Marc Speicher
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Generaldebatte zum Haushalt gestern, aber auch die Debatte zu den Einzelplänen heute zeigt, dass es zwei bestimmende Themen in diesen Tagen gibt: den Strukturwandel und die Corona-Krise. Beide lassen keinen kalt, sie betreffen jeden, die einen mehr, die anderen weniger. Mein Verständnis von Politik ist, dass wir die Aufgabe haben, diese Unterschiede zu nivellieren, dass wir alle in einem Boot sitzen und dass wir zusammen durch diese Krise kommen müssen.
Der große Unterschied zu den Debatten zum Haushalt vor zwei Jahren ist, dass wir eine komplett andere Lage am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft haben. In den vergangenen Jahren konnten wir hier verkünden, dass wir neue Rekorde bei den Beschäftigtenzahlen haben, dass wir neue Niedrig-Rekorde bei den Arbeitslosenzahlen haben, wir konnten verkünden, dass die Lage am Arbeitsmarkt insgesamt sehr gut ist. Das hat sich aufgrund des Strukturwandels radikal verändert. Es hat sich insbesondere deshalb verändert, weil wir es mit einer weltweiten Pandemie in einem Ausmaß zu tun haben, wie wir es zuletzt vor 100 Jahren erlebt haben. Wir haben Stand heute 37.800 Frauen und Männer im Saarland, die arbeitslos sind. Das sind genau gesagt 5.428 mehr als vor einem Jahr. Wir haben einen Anstieg um 17 Prozent in Jahresfrist. Wir sind in Eile, weil es darum geht, dass diese Menschen eben nicht langzeitarbeitslos werden, weil es darum geht, dass wir das Know-how, das hintendran steckt, für den Arbeitsmarkt und für den Wirtschaftsstandort Saarland sichern.
Trotzdem erkennen wir erste Hoffnungsschimmer am Arbeitsmarkt. Wir sehen, dass im dritten Monat in Folge die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Trotzdem ist das A und O, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen. Deswegen brauchen wir eine Phase, in der wir alle aufeinander Acht geben, in der wir aufeinander aufpassen. Nicht alles, was rechtlich möglich ist, muss man auch tun. Es wird darum gehen,
das Infektionsgeschehen zurückzufahren, weil das die beste Medizin für den Arbeitsmarkt und für unsere Wirtschaft ist.
Zur Offenheit gehört, dass wir nicht nur bunte Bilder malen und uns eine Welt vorgaukeln, die es nicht gibt, es gehört auch die Feststellung dazu, dass das Jahr 2020 eines mit Licht und Schatten gewesen ist. Mir ist es ein persönliches Anliegen zu sagen, dass das Jahr 2020 das Jahr ist, in dem die Gusswerke in Brebach für immer geschlossen haben. Die Gusswerke sind ein Traditionsbetrieb, der über Generationen produziert hat. Generationen von Frauen und Männern haben dort gearbeitet, und sie haben gut gearbeitet. Nach 264 Jahren wurden die Türen zugemacht. Das hat nichts mit Strukturwandel zu tun, sondern damit, dass es Fehlentscheidungen gab. Es hat damit zu tun, das muss man so sagen, dass eine verbrecherische Ausbeutung an diesem Unternehmen stattgefunden hat. Ich finde es gut und es ist wichtig, dass wir Konsequenzen ziehen, was zwar den über 1.000 Beschäftigten nichts bringt, aber wir müssen für die Zukunft gewappnet sein. Wir haben mit dem Beteiligungsfonds das richtige Vehikel auf den Weg gebracht, um in Zukunft solche Exzesse zu vermeiden. Es geht nicht darum, dass wir als Staat der bessere Unternehmer sind, das ist nicht so. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, aber es gibt eben Marktphasen, in denen der Staat eingreifen muss, weil es Anomalien am Markt gibt, die dazu führen, dass man beispielsweise Halberg Guss für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag erwerben und am Ende über 100 Millionen aus dem Betrieb herauspressen konnte. Hier hätten wir als Land gut daran getan, einzusteigen und einen strategischen, langfristigen Investor zu suchen. Deswegen ein großes Lob an die Regierung dafür, dass es jetzt einen Beteiligungsfonds geben wird. Wenn das Parlament aber 40 Millionen Euro zur Verfügung stellt, dann gehört auch dazu, dass das Parlament im Beirat vertreten ist, um mitentscheiden zu können, was mit dem Geld aus unserem Haushalt passiert.
Es geht darum, dass wir darüber hinaus in den Blick nehmen, wie wir Risikokapital besser an der Saar investieren können und wie wir privates Kapital dafür nutzen können, den Technologietransfer besser zu gestalten. Auch das wird eine Aufgabe der Zukunft sein. Insgesamt geht es darum, dass die Märkte wieder funktionieren oder funktionsfähig bleiben. Das betrifft den Stahl. Der Weg hin zum Green Steal ist unaufhaltsam. Wir müssen ihn gehen. Die Frage wird sein, ob es gelingt, WTO-konform Green Steal im Vergleich zu anderen traditionellen zu bevorzugen, oder ob es nicht gelingen wird. Es stehen Zusagen für hohe Beträge für Investitionen im Raum. Bis 2034 werden alle deutschen Hochöfen erneuert werden müssen, allen voran geht es hier um die Hoch
öfen im Saarland. Deswegen ist es gut, dass sich Bundeswirtschaftsminister Altmaier innerhalb der Bundesregierung durchgesetzt hat und es Zusagen und Zuschüsse bei den Investitionen gibt. Es wird aber vor allem darauf ankommen, die Frage zu beantworten, wie man dauerhaft die Betriebskosten niedrig halten kann, dies entweder über eine WTOkonforme Ausgestaltung der Handelsbedingungen oder aber mit Contracts for difference, also mit Differenzbeträgen, um dauerhaft marktfähig zu sein.
Um funktionierende Märkte geht es auch im Bereich der digitalen Märkte. Die Beispiele Amazon und Facebook reichen aus, um zu wissen, dass es das Phänomen auf digitalen Märkten im Besonderen gibt, dass die Skaleneffekte noch mehr wirken als auf anderen Märkten und dass traditionelles Kartellrecht scheinbar nicht mehr ausreichend ist, um Fusionen zu untersagen, weil von sich aus Monopole entstehen und im Prinzip wenige Spieler und Unternehmen, die zufälligerweise auch noch wenigen Menschen gehören, die Märkte bestimmen. Teilweise sind diese Unternehmen auch die Märkte. Deswegen brauchen wir hier neue Antworten des Kartellrechts. Das hat mit Bemessungsgrundlagen für Steuereinnahmen von Staaten zu tun. Man kann sich nicht einfach einen schlanken Fuß machen und Steuerlast auf der Welt hin und her verschieben. Hier braucht es eine Antwort.
Es hat Auswirkungen auf den Bereich der Arbeit. Ich sage ganz klar: Amazon muss die Quote von 70 Prozent Leiharbeitern in Völklingen senken. Es geht auch in diesem Bereich um Gute Arbeit. Es geht auch darum, dass wir unsere Innenstädte erhalten. Wir müssen also schauen, wie wir hier zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen dem Einzelhandel in den Innenstädten von Neunkirchen, Saarlouis oder Saarbrücken und dem Internet kommen. Ich meine ganz klar, dass eine Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage keine Antwort auf dieses wirklich globale und große Phänomen ist.
Ich möchte den Bereich Auto ansprechen. Es ist klar, dass es darum geht, dass wir weiterhin Autoland bleiben. Es geht darum, dass wir auch im Auto der Zukunft auf dem Fahrersitz sitzen. Das ist ein gutes Stück wahrscheinlicher Dank der Ansiedlung von SVOLT, für die Tobias Hans, Henrik Eitel, Jürgen Barke und Anke Rehlinger gesorgt haben. Ob es etwas damit zu tun hatte, wie du, Eugen Roth, gestern in der Debatte gesagt hast, dass es eine Nähe zu Trier und Karl Marx gibt, weiß ich nicht. Ich glaube aber, Karl Marx ist im Museum in Trier ganz gut aufgehoben. Wenn man das marktwirtschaftlich nutzen kann, indem man dreistellige Beträge für eine Büste von Karl Marx erzielen kann, dann ist das gut. Ich möchte aber an den Ministerpräsidenten und die Frau Wirtschaftsministerin die Frage gestellt haben,
ob die Nähe zur Vaterstadt von Karl Marx, nämlich Saarlouis, bei der SVOLT-Ansiedlung eine Rolle gespielt hat. Das können Sie vielleicht nachher noch ausführen.
Jedenfalls gibt es handfeste Standortvorteile, die wir als Saarland nutzen können. Dazu zählen unser Fachkräfte-Know-how und unsere Lage mitten in Europa. Dieses Know-how an Fachkräften gilt es, weiterhin zu stärken. Deswegen sind im Einzelplan 08 wesentliche Ausgaben vorgesehen, um gerade dies zu erreichen. Es geht um das Zukunftsbündnis Fachkräfte und die Gesellschaft für Transformationsmanagement, die jeweils mit 500.000 Euro ausgestattet sind. Herr Müller, es geht sehr wohl auch darum, Frauen in Arbeit zu bezuschussen. Wenn Sie ein Kenner des Arbeitsmarktes wären, hätten Sie das auch gesehen und erkannt, dass die Frauenerwerbstätigkeit im Saarland immer noch unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Dieses große Know-how müssen wir aber nutzen zur Sicherung von Wohlstand und Arbeit hier im Saarland. Das ist gut angelegtes Geld für den Arbeitsmarkt im Saarland, Herr Müller!
Menschenwürdiges Arbeiten und Leben haben nichts mit Nationalität zu tun. Da ist es egal, welchen Pass man in der Tasche hat. Deswegen sind auch die Ausgaben, die wir für Egbert Ulrich und seine Wanderarbeiterstelle bei der Arbeitskammer ausgeben, gut angelegtes Geld. Das ergänzt auch das, was wir mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz im Sommer verabschiedet haben. Menschenwürdiges Leben und Arbeiten sind keine Frage der Nationalität, deswegen sind wir gut beraten, auch im Saarland dafür zu sorgen, dass es zu ordentlichen Bedingungen kommt. Das hat etwas mit Menschenwürde zu tun, Herr Müller!
Ich begrüße ausdrücklich auch, dass Ministerpräsident Tobias Hans angekündigt hat, die Saar-Gemeinschaftsinitiative wieder ins Leben zu rufen. Wir werden diese großen Herausforderungen nur bewältigen können, wenn wir als Gewerkschaften, Verbände und Kammern gemeinsam marschieren. Dafür also ein großes Lob. Insgesamt gilt es festzuhalten, dass 2020 sicherlich ein Jahr ist, das in die Geschichtsbücher eingehen wird, wegen Corona, aber aus Sicht des Saarlandes vielleicht auch, weil es ein Wendepunkt in der Geschichte der Saarwirtschaft ist. 1966 hat Ford sich entschieden, sich in Saarlouis anzusiedeln und mit 2.000 Arbeitsplätzen zu beginnen. Damals entstand das drittgrößte Autocluster. Ein weiterer Markstein ist die Dillinger Hütte, die 1685 gegründet wurde, oder auch das Eisenwerk in Neunkirchen. Vielleicht blicken wir irgendwann zurück und sehen, dass SVOLT 2020 ein Meilenstein
in der Geschichte der Saarwirtschaft gewesen ist. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Dazu zählt auch, dass wir die entsprechenden Entwicklungspotenziale im Umfeld sehen. Ich nenne das Stichwort Häsfeld und den Bereich Lisdorfer Berg. Wir als CDU werben dafür, es um 50 ha zu erweitern, dies wäre eine moderate Erweiterung des Lisdorfer Berges als ökologisches Industrie- und Gewerbegebiet. Wir hoffen, dass sich auch andere Parteien dieser Forderung anschließen. Ansonsten, meine Damen und Herren, werbe ich um Zustimmung für den Einzelplan 08 des Doppelhaushalts 2021/2022. Glück auf!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Auto ist etwas ganz Besonderes. Er ist ein ganz besonderer Gegenstand im Leben eines Menschen. Das gilt vielleicht an wenigen Orten so sehr wie bei uns im Saarland. Das Auto ist neben dem Eigenheim die größte Anschaffung im Leben eines Menschen. Alle sieben oder acht Jahre kauft man sich ein neues Auto. Es ist ein Ort, den man braucht, es ist ein Stück Eigenheim draußen auf der Straße. Auf der fremden Straße ist man quasi in den eigenen vier Wänden unterwegs. Dass wir die höchste Autodichte bundesweit haben, hat vielleicht auch damit zu tun, dass wir zurückgreifen können auf eine hervorragende Straßeninfrastruktur. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Autobahnen wie bei uns. Für meine Heimatstadt gesprochen: Wir haben mit der A8 und der A620 zwei Autobahnen mit zwölf Autobahnauffahrten. Wer sonst wo in der Republik unterwegs ist, weiß, das ist etwas ganz Besonderes. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass der ÖPNV bei uns noch ausbaufähig ist. Insofern spielt das Auto bei uns eine große Rolle.
Das Auto ernährt uns in Deutschland seit 135 Jahren gut und hat uns viel Wohlstand gebracht. Es ist ein zentraler Anker in unserer Wirtschaftsordnung. Es gibt eigentlich keinen Unternehmensbesuch bei uns im Saarland, bei dem nicht spätestens in der zweiten oder dritten Ableitung das Automobil eine wesentliche Rolle spielt. Wir haben das Auto als Leitinvestition für uns im Saarland genutzt. 1966 war es die Ansiedlung des Ford-Werkes in Saarlouis durch Franz-Josef Röder und Ludwig Erhard. Das ist heute ein zentrales Cluster der Autowirtschaft im Saarland. Kollege Kurtz hat die Zahlen genannt. Es sind rund 250 Firmen, die im Saarland im Automotivbereich tätig sind. Sie generieren einen Umsatz von 16 Milliarden Euro und sind verantwortlich für eine Bruttowertschöpfung von 5 Milliarden Euro. Wenn man das zum Bruttoinlandsprodukt und zum Wert der Waren und Dienstleistungen in Relation setzt, die bei uns im Saarland erwirtschaftet werden, dann sind das weit über 15 Prozent und immer noch über 40.000 Beschäftigte.
Unser heutiger Antrag hat den Schwerpunkt Automobil. Wenn wir über Strukturwandel sprechen, dann betrifft das beide saarländische Leuchttürme und beide Leitindustrien des Saarlandes - es geht um Auto und Stahl. Es geht grundsätzlich um eine der zentralen Fragen unserer Zeit, nämlich Industrie, Mobilität und Energie ermöglichen und gleichzeitig Umwelt- und Naturschutz betreiben. Es geht insge
samt um die Substitution von Öl und Kohle durch regenerative und klimaschonende Energien.
Die Überschrift unseres Antrages lautet Strukturwandel. Wenn man sich die Archive der Plenardebatten im Landtag des Saarlandes anschaut, ist das wahrscheinlich einer der am meisten benutzten Begriffe nicht nur in dieser Wahlperiode, sondern im Prinzip durchgehend seit der Landtag des Saarlandes existiert. Strukturwandel - das sagt sich so leicht und bedeutet doch sehr viel. Es ist wirtschaftlich bedeutend, aber hat sehr konkrete Folgen für den einzelnen Menschen, weil Strukturwandel eben auch einen Bruch in der eigenen Karriere und der Wahrnehmung der eigenen Tätigkeiten bedeutet hat.
Es hat dazu geführt, dass viele Menschen gut bezahlte Arbeit aufgeben mussten. Es hat dazu geführt, dass man eine andere - zumindest so wahrgenommene - gesellschaftliche Rolle annehmen musste. Die Tatsache, dass wir heute bei den Bestandsrenten bundesweit die höchsten Renten haben, hat sehr viel damit zu tun, dass wir viele Jahrzehnte sehr gut gelebt haben von guten Löhnen in Autoindustrie, Stahlindustrie und im Bergbau. Insofern diskutieren wir heute über das Auto und den Strukturwandel, aber es geht sehr konkret um die Lebenswirklichkeiten und persönlichen Umstände vieler Einzelner und die wesentlichen Grundlagen unseres Gemeinwesens.
Wir erleben beim Auto einen epochalen Wandel. Neue Antriebe, selbstverschuldete Vertrauensverluste der klassischen Automobilkonzerne, neue Anforderungen an Software, Vernetzung im Auto, neue Erwartungen an Mobilität sind wesentliche Grundlagen des sich zurzeit vollziehenden Wandels. Hinzu kommen die massiven Folgen der Pandemie. Wir erleben eine Pandemie, wie sie die Menschheit in der jüngeren Geschichte nicht erlebt hat. Wir haben erlebt, welche Folgen das hat. Wir hatten über viele Wochen einen notgedrungenen Lockdown, einen Ausfall der Produktion, einen Ausfall der Vertriebswege. Das hat dazu geführt, dass sich die ohnehin schon laufenden Transformationsprozesse noch einmal deutlich und massiv beschleunigt haben. Sprichwörtlich ist die Pandemie ein Katalysator für diese Entwicklung.
Welche Rolle der Katalysator in der Zukunft des Automobils spielen wird, ist heute eine offene Frage. Dass die Rolle nicht so groß sein wird, wie sie bisher gewesen ist, ist aber mittlerweile Allgemeingut. Die Herausforderungen für die saarländische Wirtschaft, aber auch für die deutsche Autowirtschaft könnten nicht größer sein. Wir haben massive Rückstände im Bereich der Software. Wir haben massive Rückstände im Bereich alternativer Antriebsarten. Wir haben vor allem immer noch damit zu kämpfen, dass deutsche Automobilhersteller viel Vertrauen an den Märkten verspielt haben.
Hier gilt das alte Sprichwort: Vertrauen ist der Anfang von allem. Das war einmal ein Spruch aus der Werbewirtschaft, aber er ist vor allem die Währung, mit der Tesla über viele Monate und Jahre Erfolg aufgebaut hat. Tesla hat viele Jahre horrende Verluste eingefahren und hat alleine vom Vertrauen der Menschen gelebt, genauer gesagt vom Vertrauen der Märkte. Erst vor wenigen Wochen ist Tesla der Turnaround gelungen. Erst vor einigen Wochen ist Tesla in die Gewinnzone gekommen. Grundlage für die hohen Bewertungen an internationalen Börsen ist eben das Vertrauen der Märkte gewesen. Deswegen gilt es auch hier, einiges aufzuholen. So ist Tesla an den Börsen mehr wert als alle großen deutschen Autobauer zusammen.
Herr Kollege Flackus, ich finde, Sie haben zu Recht das Dreiliterauto angesprochen. Ich glaube, das war 1998, vor über 20 Jahren als große Innovation angekündigt, die es auch gewesen ist. Trotzdem hat man nicht den langen Atem gehabt, der finanziell möglich gewesen wäre. Man hätte das aushalten können. Man hat vor allem viele Jahre nicht dafür genutzt, neue Antriebe zu entwickeln. Wir haben im Prinzip goldene Jahre in der Automobilwirtschaft erlebt.
Die sich öffnenden Märkte in China haben dazu geführt, dass heute 40 Prozent der Autos deutscher Hersteller nach China verkauft werden. Man hat goldene Geschäfte gemacht, die Produktionszahlen praktisch verdoppelt und die Gewinne trotzdem nicht dafür genutzt, Rückstände aufzuholen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Insofern ist das ein wesentlicher Punkt. Trotzdem sind wir heute an der Stelle, als Politik gemeinsam mit der Industrie und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schauen zu müssen, wie wir wieder den Anschluss finden.
Das hat vor allem damit etwas zu tun, dass wir Offenheit beim Antriebsmix der Zukunft brauchen. Es geht darum, dass wir uns nicht festlegen und auch politisch nicht festlegen lassen auf einen Antrieb der Zukunft. Wir werden auf absehbare Zeit einen breiten Mix benötigen. Das kann in manchen Bereichen, zum Beispiel bei den LKWs, der Wasserstoff sein. Für den privaten Bereich wird es in der Übergangsphase sicherlich der Plug-in-Hybrid sein. Das wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass es zur Akzeptanz von Elektrofahrzeugen bei Kunden kommen wird. Das ist auch ein Beitrag dafür, dass wir die Klimaziele einhalten können. Es ist unsere Aufgabe als Politik, diesen Prozess zu begleiten.
Es ist unsere Aufgabe - das betrifft sowohl Auto als auch Stahl -, dass wir die Kosten, die für die Zerstörung von Natur und Umwelt entstehen, versuchen, in einen Marktrahmen zu gießen. Das ist eine sehr komplizierte, herausfordernde Aufgabe. Das muss WTO-konform passieren. Ich erinnere beim Stahl daran, was passiert, wenn man grünen Stahl bevorzugen würde vor dreckigem Stahl. Das ist ähnlich im Automobilbereich. Wir müssen es irgendwie schaf
fen, die Marktrahmenbedingungen so zu gestalten, dass auch die Kosten für den Verbrauch und die Verschmutzung von Natur und Umwelt eine Rolle spielen. Hier ist die Politik in Europa insgesamt gefragt.
Aber wir als Politik stehen auch dafür in der Verantwortung, dass wir ein Netz spannen für unsere Zulieferer. Wir erleben das sozusagen tagtäglich, dass die großen OEMs den an den Märkten entstehenden Druck an die Zulieferer weitergeben. Das mag auf der ersten Ebene der großen Zulieferer noch funktionieren. Darunter wird es dann schwierig. Wir haben dort gerade viele kleine und mittelständische Unternehmen, die im Zulieferersektor tätig sind.
Deswegen ist es richtig, dass wir als Saarland mit einem Beteiligungsfonds reagieren. Das ist auf keinen Fall eine Absage an die Marktwirtschaft, sondern es ist eine notwendige Brückenfunktion, die wir wahrnehmen, um den KMUs die Möglichkeit zu geben, diesen Transformationsprozess erfolgreich zu bestreiten. Wenn es nämlich diese Unternehmen nicht mehr für uns gibt, dann wird es sie an anderen Orten geben. Sie werden dort entstehen und erhalten bleiben. Deswegen haben wir als Saarländerinnen und Saarländer ein ureigenes Interesse daran, dass es diesen Beteiligungsfonds gibt.
An der Stelle sage ich, wenn das Parlament des Saarlandes 40 Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung stellt, mit dem man 200 Millionen Euro hebeln kann, dann muss das Parlament in entsprechender Form an den Prozessen beteiligt werden, die durch den Fonds angestoßen werden.
Wir führen außerdem an, dass wir die sogenannte Strukturwandelinitiative stärken müssen. Es stimmt, es ist ein Ort von vielen, aber es ist ein wesentlicher Ort, wo die verschiedenen Spieler des Bereiches zusammenkommen. Es geht darum, dass wir bestehende Strukturen stärken. Ich erinnere an die IHK und an Saaris, die mit Pascal Strobel sehr vieles tun. Gerade vor wenigen Wochen war hier wieder eine der ersten Ausstellungen im Bereich Automobil mit namhaften Vertretern von Bosch und vom Automobilverband VDA. Diese Kontakte sind wesentlich dafür, dass wir die im Saarland nicht vorhandenen Konzernzentralen durch entsprechende Kontakte zu den großen Spielern nutzen.
Der Bereich Wasserstoff spielt eine große Rolle in unserem Antrag und auch zu Recht in verschiedenen Publikationen sowohl seitens der Wirtschaftsverbände als auch der Arbeitnehmerverbände. Gerade im aktuellen Bericht der Arbeitskammer spielt der Bereich Wasserstoff eine wesentliche Rolle. Es ist richtig, dass wir vor einem Jahr gesagt haben, wir müssen im Bereich Wasserstoff eine Modellregion werden. Das ist eine herausfordernde Tätigkeit. Nicht nur wir kamen auf die Idee, dass Wasserstoff
eine wesentliche Zukunftsfrage ist, auch andere Regionen taten das. Wir haben hier schon viel erreicht. Wir müssen noch besser werden. Ein Genehmigungsprozess von über einem Jahr für eine Wasserstofftankstelle ist sicherlich zu lang. Wir haben trotzdem alle Möglichkeiten, mit dem vorhandenen Know-how hier eine erfolgreiche Modellregion für Deutschland zu werden.
Die Ladeinfrastruktur ist im Antrag angesprochen worden. Klar ist, wenn wir mit mehr E-Autos fahren das wird der Fall sein -, dann brauchen wir entsprechende Infrastrukturen. Es bringt nichts, wenn wir sozusagen das Öl in den Autos durch Kohle- und Atomstrom ersetzen, der aus der Steckdose kommt. Es muss weitergehen bei den erneuerbaren Energien.
Insgesamt wesentlich ist der Blick nach Berlin und Brüssel. Das Fördergebiet der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist angesprochen worden. Es würde nichts bringen, wenn jetzt das Saarland oder Teile davon herausfielen, um in einigen Jahren wieder aufgenommen zu werden. Wir brauchen diese Unterstützung seitens des Bundes und von Europa. Auch die angesprochenen Regelungen zur Besserung der Förderung von KMU sind hier wesentlich.
Ein möglicher Einwand von manchen Seiten des Hauses ist, all das sei durch Politik selbstverschuldet. Dieser Zug ist abgefahren. Auf diesem Zug ist niemand mehr drauf. Das heißt, der Zug ist mit allen Beteiligten abgefahren. Das betrifft die Arbeitnehmerverbände, die Gewerkschaften und die Politik weltweit. Selbst wenn es so wäre, dass die Maßstäbe der Europäischen Union beim Automobil der Zukunft eine Rolle spielen würden: Wenn China die entsprechenden Anforderungen an neue Antriebskonzepte stellt und wenn Kalifornien als Leitmarkt in den Vereinigten Staaten, der vielfach größer ist als der europäische Markt, sagt, wir werden ab 2035 keine klassischen Verbrenner mehr zulassen, dann hat das massive Auswirkungen auch für uns. Dann müssen wir als Wirtschaft und als Politik die entsprechenden Antworten bei uns im Saarland, aber auch in Deutschland geben.
Praktisch täglich sind Änderungen zu sehen. Heute war im Handelsblatt ein großer Bericht über das Unternehmen Daimler, das sich wandelt. Es gibt mit einem SUL einen komplett neuen Autotyp. Es gibt neue Mobilitätskonzepte, die Antworten brauchen. Insgesamt sollten wir dafür sorgen, dass Transformation nicht nur negativ gesehen wird. Transformation heißt auch, dass wir als Saarland große Chancen haben. Wir haben sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte. Wir haben eine hervorragende Infrastruktur und innovative Unternehmen.
Wenn wir zusammen kämpfen, dann werden wir das Auto und die Mobilität auch weiterhin als Wohl
standsquelle nutzen können. Es geht insgesamt darum - ich habe es eben angesprochen -, dass unsere beiden Leuchttürme Auto und Stahl im Feuer stehen. Wir müssen diese Leuchttürme umbauen und schauen, dass das Licht darin nicht ausgeht und müssen gleichzeitig viele kleine Lichter darum gruppieren, sprich unsere Wirtschaft breiter aufstellen und diversifizieren, um für künftige Krisen besser gewappnet zu sein.
Es geht auch darum, dass wir Forschung, Entwicklung und Technologie stärker fördern. Ich nenne an dieser Stelle erneut gerne das Beispiel ZF. Bisher waren wir ein reiner Produktionsstandort; jetzt sind wir ein Standort für Forschung und Entwicklung. Das sichert Produktion bei uns. Das sorgt auch dafür, dass gut bezahlte Arbeitsplätze hier im Saarland entstehen. Es geht darum, dass wir als Saarland eine große Chance nutzen. Wenn wir das Land der kurzen Wege sind, dann zählen Agilität und Schnelligkeit. Da müssen wir unbürokratisch Entscheidungen richtig treffen, aber auch schnell. Auf diese Eigenschaften wird es in Zukunft noch mehr ankommen.
Wir haben mit der Weiterentwicklung der Produktionsbetriebe, mit dem IT-Cluster und mit dem Potenzial zum autonomen Fahren sowie schnellem und unbürokratischem Handeln und der Wasserstoffstrategie, aber auch mit der Unterstützung der Kernindustrien, mit dem Beteiligungsfonds im Bund, aber auch im Land, alle Gelegenheiten, die Chancen zu nutzen.
Die Ausgangssituation für uns im Saarland ist schwierig, aber wir haben viele Möglichkeiten, sie für uns zu gestalten. 100 Jahre Saarland sind auch 100 Jahre Strukturwandel. Kollege Kurtz hat es angesprochen. Heute sind die Fördertürme und Bergehalden sozusagen Landmarken des erfolgreichen Strukturwandels. Auch in Zukunft wollen wir weiterhin an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen. Insofern bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag. Es ist sicherlich heute nicht die letzte Debatte zum Thema Strukturwandel, Auto und Stahl, aber ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns als Parlament regelmäßig austauschen und für die Regierung unterstützend tätig sind. - Ich bitte um Zustimmung für den Antrag. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nicht nur am Ende der heutigen Debatte angelangt, sondern auch am Ende des Zyklus, nämlich des Kreislaufs der Haushaltswirtschaft. Wir werden im Oktober erneut
beginnen, wenn wir die Beratungen zum Haushalt 2021/2022 fortsetzen. Am Ende des Kreislaufs in der Haushaltswirtschaft steht eben dann die Entlastung der Landesregierung für den Haushalt. Wir beraten heute die Entlastung sowohl der Landesregierung für das Jahr 2017 als auch die Entlastung des Präsidenten des Rechnungshofes.
Grundlage für die Entlastung ist die Haushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 2017. Den Bericht haben wir Ihnen vorgelegt. Wir haben vor einem Jahr in unserer Sitzung am 28.08.2019 die Entlastung für die Haushaltsrechnung 2016 erteilt und haben einige Feststellungen und Bemerkungen an die Regierung weitergegeben. Diese haben wir am 14.05.2020 eingehend im Unterausschuss beraten.
Es sind insgesamt vier Punkte gewesen, die wir vor einem Jahr an die Regierung weitergegeben haben. Der erste Punkt war eine Besonderheit, denn wir haben nicht übereingestimmt mit der Beurteilung des Rechnungshofes darin, dass Feierlichkeiten zur 60Jahr-Feier des Saarlandes zu üppig stattgefunden haben. Wir waren vielmehr der Meinung, dass es das Recht und die Pflicht der Regierung ist, diese Feierlichkeiten nicht nur in einem kleinen Rahmen durchzuführen, sondern eben der breiten Öffentlichkeit Gelegenheit zu geben, diese Feierlichkeiten mit zu begehen. Deswegen gab es einen Dissens mit dem Rechnungshof.
Gleichzeitig stimmten wir überein, dass das Vergabewesen grundlegend neu strukturiert werden muss. Das ist zwischenzeitlich erfolgt. Es gibt jetzt eine zentrale Vertrags- und Vergabestelle im Bereich der Landesregierung. Es betraf außerdem die Fahrgeldausfallzahlungen an Unternehmen im Bereich der unentgeltlichen Beförderung von schwerbehinderten Menschen im Nahverkehr. Hier wurde eine entsprechende Richtlinie überarbeitet und somit modifiziert. Es betraf außerdem Zuschüsse in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit und Theater. Auch hier wurden Förderrichtlinien in Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Bildung und Kultur und dem Ministerium für Finanzen und Europa erarbeitet.
Der letzte Punkt betraf eine sehr komplexe Angelegenheit im Bereich des Schulareals in Lebach. Das ist wichtig, weil hier sowohl Blinde und Sehbehinderte als auch Gehörlose und Schwerhörige betroffen sind. Es war hier vonnöten, eine umfangreiche Planung durchzuführen. Das wurde mittlerweile in Gang gesetzt. Deswegen ist es im Bereich der baulichen Entwicklungsplanung zu großen Fortschritten gekommen.
Kommen wir zur Prüfung der Haushaltsrechnung 2017. Im ersten Bereich steht die Prüfung der Landesämter. Das erfolgte. Für alle Landesbetriebe wurden testierte Jahresabschlüsse vorgelegt. Die Bilan
zen schließen im Berichtszeitraum mit einer Gesamtbilanzsumme von 918 Millionen Euro.
Zum Zweiten haben wir uns im allgemeinen Teil des Rechnungshofberichtes mit den allgemeinen Entwicklungen des Haushaltes befasst. Im dritten Teil durften wir feststellen, dass die Haushaltsrechnung und die Bücher der Landeshauptkasse und die dort aufgeführten Beträge übereinstimmen. Es gab keinen Anlass zu Beanstandungen.
Das Ist-Ergebnis des Jahres 2017 beträgt 4,2782 Milliarden Euro und lag damit mit einem Betrag von 177,7 Millionen Euro über dem Haushaltsplan. Das kassenmäßige Jahresergebnis gestaltet sich bei den Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben mit jeweils genau 4,278 Milliarden Euro. Die Bruttokreditaufnahme betrug 1,396 Milliarden Euro. Gleichzeitig wurden Schulden getilgt in Höhe von 1,389 Milliarden Euro. Die tatsächliche Kreditaufnahme wurde indes um rund 823 Millionen Euro unterschritten.
Bei der finanziellen Entwicklung ist festzustellen, dass die fortdauernden Ausgaben zu einem großen Teil aus Personalausgaben resultieren. 37 Prozent des Haushaltsvolumens beträgt der Anteil an Personalausgaben. Ein großer und wichtiger Punkt sind die Versorgungsausgaben. Das heißt, ohne dass wir als Haushaltsgesetzgeber sozusagen etwas dazutun, steigen die Versorgungsausgaben enorm: im Berichtszeitraum von 1,4 Milliarden Euro auf 1,57 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von 170 Millionen Euro innerhalb eines Jahres. Bei den Investitionen konnte weiter zugelegt werden. Es besteht ein Anstieg von 24 Millionen Euro allein im Kernhaushalt und die Investitionsquote stieg deswegen auch auf 9,1 Prozent.
Es gibt dann einige relevante Steuerungsgrößen, die insbesondere für den Bericht an den Stabilitätsrat relevant sind. Ich möchte sie nur kurz erwähnen. Bei der Kreditfinanzierungsquote konnte eine Verbesserung im Berichtszeitraum um 0,24 Prozent auf 3,6 Prozent erreicht werden. Bei der Zinssteuerquote liegen wir mit Zinsausgaben von 379 Euro pro Einwohner mit einem Betrag von 166 Euro über dem Bundesschnitt. Das zeigt, dass die Schulden der Vergangenheit heute noch zu erheblichen Belastungen führen. Bei der Prokopfverschuldung sind wir nach wie vor Spitzenreiter in der Bundesrepublik. Geprägt war das Jahresergebnis 2017 von Zuführungen in Höhe von 146,5 Millionen Euro aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen Zukunftsinitiative. Dadurch wuchs der Rücklagenbestand auf 474 Millionen Euro.
Wir kommen dann zum besonderen Teil des Rechnungshofberichtes. Wir haben übereinstimmend sechs Sachverhalte als wichtig empfunden, die wir in den Abschlussbericht aufnehmen. Es betrifft die Textziffer 24 des Rechnungshofberichtes. Hier geht es um die Einnahmensituation der staatlichen Medi
zinaluntersuchungsstelle sowie des Informationsund Behandlungszentrums für Vergiftungen, die sogenannte Giftnotrufzentrale an der Uniklinik des Saarlandes, sowie um die Ausbildung der PTAs, also der pharmazeutisch-technischen Assistenten. Es ist so, dass bei der Giftnotrufzentrale viele Anrufe von außerhalb des Saarlandes eingehen. Bisher ist dies ohne die Eintreibung von Gebühren erfolgt. Hier soll es ein überarbeitetes Gebührenverzeichnis geben, sodass es hier zu einer Einnahmenverbesserung kommen kann. Gleichzeitig empfehlen sowohl der Rechnungshof als auch der Unterausschuss zur Prüfung der Haushaltsrechnung, dass es eine Beteiligung der Apothekerkammer an der Ausbildung für die PTAs geben muss.
Die Textziffer 28 betrifft den städtebaulichen Denkmalschutz. Hier ging es um den Bereich der Altstadt in St. Wendel. Der Rechnungshof empfiehlt, dass die beiden Sanierungsgebiete im Fördergebiet Altstadt St. Wendel zeitnah abgewickelt werden sollten, um künftig eine erfolgreiche Programmumsetzung im Sinne eines ganzheitlichen städtebaulichen Ansatzes zu gewährleisten.
Die Textziffer 29 betrifft den Bereich Verkehr, den sogenannten Shared Space, also die geteilten gemeinsamen Räume im Bereich des öffentlichen Verkehrsraums. Hier gab es in Freisen ein Projekt, das zu erheblichen Mehrausgaben geführt hat. Zudem hat es dazu geführt, dass es zu einer Erhöhung der Unfallzahlen kommt. Deswegen empfehlen der Rechnungshof sowie der Unterausschuss, künftig Abstand von diesen geteilten Räumen zu nehmen.
Die Textziffer 32 betrifft einen Bereich, der uns in den letzten Jahren massiv geprägt hat, auch im Landeshaushalt. Im Zeitraum von 2008 bis 2016 wurden 96 Millionen Euro alleine aus Landesmitteln in die Krippenplätze und Kindergärten investiert. Hinzu kam noch ein Betrag von 35 Millionen Euro vom Bund. Das hat dazu geführt, dass es zunächst zu einer erheblichen Ausweitung der Betreuungsplätze gekommen ist, was eindeutig zu begrüßen ist. Bei diesen hohen Beträgen ist es fast schon immanent, dass es zu gewissen Schwierigkeiten bei der Aussteuerung kommt. Der Rechnungshof kritisiert, dass es zu einer ungleichen Verteilung der Fördermittel in den Kommunen gekommen ist. Gleichzeitig gab es auch Vergaberechtsverstöße. In einem Fall war es sogar so, dass nach dem Einreichen von lediglich vier Seiten zur Beschreibung des Baus eine Vergabe von über 2 Millionen Euro freihändig erfolgt ist. Das wurde kritisiert und sollte laut Angaben des Rechnungshofes eine Rückforderung des Zuschusses bedeuten.
In Textziffer 33 geht es um einen Bereich des öffentlichen Gemeinwesens, der vermeintlich klein ist, aber für das Vertrauen der Bevölkerung von großer Bedeutung ist. Es betrifft den Bereich des Mess- und Eichwesens. Der Personalabbau hat dazu geführt,
dass ein gerade neu angeschaffter Tankzug, der misst, ob die angezeigten Liter auf der Tankzapfsäule mit der tatsächlich getankten Menge übereinstimmen, nicht eingesetzt werden konnte. Es wurde ein solcher Kontrollzug für mehrere hunderttausend Euro angeschafft, allerdings konnte man diesen Zug nicht mit Personal besetzen, deswegen gab es mehrere Jahre überhaupt keine Nutzung des Wagens. Hier ging es darum, eine Aufpersonalisierung zu machen, mit der Besonderheit, dass sich diese Stellen nicht nur selbst tragen, sondern zu einer höheren Einnahme von Gebühren führen. Das wurde umgesetzt. Diesem Monitum des Rechnungshofes wurde entsprochen.
Der letzte Punkt ist die Textziffer 36 des Rechnungshofberichtes. Es geht um die Drittmittelverwendung an der Universität des Saarlandes. Die externen Finanzquellen bergen das Risiko, dass sie weder dauerhaft noch verlässlich für die Hochschulfinanzierung zur Verfügung stehen. Hier hat die Universität des Saarlandes praktisch vorbildlich in der Aufarbeitung gehandelt. Der Rechnungshof begrüßt deswegen, dass es nun die Gesamtstrategie Grund- und Drittmittelförderung gibt und diese Mittel durch die Schaffung von zwei Fonds im Bereich der Universität verstetigt werden konnten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Antrag des Ministers für Finanzen und Europa und der Regierung des Saarlandes für die Haushaltsrechnung des Jahres 2017 gemäß Art. 106 Verfassung des Saarlandes sowie in Verbindung mit § 114 Landeshaushaltsordnung mit der Bitte vorliegen, Entlastung zu erteilen. Der entsprechende Antrag liegt Ihnen vor. Wir als Unterausschuss zur Prüfung der Haushaltsrechnung und als Ausschuss für Finanzen und Haushaltsfragen kommen zu dem Urteil, diesem Antrag zu entsprechen. Das heißt, ich darf Sie im Namen der Kolleginnen und Kollegen bitten, der Regierung, aber auch dem Präsidenten des Rechnungshofes Entlastung zu erteilen. Die entsprechende Prüfung des Rechnungshofes fand am 07. März 2019 in den Räumen des Rechnungshofes statt. Insofern bitte ich, die entsprechende Entlastung zu erteilen.
Ehe ich abschließe, möchte ich mich zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, weil der Unterausschuss wenig parteipolitisch, sondern sehr parlamentarisch arbeitet. Das heißt, wir nehmen ein Kontrollrecht des Parlamentes wahr und machen das mit einer sehr sachorientierten Arbeit. Ich darf mich auch bei Jörg Becker bedanken, der diesen Ausschuss als Ausschusssekretär zum ersten Mal betreut hat. Es war eine gute Zusammenarbeit. Vielen Dank dafür. - Ich bitte um Entlastung der Regierung und des Rechnungshofes. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Arbeit, die Frage, wie hoch der Lohn ist, und die Frage, was am Ende in der Lohntüte drin ist, ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern auch eine Frage der Wertschätzung der eigenen Arbeit. Da möchte ich aus der Enzyklika von Johannes Paul II zitieren, weil es zu dem Bereich der Wertschätzung von Arbeit passt: Die menschliche Arbeit ist ein Schlüssel und wohl der wesentliche Schlüssel in der gesamten sozialen Frage. Das Maß zur Bewertung der Arbeit ist der arbeitende Mensch selbst, die mit Freiheit und Selbstbewusstsein ausgestattete entscheidungsfähige Person, die sich in der Arbeit selbstbestimmt. Das führt zu dem viel zitierten und zu Recht zitierten Spruch: Die Arbeit ist für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit. Der Mensch findet in der Arbeit zu sich selbst. - Es gibt also mehrere Dimensionen der Arbeit, sie hat eine soziale und gesellschaftliche Dimension. Deswegen geht es um eine finanzielle Frage, nämlich die Frage der Entlohnung von Arbeit. Es geht aber auch um die Frage der Akzeptanz und der Anerkennung von Arbeit.
Es gab viele Kampagnen, auch eine der Landesregierung, die gesagt hat, dass Pflegekräfte einen ganz besonderen Wert haben. Diejenigen, die andere Menschen zu Beginn oder am Ende ihres Lebens im Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen oder Altenpflegeeinrichtungen begleiten und die für Mitmenschen in Situationen da sind, in denen eine Erkrankung vorliegt, haben eine ganz besondere Wertschätzung in unserer Gesellschaft verdient. Das war schon vor Corona so. Corona hat bereits viel verändert und wird weiterhin viel verändern. Corona ist nicht zu Ende. Wenn etwas bleiben wird, ist es die höhere Anerkennung und Wertschätzung von sozialen Berufen, von Berufen, die sich mit den Mitmenschen beschäftigen.
Deswegen war es gut und richtig, dass man beschlossen hat, für die Altenpflege einen Pflegebonus einzurichten. Dieser Pflegebonus entspricht ungefähr dem Lohnrückstand zu anderen Pflegebereichen, den es im Bereich der Altenpflege gibt. Der Bonus bedeutet, Menschen dankzusagen, die in systemrelevanten Berufen tätig sind. Man muss aber noch mehr tun, nämlich sich anschauen, wie sich die Löhne und Gehälter in den letzten Jahren entwickelt haben. Von vielen Menschen wurde wiedergegeben, dass sie immer weniger Geld im Geldbeutel haben. Dazu gehört auch, dass der Euro als Teuro bezeichnet wurde. Seit Mitte der Neunzigerjahre haben wir einen deutlichen Rückgang der Reallöhne. Das be
traf insbesondere die unteren Einkommensgruppen. Wenn man es im Durchschnitt betrachtet, gab es keine Reallohnzuwächse mehr. Das war für viele in Deutschland eine Neuerung, weil es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit der sozialen Marktwirtschaft eigentlich immer Reallohnsteigerungen gab. Das hat sich geändert.
Es hatte viele Ursachen. Es ging um die Frage der Globalisierung, es gab eine Wachstumsschwäche der deutschen Industrie, es gab einen verschärften Wettbewerbsdruck und viele neue Arbeitskräfte, die auf den Markt geströmt sind. Hier nenne ich das Stichwort Mittel- und Osteuropa und den Fall des Eisernen Vorhangs sowie den weiteren Gang von China und Indien zur Marktwirtschaft. Das hat vor allen Dingen dazu geführt, dass, weltweit betrachtet, viele Millionen Menschen einen sozialen Aufstieg hingelegt haben, dass viele Millionen Menschen in die Mittelschicht aufgestiegen sind und dass viele Menschen aus der Armut gekommen sind. Das hat gleichzeitig dazu geführt, dass es einen hohen Wettbewerbsdruck, insbesondere für untere Einkommensgruppen, gab.
Dann gab es ungefähr im Jahr 2005 eine Diskussion. Damals hatten wir 5 Millionen Arbeitslose. In den Jahren zuvor hatten wir einen deutlichen Rückgang bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Das konnte gestoppt werden. Trotzdem gab es noch einen offenen Punkt: Wie kann man eine Lohnuntergrenze einziehen? - Wir als CDU haben 2010 einen entsprechenden Beschluss auf dem Bundesparteitag gefasst, dass eine Lohnuntergrenze unter größtmöglicher Wahrung der wichtigen und tragenden Säulen unserer sozialen Marktwirtschaft einzuführen ist, nämlich, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam festlegen, wie hoch der gesetzliche Mindestlohn ist. Insofern kam dann die Mindestlohnkommission zustande. Viele Befürchtungen, die es gab, zum Beispiel ob der Mindestlohn möglicherweise zu hoch angesetzt wurde, wurden nicht bestätigt. Im Gegenteil ist es so, dass das DIW festgestellt hat, dass der vereinbarte Bruttostundenlohn nach 2015 um 15 Prozent angestiegen ist. Wir erleben auch bei Tarifen außerhalb der Erfassung des Mindestlohns, dass wir seit Beginn des letzten Jahrzehnts einen deutlichen Anstieg der Reallöhne erlebt haben. Das haben wir uns mit den zuvor durchgeführten Reformen „erkauft“, das haben wir damit erst möglich gemacht. Das hatte zur Folge, dass viele Menschen mehr Geld im Geldbeutel hatten.
Die Frage nach der Einkommensgleichheit ist auch wichtig. Im Vergleich zur Vermögensungleichheit, wo wir sicherlich noch hohen Nachholbedarf haben, ist es so, dass es bei uns in Deutschland - wenn man den Gini-Koeffizienten als anerkanntes Maß zur Messung der Ungleichheit nimmt - gerechter zugeht als im Durchschnitt der OECD-Staaten. Es ist ein großes Verdienst, dass die Einkommensungleichheit
in Deutschland in den letzten zehn Jahren nicht zugenommen hat. Das war in anderen Staaten anders. In China, Russland und Indien hat sie weiter zugenommen. Deswegen taugen sie auch in diesem Bereich nicht als Vorbild.
Wir müssen offen und ehrlich ansprechen, dass heute ungefähr ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger als 2.300 Euro brutto im Monat haben. Das ist trotz sparsamer Haushaltsführung sehr eng. Für diese Menschen ist es sehr schwer, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Trotz vieler Leistungen für Familien mit Kindern gehört die Gründung einer Familie zu den höchsten Armutsrisiken. Da wurde zwar viel getan, aber es bleibt noch viel zu tun. Das größte Armutsrisiko aber ist Arbeitslosigkeit. Deswegen gilt es, Arbeitslosigkeit zu verhindern und zu bekämpfen. Ob die Anhebung des Mindestlohns das geeignete Mittel ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man, dass weniger als 30 Prozent der Mindestlohnempfänger in armutsgefährdeten Haushalten leben. Nur ein Viertel der Personen in armutsgefährdeten Haushalten arbeitet überhaupt. Das heißt, ob der Mindestlohn geeignet ist, um Armut zu bekämpfen, ist fraglich. Es gibt, glaube ich, geeignetere Möglichkeiten, das zu tun.
Ich möchte trotzdem noch den Bereich der Pflege ansprechen. Hier wurde etwas getan. Die Ausbildungsgänge zur Kinderkrankenpflege und Altenpflege wurden zum 01. Januar 2020 zusammengeführt. Es gibt jetzt einen gesetzlichen Anspruch zur angemessenen Ausbildungsvergütung.
Es gibt noch einen zweiten Punkt, den ich ansprechen möchte, der tatsächlich geeignet ist, Armut zu bekämpfen. Das sind Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, von denen man wieder stärker Gebrauch machen muss. Es gab einen entsprechenden Beschluss auf Vorschlag des Saarlandes und der zuständigen Ministerin, dass im Bereich der Pflege Allgemeinverbindlichkeitserklärungen eine größere Rolle spielen müssen. Der Vorschlag des Saarlandes wurde vom Bundesrat mehrheitlich angenommen.
Drittens. Wir müssen dafür sorgen, dass Tarifpartner gestärkt werden, denn eine der zentralen Säulen der Erfolgsgeschichte sozialer Marktwirtschaft ist die Tarifautonomie.
Viertens. Wir müssen bei den Arbeitnehmern ganz explizit dafür werben, sich zu organisieren und Mitglied einer Gewerkschaft zu werden. Wo werden hohe Löhne bezahlt? - Das ist dort, wo der Organisationsgrad in den Gewerkschaften hoch ist. Im Dienstleistungsbereich, wo der Mindestlohn oft herhalten muss, ist der Organisationsgrad sehr gering. Das heißt, wir müssen dafür werben, dass man sich in Gewerkschaften solidarisiert und organisiert.
Fünftens. Ein vom Parlament willkürlich festgelegter Mindestlohn ist abzulehnen. Ich verweise auf das, was Eugen Roth eben angedeutet hat, nämlich auf die Beschlüsse, die auch die CDU gemacht hat. Wir haben beim letzten Bundesparteitag im Dezember fast einstimmig einen Beschluss gefasst. Wir haben gesagt, dass die Mindestlohnkommission ihre Geschäftspolitik ändern muss. Sie darf eben nicht nur nach der Tarifindexentwicklung gehen, sondern sie muss vorhandene Spielräume ausloten und nutzen. Wir haben auch gesagt, dass wir hier bessere Möglichkeiten sehen, den Mindestlohn ansteigen zu lassen. Das ist passiert. Der Mindestlohn wird in vier Schritten in den nächsten zwei Jahren von 9,35 Euro auf 10,45 Euro steigen. Das ist ein Anstieg von über 11 Prozent. Einen so hohen Anstieg gab es noch nie in der Geschichte. Das heißt plus 11,8 Prozent und eine Lohnsumme von plus 2 Milliarden Euro.
Sechstens. Es gibt die Meinung, dass der Mindestlohn Arbeitsplätze gefährde. Ich würde sagen, das trifft nur zum Teil zu, denn wir erleben Mindestlöhne insbesondere in den Bereichen, wo es nicht um internationalen Wettbewerb geht, sondern wo es darum geht, was hier vor Ort getan wird.
So komme ich zum siebten Punkt, der Stärkung des Binnenkonsums. Wir haben schon vor Corona erlebt, dass es zu einem Trend der Deglobalisierung kommt. Das heißt, Wertschöpfungsketten werden neu aufgestellt. Es wird auch darum gehen, dass wir auf der einen Seite weiterhin unsere tiefe Verflechtung als Deutschland mit der Weltwirtschaft nutzen, aber auf der anderen Seite wird es auch darauf ankommen, den Binnenkonsum zu stärken. Dazu kann der Mindestlohn einen Beitrag leisten.
Achtens. Der beste und höchste Mindestlohn nützt uns nichts, wenn er nicht kontrolliert wird. Deswegen ist Olaf Scholz als Finanzminister und Chef der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in der Pflicht, dass die Einhaltung der Mindestlöhne kontrolliert wird. Wir haben gesehen, dass es mit der Einführung des Mindestlohns den Effekt gab, dass Arbeitsstunden zurückgefahren worden sind. Ob das immer nur der Realität entsprach oder ob es auch andere Hintergründe hat, gilt es zu kontrollieren. Man vermutet, dass 2 Millionen Menschen der Mindestlohn vorenthalten wird. Deswegen ist Olaf Scholz als Finanzminister, Chef des Zolls und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in der Pflicht, tätig zu werden.
Der folgende Punkt ist mir persönlich sehr wichtig, ich werde ihn auch mantraartig wiederholen: Man muss Menschen befähigen, durch ihre eigenen Löhne eigenes Vermögen zu bilden. Es geht um eine starke Förderung der privaten Vermögensbildung. Es gibt wenig Industriestaaten auf der Welt, wo die private Vermögensbildung so gering ausgeprägt ist wie bei uns, wo also die Menschen, im Median betrachtet, ein so geringes Vermögen haben wie bei
uns. In der Zukunft werden die Vermögenseinkommen stärker steigen als die Arbeitseinkommen. Es gibt jedenfalls nichts, was andeutet, dass sich das ändern wird. Deswegen geht es auch um eine Förderung der Aktienkultur, der Mitarbeiterbeteiligung und um eine Reform der kapitalgedeckten Altersvorsorge.
Wir als CDU haben der privaten Versicherungswirtschaft die Pistole auf die Brust gesetzt. Beim letzten Parteitag haben wir den Beschluss gefasst, dass wir der Versicherungswirtschaft noch zwei Jahre Zeit geben, Riester günstiger und besser zu machen. Sollte das nicht passieren, wird es ein staatliches Vorsorgeprodukt geben, das ganz klar die Kosten deckelt und die Menschen trotzdem befähigt, an den steigenden Vermögenseinkommen teilzuhaben.
Es geht vor allem - Nummer 9 - darum, dass wir für eine ordentliche gesetzliche Rente sorgen. Dazu zählt eben auch, dass die Regelaltersrente steigt. Wir im Saarland wissen in besonderer Weise, wie wichtig eine hohe Rente für die Armutsbekämpfung ist, denn nirgendwo in Deutschland sind die Regelaltersrenten höher als bei uns. Bei den Männern sind sie am höchsten bundesweit, bei den Frauen ebenfalls überdurchschnittlich. Es gab Verbesserungen auch bei der Erwerbsminderungsrente; die Erwerbsminderung war eine häufige Ursache dafür, dass Menschen in Armut abgeglitten sind. Nun, seit dem 01.01.2019, ist es so, dass auch wieder die volle Zurechnungszeit im Bereich der Rente erfolgt. Das hat allein schon im letzten Jahr dazu geführt, dass die neuen Erwerbsminderungsrenten 10 Prozent höher waren als zuvor.
Wie wertvoll das ist, sehen wir im Bereich der Berufsunfähigkeit. Sie wurde vor 20 Jahren von RotGrün aus dem Katalog der gesetzlichen Rente gestrichen. Heute ist es für viele schwierig, überhaupt noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, jedenfalls ist sie sehr teuer. Deswegen hat das hier eine große Bedeutung.
Ich glaube auch, dass die Grundrente geeignet ist, Armut zu bekämpfen. Das tut sie in einer, wie ich finde, sehr fairen Art und Weise, indem sie nicht nach dem Gießkannenprinzip einfach Geld verteilt, sondern indem Berechnungsgrundlage der Grundrente eben auch die selbst erworbenen Rentenansprüche sind. Diese Ansprüche werden dann erhöht. Auch das ist, so denke ich, ein wichtiger Punkt, der dazu beitragen wird, dass Armut bekämpft werden kann.
Als zehnten Punkt möchte ich nennen - das hat faktisch eine geringere Bedeutung, ich meine aber schon, dass wir das diskutieren müssen -, ob die Personalausgaben für hohe Gehälter, seien es Sportler, seien es angestellte Manager, komplett als Betriebsausgaben absetzbar sein müssen. Einerseits ist es natürlich Sache der Unternehmen, wie sie ihre Manager oder auch ihre Sportler bezahlen.
Andererseits kann es aber, so meine ich, nicht sein, dass exorbitante Gehälter vom Staat subventioniert werden. Das hat letztlich auch viel mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung zu tun.
Vor allem aber wird es in Zukunft auch darauf ankommen, dass wir nachqualifizieren. Wir stehen, hier im Saarland im Besonderen, in den nächsten Jahren vor herausfordernden Zeiten. Auto und Stahl stehen vor strukturellen Änderungsprozessen. Es kommt nun darauf an, das heute vorhandene exzellente Fachkräftepotenzial zu erhalten, es aber auch neuen Gegebenheiten anzupassen. Deswegen wird zur Bekämpfung der Armut auch ganz entscheidend sein, dass wir in Fort- und Weiterbildung investieren, dass wir die entsprechenden Möglichkeiten zur Qualifikation schaffen.
Angesichts all dessen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Die Beschlussfassung eines Parlaments über die Höhe des Mindestlohns stellt keinen geeigneten Weg zur Lösung des Armutsproblems dar. Das hat auch mit einem anderen Prinzip der christlichen Soziallehre zu tun, nämlich dem Prinzip der Subsidiarität. Es geht darum, diejenigen Einheiten zu stärken, die zum Treffen dieser Entscheidungen besser geeignet sind. Das sind die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern, und zwar in der Mindestlohnkommission.
Es wurde bereits vieles getan, ich führe das nur noch stichwortartig aus: Pflege-Mindestlohn, die Erwerbsminderungsrente, die Grundrente. Es bleibt noch vieles zu tun: Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wie wir es besser als bisher schaffen, auch Minijobber abzusichern, zum Beispiel auch in der Arbeitslosenversicherung. Es wird darum gehen, einen besseren Übergang von Minijob und Midijob in Beschäftigung zu ermöglichen. Heute ist es häufig so, dass Menschen, die in der Grundsicherung sind und Arbeit aufnehmen, einen Nachteil haben. Auch insoweit besteht Reformbedarf. Alles in allem aber ist der Beschluss eines Parlaments über die Höhe des Mindestlohns nicht geeignet, Armut zu bekämpfen; es gibt bessere Methoden. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist ein besonderer Tag, da wir meines Wissens erstmals in der Geschichte des Landes außerhalb des Plenargebäudes tagen.
Zu den ureigenen Aufgaben eines Parlaments gehört das Budget-Recht. Deswegen finde ich es auch in Ordnung, dass wir darüber debattieren - das ist durchaus nicht unangebracht -, ob man einen Doppelhaushalt aufstellt oder ob man den Haushalt für ein Jahr aufstellt. Trotzdem glaube ich, dass man am Ende zum Schluss kommen muss, dass die Vorteile eines Doppelhaushaltes überwiegen.
Wir sind auch nicht allein damit, einen Haushalt so aufzustellen, denn ein Doppelhaushalt ist mittlerweile gängige Praxis. Das betrifft viele Kommunen, nicht nur hier bei uns im Saarland, sondern auch darüber hinaus in der Bundesrepublik. Denn es betrifft eben auch viele Bundesländer, beispielsweise Bayern, Thüringen, Hessen und auch Sachsen. In Sachsen ist es sogar gängige Praxis, nur Doppelhaushalte aufzustellen. Auch wir im Saarland betreten kein Neuland, wenn wir einen Doppelhaushalt verabschieden: Auch in den Jahren 2016/2017 gab es bereits einen Doppelhaushalt, und wir hier in diesem Parlament sind es gewesen, die für die Jahre 2019/2020 einen Doppelhaushalt verabschiedet haben.
Und ich glaube, am Ende muss man auch zum Schluss kommen, dass es die aktuelle pandemische
Lage, dass die Corona-Krise langfristige Planung nicht verbietet, sondern sie geradezu gebietet. Der Nachtragshaushalt wird bereits in wenigen Wochen, im Juni 2020, hier beraten und verabschiedet werden. Es geht eben darum, möglichst viel Planungssicherheit zu schaffen in jenen Bereichen, in denen das möglich ist, und sich gleichzeitig Instrumente zu schaffen, mit denen flexibel auf die kommenden Ereignisse reagiert werden kann. Mit dem sogenannten Corona-Sondervermögen haben wir Möglichkeiten der Flexibilisierung und der kurzfristigen Reaktion; das ist auch Folge der sogenannten Schuldenbremse. Die Schuldenbremse hat dazu geführt, dass wir heute gut dastehen. Ich erinnere an die Diskussionen, die es vor einigen Wochen gab, wonach die Schuldenbremse obsolet sei, die Diskussionen, wonach die aktuelle Krise ja zeige, dass die Schuldenbremse falsch sei - das Gegenteil ist der Fall. Die aktuelle Krise ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Paradebeispiel dafür, dass die Schuldenbremse richtig ist und dass sie gerade in solchen Krisensituationen greifen.
Mit dem Sondervermögen Corona haben wir die Möglichkeit, Spielräume zu nutzen. Wir werden darin die Folgen dessen, was als externer Schock durch die Corona-Pandemie auf uns zugekommen ist, abbilden. Auch das ist nun keine Innovation oder grundlegende Erneuerung, es ist vielmehr in der Haushaltswirtschaft Tradition, externe Schocks großen Ausmaßes so abzubilden. Das gilt in der Bundespolitik, ich erinnere an das Sondervermögen Deutsche Einheit. Ich erinnere aber auch an entsprechende Sondervermögen hier bei uns im Landeshaushalt.
Darüber hinaus gebietet es der Grundsatz der Haushaltsklarheit, planbare Ausgaben im eigentlichen Kernhaushalt darzustellen. Wenn Sie, Kollege Hecker, sich den Landeshaushalt anschauen, werden Sie feststellen, dass mehr als 40 Prozent der Ausgaben allein auf Personalausgaben entfallen; die sind fix, die stehen fest, die kann man inklusive der entsprechenden Erhöhungen planen. Rechnet man noch die Pensionsausgaben hinzu, liegt man bei weit über 50 Prozent. Hinzu kommen die Investitionen, die wir ohnehin tätigen. Und es sei der Hinweis gestattet, dass die aktuellen Schwierigkeiten in der Konjunktur auch dadurch aufgefangen werden, dass wir in diesem Jahr im Kernhaushalt ein Rekordvolumen investieren werden - ein Plus von 20 Prozent, also 60 Millionen Aufwuchs auf über 400 Millionen Euro im aktuellen Kernhaushalt. Wir müssen eben den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Wirtschaft und der Landesverwaltung die Möglichkeit eröffnen, langfristig zu planen. Wir müssen im Rahmen des Möglichen Verlässlichkeit schaffen.
Dafür können wir, ich habe es eben genannt, die Spielräume im Corona-Sondervermögen nutzen.
Das werden wir in einer Debatte im Juni aufgreifen, und sicherlich auch noch in vielen weiteren Debatten. Mit dem Argument, das Anfang der Woche von der LINKEN genannt wurde, es sei nur im Rahmen einer Generaldebatte möglich, Grundsatzfragen der Politik zu klären, damit würden wir uns alle ein schlechtes Zeugnis ausstellen, nicht nur die Opposition sich selbst, sondern auch wir uns als Regierungsfraktionen, also wir alle uns als Parlamentarier. Tatsächlich besteht doch alle vier Wochen hier im Plenum die Möglichkeit, Debatten über die Grundsatzfragen der Politik zu führen. Dafür bedarf es keiner Haushaltsberatungen. Insofern greift auch das Argument, dies hätte etwas mit der Landtagswahl 2022 zu tun, zu kurz. Debatten werden geführt, wann immer sie notwendig sind. Dafür ist das Parlament der richtige Ort.
Wir glauben, dass die Argumente dafür überwiegen, das Mögliche fortzusetzen und dies im Kernhaushalt abzubilden. Die Möglichkeit der flexiblen Reaktionen haben wir uns durch das Einhalten der Schuldenbremse, durch den Weg der Konsolidierung ermöglicht. Und das werden wir im Sondervermögen Corona abbilden. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen.
Ich bedauere, dass es keine Zwischenfrage geworden ist, da ich nun drei Jahre hier im Parlament bin und mir noch keine Zwischenfrage gestellt wurde. Ich hätte das gerne genutzt. Erlauben Sie mir die Bemerkung: Ich vermute, mit Fünfjahresplänen kennen Sie sich aus, weil Sie ja auch schon mal zwei Jahre einer Partei angehört haben, die diese Fünfjahrespläne gemacht hat.
Aber der Hinweis ist doch richtig: Hier ist der Ort, Debatten zu führen, unabhängig davon, ob gerade Haushaltsberatungen sind. Wir als Parlament kommen überein, dass es sinnvoll ist, einen Doppelhaushalt aufzustellen oder einen Einzelhaushalt. Andere Länder machen das ähnlich. Aber es ist doch eine Tatsache und es bleibt richtig zu sagen: Das, was abbildbar ist, das, was planbar ist, das bilden wir im Kernhaushalt ab. Das schafft im Rahmen des Möglichen Verlässlichkeit. Das, was externen Schocks geschuldet ist, das, was mehr Investitionen als ursprünglich geplant erfordert und was auch Hilfsmaßnahmen möglich und planbar macht, das bilden wir in einem Sondervermögen ab. Das ist eine Folge des Prinzips der Haushaltsklarheit, dazu stehen wir. Das wird, so glaube ich, auch in der Debatte im Juni nochmals deutlich werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zentrale Frage unserer Zeit, die zentrale Frage der angebrochenen Zwanzigerjahre - das spüren wir in der heutigen Debatte, aber auch in der aktuell laufenden Diskussion in der Gesellschaft - ist die Frage des Strukturwandels und des Schutzes von Natur und Umwelt. Es geht darum, Ökonomie und Ökologie zusammenführen. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung und um die Bewahrung der Arbeitsplätze. Es geht um die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Bewahrung des Wohlstands. Es geht um die Bewahrung der Umwelt auch für nachfolgende Generationen und um die Bewahrung der Wertschöpfung in unserem Land. Alle diese Ziele können wir nur erreichen, wenn wir nicht versuchen, uns traditionalistisch-rückwärtsgewandt an eine Welt zu erinnern, die es so vielleicht nie gab, sondern wenn wir uns ganz konservativ an die Spitze des Fortschritts stellen.
Der Begriff „konservativ“ - ich habe mal nachgeschaut - ist vor 200 Jahren entstanden. Er ist erstmals benutzt worden von François René de Chateaubriand, er brachte eine Zeitschrift heraus mit dem Namen „Le Conservateur“ und nahm dabei Bezug auf Edmund Burke, den Vater des Konservativismus. Edmund Burke hat schon gesagt: „Es geht um die Bereitschaft zum Bewahren und die Fähigkeit zum Verbessern“, und weiter: „Es geht um eine Partnerschaft zwischen den Lebenden und denen, die noch geboren werden.“ Das beschreibt, glaube ich, sehr gut die Aufgabe, vor der wir heute im angebrochenen Jahrzehnt der Zwanzigerjahre stehen. Auf der einen Seite bewahren wir den Wohlstand, die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung, auf der anderen Seite müssen wir das aber auch nachhaltig tun, indem wir auch an die Generationen denken, die nach uns kommen, indem wir Natur und Umwelt schützen.
Wir wollen Industrie und Umwelt zusammenführen. Das ist im besten Sinne konservativ, und das ist auch die Aufgabe für uns hier im Saarland. Sie schreiben in Ihrem Antrag, „die Transformation der Stahlindustrie“ sei „politisch gewollt“. Ich sage Ihnen: Ja, das stimmt, sie ist politisch gewollt, aber sie ist auch praktisch notwendig, weil das die Aufgabe ist, vor der wir jetzt stehen.
Sie versuchen in Ihrem Antrag, den Eindruck zu erwecken, es könne alles so bleiben, wie es ist, und gehen dabei von einem Weltbild aus, das den Schutz von Natur und Umwelt und die Bewahrung unserer Schöpfung nicht ausreichend berücksichtigt. Auch Sie werden nicht bestreiten können, dass es ressourcenschonendere Möglichkeiten zur Stahlproduktion gibt, die auch die Gesundheit besser schützen.
Der Walk of Steel begann vor zehn Tagen in Völklingen. Die Stahlarbeiter haben sich aufgemacht nach Brüssel, 350 km. Viele hier im Hause waren mit dabei, an der Spitze unser Ministerpräsident Tobias Hans, auch Minister Peter Strobel, der Kollege Eugen Roth, aber auch die Kollegen Dagmar Heib und Günter Heinrich. Alwin Theobald und ich sind die erste Etappe ganz mitgelaufen von Völklingen bis nach Dillingen, 20 km entlang der B 51. Das war ein beeindruckendes Erlebnis. Wir haben die Solidarität der Anwohner erfahren; wir sind entlang der Industrieroute hier im Saarland gewandert. Es gab Unterstützung durch die Bürger, sei es durch Hupen, sei es dadurch, dass wir eingeladen worden sind, ein Bier mitzutrinken oder einen Imbiss einzunehmen. Es war ein klares Zeichen, dass unsere Bevölkerung hier im Saarland hinter der Industrie steht. „Industrieland Saarland“ ist nicht nur ein Spruch ohne Hin
tergrund. „Industrieland Saarland“ heißt, dass es das, was in Umfragen deutlich wird, tatsächlich gibt, nämlich eine hohe Industrieaffinität, eine hohe Akzeptanz industrieller Fertigung in unserem Land. Das ist ein echter Standortvorteil für unser Land.
Die Menschen stehen voll und ganz hinter der Automobil- und Stahlindustrie, aber sie wollen auch ein Zweites, nämlich die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, für sich selbst, aber auch für die Generationen, die nach ihnen kommen, für ihre Kinder und Enkelkinder.
Viele sind schon weiter als Sie. Die Frage, die Sie heute aufwerfen, ist eigentlich schon gar nicht mehr Gegenstand der Debatte. Die Gewerkschaften und die Betriebsräte sind weiter. Der Spruch „Wir haben ein Herz aus Stahl“ wurde nicht von irgendeiner Marketingagentur gemacht, sondern der wurde ganz kreativ geschaffen in den Räumen des Betriebsrats von Saarstahl in Völklingen. Der Kampf geht jetzt in die nächste Phase. Der bundesweite Auftakt der neuen IG-Metall Kampagne für ganz Deutschland heißt: „Unser Herz aus Stahl hat eine grüne Zukunft“. Die Geburt dieses Spruches war am 31. Januar in Völklingen beim Beginn des Walk of Steel. Ich möchte Stephan Ahr zitieren, den Initiator der Aktion: „Es geht um eine sozialökonomische Wende, um eine sozialökologische Transformation, das ist unsere Aufgabe.“
Und an dieser Stelle möchte ich Danke sagen für das, was die Betriebsräte, die Gewerkschaften und die Stahlarbeiter hier im Saarland seit vielen, vielen Jahren leisten. Ich erinnere an die Diskussion, die es 2016 gab über die Ausgestaltung der Phase 4 des ETS-Handels. Auch damals schon waren es die Stahlarbeiter hier an der Saar, waren es Stephan Ahr, Michael Fischer und viele andere, die sich an die Spitze der Bewegung gestellt haben, die bundesweit Schlagzeilen gemacht haben und die bundesweit große Überraschung ausgelöst haben darüber, wie viele Leute wir hier im Saarland auf die Straße bekommen. Es gab Kundgebungen in Dillingen, Neunkirchen und Völklingen. Auch damals schon hieß es: „Stahl ist Zukunft“. Das wurde jetzt weiterentwickelt zu: „Unser Herz aus Stahl hat eine grüne Zukunft.“ Insofern ist dieser Weg auch hier schon beschritten. Deswegen vielen Dank an Stephan Ahr und Michael Fischer, und ich möchte noch jemanden nennen, der sonst nicht so in der Öffentlichkeit steht, nämlich Susanne Heintz, die sehr viel geleistet hat in der Öffentlichkeitsarbeit gerade in
den neuen sozialen Medien. Vielen Dank für euren Einsatz und für euer Engagement!
Der Marsch nach Brüssel war stilbildend, weil er Öffentlichkeit schafft. Ich habe von den Experten gesprochen, deren tägliches Geschäft die Stahlindustrie ist. Ich nenne hier auch Tim Hartmann. Wir hatten am Sonntag als CDU-Kreisverband Saarlouis eine große Industrie- und Stahldiskussion in der Stahlstadt Dillingen. Es kamen 350 Bürger, Beschäftigte, Betriebsräte, um mit Tim Hartmann zu diskutieren, dem ehemaligen VSE-Chef, dem heutigen Chef der SHS Dillinger und Saarstahl, sowie mit Bundesminister Peter Altmaier. Bei Peter Altmaier sind Industrie und Stahl Chefsache. Wir leben momentan in Zeiten, in denen sich jeder berufen fühlt, den Bundeswirtschafts- und ‑energieminister in ein schlechtes Licht zu rücken. Wir werden aber mit geeinter Stimme sprechen müssen, wenn es unsere Interessen als Saarland und Deutschland umzusetzen gilt.
Deswegen rate ich jedem und appelliere an alle: Industriepolitik und Stahlarbeitsplätze sind nicht geeignet für parteipolitische Scharmützel. Wir müssen hier zusammenstehen, Industrie, Gewerkschaften und Parteien, nur dann werden wir Gehör finden, nur dann werden wir Erfolg haben in Brüssel und in Berlin.
Peter Altmaier hat am Sonntag verkündet - es stand dann auch am Montag in der Zeitung: Im Herbst wird der Europäische Stahlgipfel in Saarbrücken stattfinden. Dann werden die Handels- und Wirtschaftsminister der Europäischen Union hier nebenan im Saarbrücker Schloss zusammenkommen, um über Stahl zu sprechen. Er wird ihnen ganz konkret zeigen, was Stahlproduktion für unser Land bedeutet, wie sie in der Identität und Kultur der Region verankert ist. Unser Auftrag liegt darin, geschlossen zu kämpfen als Saarländer und als Bundesrepublik Deutschland.
Eben hat Eugen Roth das Schreiben an die Mitarbeiter zitiert, das Anfang der Woche verschickt worden ist. Auch dort geht es ganz klar darum, wie wir den Weg hin zu einer ökologischen Produktion schaffen können. Es gibt mehrere Arbeitsgruppen, die zu beschreiben versuchen, welche Wege der CO2-Reduktion gegangen werden können. „Am Stahl entscheidet sich der Erfolg und die Glaubwürdigkeit des Green Deal“ - ich glaube, diese Aussage von Tim Hartmann ist richtig. Es geht jetzt vor allem
darum, dass wir darüber diskutieren, wie wir die Rahmenbedingungen so schaffen können, dass es verlässliche Bedingungen und Planungssicherheit gibt. Wir brauchen eine Brückentechnologie, die nur in Gas bestehen kann. Es muss aber langfristige Planungssicherheit geben, damit sich Investitionen auch rechnen. Das wird nicht aus reinen Betriebsmitteln der Stahlunternehmen zu schaffen sein, hier werden wir als öffentliche Hand unterstützen müssen.
Voestalpine und SSAB forschen, Salzgitter erforscht zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft die Potenziale des Wasserstoffs. Es wird darum gehen, in Europa Rahmenbedingungen zu schaffen. Es muss ein Grenzabgabensystem auf CO2 geben. Dem Klima ist es egal, wo CO2 erzeugt wird, ob in der Ukraine, in der Türkei, in China oder in Dillingen oder Völklingen; das muss eingepreist werden. Das ist seit 2018 Beschlusslage der MPK, Tobias Hans hat die Ministerpräsidenten in dieser Frage hinter sich versammelt. Das ist jetzt auch die Forderung der IG Metall in Brüssel. Das CO2-Grenzabgabensystem ist wichtig, um auf der Preisseite Anreize zu schaffen.
Es geht auf der anderen Seite auch darum, dass wir durch die Verringerung der Zollkontingente bei den Safeguardmaßnahmen auch in der Menge dazu kommen, Rahmenbedingungen zu eröffnen, die es möglich machen, diese Operation am offenen Herzen unserer Industrie, unserer Volkswirtschaft, so will ich es nennen, erfolgreich durchzuführen.
Der Stahlbereich hat immer noch hohe Einsparpotentiale. Bereits seit den Sechzigerjahren ist der CO2-Ausstoß je Tonne produzierten Stahls massiv zurückgegangen, heute liegt er bei 1,4 bis 1,6 Tonnen CO2 pro Tonne produzierten Stahls. Gleichwohl macht das einen hohen Anteil am CO2‑Ausstoß innerhalb der deutschen Volkswirtschaft aus. Das heißt, wenn wir den Green Deal gehen, wenn wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen wollen, bis 2050 CO2-neutral zu sein, dann führt an einer CO2ärmeren und CO2-freien Produktion von Stahl kein Weg vorbei.
Wir haben ein klares Ziel. Wir wollen ein modernes und innovatives Industrieland bleiben. Wir wollen gleichzeitig Umwelt, Mensch und Natur schützen. Nur wenn uns das beides zusammen gelingt, werden wir Erfolg haben. Dazu bedarf es neuer Ideen. Dazu bedarf es Innovationen. Aber auch das ist nichts Neues. 1886 war die Eisen- und Stahlindustrie schon „old Economy“. Da gab es die Dillinger Hütte schon über 200 Jahre. Damals gab es eine Innovation - einen Innovationssprung - nämlich die Produktion nahtloser Röhren. Die Gebrüder Man
nesmann haben 1886 das Verfahren erfunden, das Mannesmann-Patent für Schrägwalzen.
Wenige Wochen, nachdem dieses Patent angemeldet worden ist, hat man hier im Saarland den Mut gehabt - es waren Saarländerinnen und Saarländer zusammen mit den Gebrüdern Mannesmann, später mit Siemens -, in Bous die Mannesmann-Röhrenwerke zu gründen. Sie haben damals schon erkannt, die „old Economy“, die Eisen-und Stahlproduktion, muss neue Wege gehen. Damals wurde hier Weltgeschichte geschrieben. Eine der ersten nahtlosen Röhren der Welt wurde in Bous produziert. Das ist ein Beispiel für heute. Auch heute stehen wir wieder an einer Zeitenwende, wo es darum geht, dass wir im Saarland den Mut haben, die Innovationen zu gehen, den Weg voranzuschreiten, damit wir ein modernes und innovatives Industrieland bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
In dieser Zeit seit 1886 gab es Höhen und Tiefen, da gab es ein Auf und Ab. Es gab, meine ich, sieben Währungswechsel. Es gab mehrere Wechsel der Nationalitäten. Aber am Ende hat man zusammen gekämpft, in Bous bei den Röhrenwerken. Wir waren vergangene Woche dort mit der Arbeitnehmergruppe der CDU-Landtagsfraktion. Mein Papa war auch in den Sechzigerjahren für viele Jahre Mitarbeiter dort bei den Röhrenwerken, ein stolzer „Mannesmann“. Heute ist das Unternehmen Teil der Georgsmarienhütte. Ich meine, wir an der Saar müssen daraus lernen. Wir müssen zusammenschaffen: Mitarbeiter, Industrie, Betriebsräte, Gewerkschaften und Politik. Dann werden wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf unsere stolze Geschichte eine große Zukunft setzen. Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir müssen uns an die Spitze der Bewegung stellen. - Glück auf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Antrag ist es eigentlich nicht wert, dass wir darüber debattieren, aber das Thema ist es wert, dass wir darüber sprechen. Deswegen möchte ich die Sache auch nicht kurz machen, sondern auf die Themen eingehen, um die es geht, denn für uns ist Industrie im Saarland mehr als reine Wertschöpfung. Für uns ist Industrie ein Teil unserer Identität und Geschichte. Das wurde auch heute Morgen deutlich. Wir waren seinerzeit ein Land von Kohle und Stahl. Die Montangeschichte war die Begründung dafür, dass wir heute ein eigenständiges Bundesland sind. Seit vielen Wochen und Monaten geht es nicht mehr um Kohle und Stahl, sondern um Auto und Stahl. Seit vielen Monaten beschäftigt uns dieses Thema hier im Hause, aber auch an vielen anderen Stellen.
Es gibt neben den konjunkturellen Schwierigkeiten auch einige strukturelle Schwierigkeiten. Ich möchte nur kurz die wichtigsten ansprechen. Das eine sind die Handelskonflikte. Als Deutschland und Europa drohen wir, zwischen die Fronten der Großmächte
Vereinigte Staaten und China zu geraten. Wir sind als Deutschland, aber auch als Saarland wie wenige andere Regionen auf der Welt abhängig von offenen Volkswirtschaften, von einem Freihandel. Wir haben wie wenige andere davon profitiert, und das nicht erst seit Gründung der Bundesrepublik oder seit unserer Zugehörigkeit zur Bundesrepublik, sondern das geht viel weiter zurück. In dieser Woche gab es eine Studie dazu, wie sich die weltweiten Handelsverflechtungen über die Jahrhunderte entwickelt haben. Bereits im Kaiserreich war es so, dass die deutsche Volkswirtschaft mit die offenste gewesen ist, weit offener als in Frankreich, Großbritannien und anderen Staaten. Deswegen spüren wir ganz besonders den Druck, unter dem wir stehen, weil die Globalisierung auf dem Rückzug zu sein scheint.
Ein zweites Themenfeld ist die Digitalisierung. Wir alle kennen die Studien. Bis zum Jahr 2030 wird jeder dritte Arbeitsplatz bei uns im Saarland davon bedroht sein, dass die Digitalisierung ihn in seiner bisherigen Form ersetzt. Es wird weiterhin Arbeit geben, aber andere Arbeit. Der dritte Punkt ist der Klimaschutz. Klimaschutz ist nichts Erfundenes, sondern es sind Realitäten, wir werden uns mit ihnen auseinandersetzen müssen und tun dies auch seit vielen Jahren. Es geht um das „Und“. Es geht um Arbeit u n d Umweltschutz, um Industrie u n d Klimaschutz.
Auch beim Thema Brexit haben Populisten versucht, freien Handel einzuschränken. Dieses Thema trifft uns im Saarland wie keine andere Region in Europa. Im Saarland war es bis kurz vor dem Brexit-Entscheid so, dass unser mit Abstand wichtigster Handelspartner das Vereinigte Königreich gewesen ist. Jeder achte Euro, den wir erwirtschaftet haben, kam durch den Export in das Vereinigte Königreich. Hier ist insbesondere Ford zu nennen, denn in Großbritannien ist der Ford Focus der Marktführer, sozusagen der Golf von England.
Der nächste Punkt sind in der Tat konjunkturelle Schwierigkeiten. Wir erleben den längsten Aufschwung in der Geschichte Deutschlands. Seit zehn Jahren sind wir im Aufschwung, aber jetzt droht er zu schwinden. Wir haben ein Problem mit der Demografie. Wir werden bis 2030 vieles an Arbeitskräftepotenzial verlieren. Deswegen stehen wir vor der Herausforderung, wie wir das Erwerbspersonenpotenzial besser ausschöpfen können. Ich nenne hier das wichtige Thema Frauenerwerbsquote. Hier haben wir zugelegt, müssen aber noch besser werden. Deswegen sollten wir diese Maßnahmen auch von hier aus unterstützen.
Ich glaube auch, dass der demografische Wandel dazu führt, dass wir im Bereich der Produktivität besser werden müssen. Wir müssen sozusagen die Schwäche, die wir im Bereich des Wachstumspotenzials haben werden, mit besserer Produktivität ausgleichen, auch bei der Kapitalseite. Deswegen werbe ich für einen Industrie- und Innovationsfonds, der es auf der einen Seite schaffen kann, die Industrie in ein modernes Saarland zu führen, und der auf der anderen Seite dazu beitragen kann, dass im Bereich der Start-Up- und Unternehmensgründungen Kapital bereitgestellt wird. Wenn man das mit Maßnahmen der Mitarbeiterbeteiligung kombiniert, haben wir eine Lösung, die aus dem Saarland heraus viel bewegen kann.
Es geht um die Zukunft unserer Industriepolitik. Auto und Stahl wurden angesprochen. Wir müssen beide Bereiche besser vernetzen. Ich möchte hier auch noch die Forschung und Entwicklung und ZF nennen. Der Ministerpräsident hat es auf eigene Initiative geschafft, ein Forschungs- und Entwicklungslabor in Saarbrücken anzusiedeln. Hier verknüpfen wir traditionelle Fertigkeiten in der Produktion mit Forschung und Entwicklung im Bereich Cybersecurity. Es geht um Fort- und Weiterbildung und Qualifikation. Als CDA haben wir eine Verdopplung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes gefordert, um auf der einen Seite Arbeitgeber bei den Sozialleistungen zu entlasten und auf der anderen Seite einen Beitrag zu leisten bei der Weiterqualifikation und um das, was uns in Zukunft bevorsteht, besser abzufedern.
Im Bereich Stahl geht es darum, dass wir auf der einen Seite die CO2-Bepreisung beibehalten. Das ist wichtig, weil sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Ich verweise auf die Ausführung des Kollegen Thielen heute Vormittag. Auf der anderen Seite kann dies aber nicht dazu führen, dass wir, wenn CO2-Bepreisung nur in Europa stattfindet, eine Deindustrialisierungspolitik haben. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir haben die Forderungen hier im Parlament beschlossen. Ich nenne nur die CO2Grenzsteuer, die dazu beitragen kann, dass es in Zukunft keine Rolle mehr spielt, wo CO2 produziert wird. Das wird Folgen dafür haben, was in der Türkei oder Ukraine an Stahl produziert wird. Das wird auf den importierten Stahl draufgeschlagen.
An der Stelle möchte ich die Forderung unterstützen, dass der EU-Fonds für den gerechten Wandel auch für den Bereich Stahl eingesetzt wird. Hier widerspreche ich ausdrücklich den GRÜNEN, die sagen, dass dieser EU-Fonds und seine Mittel nicht für den Stahlbereich verwendet werden sollten. Im Bereich Auto geht es um viel. Ich kann nur wiederho
len, was wir in vielen Debatten in den letzten Wochen schon gesagt haben. Das Saarland ist drittgrößter Automotive-Standort Deutschlands. Wir haben eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 18 Milliarden Euro im produzierenden Gewerbe. Es gibt allein im Bereich Auto 44.000 Beschäftigte. Es wird in Zukunft auf einen Mobilitätsmix ankommen. Der Verbrenner wird auch weiterhin eine Rolle spielen müssen. Es geht aber auch um E-Mobilität und darum, dass Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe eine Rolle spielen. Es geht auch darum, dass wir keine Autoscham entwickeln, sondern dass wir selbstbewusst Ja sagen zum Auto, denn auch in Zukunft kommt es auf individuelle Mobilität an.
Zu den Themen gibt es noch viel zu sagen. Ich möchte eine Ergänzung machen. Ihnen ist der wichtigste Zweig, nämlich die Umwandlung unserer Industrie für die Zukunft, sage und schreibe zweieinhalb Zeilen wert. Ich habe nachgezählt, es ist Ihnen 23 Wörter wert. Vor unserem Betriebsräte-Empfang der Fraktion hatten wir die Halberger zu Gast, einige Vertreter der 196 Personen, die um ihre Abfindung belogen wurden, wie ich es ausdrücken möchte. Wenn ich denen vorlese, dass Ihnen das Schicksal der Arbeiter an der Saar 23 Wörter wert ist, dann würden auch sie erkennen, wie wenig das ist. Ich kann nur an Sie appellieren, dass Sie auch als Opposition einen wichtigen Auftrag in der Demokratie haben. Sie sollen die Regierung und die Koalitionsfraktionen kritisieren. Dazu kann ich nur auffordern. Aber das ist in Ihrem Antrag in keiner Weise gewährleistet.
Wenn man am Hochofen so schaffen würde wie Sie hier im Landtag, dann käme der beste Stahl nicht aus Dillingen oder Völklingen. Nehmen Sie sich also ein Beispiel an den 990.000 Saarländern, die ordentlich schaffen. Wir werden Ihren Antrag auf jeden Fall ablehnen. Und wissen Sie, dieses Land hat einiges groß gemacht. Es gibt so etwas wie deutsche Tugenden. Unser Vaterland und unsere Heimat an der Saar haben Werte groß gemacht wie Ordnung, Fleiß und Disziplin. Davon können Sie sich eine Scheibe abschneiden. Wir lehnen Ihren Antrag ab und arbeiten mit den Saarländerinnen und Saarländern weiter daran, dass wir Industrieland bleiben. Vielen Dank.
Ich will nur kurz Folgendes sagen. Nichts tun - das sehen wir bei Ihnen dreien, was Sie im Parlament abliefern. Im Ausschuss pennen, das ist nichts tun. Das sehen wir bei Ihnen. Wir arbeiten weiter. Wir haben Ansiedlungserfolge. Ich habe ZF angesprochen. Ich möchte das BSI ansprechen. Das BSI ist ein Ansiedlungserfolg. Als das Bundesamt für Finanzen, das heutige Bundeszentralamt für Steuern, in das Saarland kam, waren es 30 Beschäftigte. Heute sind es knapp 300. Ich komme aus Saarlouis und arbeite seit 14 Jahren im Stadtrat. Der Lisdorfer Berg - Sie können sich ihn gerne anschauen - ist ein Beispiel dafür, wie wir unsere Wirtschaft weiter diversifizieren. Das sind einige Beispiele. Insofern arbeiten wir weiter für unser Saarland. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor allem aber liebe Kolleginnen und Kollegen des Betriebsrats und alle Mitarbeiter der Neuen Halberg Guss! Wir erleben bei Halberg Guss jetzt seit zehn Jahren Eigentümerwechsel in vielfacher Anzahl. Die Namen haben sich geändert, die Eigentümer haben sich geändert, aber eines war immer gleich: Es gab immer ein Stück weit Unehrlichkeit gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich bin der festen Überzeugung, dass vieles, was früher immer gesagt worden ist - wir erhalten Arbeitsplätze, wir gehen in neue Produkte -, nicht eingehalten wurde. Das war Unehrlichkeit gegenüber den Mitarbeitern.
Aber zumindest wir als Politik müssen ehrlich bleiben. Zu suggerieren, dass es eine Möglichkeit gäbe, eine Mehrheitsbeteiligung bei der Neuen Halberg Guss zu machen, das ist ein Scheinantrag, da werden den Leuten falsche Tatsachen vorgegaukelt. Das Land wird nicht in der Lage sein, eine Mehrheitsbeteiligung zu übernehmen. Etwas anderes zu behaupten, wäre Unehrlichkeit in der gleichen Weise, wie es die Eigentümer über zehn Jahre gemacht haben.
Trotzdem müssen wir Konsequenzen aus dem Fall ziehen. Das Erste betrifft den Bereich der Insolvenzordnung. Ich habe letzte Woche dazu auch eine Pressemitteilung herausgegeben, weil es schier unvorstellbar ist, sich in die Lage der knapp 200 Männer und Frauen zu versetzen, denen man im Sommer gesagt hat, unterschreibt einen Aufhebungsvertrag, das Geld war aber nicht gesichert. Mindestens fahrlässig hat die Geschäftsführung gehandelt, wenn man die Männer und Frauen im Glauben gelassen hat, die 4 Millionen Euro, um die es geht, seien gesichert.
Ich möchte das Zitat hier nicht wiederholen, weil es einen Ordnungsruf zur Folge hätte. Aber es ist unredlich, unehrlich, es ist unehrenhaft, wie die Geschäftsführung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgegangen ist. Das Geld war nicht vorhanden. Deswegen stellt sich erstens die Haftungsfrage. Es gibt schon heute im Zivilrecht und im Strafrecht Möglichkeiten, die Geschäftsführung in Regress zu nehmen. Das muss überprüft werden. Zweitens müssen wir überprüfen, welche Änderungen der In
solvenzordnung es geben kann, damit Abfindungen in Zukunft einen höheren Status im Insolvenzrecht haben.
Das Zweite betrifft sehr wohl auch die Möglichkeit, öffentliche wie private Mittel, öffentliches wie privates Kapital zusammenzuführen, zum Beispiel in Form eines Industrie- und Innovationsfonds gespeist aus Mitteln von EU und Bund. Dazu zählt auch das, was wir Ihnen nächstes Jahr vorlegen werden, nämlich auch die Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung, um auch hier das Kapital zusammenzubekommen, um den Umbau der Saarwirtschaft und auch einzelner Betriebe voranzutreiben.
Das Dritte ist die Verantwortung der Landesregierung. Es ist richtig, was die Regierung gemacht hat. Sie hat verhandelt über das Maß hinaus. Es ist korrekt, dass es nicht zur Aufgabenbeschreibung des Wirtschaftsministeriums gehört, Verhandlungen mit Eigentümern und mit Kunden zu führen. Es wurde trotzdem gemacht aufgrund der Verantwortung, die man für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfindet.
Das Zweite ist, jetzt schnell zu handeln. Wir müssen schauen, dass die 600 Männer und Frauen, die jetzt ohne Arbeit dastehen, qualifiziert werden, dass sie schnell neue Arbeit finden. Auch hier ist die Regierung dabei, zu verhandeln und die Möglichkeiten zu eröffnen. Das Dritte ist die „Strukturwandelinitiative Saar“, die am Wochenende auf den Weg gebracht worden ist. Wir werden in Zukunft eine Taskforce haben, eine schnelle Eingreiftruppe, die in der Lage ist, schnell zu reagieren und auch in künftigen Fällen schneller parat zu stehen.
Wir befinden uns im Saarland in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Das betrifft den Automotive-Bereich, das betrifft den Stahlsektor, das betrifft viele Zuliefererbetriebe. Es wird in den nächsten Jahren auf vieles ankommen. Es kommt auf Mut an, es kommt auf neue Ideen an. Es kommt auf öffentliches wie privates Kapital an. Vor allem aber kommt es auf Ehrlichkeit an. Wir stehen zur Ehrlichkeit. Wir gaukeln nicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern falsche Tatsachen vor. Falsche Versprechungen gab es genug. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und um Ablehnung des Antrags der DIE LINKE-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der 09. November ist ein Tag, der einen berührt und der auch mir unter die Haut geht. Dieser Schicksalstag zeigt in der gesamten Bandbreite, wozu Menschen in der Lage sind. Dieser Tag zeigt auch die Bandbreite dessen, was in deutschem Namen passiert ist: Robert Blum und die Märzrevolution 1848, die Ausrufung der Republik 1918, der Putschversuch von Hitler 1923, die
Reichspogromnacht - sie wird endlich so genannt, allzu lange hat man euphemistisch von der Reichskristallnacht gesprochen - und schließlich der Fall der Mauer 1989 - diese Daten sind Anlass unserer heutigen Debatte.
Der 09. November wird häufig als Schicksalstag bezeichnet, und ich meine zu Recht. Sicher, die Angriffe der Nazis gegen die junge Demokratie und die Menschlichkeit wurden nicht unabsichtlich auf den Tag der Ausrufung der ihnen damals so verhassten Republik gelegt. Aber Anfang und Ende der Geschichte des 09. November waren Zufall oder Schicksal oder vielleicht Fügung.
Zunächst zu 1848. Der Parlamentarier Robert Blum, der am 09. November jenes Jahres bei Wien hingerichtet wurde, war einer der Hoffnungsträger der damals in der Paulskirche tagenden Parlamentsversammlung. Er kam aus einfachen Verhältnissen, nach dem Tod seines Vaters musste er den Besuch des Jesuitenkollegs abbrechen. Er war dann später in Leipzig einer der Studentenführer, die ihren Beitrag zur Märzrevolution geleistet haben.
1918 dann die gescheiterte Demokratie in Weimar. Sie begann noch in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges, des ersten industriell geführten Krieges mit Luftwaffe, Panzern und Chemiewaffen. Damals fielen 17 Millionen Menschen dem Grande Guerre zum Opfer. Kinder, Frauen und Männer fanden den Tod.
Dann fünf Jahre später, bewusst auf diesen Tag gelegt, der versuchte Hitler-Putsch von 1923, und dann schließlich 1938 war der 09. November wieder ein Wendepunkt. Aus der immer schärfer werdenden Diskriminierung gegenüber Juden wurde spätestens hier, in der Nacht vom 09. auf den 10. November, offener Hass, und der Weg in den Holocaust wurde beschritten. Wir brauchen nicht weit zu gehen, um Orte zu finden, an denen dieses Unrecht geschehen ist. In meiner Heimatstadt Saarlouis fand an jenem Abend, am 09. November 1938, im Saalbau eine „Gedenkstunde für die Toten der Bewegung“ statt. Danach entledigten sich die Teilnehmer jeglicher Skrupel. Die Schaufenster jüdischer Geschäfte wurden zertrümmert, Ladeneinrichtungen und Wohnungen zerschlagen, die religiösen Gegenstände aus der Synagoge entwendet und öffentlich geschändet. Kinder, Frauen und Männer jüdischen Glaubens wurden aus ihren Stuben gerissen und auf dem Schweinemarkt, dem heutigen Kleinen Markt, zusammengetrieben. Die Misshandlungen in jener Nacht dürften auch dem Letzten klargemacht haben, mit welchen Verbrechern man es hier zu tun hatte. Am Ende werden aus Saarlouis beziehungsweise,
wie es damals hieß, Saarlautern mindestens 100 Menschen in Konzentrationslagern und Zuchthäusern ermordet - insgesamt finden über 1.000 Menschen aus Saarlouis den Tod.
Schließlich das Jahr 1989, wobei das eigentliche Wunder nicht am 09. November passiert ist, sondern am 09. Oktober, einem Wendepunkt der Geschichte der DDR, einem Wendepunkt in der deutschen Geschichte, aber auch in der Geschichte Europas. An jenem Montagabend kamen wieder Tausende Menschen in den Kirchen Leipzigs zusammen, um für Rechtsstaatlichkeit, für Demokratie und vor allem für Freiheit zu demonstrieren. Das geschah zwei Tage nach der 40-Jahr-Feier der DDR am 07. Oktober in Ostberlin. An jenem Samstag, dem 07. Oktober 1989, wurden über 1.000 Männer und Frauen, die friedlich demonstrierten, festgenommen. Die Krankenhäuser wurden an jenem Montag, dem 09. Oktober, angewiesen, Blutkonserven aus der gesamten Region in die Krankenhäuser Leipzigs zu transportieren, Chirurgen und Krankenschwestern wurden zu Sonderschichten ab 15.00 Uhr einberufen, denn an jenem Abend und in jener Nacht war Blutiges geplant. Reservisten, Soldaten der NVA, Spezialeinheiten und Polizisten aus der gesamten DDR wurden nach Leipzig gekarrt, um den gefährlich gewordenen friedlichen Demonstranten Einhalt zu gebieten.
Die Chronik dieses Montages, dieses 09. Oktober, hält einen in Atem und macht fassungslos. Mit allen Mitteln wurde versucht, die friedliche Revolution zu beenden. Und wenn man sich in den Dokumenten die Abläufe dieses Tages anschaut, seien es die Tagesabläufe der Polizisten, die der politischen Führung oder auch die der normalen Bürger, wird man sich der Dramatik dieses Tages bewusst. Die Entwicklung der Montagsdemonstrationen begann 1982, seither waren die allmontäglichen Friedensgebete in den Kirchen eine Institution, sie gewannen langsam an Zustrom. Spätestens ab Spätsommer 1989 kam es danach auch zu Demonstrationen.
Wichtig in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist auch das, was Anfang Juni in China, in Peking passierte. Auf dem Platz am Tor des Himmlischen Friedens in Peking demonstrierten mehrere Zehntausende, meist junge Menschen und Studenten, für Freiheit und Frieden, für eine Revolution, für Umwälzungen, wie sie in Polen, in Ungarn, aber vor allem auch von Michael Gorbatschow in der Sowjetunion angestoßen worden waren. In jener Nacht vom 03. auf den 04. Juni wurden über 1.000 Menschen, wieder meist junge Menschen, von Panzern überrollt oder einfach erschossen. Es gab damals auch Stimmen in der DDR, diese sogenannte „chinesische Lösung“ in Leipzig, Berlin, Plauen oder vielen anderen
Orten anzuwenden, an denen Menschen friedlich demonstrierten.
Der 09. Oktober war ein historischer Tag. Mindestens 8.000 bewaffnete Einheiten der SED-Diktatur waren zusammengezogen. Es gab Sonderschichten in den Krankenhäusern Leipzigs von aus der Umgebung zusammengerufenen Ärzten und Krankenschwestern, Durchsagen in der Straßenbahn und im Radio, die die Menschen mahnten, ab dem späten Nachmittag die Innenstadt von Leipzig zu meiden. Am Ende kamen aus der Nikolaikirche und den übrigen Kirchen in der Innenstadt von Leipzig mehr als 70.000 Männer und Frauen. Das war weit mehr, als das Regime der DDR erwartet hatte. Man hätte diese Bewegung mit Gewalt wohl nicht mehr niederschlagen können.
Die Zahl 70.000 sagt sich so leicht, aber man muss sich vergegenwärtigen, dass dahinter 70.000 einzelne Entscheidungen stehen. 70.000 Menschen, die sich an diesem Nachmittag die Frage gestellt haben, ob sie hinausgehen sollen, ob sie ihr eigenes Leben, das Leben ihrer Kinder oder ihrer Ehepartner riskieren sollten, indem sie zur Demonstration gehen. Denn in der DDR galt das Prinzip der Sippenhaft. Wenn der Vater zum Beispiel inhaftiert worden wäre, wäre die Familie in „Geiselhaft“ genommen worden. Die Kinder hätten sich unter anderem ein Studium oder bestimmte Berufe abschminken können. Deswegen muss man sagen: Hinter dieser Zahl von 70.000 Demonstranten stehen 70.000 Köpfe, die Ja gesagt haben, die all ihren Mut - und vielleicht ein bisschen mehr - zusammengenommen haben, um um 17.00 Uhr in die Nikolaikirche zu gehen - zum Beten, zum Reden - und danach zum Demonstrieren. Niemand wusste, was ihn an diesem Abend erwarten würde. Der Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, der schon verstorbene Christian Führer, predigte an diesem Abend über eine Stelle aus dem Matthäusevangelium, sinngemäß: Wer sein Leben einsetzt, der wird es gewinnen. - Ein passenderes Zitat aus der Bibel hätte man wohl nicht finden können.
Wenn man Gespräche führt mit den Menschen, die damals demonstriert haben, hat man Gänsehaut auf den Armen und Tränen in den Augen. Es sind die Helden von Leipzig, es sind die sogenannten einfachen Menschen gewesen. Normalerweise würde man sagen: Menschen wie Sie und ich. Ob das so ist, weiß ich nicht, denn die meisten hier im Raum sind zu jung, um zu wissen, wie man sich in solchen Situationen verhalten würde. Wir alle kennen Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Wir wissen nicht, ob auch wir damals aufgestanden wären. Diese 70.000 waren so mutig.
Deswegen gilt allen voran unser Dank den Menschen, die damals demonstriert haben, die friedlich demonstriert haben für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit!
Umso fassungsloser macht es mich, ehrlich gesagt, wenn man heute von Montagsdemonstrationen hört, sei es für eine vielleicht nachvollziehbare Kritik am sozialen Umbau Anfang der Jahre 2000 oder vor wenigen Jahren die Rufe „Wir sind das Volk“ auf Kundgebungen der AfD. Meine Damen und Herren, eine Demonstration in einem freiheitlichen Land wie der Bundesrepublik gleichzusetzen mit denen, die in einer Diktatur stattgefunden haben, ist eine Schande und ein Schlag ins Gesicht all derer, die damals friedlich demonstriert haben.
40 Jahre DDR hieß zum Beispiel auch, den weltgrößten Geheimdienstapparat aufzubauen. Die Stasi zählte 90.000 hauptamtliche Mitarbeiter und ungefähr 170.000 inoffizielle Mitarbeiter. Sie waren „Schild und Schwert“ der Partei. Die Todesstrafe galt bis 1987 im Osten unseres Landes. Noch 1981 wurde die Todesstrafe staatlich verhängt. Über die Zahl der Maueropfer wird viel diskutiert, aber es gab sie. Ich möchte stellvertretend auch heute hier Chris Gueffroy nennen. Geboren am 21. Juni 1968 und verstorben in der Nacht vom 05. auf den 06. Juni 1989. Chris Gueffroy war 20 Jahre alt und wurde von Grenzsoldaten der DDR in Ost-Berlin erschossen, beim Versuch die DDR zu verlassen. Am nächsten Morgen wurde die Mutter einbestellt. Nach langem Verhör teilte man ihr mit - ich zitiere ‑: „Ihr Sohn hat ein Attentat auf eine militärische Einrichtung begangen, Ihr Sohn ist vor wenigen Stunden verstorben.“
Meine Damen und Herren, es sind Geschichten wie diese, die wir aufrechterhalten müssen, die wir in den Lehrplänen an unseren Schulen behandeln müssen. Vieles, was wir heute hören, nämlich Hass und dass viele nicht mehr wissen, was wir an unserer Demokratie haben, hat nämlich damit zu tun, dass vieles vergessen wird, was damals passiert ist. Wir fordern deshalb die Regierung auf, die Erinnerungskultur zu stärken! Das betrifft auch die Zeit der DDR. Wir appellieren auch an die Kommunen, an die zivilen Einrichtungen, diese Erinnerungskultur zu stärken, denn vielleicht ist das Eis der Demokratie, auf dem wir stehen, dünner als wir denken.
Auf dem Weg zur friedlichen Revolution haben viele mitgeholfen. Es waren viele richtige Entscheidun
gen, die in diesen vielen Jahrzehnten dazu geführt haben, die deutsche und die europäische Einheit zu ermöglichen. Allen voran möchte ich Robert Schuman und seinen Schuman-Plan nennen. Er kreierte die Vision eines vereinten Europas. Es war die richtige Entscheidung der damaligen Regierung unter Konrad Adenauer, sich für die Westbindung und für die Montanunion und die EGKS zu entscheiden, damals auch gegen Widerstände beispielsweise der SPD. Aber es war eben nicht richtig, was Herbert Wehner seinerzeit gesagt hat, „die Montanunion erschwert den Weg zur Wiedervereinigung.“ - Im Rückblick wissen wir, die Montanunion und Europa haben erst den Weg zur Wiedervereinigung Europas und Deutschlands ermöglicht.
Es war die Westbindung, die wirtschaftliche, politische und militärische Integration in den Westen, aber es war eben auch die unter der Regierung von Kurt Georg Kiesinger begonnene neue Ostpolitik im Hinblick auf die DDR. Es waren Menschengruppen und Institutionen, die sich in Zeiten, in denen viele die Wiedervereinigung für Utopie, Hirngespinste oder gar imperialistisches Denken hielten, am Streben nach der deutschen Einheit festhielten. Als Beispiel möchte ich die ZESt nennen - das ist sicherlich noch bekannt -, die Zentrale Beweismittel- und Dokumentationsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter. Die Einstellung der Zahlungen des Saarlandes an diese Institution hatte nichts bis gar nichts mit Haushaltskonsolidierung zu tun, sondern damit, ein Zeichen zu setzen, dass DDR-Unrecht nicht mehr behandelt werden sollte. Das ist sicherlich kein Ruhmesblatt unserer saarländischen Geschichte.
Auf dem Weg haben viele mitgeholfen. Ich nenne den NATO-Doppelbeschluss, der von Helmut Schmidt initiiert und schließlich von Helmut Kohl durchgesetzt wurde. Dieser führte dazu, dass der Warschauer Pakt die staatlichen und wirtschaftlichen Grenzen seiner Leistungsfähigkeit erreichte und eben nicht mehr mithalten konnte. Vor allem sind aber die USA und die NATO zu nennen. Das westliche Verteidigungsbündnis und unsere Freunde in den Vereinigten Staaten sind es gewesen, die dazu beigetragen haben, Frieden und Freiheit in Europa zu erhalten. Allzu oft, scheint es mir, vergisst man dies in aktuellen Debatten der Außenpolitik.
Aber auch die Wahl Karol Jozef Wojtylas zum Papst Johannes Paul II. 1978 hat dazu beigetragen, ein Stück weit die Mauer durchlässiger zu machen und schließlich den Osten Europas zu befreien. Der Arbeiterführer der Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa, sagte: „Die Existenz von Solidarnosc und
von mir, Walesa, wäre ohne diesen großartigen Polen nicht vorstellbar.“ Gemeint ist Karol Wojtyla. Dass es ausgerechnet die Arbeiterbewegung aus Danzig war, wo im Zweiten Weltkrieg der erste Schuss fiel, ist vielleicht eine historische Fügung. Zu nennen sind auch Michail Gorbatschow und natürlich die Rolle der Kirche in der DDR ebenso wie Helmut Kohl, der dazu beigetragen hat, dass heute vielfach der Fall der Mauer mit der Deutschen Einheit synonym verwendet wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind Staatsmänner, aber vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die dafür gesorgt haben, dass nach 40 Jahren die Deutsche Einheit vollendet werden konnte.
Ich persönlich denke an meinen Onkel Georg. Er ist geboren und aufgewachsen in Roden. Er hat am Ende des Zweiten Weltkrieges in Thüringen eine Freundin gefunden und ist dortgeblieben. Thüringen war damals mitten in Deutschland. Für ihn hat es später bedeutet, dass er dort eingesperrt war. Er ist damals in Pößneck geblieben. Das ist die Stadt, von der aus später eine spektakuläre Flucht mit dem Heißluftballon gelang. Seine Tage in der Heimat hat er sich so erkauft, dass er an Wahltagen bis um 17.30 Uhr zu Hause blieb. Dann klingelten nette Herren an der Tür, die ihn fragten, warum er noch nicht von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hätte. Dann konnte er heraushandeln, wieder einige Tage heim ins Saarland zu können. Mein Onkel wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Er konnte das Glück des wiedervereinten Deutschlands bis zu seinem Tod nie fassen. Das erste Mal frei wählen durfte er am 18. März 1990, nachdem 60 Jahre lang keine freien Wahlen in diesem Teil Deutschlands stattfanden.
Vielleicht schloss sich am 09. November 1989 auch ein langer Kreis. Am 09. November 1799 endete mit dem Staatsstreich Napoleons die Französische Revolution. Was blieb, waren die Gedanken der Aufklärung, der Menschenrechte, der Freiheit und der Demokratie. Der Fall der Berliner Mauer öffnete uns die Chance eines vereinten Europas. Heute, 30 Jahre nach der gelungenen friedlichen Revolution, stehen wir alle in der Pflicht und in der Verantwortung, unsere Freiheit, unseren Rechtsstaat, unsere Demokratie zu verteidigen und zu schützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine Aufgabe, die Politik alleine leisten kann, es ist eine Aufgabe aller Bürger, denn der Staat, das sind wir alle.
Der Rückblick auf 30 Jahre friedliche Revolution ist aber auch der Zeitpunkt, ein Resümee der wirtschaftlichen Entwicklung zu ziehen. Ich meine schon, man kann mit Fug und Recht davon sprechen, dass blühende Landschaften dort weitestge
hend entstanden sind. Der Preis dafür war nicht niedrig. Erstens finanziell, denn man kalkuliert, dass der Aufbau Ost insgesamt circa 2 Billionen Euro gekostet hat. Das ist eine beachtliche Leistung. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass der Preis für viele andere höher war. Die Ostdeutschen wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vertrieben. Die Deutschen in Mittel- und Ostdeutschland mussten viele Jahrzehnte Diktatur und Unrecht ertragen. Insofern, glaube ich, ist das eine Leistung, auf die wir alle stolz sein können, dass der Aufbau Ost gelungen ist.
Aber es betrifft eben auch den persönlichen und den gesellschaftlichen Bereich. Man kann trefflich darüber streiten, ob die Entwicklung der Treuhand oder auch die Währungs-, Wirtschafts-, und Sozialunion sinnvoll war, aber eines muss man klar sagen: Es gab zu dieser beispiellosen Aufbauleistung keine Alternativen. Die Produktivität in Mittel- und Ostdeutschland lag nämlich weit unter der in der Bundesrepublik. Die Kapitalstöcke der Unternehmen waren heruntergewirtschaftet, es gab Fehlallokationen aufgrund der jahrzehntelangen Misswirtschaft der SED. Insofern, hier die Schuld darin zu sehen, dass viel während der Einheit gemacht wurde, ist sicherlich falsch. Das Misslingen an manchen Stellen und die hohe Arbeitslosigkeit haben damit zu tun, dass über 40 Jahre lang Misswirtschaft getrieben und einfach über die Verhältnisse gelebt wurde.
Was aber auch bleibt - und das ist der Schluss zu uns im Saarland -, ist die Einsicht, dass es im Prozess einer ungeordneten Deindustrialisierung zu massiven Folgen kommt. Wir sehen das in den Vereinigten Staaten, dort, wo früher der sogenannte Industriegürtel in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania gewesen ist, die sogenannte blaue Wand. In diesen Gegenden erreichten die Demokraten die besten Ergebnisse. Heute ist es die Hochburg von Trump und den Populisten. Gerade diese Gegend hat dazu beigetragen, dass Trump ins Amt kam. Dort, wo Lebenspläne und Lebensläufe abrupt enden und beendet werden, gewinnen die Populisten von links wie von rechts.
Daraus müssen wir lernen. Deswegen gilt auch, dass der Transformationsprozess, vor dem wir stehen, die enormen Herausforderungen für unsere Industrie sowohl im Autobereich als auch im Stahlund Roheisenbereich keine Aufgabe sind, die die Unternehmen alleine bewältigen können. Der Umbau der deutschen Roheisen- und Stahlproduktion zu einer CO2-ärmeren oder gar CO2-neutralen Produktion kann alleine aus Mitteln der Unternehmen
nicht getätigt werden. Es braucht hier Investitionssummen, die das übersteigen. Herr Hartmann von Saarstahl und Dillinger Hütte spricht von einer Größenordnung alleine für das Saarland von 2 bis 3 Milliarden Euro, für die gesamte deutsche Stahlindustrie von 30 Milliarden Euro.
Hier bedarf es der Unterstützung des Bundes, nicht weil wir in alte Muster der Achtziger- und Neunzigerjahre verfielen, in denen wir einfach gefordert haben, der Bund muss helfen, und wir tun nichts. Nein, es geht hier um zentrale Fragen. Es geht erstens darum, wie wir Schlüsselindustrien und Schlüsseltechnologien in Deutschland und Europa wettbewerblich im Vergleich zu staatlich gelenkten beziehungsweise staatlich massiv beeinflussten Volkswirtschaften behandeln, und zweitens darum, dass wir die uns selbst gesteckten Ziele im Bereich des Klimaschutzes erreichen, ohne dass es zu einem abrupten Ende der Industrie und Wirtschaft kommt. Deswegen ist es eine Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der wir als regionales Parlament sicherlich überfordert sind. Deswegen braucht es hier Antworten aus Brüssel und Berlin.
Das Nächste ist, es geht um gleichwertige Lebensverhältnisse, ein Begriff aus dem Grundgesetz. Peter Altmaier hat nicht nur den Begriff der Industriepolitik wieder in die öffentliche Debatte gebracht, er hat auch im Wahlprogramm der CDU dafür gesorgt, dass die gleichwertigen Lebensverhältnisse Teil des CDU-Wahlprogramms wurden und dass schließlich nach Aufnahme der Koalition von CDU/CSU und SPD auch die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt worden ist.
Als wir vor einigen Wochen als CDU-Landtagsfraktion auf Klausur in Berlin gewesen sind, haben wir auch gesehen, dass das, was wir als Saarland geleistet haben, als eigene Arbeit sehr wohl anerkannt wird. Die Bund-Länder-Finanzen, die Rückführung des strukturellen Defizits, auch die kommunale Teilentschuldung, die wir in der letzten Sitzung hier beschlossen haben, zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber jetzt sind wir an dem Punkt, wo wir auch Unterstützung aus dem Bund brauchen. Es braucht eine weitere kommunale Teilentschuldung mithilfe des Bundes. Allein das führt dazu, dass unsere Kommunen weiterhin überlebensfähig sind.
Dazu zählt der Bereich der Mobilität. Wir brauchen weiterhin eine gute Anbindung an den Fernverkehr. Hier muss vieles besser werden. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen erstens eine gesamtdeutsche Lösung für die kommunalen Altschulden und zweitens gezielte
Struktur- und Regionalpolitik für strukturschwache Regionen. Es braucht die weitere Ansiedlung von entsprechenden Institutionen und Behörden und wir brauchen einen gemeinsamen Kraftakt in Berlin und Brüssel für eine aktive Industriepolitik und einen geordneten Transformationsprozess für unsere deutsche und saarländische Industrie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach 30 Jahren beziehungsweise einer Generation sei gesagt, die deutsche und europäische Einheit ist heute Realität. Wir leben in Frieden und Freiheit und müssen alles dafür tun, dass dies so bleibt. Aber einer Änderung bedarf es, nämlich die Struktur- und Regionalpolitik nach Himmelsrichtungen muss ein Ende haben. Es geht darum, dass den Regionen geholfen wird, die Hilfe notwendig haben. Dazu zählt das Saarland. Deswegen bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Antrag. - Vielen Dank.
Ich bin fassungslos, Herr Müller, was Sie hier wieder abgeliefert haben. Sie provozieren -
Sie provozieren und nehmen unseren Antrag zum Anlass - wir feiern 30 Jahre friedliche Revolution -, um sich praktisch als Widerstandskämpfer gegen die Regierung Merkel gleichzusetzen. Die Regierung Merkel ist frei gewählt in freien Wahlen, 70 Prozent Wahlbeteiligung. Wir leben in einem freien Land, es ist nämlich mit freien Wahlen entstanden, und das
gleichzusetzen mit denen, die unter Einsatz ihres Lebens 1989 und in den Jahren davor auf die Straße gegangen sind, ist eine Blamage, ist eine Schande für dieses Parlament!
Ich möchte gleichwohl dafür werben, dass wir hier als Parlament diesem Antrag geschlossen zustimmen. Herr Flackus, ich habe Sie nicht ganz verstanden. Sie sagten zu Beginn Ihrer Ausführungen, es fällt Ihnen schwer, zuzustimmen. In den zehn oder zwölf Minuten Ihrer Rede haben Sie eigentlich alles bestätigt, was hier drinsteht,
insofern werbe ich dafür, hier über den eigenen Schatten zu springen und dem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Ausführungen einige Zahlen als Faktengrundlage voranstellen. Die Bedeutung der Stahlindustrie ist jedermann hier im Hause bekannt. Trotzdem möchte ich sie mit einigen Zahlen unterlegen. Wir reden über einen Umsatz bei uns im Saarland in Höhe von 4,6 Milliarden Euro per annum, wir sprechen von 13.000 direkt Beschäftigten und mindestens 22.000 indirekt Beschäftigten. Die Stahlindustrie ist großer Auftraggeber für unsere Region. Es geht um 700 Millionen Euro, die jedes Jahr durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen in die Saarwirtschaft fließen. Insgesamt beträgt das Einkaufsvolumen pro Jahr 2,9 Milliarden Euro. Der Anteil am Gesamtumsatz der Industrie beträgt über 20 Prozent. Die saarländische Stahlbranche ist größter privater Ausbilder und Schlüsselindustrie unseres Landes. Wir reden von einer Bruttowertschöpfung in Höhe von 8,5 Milliarden Euro. Das sind drei Viertel des gesamten produzierenden Gewerbes. Es betrifft 98.000 Beschäftigte insgesamt in dieser Branche.
Die Tragweite der Stahlindustrie geht weit über den eigentlichen Bereich des Stahls und die Produktion von Stahl hinaus. Es betrifft viele weitere Wirtschaftszweige, die für uns im Saarland, aber auch für die gesamte Bundesrepublik von grundlegender Bedeutung sind. Ich möchte mich auf drei Branchen beschränken. Zuvörderst möchte ich den Umsatz in der Automobilindustrie nennen. Wir reden hier von 425 Milliarden Euro pro Jahr und von 841.000 Beschäftigten. Das sind mehr als in den Städten Frank
furt am Main und Frankfurt an der Oder zusammen wohnen. Die Vorleistungsquote des Stahls beträgt 12 Prozent. Ähnlich ist es im Bauhauptgewerbe mit 109 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr und 817.000 Arbeitsplätzen. Dort beträgt die Vorleistungsquote des Stahls 10 Prozent. Der deutsche Maschinenbau, der auch bei uns im Saarland wichtig ist, beschäftigt über 1 Million Männer und Frauen und hat eine Vorleistungsquote des Stahls von 20 Prozent. Das macht deutlich, dass wir nicht nur über den Stahlbereich reden, sondern über eine Grundstoffindustrie, die weit hinaus strahlt in andere, insbesondere für uns im Saarland wichtige Bereiche.
Trotzdem ist der Stahl mehr als die reine Produktion. Er ist für uns auch ein Stück Identität. Er ist für uns im Saarland Teil unserer Kultur. Wir werden im nächsten Jahr, wie eben schon angesprochen wurde, 100 Jahre Saarland feiern. Die Begründung, dass wir ein eigenständiges Gebilde wurden und heute eigenständiges Bundesland sind, hat mit unserer Montangeschichte zu tun. Sie hat mit Kohle und Stahl zu tun und auch damit, dass die Schwerindustrie bei uns eine hohe Bedeutung hat. In diesen 100 Jahren haben wir eigentlich dauerhaft in einem Strukturwandel gesteckt. Die 100 Jahre waren geprägt davon, dass sich Männer und Frauen immer wieder neu einstellen mussten. Der abstrakte Begriff des Strukturwandels hat bei uns Spuren hinterlassen. Spuren in der Landschaft, was wir an den Fördertürmen sehen, die teilweise noch stehen. Und auch an den Kohlehalden, die es noch gibt. Der Strukturwandel hat aber auch Spuren hinterlassen in den Biografien und Erinnerungen der Menschen. Wenn wir in diesen Tagen Diskussionen darüber führen und hören, was bei Ford an Stellenabbau passiert ist, wenn wir die Meldungen aus dem Automotive-Zulieferbereich hören, wenn wir hören, was bei Saarstahl und bei der Dillinger Hütte geplant ist, dann kommen die Erinnerungen, was vor 30 oder 40 Jahren passiert ist, wieder hoch. Damals hatten wir Massenarbeitslosigkeit und gebrochene Biografien. Diese Erinnerungen spielen bei uns eine Rolle. Sie sind Teil unserer Identität geworden. Wir haben aber auch bewiesen, dass wir Strukturwandel können und den Strukturwandel beherrschen.
Teil dieser Kultur ist auch die Unternehmenskultur. Eines der ersten Gesetze, das die CDU 1951 verabschiedet hat, war die Vollparität, die Montanmitbestimmung. Es ist die am weitesten gehende Form der Mitbestimmung, die damals unter Konrad Adenauer eingeführt worden ist. Sie ist Teil unserer Mitbestimmung bei Saarstahl und der Dillinger Hütte. Die Art und Weise, wie man hier den Stellenabbau
verkündet hat, ist ein Stück weit ein Bruch mit dieser gewachsenen Struktur.