht oder fällt.
Viele dieser Menschen, die der Meinung sind, dass das eine normale demokratische Wahl war, würde ich gerne in den Keller des Reichstagsgebäudes einladen, wo ich in meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter alle meine Gäste hinführte, nämlich zum Archiv der Deutschen Abgeordneten.
Der französische Künstler Christian Boltanski hat nahezu 5.000 Kästen mit den Namen der Abgeordneten beschriftet, die zwischen den Jahren 1919 und 1999 auf der Grundlage demokratischer Wahlen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung von 1919/1920, dem Reichstag der Wei
marer Republik oder dem Deutschen Bundestag angehörten. Tragik erhält diese Installation durch die zahlreichen mit schwarzen Bändern versehenen Boxen jener Abgeordneten, die von den Nazis ermordet wurden. Viele meiner Besucher fanden es befremdlich, dass dort auch Abgeordnete der NSDAP verewigt sind. Christian Boltanski war es aber wichtig, deutlich zu machen, dass auch diese demokratisch in den Reichstag gewählt wurden. So spiegelt das Archiv der Deutschen Abgeordneten nicht nur die Errungenschaften, sondern auch die Verwerfungen deutscher Parlamentsgeschichte wider.
Woran erkennt man die Anfänge? - Damit junge Menschen eine Vorstellung davon erhalten, was Krieg, Diktatur und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeuten, ist es notwendig, solche Orte der Erinnerung zu bewahren.
Auch hier im Saarland, gerade hier an der deutschfranzösischen Grenze, ist das Gestapo-Lager Neue Bremm der zentrale Erinnerungsort. Der Umgang mit dem Lager nach dem Zweiten Weltkrieg war im Saarland ein schwieriger. Nachdem die Franzosen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eine Gedenkstatte errichtet haben, geriet das Lager später leider in Vergessenheit und zerfiel.
Wir haben es der privaten Initiative Neue Bremm zu verdanken, dass an dieser Stelle ein Erinnerungsort errichtet werden konnte. Bürgerinnen und Bürgern haben mit besonderem Engagement rund 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dafür gesorgt, dass an dieser Stelle wieder an das dort geschehene Unrecht - an die „Hölle von Saarbrücken“, wie es in einer Schriftenreihe der saarländischen Landeszentrale für politische Bildung heißt - erinnert werden konnte. Deswegen gilt mein Dank auch ganz besonders Herrn Dr. Kurt Bohr und Herrn Dr. Burckhard Jellonnek sowie allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für die wertvolle Arbeit, die sie alle an diesem Ort für die Erinnerungsarbeit im Saarland leisten.
Die Gedenkstätte Neue Bremm ist ein eindrucksvoller Ort, an dem wir sehen, dass Verfolgung, Unterdrückung und Mord nicht nur weit weg von uns stattgefunden haben, sondern vor unserer Haustür und damit auch vor unseren Augen. Wir wissen, dass Bewohner in der Nachbarschaft sogar die Schreie der Gefolterten hören konnten. Der Löschwasserteich inmitten des Lagers war der grausame Mittelpunkt inhumaner Misshandlung, systematischer Folter und auch gezielten Mordens. Jeden Abend mussten die Gefangenen um den Teich hüpfen oder
kriechen. Und jeden Abend wurde einer davon willkürlich ausgesucht und im Teich ertränkt. Heute sind dort die Namen der Ermordeten in Stein gemeißelt.
Viele mussten also tatsächlich gewusst haben, was dort passiert. Es war also nicht nur die unsägliche Verrohung von Aufsehern, es war auch die Gleichgültigkeit von Teilen der Bevölkerung, die es geschehen ließ.
Woran erkennt man die Anfänge? - Das ist das schreckliche Muster: Zuerst werden Menschen ausgegrenzt, bevor ihnen auf grausame Art und Weise ihre Würde genommen wird, weil sie politisch anders denken, weil sie anders aussehen, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion haben. Es beginnt immer mit der Ausgrenzung.
Am 27. Oktober 2019 haben 23,4 Prozent der Thüringer Wählerinnen und Wähler die AfD und damit den Vorsitzenden Björn Höcke in den Landtag gewählt. Ich habe Zitate von ihm und anderen AfD-Politikern: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ - Björn Höcke, Januar 2017, Rede in Dresden. Ein weiteres Zitat: „Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird, aber wir alle wissen natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt.“ - Björn Höcke, März 2017, Interview mit dem Wall Street Journal.
Ein weiteres Zitat: „Dem Flüchtling ist es doch egal, an welcher Grenze, an der griechischen oder an der deutschen, er stirbt.“ - Günter Lenhardt, AfD-Landtagswahlkandidat in Baden-Württemberg. Weiteres Zitat: „Die Merkelnutte lässt jeden rein, sie schafft das. Dumm nur, dass es UNSER Volkskörper ist, der hier gewaltsam penetriert wird. Es handelt sich um einen Genozid, der in weniger als zehn Jahren erfolgreich beendet sein wird, wenn wir die Kriminelle nicht stoppen.“ - Peter Boehringer, MdB. „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“ - Alexander Gauland, MdB. „Wir werden so lange durchhalten, bis wir 51 Prozent erreicht haben. Dieses Land braucht einen vollständigen Sieg der AfD.“ Björn Höcke, MdL.
Woran erkennt man die Anfänge? - Für mich steht fest, dass es bereits begonnen hat, da 75 Jahre nach Kriegsende eine politische Partei in deutschen Parlamenten sitzt, die andere Menschen ausgrenzt, diffamiert und beleidigt, weil sie politisch anders denken, anders aussehen, eine andere Hautfarbe oder eine andere Religion haben. Es beginnt immer mit Ausgrenzung. Deshalb ist es für mich so unerträglich, was vergangene Woche in Thüringen passiert
ist, nämlich dass die dortigen Landtagsfraktionen von CDU und FDP es zugelassen haben, einen Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden zu wählen. Für uns Christdemokraten steht fest: Es darf und wird keinerlei Zusammenarbeit mit Extremisten geben - weder mit Extremisten von links noch von rechts.
Denn auch Folgendes ist eine Dimension der Erinnerungskultur. 40 Jahre DDR-Geschichte, 40 Jahre Unfreiheit, Unterdrückung, Bespitzelungen und Verhaftungen. Mehrere Hunderte Mauertode, unzählige zerrissene Familiengeschichten aufgrund der sozialistischen Diktatur der SED. Ich bezeichne das wahrlich nicht als lächerlich.
Mit meinen Berlin-Besuchern fuhr ich auch in das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Zeitzeugen haben berichtet, wegen welchen Lappalien sie dorthin gebracht wurden. Manchmal reichte das Hören der falschen Musik schon aus, um verhaftet zu werden. Der Aufenthalt in diesem Gefängnis zerstörte oft Leben oder zumindest zerbrach die Familie daran. In der Thüringer CDU sind etliche ehemalige Gefangene, noch der letzten Landtagsfraktion gehörten zwei von ihnen dem Parlament an. Und in der Linksfraktion saßen ehemalige Stasi-Mitarbeiter oder Menschen, die in der DDR für das undemokratische System standen. Wer will von den Opfern verlangen, dass sie ihre Peiniger von damals wählen?
Es gibt aber auch noch eine dritte Dimension der Erinnerungskultur, eine positive. So gehört nämlich auch die Entstehung und Entwicklung unserer Demokratie zu einer Erinnerungskultur: Die Aussöhnung mit unseren Nachbarn, das Zusammenwachsen Europas und die Entstehung der Europäischen Union, all das sind keine Selbstverständlichkeiten. Es ist der Verdienst unserer Vorgängerinnen und Vorgänger, die mit Mut und Weitsicht die Grundlagen unseres Friedens und Wohlstands in Europa gelegt haben. Auch dafür gibt es einen Ort der Erinnerung, nämlich das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel.
Wie aber kann man die Erinnerung auch an unsere Kinder und Kindeskinder, an die besagte Generation, die wir oft nur noch im Netz erreichen können, weitergeben? Wäre es deshalb nicht eine gute Mög
lichkeit oder sogar Notwendigkeit, wie etwa beim Zeitzeugenprojekt der Völklinger Hütte die Aussagen der Zeitzeugen, die über die Jahre gesammelt worden sind, audiovisuell zu dokumentieren und multimedial zu publizieren? Das wäre eine lohnenswerte Aufgabe, die man in einer konzertierten Aktion mit den saarländischen Medien angehen könnte. Das wäre ein großes, aber zugleich nachhaltig wirkendes Projekt, in das auch die saarländischen Schülerinnen und Schüler integriert werden können. Erinnerungsorte erhalten und besuchen, das wäre eine weitere Möglichkeit, die drei Dimensionen der Erinnerung wachzuhalten.
Unter anderem unser Ministerpräsident hat vorgeschlagen, dass alle saarländischen Schülerinnen und Schüler mindestens einmal in ihrem Schulleben eine Gedenkstätte besuchen sollten. Auch das ist ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen. Wir als Haushaltsgesetzgeber sollten bei den nächsten Haushaltsberatungen darüber diskutieren, ob wir nicht auch Budgets für solche Klassenfahrten - egal ob zum Gestapo-Lager Neue Bremm, nach Brüssel zum Haus der Europäischen Geschichte oder nach Berlin Hohenschönhausen - zur Verfügung stellen können. Schulprojekte, bei denen Schüler die NaziGeschichte ihres Ortes aufarbeiten, sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte beschäftigen oder Stolpersteine pflastern, es gibt schon viele gute Beispiele, wie man junge Menschen für Geschichte begeistern kann.
Auch der Landesjugendring ist sehr aktiv in diesem Bereich. Am 20. März dieses Jahres wird es den Startschuss für ein dreijähriges Projekt geben, in dem Jugendliche mitarbeiten sollen. Das Projekt heißt: „Damit kein Gras drüber wächst“. Alle Jugendorganisationen sind eingeladen, sich über das Projekt zu informieren und daran teilzuhaben. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungsarbeit im Saarland. Deswegen darf ich Georg Vogel vom Landesjugendring, der heute auch da ist, für dieses Engagement sehr herzlich danken.
Auch das ist ein Beitrag zu unserer Demokratie. Auch Demokratie leben ist ein wichtiger Punkt. Das beginnt hier bei uns im Haus. Es geht um die Art und Weise, wie wir mit Argumenten umgehen, wie wir uns austauschen, wie wir andere Meinungen zulassen und darauf reagieren.
Zur Demokratie gehört, dass man mitmacht. Wir erleben, dass die Volksparteien unter Druck geraten, an Mitgliedern verlieren. Wir sehen eine Entwicklung, bei der immer mehr Menschen ihr Singularinteresse, ihr persönliches Anliegen, in den Mittel
punkt stellen und erwarten, dass die Politik dieses Anliegen umsetzt. Es widerspricht natürlich gerade dem Geist einer Volkspartei - egal ob SPD oder CDU -, nur für Singularinteressen einzutreten. Weil wir das Ganze im Blick haben, ist es immer ein mühsames Ringen um den richtigen Weg. Es geht immer um einen Kompromiss. Auch wenn das langweilig und schmerzhaft ist, ist das die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb gehören zu einer lebendigen Demokratie Menschen, die mitmachen. Alle, die diese Rede jetzt hören, alle, die sich damit befassen, lade ich ein, sich darüber Gedanken zu machen, auch Mitglied einer politischen demokratischen Partei zu werden.
Herr Kollege Lafontaine, ich will noch ganz kurz und ganz schnell auf Ihren Vorwurf oder die Frage der Schuld und der drei Finger, die auf einen zurückzei
gen, eingehen, aber auch auf das, was Sie, Herr Commerçon, gesagt haben, dass ich die NaziZeit mit der DDR in einem Atemzug nennen würde. Ich sage ganz klar, das habe ich nicht getan, sondern ich habe von den drei Dimensionen der Erinnerungskultur gesprochen. Die stehen für sich. Auch daran müssen wir erinnern. Selbstverständlich waren auch nach dem Zweiten Weltkrieg viele Nazis in einer Partei, auch in der CDU. Das bestreitet niemand, aber der entscheidende Punkt ist, dass die CDU Deutschlands sich klipp und klar von Nazis, von der Vergangenheit, distanziert und Fehler auch eingestanden hat. Das will ich an dieser Stelle klar betonen.
Wenn ich sage, für die CDU gibt es keine Zusammenarbeit mit Extremisten von links oder rechts, hat das nichts mit der Vergleichbarkeit von NaziDeutschland und der DDR zu tun. Aber es hat damit etwas zu tun, für was die LINKE steht, auch in Thüringen.
Auch die Landesvorsitzende der LINKEN in Thüringen gehört der Antikapitalistischen Linken an, einer Plattform der LINKEN, die für den grundlegenden Systemwechsel einstehen, die den Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen fordern. An dieser Stelle sagen wir, da kann es keine inhaltliche Zusammenarbeit geben unabhängig von Fragen zu NATO, Russland oder der Marktwirtschaft allgemein. Deshalb keine Zusammenarbeit mit links oder rechts.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Vor wenigen Tagen haben wir den 100. Geburtstag des Saarlandes feiern können. Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 gab es das Saargebiet unter der Verwaltung des Völkerbundes. Von einer eigenständigen Region konnte allerdings kaum die Rede sein. Das Saargebiet war nicht die einzige staatliche Neugründung in dieser Zeit. Unter anderem gab es den Volksstaat Württemberg, den Freistaat Coburg und den Volksstaat Hessen sowie diverse Räterepubliken. Überlebt hat trotz aller Widrigkeiten, Wirrungen und Irrungen bekanntermaßen alleine das zum Saarland mutierte Saargebiet.
Ich will an dieser Stelle nicht die hundertjährige Geschichte im Detail Revue passieren lassen, das hat die Feierstunde am Freitag in der Congresshalle auf eindrucksvolle Weise getan. Ich verweise aber doch auf einige markante Punkte, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges das Geschehen an der Saar bis heute nachhaltig beeinflussen. Im am Boden liegenden Deutschland nahm das Saarland eine besondere Rolle ein. Es ist kein Geheimnis, dass sich Frankreich das Saargebiet zu gerne einverleibt hätte und ihm innerhalb seiner Besatzungszone eine Vorzugsstellung einräumte. In Handelsverträgen der damaligen Zeit war die Rede von den drei Westzonen, nämlich der amerikanischen, der britischen und der französischen, sowie vom Währungsgebiet des französischen Franken, „nachstehend Frankreich genannt“.
Was damals als Belastung empfunden wurde, erwies sich später als Segen. In der Absicht, das Saarland zu einer französischen Provinz zu machen, bevorzugte Paris es, wo immer es nur möglich war. Den saarländischen Gruben wurden Arbeiter aus der französischen Zone zugewiesen. Um den Nahrungsmangel zu beheben, mussten die übrigen Länder der französischen Besatzungszone Kartoffeln an die Saar liefern. Der keramischen Industrie in Mettlach und in Merzig wurden Arbeitskräfte zugewiesen, ebenso der Burbacher, der Dillinger und der Völklinger Hütte. Die damalige französische Besatzungspolitik hat bis heute ganz konkrete Auswirkungen. Dafür steht vor allem auch Bosch in Homburg.
Abseits von wirtschaftlichen Entwicklungen hat sich dieser Teil unserer wechselhaften Geschichte aber auch im ganz positiven Sinne auf unseren Lebensstil ausgewirkt. Nicht umsonst sprechen wir hier an der Saar gerne vom Saarvoir-vivre, dieser schönen Beschreibung unserer saarländischen Art zu leben. Ja, wir sind heute eines der europäischsten Bundesländer, wenn nicht sogar das europäischste Bundesland in Deutschland.
Die Entwicklung des Saarlandes zeigt, wie wir uns aus einer echten Randlage in Europa infolge des deutsch-französischen Zerwürfnisses nach der so wichtigen Aussöhnung zu einer Region mit europäischer Kernlage entwickelt haben. Dass das so bleibt, dafür sind wir mitverantwortlich, indem wir dafür arbeiten, dass die Frankreichstrategie weiter mit Leben gefüllt wird - denn sie ist wichtig und richtig -, indem wir dafür kämpfen, schnellere und bessere Bahnverbindungen zu unseren Nachbarn zu bekommen - denn im Herzen Europas sollten Schnellbahnen die Menschen verbinden und nicht verwitterte Gleise -, indem wir den Aachener Vertrag mit all seinen neuen Möglichkeiten und Chancen auch als solchen begreifen und annehmen. Die Zukunft unseres Bundeslandes lag schon in der Vergangenheit in Europa, sie liegt heute in Europa und sie wird auch in Zukunft nur in diesem funktionierenden, starken, sozialen Europa liegen. Begreifen wir Europa deswegen als Chance und nicht als Hindernis. Das ist der richtige Weg.
Trotz allem ist der Saarländer seit jeher stolzer Saarländer, nicht nur in den eigenen Landesgrenzen, sondern auch darüber hinaus. Entstanden ist das durch die Wirrungen der Geschichte, vor allem aber auch in den Kohlegruben und Stahlhütten, die unser Land über Jahrzehnte geprägt haben. Die körperliche und häufig auch zutiefst gefährliche Arbeit ließen die Saarländerinnen und Saarländer zusammenrücken. Auch deswegen sind Solidarität, Gemeinschaft und Zusammenhalt unverbrüchlicher Teil unserer saarländischen Identität. Spürbar ist diese Identität überall in unserem Land, vor allem in unseren Kommunen und Dörfern. Es braucht diesen Zusammenhalt und dieses Selbstbewusstsein, um sich in der Bundesrepublik behaupten zu können und um den Herausforderungen zu trotzen, denen sich unser Land gegenübersieht.
Dass wir im Saarland erneut vor einem Umbruch stehen, wird nach den Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate niemand leugnen wollen. Es hat aber in keinster Weise damit zu tun, dass die Menschen hierzulande weniger fleißig wären - ganz
im Gegenteil. Die Eintrübung der globalen Konjunktur wird schlicht und einfach auch vor dem Saarland nicht haltmachen, der Brexit tut ein Übriges. Von der Globalisierung der Wirtschaft war und ist das Saarland stärker betroffen als manch andere Regionen.