Karl-Friedrich Zais
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Jahren 2005/2006 gab es massive Gegenwehr gegen eine Dienstleistungsrichtlinie, die auf dem Höhepunkt neoliberaler Politik – Ausdruck dafür war der Lissabon-Vertrag – ein Gesetz hervorbrachte, das richtigerweise als Generalangriff auf Tarifautonomie und Arbeitnehmerrechte verstanden wurde. Eine Kompromissformel zu Artikel 16 setzte das Herkunftslandprinzip aus. Das Gesetz wurde angeblich entschärft.
Das wirkliche Ergebnis haben wir heute auf dem Tisch des Sächsischen Landtages. Vage und undeutliche Bestimmungen – dazu hat Herr Rasch das Problem der Bauordnung angesprochen; ich komme auch noch einmal dazu – werden letztlich oftmals dem Europäischen Gerichtshof zum Entscheid überlassen, das heißt, welche Gesetze der Mitgliedsstaaten – darunter allein 16 Länder in Deutschland – nach seiner Interpretation noch zulässig sind und welche nicht. Ergo ist das eine Politik, die nicht agiert. Es ist eine Politik, die gewähren lässt. Sie setzt Beruhigungspillen, wie die von Herrn Rasch, und lässt letztlich die dritte Gewalt entscheiden, was aus einer Dienstleistungsrichtlinie zur Schaffung eines Europäischen Binnenmarktes notwendig ist.
Sie, Herr Jurk, sind mehr in den Fängen liberaler Politik, als es Ihnen lieb ist. Das Schlimme daran: Sie wehren sich nicht. Sie hätten einen Pflock einsetzen und viele gute Ansätze, wie diese Bauordnung in Sachsen, auch hier festschreiben können.
Ein Beispiel dafür ist die Forderung der Bauingenieure, dass die Tätigkeit der Prüfingenieure analog der der Notare und Gerichtsvollzieher – da hat Sachsen aufgepasst – vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen wird. Herr Jurk, das hätten wir heute leicht auch für die Sächsische Bauordnung machen können. Sie stimmen entgegen der Durchführungsverordnung in der Sächsischen Bauordnung und Verwaltungsvorschrift heute der DLR zu.
Die Zulassung der Prüfingenieure in Sachsen ist in Europa einzigartig. Das wird von Ihnen, Herr Jurk, auf dem europäischen Markt verscherbelt. So steht in Wirklichkeit in jedem Gesetz ein Paragraf, welcher faule Kompromisse enthält und der formal umgesetzt wird. Wie ich meine überlässt man es dem EuGH. Das Ergebnis ist: Das Herkunftslandprinzip wird sukzessive wieder zurückgeholt.
Dafür führe ich drei Beispiele an. Der EuGH hat Folgendes entschieden: Es ging einmal um ein finnisches Unternehmen, das eine estnische Besatzung einsetzen wollte. Die Estländer bestreikten dieses Schiff – eine Fähre. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 11. Dezember 2007 festgestellt, dass der von den finnischen Gewerkschaftern beabsichtigte Streik unverhältnismäßig sei, dadurch die Niederlassungsfreiheit von Viking Line beschränkt und gegen EU-Recht verstößt. Es wurde also eine Besatzung mit niedrigeren Löhnen zum Einsatz gebracht.
Zweites Beispiel dafür lautet: Laval/Vaxholm. Es handelte sich um eine lettische Gesellschaft, die Arbeitnehmerinnen aus Lettland nach Schweden entsandte. Ein Tarifvertrag mit der lettischen Bauarbeitergewerkschaft kam nicht zustande, worauf die schwedische Gewerkschaft sämtliche Baustellen in Schweden blockierte – solange kein Tarifvertrag abgeschlossen wurde. Durch das EuGHUrteil vom 18. Dezember 2007 wurde dieser Kampf nicht anerkannt. Das Mindestmaß an Schutz für entsandte Arbeitnehmerinnen sei von der Entsenderichtlinie festgelegt und jeder Versuch, durch Kollektivmaßnahmen ein Unternehmen zum Abschluss eines Tarifvertrages zu zwingen, der über den Mindestanteil der Entsenderichtlinie hinausgeht, stelle eine Einschränkung der Dienstleistungsrichtlinienfreiheit dar.
Der dritte Fall, der allen hier bekannt ist, ist der Fall Rüffert. Es wurde gegen die Tariftreueregelung des Niedersächsischen Vergabegesetzes geurteilt. Das Ergebnis ist: Auch Sie, Herr Jurk, haben immer versprochen, in Sachsen die öffentliche Vergabe von Aufträgen nach dem Vergabegesetz in unserem Land zu ändern. Es konnte nach diesem Urteil nicht mehr geändert werden. Sie waren wieder in der Falle eines faulen Kompromisses aus Brüssel.
Ich resümiere: Sie sind selbst Opfer sozialdemokratischer Kompromissformeln in Brüssel geworden. Ein Vergabegesetz aus Ihrer Hand gibt es nicht.
Zum Schluss, meine Damen und Herren: Die Artikel 14 und 15 in der Richtlinie sowie die Umsetzung in Sachsen sind massive Deregulierungsposten und kein akzeptabler Kompromiss. Die Dienstleistungsrichtlinie ist nach wie vor ein neoliberales Brachialprojekt. Gegen dieses werden wir unverändert Widerstand mobilisieren, solange in Bezug auf Arbeitszeit, Gleichbehandlung von Frau und Mann in den Arbeitsbedingungen einschließlich der Berufsanerkennung, die in der Entsenderichtlinie geregelt ist, nichts geschieht. Nicht zu vergessen ist ein Mindestlohn, von dem man leben kann: 8 Euro und ganz schnell 10 Euro.
Wir üben ergo Kritik an der Gesetzgebung – gerade in der jetzigen Krisenzeit. Eine Wirtschaftspolitik, die im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit einen Wettlauf um niedrigste Standards und Rechte forciert, führt zu Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung und dem Abbau sozialökologischer Standards. Er führt zum Abbau von Verbraucherschutzrechten. So wird die europäische Binnenmarktkrise nicht gelöst, sondern verschärft: Harmonisierung statt Liberalisierung. Das ist unser Ziel: Schutz öffentlicher Daseinsfürsorge statt Privatisierung.
Dem vorliegenden Gesetzentwurf können wir deshalb nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde einmal die letzten beiden Redner ins Visier nehmen, weil wir ja in ideologische Diskussionen kommen. Herr Zastrow, es hätte gereicht, Sie hätten über die kleinen und mittelständischen Unternehmen gesprochen, die allein an Qimonda hängen, dann wären wir beim Thema geblieben.
Und Sie hätten sagen müssen, dass Sie aus ideologischen Gründen nicht mehr dafür sind, dass Sie einen Auftrag von Qimonda erhalten – das wäre die Kurzfassung von allem.
Ich will Ihnen nur eines sagen, wenn Sie gegen Verstaatlichung sind: Sie haben zehn Jahre die Wirtschaft immer ins Private getrieben, und jetzt haben wir die Krise! Und ich hoffe, Sie werden nicht Manager in diesem Land – Sie können diese Krise nie bewältigen! Es ist eine absolute Wahrheit: Nur der Staat kann diese Krise einigermaßen besänftigen.
Welches Unternehmen kann sich denn – zum Beispiel GM, Opel – nach Ihrer Meinung in dieser Krise retten? Sie wissen überhaupt nicht, wovon Sie reden! Das ist eine von jedem Wissenschaftsinstitut oder auch von jedem Wirtschaftsinstitut klare Weisheit: Jetzt kann nur der Staat helfen, um die Krise einzudämmen.
Bitte.
– Mit Sicherheit nicht!
Darin gebe ich Ihnen nicht recht, weil das auch wieder ein herausgebrochenes Element ist.
Hören Sie mal zu! Rede ich, oder reden Sie?!
Ich war in einem solchen Leuchtturm, und dem kann ich nicht nachsagen, dass er nicht Produkte hatte, die auf dem Weltmarkt verkauft wurden. So einfach kann ich Ihnen das hier nicht machen.
Herr Zastrow, als Nächstes Ihrer Weisheiten: Keine Steuergelder in die Chipindustrie stecken. Verstehen Sie doch: Es ist ein globaler Subventionswettbewerb. Wenn Samsung 12 Milliarden von Südkorea bekommt – Südkorea ist kein sozialistisches Land; nicht, dass Sie da geografisch irgendwelchen Irrtümern unterliegen –, dann können Sie mir einmal erklären, wie Sie hier Qimonda mit der besten Technologie retten wollen, wenn Sie solches Zeug erklären.
Es tut mir leid, Herr Zastrow, ich hoffe nicht, dass die Wähler auf diese FDP hereinfallen, ich muss aber damit rechnen.
Herr Flath, an Sie noch die Bitte: Es ist ja in Ordnung, wenn Sie hier vorn sagen, Sie stehen zur sozialen Marktwirtschaft. Dann stellt sich aber für mich die einfache Frage: Cui bono? Die soziale Marktwirtschaft muss doch auch jemandem dienen! Sie haben weiter – richtig – ausgeführt: natürlich auch denen, die hier arbeiten, weil nicht Banker das Volk sind.
Deshalb bleiben Sie eine Antwort schuldig: Wie wollen Sie denn den Arbeitenden von Qimonda und auch den Zulieferern, den Clustern – Frau Hermenau sprach von 20 000 Arbeitsplätzen – nun eine Antwort geben? Wir können doch nicht immer abwägen. Sie sprechen von „abwägen“. Sie haben nie abgewogen, Herr Flath. Deshalb ist auch Ihr Argument nicht richtig stichhaltig. Bei Wackerbarth, beim Leipziger Flugplatz – überall dort ist die Beteiligung dieses Freistaates schon vorhanden. Sie haben von der Linken nie den Vorwurf gehört, sie seien auf dem Weg zum VEB. Hören Sie also auf, solche kindischen Bemerkungen zu machen! Herr Flath, Sie lehnen eine staatliche Beteiligung bei Qimonda ab und kommen hierher und sagen – das ist wie eine HassFantasie –, wir würden Sie auffordern, den Freistaat zu zerstören!
Manchmal wundere ich mich, woher Sie mit Ihren Worten diese Gedanken hernehmen. Herr Flath, es bleiben zwei unverrückbare Wahrheiten, und diese müssen hier in diesem Saal heute entschieden werden: Die Rettung von Qimonda ist nur mit staatlicher Beteiligung durchsetzbar! Das hat Ihnen schwarz auf weiß auch Herr Jaffé geschrieben.
Nun frage ich mich, Herr Tillich: Was ist denn von der Staatsregierung bisher als Antwort auf dieses Angebot gekommen? Herr Jurk und Herr Tillich sagen: Herr Jaffé ist jetzt Chef im Hause und muss entscheiden. Dann müssen wir aktiv werden. – Herr Jaffé ist Insolvenzverwalter. Bei der Insolvenz ist er Herr des Verfahrens. Er ist aber nicht bei der Rettung der Verantwortliche. Deshalb hat er Ihnen einen Brief geschrieben und Sie, die Politik, aufgefordert, endlich zu handeln. Er hat ein Angebot unterbreitet. Wenn es nicht klappt, wird am 1. April der Strom abgeschaltet und der Betrieb eingestellt.
Herr Jurk, wie kommen Sie angesichts dessen dazu, zu sagen: „Dann versuchen wir einen neuen Start mit der Transfergesellschaft. Wir brauchen Zeit, um neu zu verhandeln.“? Was kann denn dem Freistaat Sachsen Besseres passieren als die Beteiligung eines chinesischen Partners – egal, ob das ein Staatsunternehmen ist –, wenn die Produktion mit diesem Partner gleichzeitig den Absatzmarkt sichert! Wer hat denn diese Sicherheit auf der Welt? Wo ist denn da Ihre ökonomische Kenntnis? Wenn ich einen Investor habe, der gleichzeitig zusagt, die Produktion abzunehmen – wo steckt denn jetzt noch das ökonomische, das wirtschaftspolitische Risiko?
Die Antwort müssen Sie mir geben!
Die Debatte ist durch Herrn Flath und Herrn Zastrow ein bisschen lahm geworden; da war die Demo richtig anstrengend und erfrischend. Stattdessen starten Sie – alle beide, Herr Tillich und Herr Jurk – ein Verwirrspiel und schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.
Ich will das Szenario kurz skizzieren. Herr Ministerpräsident, Sie haben heute früh draußen vor den Demonstranten gesagt, Herr Jaffé sei jetzt einziger Retter. Er müsse jetzt ein Konzept auf die Beine stellen, und wir müssten Zeit gewinnen.
Die Arbeiter draußen haben Ihnen, Herr Tillich, aber einen Brief geschrieben, aus dem ich zitieren möchte: Ein Investorenkonzept ist in greifbarer Nähe. Allerdings setzt dies ein initiales Engagement von Portugal und des Freistaates Sachsen voraus. – Sie wissen: Portugal hat seine Bereitschaft hierzu durch den Staatspräsidenten, den Ministerpräsidenten und den Wirtschaftsminister – wir können Herrn Barroso dazuzählen; Sie haben davon berichtet; er ist auch Portugiese – seit Monaten mehrfach erklärt. Können Sie das von sich behaupten, Herr Tillich? Haben Sie Ihre Entschlossenheit schon irgendwo einmal dokumentiert?
Deshalb fordern wir von Ihnen, heute in dieser Sitzung Ihre eindeutige, unverrückbare Bereitschaft zum Engagement zu erklären und endlich den Kreislauf zu durchbrechen, der darin besteht – und das ist Ihre, wie ich sage, Lüge –, dass die Politik auf eine Investorenlösung wartet,
während Sie keine klare politische Entscheidung treffen. Genau das ist die Schwäche dieser Staatsregierung.
Zweites Szenario! Herr Tillich, Sie sagen, man müsse Schaden von Sachsen abwenden. Deshalb würden Sie keiner Lösung im Wege stehen. Sie sind nicht die Lösung, weil Sie nichts tun, Herr Tillich. Deshalb stehen Sie einer Lösung im Wege. So herum muss ich es eigentlich formulieren.
Sie dürfen nicht auf eine Lösung durch irgendjemanden warten. Sie sind der Schlüssel zur Lösung und sollten sie vorantreiben. Welche andere Antwort kann es wohl geben?
Herr Patt, hören Sie zu! Das sind alles Ihre Vorsitzer.
Drittes Szenario! Herr Jurk hat heute auf der Demo zu den Werktätigen gesagt, eine Beteiligung des Freistaates von 30 % sei keine Rettung. Wie viel denn dann? Diese Antwort sind Sie, auch im Plenarsaal, schuldig geblieben. Können es 50 % sein? In Ihrer Rede sprachen Sie von 25,1 %. Kann es weniger sein? Es ist so, wie schon einmal heute hier gesagt: Dann muss man mit dem vermeintlichen Investor – es gibt nur einen, und es wird auch bei nur einem bleiben, weil seine Interessen klar sind – mal ein Gespräch führen. Das hätte man seit 14 Tagen tun können. Nichts ist geschehen.
Man hat uns hier heute erklärt – auch Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Dulig, der von einer Transfergesellschaft sprach –: Wir werden kämpfen bis zum Schluss!
Wollen wir doch ehrlich sein, was eine Transfergesellschaft ist. Wir hatten früher, zu Treuhandzeiten, Megatransfergesellschaften; die hießen „ABS“. Das alles wissen Sie von der CDU. Wer von diesen ehemaligen ABS-Mitarbeitern ist denn je wieder in Arbeit gekommen? Woraus, denken Sie denn, bestehen unsere Langzeitarbeitslosen? Was hat man denn hier wieder für einen Vorschlag gemacht?! Man hat angeblich eine neue Idee und einen neuen Namen. Dabei ist es eine alte Karte, eine ganz alte Karte.
Herr Zastrow, ich bin schon angekommen. Ich bin sogar sehr angekommen, aber nicht in Ihrer Traumwelt!
Es ist so: Der Insolvenzverwalter wird nach Recht und Gesetz handeln müssen. Dann wird er die Investoren nicht abweisen können, weil er den Gläubigern gegenüber auch die Gelder auftreiben muss, die er auszuzahlen hat. Es werden Investoren kommen und die Technologie kaufen.
Er hat es in dem Brief angegeben: Die Technologien werden nach Asien wandern.
Sie haben heute die Chance, Qimonda mit dieser Technologie zu retten, statt zuzusehen, wie diese Technologie nach Asien verkauft wird. Es gibt keinen anderen Weg, Herr Flath, als über eine staatliche Beteiligung. Dieses Signal erwarten wir von Ihnen!
Persönlich an Sie, Herr Brangs: Mit welcher Botschaft wird der Insolvenzverwalter nächste Woche nach China fahren? Er hat einen Brief an die Staatsregierung geschrieben. Was würden Sie denn sagen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Verunsichert“ und „wild entschlossen“ scheint das Zitat der CDU in den letzten Tagen und heute wieder zu sein, wie bei Herrn Lehmann festzustellen ist.
Ihre ideologischen Ausfälligkeiten, Herr Lehmann, weise ich natürlich zurück. Ich muss Ihnen auch ehrlich sagen, die Ernsthaftigkeit des Themas – davon bin ich ausgegangen – durch Ihre Koalition erlaubt eigentlich solche Spinnereien und Blödeleien, wie Sie sie hier am Mikrofon vorgebracht haben, nicht.
So richtig die Regelung Ihrer Verlängerung der Kurzarbeit auf 18 Monate ist, so wenig kann man sie als Ruhekissen, oder gar als Maßnahme zur Beherrschung der Krise nehmen. Schon gar nicht werden wir dieser Koalition Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik als Feigenblatt gestatten. Deshalb vielleicht ideologisch eine Erinnerung an Sie:
Sie haben seit Schröders Amtsantritt alles getan, um Arbeitslosen das Leben schwerer zu machen. Sie haben die Langzeitarbeitslosen als faul verunglimpft und als Menschen zweiter Klasse in dieser Gesellschaft abgestuft. Hartz IV ist dennoch gescheitert, weil Sie keine regulären Jobs für diejenigen finden, die Sie in diese Kategorie „Hartz IV“ gedrückt haben. Sie haben seit Schröders Amtsantritt die Arbeitslosigkeitszeit verkürzt. Sie haben die Lebensgrundlagen eines Langzeitarbeitslosen auf 345 Euro festgelegt, und was er dazuverdient, wird ihm bar wieder abgezogen. Sie haben ein Geschäft daraus gemacht. Sie bestimmen die Wohnverhältnisse dieser Menschen. Sie haben die Qualifizierung gestrichen, die Sie jetzt wieder groß in den Mittelpunkt stellen. Sie haben ABM abgeschafft. Sie haben die Arbeit für einen Euro pro Stunde gesetzlich eingeführt. Sie haben die Zumutbarkeitsregelung verschärft, Bedarfsgemeinschaften gegründet und damit den individuellen Anspruch vieler Menschen beseitigt. Sie haben die Leiharbeit für Hunderttausende Menschen durchgesetzt. Diese waren die ersten, die im Dezember und Januar entlassen wurden. Auch eine Regelung für Kurzarbeiter in dieser Kategorie der Leiharbeiter kam erst im Februar – und damit zu spät. Über 60 % dieser Leiharbeiter sind schon entlassen.
Nun gibt es einen zu begrüßenden Sinneswandel, dachte ich, aber, Herr Lehmann, Sie haben mich wieder eines Besseren belehrt. Es ist, meine Damen und Herren, doch
nicht wirklich ein Sinneswandel, so wie das Herr Lehmann hier ausführte, bei Fehlern vergangener Politik zu korrigieren. Wir sehen gemeinsam die gestiegene Zahl der Kurzarbeiter mit gemischten Gefühlen. Darin glaube ich, sind wir uns alle hier im Haus einig. 17 000 Kurzarbeiter mehr im Monat Februar, insgesamt 34 000 in 1 200 Betrieben Sachsens, das sind Zahlen, die uns sagen, wie schwer die Krise ist – wo doch gestern so viele CDUAbgeordnete am Rednerpult sagten, die Krise habe uns ganz unverhofft erreicht.
Sie vergessen immer ganz schnell Ihre Landesbank.
Einerseits wird das Ausmaß der Krise sichtbar, andererseits gibt die Kurzarbeit den Unternehmen die Chance, flexibel auf die Auftragslage zu reagieren. Untersuchen wir einmal die Auftragslage. Sie ist rückläufig in enormen Zahlen von bis zu 50 %. Herr Lehmann, Ihre Besuche in den Firmen haben gezeigt, dass sich eine Firma ohne Aufträge nicht über lange Zeit mit Kurzarbeit retten kann. Sind wir uns darin einig? Das ist die Situation, von der die sächsische Wirtschaft erfasst ist.
Sicher ist, dass die Kurzarbeitsregelung eine Weile vor Arbeitslosigkeit schützen kann, aber nicht lange. Das hängt nicht von den Unternehmern und deren minimierten Lohnkosten bzw. nicht zu leistenden Sozialbeiträgen bei Qualifizierung ab, nein, ein Unternehmen ohne Aufträge kostet mit Kurzarbeit Unterhaltskosten. Eingeschränkte Produktion wird teuer, weil fast die gleichen Fixkosten anfallen. Viele Firmen sind in dieser Situation. Ich möchte nur zwei nennen, wo Herr Wirtschaftsminister unterwegs ist, Enka wird sofort geschlossen – keine Kurzarbeiterregelung. Infineon will Kurzarbeit für 9 000 Arbeiter einführen, und keiner von uns weiß, ob es Infineon nach dieser Regelung noch geben wird. Qimonda ist ein Beispiel, welches wir selbst in Dresden erleben.
Deshalb ist die Lösung nur in einer Stärkung der Binnenwirtschaft zu suchen. Dafür gibt es das Konjunkturpaket, weil es einem Land wie Deutschland und auch Sachsen, das einseitig auf Exporterfolge schielt, jetzt gelingen muss, die öffentliche Nachfrage zu erhöhen und mit staatlichen Investitionen für Aufträge zu sorgen. Die gestrige Veranstaltung hat mir eher gezeigt, dass das Konjunkturpaket II von einigen Ihrer Kollegen, Herr Lehmann, als Wahlprogramm angesehen wird, aber nicht, um wirkliche Änderungen in der Struktur der Auftragslage für diese Unternehmen zu erreichen.
Von einem Programm Bahn, dem Infrastrukturausbau, insbesondere mit energetischen Projekten, war gestern nicht die Rede. Das wurde mit Recht von den GRÜNEN angemahnt. Das Konjunkturpaket II scheint für die Mehrheit – –
– von Ihnen nur ein vorübergehendes Programm bis zur Wahl zu sein. Das
reicht nicht aus, weder für die Arbeitslosen noch für die Unternehmen.
Ich frage nach der Einrichtung der Landesservicestelle Schule-Wirtschaft.
Der Presse war zu entnehmen, dass sich die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern Sachsens kritisch und skeptisch zum installierten Modell für die Anlaufstelle zur besseren Kooperation von Schulen und Wirtschaft äußerten.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wurde dieses Modell mit den zuständigen Stellen für die Lehrerausbildung, Kammern bzw. im Kollegium für Berufsausbildung und Fachkräfte für Sachsen beraten?
2. Welche Schlussfolgerungen leitet die Staatsregierung aus dieser Kritik ab?
Herr Minister, haben Sie mir jetzt mitgeteilt, dass diese Befremdlichkeiten aus dem Weg geräumt sind? In der Presse war richtig formuliert, dass die IHK aus der Presse erfahren hat, dass es zur Landesservicestelle Schule-Wirtschaft eine neue Einrichtung gibt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brangs, lassen wir doch nach der Haushaltsdebatte und Ihren großen Worten wieder etwas Luft ab. 3 Milliarden Euro Investitionen. Sie wissen wie ich, dass wir in den Jahren 2007 und 2008 schon je 1 Milliarde Euro weniger Investitionen als früher hatten. Und wir gehen schweren Zeiten entgegen, wie das Prof. Bolick sagte. Es ist also keine Lobeshymne.
Eines, Herr Brangs, ist doch wohl wahr: Jedes Programm wird daran gemessen, ob es für die Kleinunternehmer und den Mittelstand in Sachsen einen Auftrag gibt. Es geht doch nicht darum, dass wir mit den Beschlüssen zum Haushalt Geld geben, sondern entscheidend ist, ob diese Mittel beim Mittelstand als Auftrag ankommen. Wenn wir Autobahnen und Staatsstraßen bauen, ist doch mitentscheidend, wer die entsprechenden Aufträge bekommt. Die sächsischen Unternehmen sind doch größtenteils Subunternehmen. Sie bekommen diese Aufträge doch nicht direkt. Darum geht es. Und da machen wir einmal eine Analyse.
Ja. Wer fängt denn an – Herr Bolick?
Für einen Mittelständler ist das schon interessant, glaube ich. Aber die Großunternehmen haben in Sachsen Subunternehmen, und über sie werden auch diese 10 Millionen Euro mitgenommen. Darin sind Sie doch sicherlich meiner Meinung. Sie werden diese nicht liegen lassen und irgendeiner kleinen Firma geben. Das ist auch eine Frage der Qualität, Herr Bolick. Sind Sie darin meiner Meinung?
Ja.
Das habe ich nicht gesagt!
Ich habe gesagt, die Sachsen erhalten solche Aufträge nur als Subunternehmen.
Welches Unternehmen meinen Sie?
Also, ich kenne in Chemnitz die Unternehmen Böcker und STRABAG. Mit STRABAG haben wir ja in Chemnitz große Probleme. Ich kenne Hentschke vom Schild auf der Autobahn, aber ich habe dieses Unternehmen in meiner Nähe noch nicht erlebt. Aber ich danke für die Information, dass es auch große sächsische Brückenbaufirmen gibt.
Wollen wir aber trotzdem die Debatte zurückführen und vielleicht einmal analysieren. Wenn wir davon ausgehen, dass es darum geht, dem Mittelstand gerade in der bevorstehenden Krise zu helfen, ihn mit Aufträgen zu versehen, dann lassen Sie uns doch einmal analysieren: Die Wirtschaftsentwicklung in Sachsen verlief in den zurückliegenden Jahren sehr unterschiedlich. Wir haben Branchen mit Wachstum. Ihnen stehen solche mit stagnierender oder sinkender Wirtschaftskraft gegenüber. Eine dynamische Entwicklung weisen vor allem diejenigen Sektoren auf, die für den Export arbeiten. Das gilt für die Bereiche Automotive, Mikroelektronik, Werkzeug- und Textilmaschinenbau, wobei eine große Abhängigkeit von wenigen Unternehmen in den jeweiligen Regionen festzustellen ist.
Dagegen – und darüber sollten wir uns doch hier unterhalten und streiten – sehen sich die meisten Wirtschaftsbereiche, die von der Binnennachfrage abhängig sind – das ist der übergroße Teil der sächsischen Wirtschaft –, in den letzten zwei Jahren, also in den Konjunkturjahren, mit stagnierendem oder sogar negativem Wachstum konfrontiert. Wir haben deshalb auch insgesamt, Prof. Bolick, in Sachsen eine Wirtschaftsdynamik mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von weniger als 2 %. Trotz der hohen Steigerungsraten in manchen Industriebereichen sind wir im Durchschnitt überhaupt nicht vorwärts gekommen. Der Abstand zu den alten Bundesländern hat sich vergrößert. Das Arbeitsvolumen stagniert und die Steuereinnahmen steigen langsam.
In diesem Zusammenhang muss ich natürlich fragen: Was mache ich, wenn die Räume auseinanderbrechen, mit den Räumen, die eine geringe Binnennachfrage haben, weil es dort niedrige Löhne gibt? Was mache ich mit diesen
Kleinunternehmen? Wie werde ich sie in den kommenden Monaten – zwei Jahre gerechnet – durch die Krise führen? Deshalb haben wir im Zusammenhang mit dem Haushalt zwei Vorschläge unterbreitet. Sie haben zum Inhalt, die Infrastruktur auszubauen und die Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden, in Schulen zu erhöhen.
Jetzt kommt Ihre Frau Schavan (CDU) und fordert für jede Schule 100 000 Euro für den Ausbau. Welche Frechheit! Wer soll das finanzieren? Die Länder in ihrer Hoheit! Nein, wir haben dazu einen Vorschlag unterbreitet. Setzen Sie sich im Bundestag mit dafür ein, die Gewerbesteuerumlage zu verändern und sie vor Ort zu belassen und für den Bund einmal auszusetzen. Dann hätten wir 4 Milliarden Euro, was schon immer der Vorschlag der Linken ist. Ein solches Handeln wäre dann auch seitens unserer Staatsregierung erforderlich.
Drittens brauchen wir ein Programm – das haben wir Ihnen im Zusammenhang mit dem Haushalt vorgeschlagen – für Bildung, ökologischen Umbau, Gesundheit, Forschung und Technologie. Ich habe auch schon gesagt, dass das Wirtschaftsministerium dabei der Organisator sein muss, um auch die kleineren Firmen einzubinden. Das fehlt bisher. Das kritisieren wir. Ich wiederhole es nicht.
Aber zum Schluss: Denken Sie doch einmal mit! Ich will keine Krise herbeireden. Wir wissen aber, dass sich alle Leiharbeiter über die Jahreswende beim Arbeitsamt melden. Das sind Tausende in Sachsen, allein bei Ihnen in der Nähe, Herr Bolick, 4 500 in Limbach durch Automotive. Wir brauchen also ein solches öffentlich gefördertes Arbeitsprogramm, wie es in Dänemark und Schweden bereits existiert.
Wenn Herr Walter von der Deutschen Bank recht hat, dass das Wachstum auf minus 4 % abbricht, muss man wissen, dass ein Rückgang um 1 % 350 000 Arbeitslose bedeutet, und das mal vier! Jeder zehnte Arbeitslose ist ein Sachse. Dann wissen Sie, worauf Sie sich auf dem Arbeitsmarkt vorbereiten müssen, und da reichen die Maßnahmen nicht aus.
In diesem Sinne werden wir uns täglich wieder sprechen. Die Krise wird länger dauern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Flath, gut, dass Sie da sind – im noch leeren Haus kurz nach der Mittagspause. Ich hätte mir heute Morgen gewünscht, dass der Zweck Ihres Besuches in Brüssel auch Qimonda, besonders seiner Zukunft, gegolten hätte.
Ich hoffe, es war nur eine Vergesslichkeit, keine Grundhaltung, die ich Ihnen dennoch unterstellen muss. Während Koch oder Beck wegen ihrer insolvenzgefährdeten Opel-Werke die Bundesregierung öffentlich unter Druck setzen und an der Rettung ihrer Werke keinen Zweifel lassen, wird in Sachsen über die Presse jeden Tag eine neue Sau zum Thema Qimonda durchs Dorf getrieben.
Nach der ersten Aussage von Wirtschaftsminister Jurk – ohne die Großen geht der Standort nicht; was zumindest als Hilfe oder Prüfung zu verstehen war – äußerte wenige Tage später Ministerpräsident Tillich im „Handelsblatt“ – leider ist er jetzt nicht anwesend –, er lässt sich nicht erpressen, und präsentiert einen koreanischen Investor als Lösung. Aufatmen in der Belegschaft. Gut so! Die Staatsregierung lässt sich vom schlechten Management nicht vorführen.
Am nächsten Morgen ist diese Meldung aber auch schon wieder Makulatur: Der koreanische Konkurrent dementiert verwundert, da er doch niemals Interesse bekundet hat, da es kein Gespräch gegeben hätte.
Seine Verluste drücken auch ihn, kapitalistische Hoffnung macht sich breit, bald kann ein Stück Absatzmarkt neu verteilt werden. Ich könnte die Aufreihung der widersprüchlichen Meldungen fortsetzen, zeigt es doch: Keiner von Ihnen sagt, wo die Reise hingehen soll.
Meine Damen und Herren, was ist das für ein unglückliches, ja jämmerliches Agieren der Staatsregierung in einer
solch prekären Situation. Sie täuschen politische Aktionen vor, ohne dass Sie eine wirkliche Strategie erkennen lassen. Zwölf Jahre lang haben Sie die entstandene Chipindustrie gefeiert. Es ist Ihr Leuchtturm – der einzige in Europa –, der ganze Stolz einer damals allein regierenden CDU in Sachsen. Mit 1,5 Millionen Euro Subventionen wurde ein Technologiestandort aufgebaut, –
Milliarden, richtig, danke, Herr Wirtschaftsminister –, der heute mit 1 200 Firmen und 44 000 Arbeitsplätzen über ganz Sachsen gern als Silicon Sachsen oder Saxony ausgewiesen wird.
Gesamtinvestitionen 9 Milliarden Euro, 270 Firmen, Forschungsinstitute, Universitäten und Hochschulen sind in dieser Kooperationsplattform vereint. Nicht alles ist in Gefahr, aber ein Herzstück steht in Dresden auf dem Spiel. Mit nunmehr 3 200 Mitarbeitern ist Qimonda spätestens noch bis Mitte nächsten Jahres der größte private Arbeitgeber in Dresden.
Ich frage mich, warum es Ihnen bei diesen Fakten schwerfällt, sich eindeutig zu diesem Standort zu bekennen, für seinen Erhalt bedingungslos zu kämpfen.
Ihre Ministerpräsidentenkollegen, Herr Tillich, zeigen zu ihren Opel-Werken eine andere Flagge.
Wir haben in den Ausschüssen seit Oktober die Prüfung aller Rettungsoptionen gefordert. Bisher wurden wir nur vertröstet. Nunmehr haben Sie ein Gutachten und können uns, aber besonders den Beschäftigten von Qimonda eine gültige Antwort geben.
Am meisten hofft die Belegschaft, der Staat möge Teilhaber werden, um damit eine Kontrolle, eine neue Form der Aufsicht und damit ein verändertes Management zu ermöglichen. Solche Aussagen sprechen für sich.
Ich leugne es nicht: Die Lage ist schwierig, die Lösung teuer und mit hohem Risiko verbunden.
Nein, Versprechen verlangen wir nicht, wohl aber die Einbeziehung des Landtages in die zu treffenden Entscheidungen. Diese ist nämlich längst überfällig.
Denken Sie daran: Wer nicht kämpft, der hat schon verloren. – Sie, Herr Ministerpräsident – jetzt sind Sie da –, und Sie, Herr Wirtschaftsminister, geben derzeit ein Verliererduo ab, weil bei Ihnen nicht der Wille zum Erhalt des Standortes Dresden erkennbar ist und von Ihnen kein klares Bekenntnis zu diesem Standort ausgeht. Entscheiden müssen Sie sich auf jeden Fall, heute, spätestens morgen. Sie entkommen dieser Entscheidung nicht.
Welche Möglichkeiten hat Sachsen? Der Weg über die EU-Beihilferegelung bleibt meines Erachtens verschlossen, trotz Gutachten des ifo-Instituts. Ein weiteres Anflehen der EU wird nicht viel bringen, Herr Tillich, obwohl
ich – wie Sie – die Hoffnung nicht aufgebe und Ihre Aktivitäten unterstütze.
Zweite Möglichkeit: Der Bund hilft. Keiner kennt das Ergebnis Ihres Gesprächs mit Wirtschaftsminister Glos. Denkt er mehr an die Mutter – Infineon –, weil sie in München sitzt? Druck der Staatsregierung auf die Bundesregierung kann kein Sachse erkennen.
Dritte Möglichkeit: Man findet mit Infineon/Qimonda selbst einen Finanzinvestor, der die neue Technologie mit Investitionen in die Produktion überführt und damit Qimonda eine Zukunft gibt. Ich sage: Das ist unwahrscheinlich, denn Qimonda sucht mit Infineon schon zwei Jahre, und so viele Interessenten gibt es nicht; das beweisen die Absagen in den letzten Tagen. Dennoch wäre das für den Freistaat aus verschiedenen Gründen die beste Lösung.
Bleibt die vierte Möglichkeit: Der Freistaat hilft über eine Beteiligung oder staatliche Hilfe und erhält – bei höchstem Risiko – den sächsischen Chipstandort. Unter „Risiko“ verstehe ich nicht nur den hoch subventionierten Markt, sondern auch die schnell wechselnden Marktbedingungen für die DRAM-Technik, die hohe Aufwendungen in der Entwicklung und der Fertigungstechnik erfordern, will man Spitze bleiben. Ich denke auch an die zuerst eingetretene harte Absatzkrise weltweit. Es ist keine günstige Zeit für einen solchen Neuanfang.
Dagegen sind die Kosten der Insolvenz aufzurechnen. Dazu zählen nicht nur die verlorenen Gelder, sondern auch der unwiederbringliche Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen an einem Hightech-Standort, wobei wir die einseitige Leuchtturmausrichtung immer als riskant, ja als fatal kritisiert haben. Wir waren nicht gegen Leuchttürme, aber immer gegen die Art Ihrer Förderpolitik, die Sie als CDU betrieben haben. Die Leuchtturmpolitik ist eben nicht auf eine breite Branchenentwicklung ausgerichtet. Konzerne der Automobil- und der Chipindustrie wurden vorrangig mit Milliardensubventionen angelockt. Durch eine solche monostrukturierte Abhängigkeit ist Sachsens Wirtschaft heute krisenanfälliger denn je.
Nichts anderes erleben wir im Moment. Wenn die Leuchttürme beim ersten Sturm umknicken, erlauben wir Ihnen gerade jetzt die Flucht nicht. Sie sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Deshalb stehen Sie in der Verantwortung.
Wenn ich heute den Erhalt einfordere, dann deshalb, weil beim Untergang von Qimonda die Folgen – wie immer – die Abwanderung hoch qualifizierter Ingenieure, ein langsames Absterben nicht unbedeutender Forschungseinrichtungen in Dresden und darüber hinaus viele Arbeitslose wären. Wir hinterließen der nächsten Generation weniger Zukunftschancen.
Darum kann Geld nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage sein. Der Freistaat verzeichnet gegenwärtig ungeplante Mehrausgaben für den City-Tunnel, die den gewünschten 500-Millionen-Euro immer näher kommen. Hören Sie mit dessen Bau auf? Natürlich nicht. Selbst
dieser Verlust wäre nicht so tragisch wie der drohende Verlust des Chipstandortes. Die Schließung Qimondas käme einer politischen Bankrotterklärung gleich. Der Aufbau Ost nach CDU-Muster in Sachsen wäre endgültig gescheitert.
Wollen Sie das wirklich, Herr Tillich?
Meine Damen und Herren! Wir verlangen mit unserem Berichtsantrag eine klare Botschaft von der Staatsregierung: Wohin soll die Reise gehen? Welches Konzept verfolgt die Staatsregierung? Welche Mittel sollen zu welchem Preis eingesetzt werden? Welche Verantwortung übernimmt die Staatsregierung, um Kontrolle und Mitsprache zu sichern?
Wir fordern Mut zum Erhalt des Chipstandortes und einen Schutzschirm für die Beschäftigten bei Qimonda und seinen Zulieferern.
Danke.
Werter Kollege Rasch! Sie haben gerade vom Konzept gesprochen. Ich muss fragen: Wer hat eine andere Meinung gegenüber Ihrer Aussage aufgestellt? Wer soll das Konzept machen?
Ich bedanke mich für die reiche Wortwahl. Ich habe Sie nur gefragt, von wem Sie ein Konzept erwarten.
Das ist richtig. Von dem Besitzer Qimonda, Infineon, wollen sie ein Konzept. Nun habe ich die Frage an Sie: Wirkt die Staatsregierung hier? Wir wissen das ja nicht.
Herr Brangs, eine Frage zum Ende Ihres Redebeitrages. Ich habe verlangt, dass der Landtag einbezogen wird. Sie haben jetzt gesagt, Sie vertrauen der Staatsregierung. Sind Sie dagegen, dass im Landtag, nachdem das Gutachten jetzt vorliegt, auch im Ausschuss gemeinsam darüber gesprochen wird?
Nein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist hier vorn zuweilen
etwas hektisch gewesen. Herr Wirtschaftsminister, ich danke Ihnen. Sie haben eine Antwort gegeben, wenn auch nur symbolisch. Deshalb möchte ich trotzdem allen sagen: Wir haben nie – besonders an Sie, Herr Rasch und Herr Brangs – verlangt, dass wir die Verhandlungsunterlagen bekommen.
Wir wollen wissen, wohin die Richtung geht, mit welchem Ziel diese Regierung ein Konzept von Infineon, Mutter, oder Qimonda, Tochter fordert. Das hat Herr Rasch wahrscheinlich immer noch nicht verstanden. Welches Ziel und welches Konzept? – Noch einmal.
Wir werden darüber in den Ausschüssen beraten. Herr Brangs, Sie wissen, im Wirtschaftsausschuss wurde mit Hinweis auf den Datenschutz immer viel verschwiegen. Es wurde nichts gesagt. Deshalb bleiben wir an dem Thema dran.
Ich habe noch eine letzte Bemerkung an Herrn Brangs.
Herrn Braasch!
Entschuldigung! Eine Bemerkung an Herrn Rasch. Wenn Ihnen die Fachargumente ausgehen – natürlich sind wir als Parlament eine politische Institution und keine Hightech-Ingenieurfirma –, dann stellen Sie Links und Rechts gleich und versuchen so zu flüchten. Das lassen wir aber nicht zu.
Eine solche Verleumdung über diese Methoden, sich dem wirklichen Problem, das, was wir mit dem Berichtsantrag gestellt haben, zu entziehen, das finde ich politisch – na ja, ich will mich jetzt nicht übergeben – einfach schwach.
Das sind die alten Methoden ihrer ewigen rechthaberischen Politik. Darauf werden wir uns nicht groß einlassen.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, weil es auch in der Debatte keine – das konnte ich jedenfalls nicht feststellen – großen Meinungsdifferenzen gab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist die Debatte vorbei. Frau Hermenau und Herr Bolick haben das Schlusswort gehalten. So sehr ich bei dem Antrag bei
Ihnen bin, Frau Hermenau, auch mit Ihren Infrastrukturmaßnahmen – ich will das gar nicht wiederholen, Herr Scheel hat das nicht falsch gesagt – wir wollen natürlich, dass es ein Konjunkturprogramm gibt, das den Menschen dient. Dazu habe ich bei Ihnen nichts gehört. Deshalb wundert mich das. Ich habe Ihnen so etwas nicht zugetraut. Sie meinen doch wirklich, die Rezession ist aus falschen Konsumerwartungen entstanden. Sie sind doch dabei gewesen und wissen, wodurch die Finanzkrise ausgelöst wurde, wo das Problem vorrangig liegt: Es gibt zu viel Geld. Im Moment kann es nicht angelegt werden. Das ist nicht mein Problem. Ich hoffe, auch nicht Ihres. Aber durch diese Verteilung, die seit zwölf Jahren durch Rot-Grün und jetzt Schwarz-Rot immer wieder betrieben worden ist – selbst im Januar 2008 hat man noch die Hedgefonds von der Gewerbesteuer im Bundestag befreit –, hat man diese Krise heraufbeschworen.
Jetzt reden Sie von der Wirtschaftskrise und begründen diese durch falsche Erwartungen. Wollen Sie etwa denen, die demnächst als Leiharbeiter entlassen werden und heute schon entlassen sind, sagen, das liege an den Firmen, die falsche Erwartungen in die Weltwirtschaft gesetzt haben? Frau Hermenau, das ist das Schlimmste, was Sie heute unter anderem geleistet haben – –
Hören Sie zu! Es ist momentan eine Flaute. Und DIE LINKE redet keine Krise herbei. Aber wenn die Arbeitsagentur in Limbach heute schon gemeldet bekommt, dass 4 500 Leute ihre Arbeit per Jahresende verlieren, also in die Arbeitslosigkeit gehen, dann möchte ich von Ihnen schon erwarten, dass Sie über die heraufkommende Krise etwas anders reden als in einer so laxen Art, dass Sie mit Wachstum, Konsum und mit den sogenannten linken Verteilungsfanatikern etwas anders umgehen.
Sie wissen, allein in den letzten Jahren der Konjunktur sind 300 Milliarden Euro mehr in das Sozialprodukt geflossen. Davon sind 230 Milliarden Euro nur in wenige Hände gegangen. Hätten wir die Steuergesetzgebung von 1996 noch, wäre es genau umgekehrt. Es wären 230 Milliarden Euro noch in den Konsum geflossen, also für diejenigen, die diese Werte schaffen. Diese Politik steht heute auf der Agenda, und diese Politik muss wieder über die Krise beseitigt werden. Es reicht nicht aus, nur so zu reden, jetzt machen wir einmal ein Programm und alles wird gut. Deshalb musste ich nach vorn gehen.
Herr Bolick, Sie wissen es genau, wir werden dann als Staat für die vielen Arbeitslosen, die eine Krise mit sich bringt – so werden Sie mir antworten –, viel Geld in die Hand nehmen müssen. Eine solche Diskussion, wie sie hier geführt worden ist, gibt es auf meiner Seite überhaupt nicht. Es ist einfach für mich ein menschenverachtendes Bild. Ich bin ganz bei Herrn Pecher: Wir können auch in Sachsen – das werden wir auch mit dem Haushalt tun, Herr Bolick – natürlich Maßnahmen einleiten, mit denen wir der Krise entgegentreten. Die Menschen werden hier
die Karre aus dem Dreck ziehen und müssen noch darunter leiden.
In der BRD ist mit Ihnen, Frau Hermenau, ein Motto durchgesetzt worden: Sparen nach innen, mit den Lohnstückkosten herunter und mit den niedrigen Lohnstückkosten Export machen nach draußen. Das hat mit Binnenkonjunktur, also mit Ihren angeblichen Konsumerwartungen, nichts zu tun.
Nun haben wir den Export. Die Schwellenländer sind in die Finanzkrise genauso einbezogen. Der Export bricht zusammen. Herr Morlok hat das vorhin ganz richtig gesagt: Die mittelständischen Firmen werden keine Aufträge haben. Wenn sie keine Aufträge haben, haben sie keine Arbeit und damit auch keine Arbeitsplätze. Das ist das Problem. Dem muss der Staat – das kann nur der Staat – entgegenwirken und mit solchen Programmen für Aufträge sorgen.
Danke
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Rasch war sehr ehrlich; ich will es auch sein. Auch ich war ein Pirat. Ich hatte eine Steuerung mit Intel-Bausteinen entwickelt – die erste Halbleitersteuerung der DDR. Sie können aber beruhigt sein: Es wurde nicht viel davon gebaut, weil die Nachschübe fehlten.
Liebe Kollegen! Der Schutz des Erfinders ist seit Jahrhunderten die Aufgabe der besitzenden Nationen, heute vornehmlich der führenden Industriestaaten. Es ist auch eine Leitlinie zu den Lissabon-Verträgen, diesen Schutz in Europa strenger zu nehmen.
Das Umgehen von rechtsverbindlichen Patenten ist das Bestreben der Nichtbesitzenden, meist der industriell schwachen Volkswirtschaften.
In einer globalisierten Welt hat die „Piratenproduktion“ Ausmaße angenommen, die zu einem hemmungslosen globalisierten Wettbewerb führen. Es gibt kein Zurück.
Nur ein international geregelter und gleichberechtigter Welthandel könnte den Knoten lösen. Davon sind wir weit entfernt.
Erinnern wir uns! Schön war die Zeit, als China das Monopol der Seidenraupe besaß. Doch was nützte es ihnen? Der Schmuggel beendete diese Monopolstellung, trotz strengster Sanktionen bis zur Hinrichtung. Neue Erfindungen wie das sächsische Porzellan brachen Jahrhunderte später auch das Monopol des chinesischen Porzellans.
Die letztgenannte Entwicklung verstehen wir – wir als Sachsen, aber auch wir als Europäer – unter einem fairen Wettbewerb; denn der Fleißige erhält auf dem Markt den verdienten Lohn. Dieser faire, offene Wettbewerb führte dennoch zu großer ökonomischer Abhängigkeit ganzer Erdteile. Wir knabbern noch heute an dieser ungleichen Entwicklung.
Seien wir ehrlich, meine Damen und Herren: Einen wirklichen Schutz gegen Marken- und Produktpiraterie wird es nicht geben. Zu differenziert sind die sozialökonomischen Ursachen und ihre Wirkungen. Es kommt hinzu, dass es nicht einmal eine international anerkannte Definition dafür gibt.
Dass die Partei der Besserverdienenden – jetzt schaue ich auch Sie an, Herr Herbst – den Schutz des Staates einfordert, wo doch sonst von den Bänken der FDP-Kollegen nur Deregulierung als Richtschnur des Handels empfohlen wird, will ich nicht unbemerkt lassen.
Das bringt mich auch zum Schmunzeln. Die Überschrift würde ich heute so nennen: „Die FDP als Staatspartei“. Sie folgen in Ihrem Antrag einer Forderung in der Studie von Ernst & Young, die jedem zugänglich ist und mit der Milliardenschäden eingedämmt werden sollen.
Dort heißt es als erste Forderung: verschärfte strafrechtliche Sanktionen zur besseren Abschreckung. In sächsische Sprache übersetzt, wie ich heute in der „Bild“-Zeitung lesen konnte, heißt das nach Herrn Günther „Räuchermännchenpolizei“. So reißerisch die Überschriften auch sind, ich bestreite, dass damit Erfolge erzielt werden. Abschreckung auf einem so expandierenden Markt, frage ich Sie, was soll das? Weil Sie heute so schön sozialistisch zitiert haben, erinnere ich Sie – das haben Sie auch gelernt, Herr Günther –: Bei 10 % Profit wird Kapital lebendig, bei 100 % wird Kapital waghalsig und bei 1 000 % stampft es alles nieder. Auf diesem expandierenden Markt ist natürlich mit solchen Regelungen nicht anzukommen. Auch die Chinesen mussten das mit ihrer Seidenraupe erfahren. Abschreckung und Drohung reichen nicht.
Meine Damen und Herren! Die Sache ist dennoch sehr ernst. War früher die Marken- und Produktpiraterie auf Luxusgüter ausgerichtet, so haben wir es heute mit allen Wirtschaftszweigen zu tun. Getränke, Waschmittel, Medikamente, Kleidung, Waren des täglichen Bedarfs
finden als Plagiate einen enormen Verbreitungsgrad. Bei diesen Produkten drohen dem Verbraucher durch minderwertige Qualität der verwendeten Rohstoffe Gesundheitsschäden, und hier muss angesetzt werden.
Zugleich gibt es eine große Bereitschaft in der Bevölkerung, diese Produkte zu kaufen. Die Gründe – in der Studie vielleicht nicht richtig ausgeführt – sind sicher auch der Geldbeutel, aber ein Grund wurde genannt: dass Plagiaten alle Vertriebsstrukturen offenstehen. Neben Internet und freien Märkten gehören nunmehr auch Einzelhandel und Großhandel dazu. Wie soll der Verbraucher wissen, dass er bei seinem soeben getätigten Kauf gefährliche Waren eingekauft hat? Ich stimme der Studie zu, dass mehr Aufklärung gegenüber Verbrauchern zu leisten ist. Verbraucherzentrale und Verbraucherschutz bekommen damit einen höheren Stellenwert. Den Stellenaufbau der Verbraucherzentrale im Haushaltsentwurf begrüßen wir, ist es doch eine langjährige Forderung der Linken. Bei einer qualitätsgerechten Produktbewertung ist der Stellenabbau bei der Gewerbeaufsicht – dort ist der Verbraucherschutz angesiedelt – kontraproduktiv. Genaueres werden wir in der Haushaltsdiskussion sicher noch klären können.
Fälschungen zu erfassen, zu dokumentieren und damit die Öffentlichkeit zu sensibilisieren – Herr Günther, darin stimme ich Ihnen zu –, ist natürlich zuallererst auch Aufgabe der Wirtschaftsverbände. Erwähnenswert ist dazu die Initiative der nordostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie mit dem RKW. Anhand der ReachVerordnung, gemeint ist die Europäische Chemikalienverordnung, werden Piraterieprodukte auf ihre Substanzen bewertet und die Konsumenten über die gesundheitlichen Risiken aufgeklärt. Das sind richtige und gute Initiativen und sie werden auf einem langen Weg auch Erfolge bringen. Diesen mitzugehen wird mit der Zustimmung der Linken heute zum Antrag der FDP begründet.
Danke, Frau Präsidentin! – Herr Bolick, wir sind uns ja einig; das möchte ich noch einmal betonen. Es wird sicher zu einem einmütigen Votum kommen; deshalb aber auch meine Frage.
Wir haben ja festgestellt, dass der dem Ministerpräsidenten nachgesagte Charme bei Frauen zwar sehr groß ist, aber bei Frau Merkel einen geringeren Eindruck macht als der von Herrn Wulff. Auch darin begründet sich unsere Skepsis, denn hier wird große Politik geschrieben.
In der Debatte gab es einen konkreten Vorschlag in Form der Frage, inwieweit der Freistaat selbst die Sperrminorität halten kann, indem er Geld anfasst und somit hilft, über die Anteile der Kommunen, die Sicherheit von VNG selbst zu bringen. Was sagen Sie dazu?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion hat hier viel Polemik aufgeworfen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Kollegen Weichert, der sehr ernste Ausführungen gemacht
hat, denen ich persönlich nur zustimmen kann. Genau das ist es.
Zum Ersten. Die Investitionszulage ist richtig. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass ihr Einsatz so zu prüfen ist, dass damit wettbewerbsfähige Arbeitsplätze entstehen. Diese gehen nur über Bildung und Innovation. Das ist richtig.
Das Zweite, worauf ich besonders eingehen möchte, ist noch einmal die Position der Linken zum FDP-Antrag. Hier habe ich Verständnis. Schade natürlich nur um ein CDU-Parteiprogramm, auch wenn es erst einmal ein Entwurf ist und diskutiert wird. Wer sich so einen Partner an die Seite holt, der muss auch damit rechnen, dass er getrieben wird. Die Flexibilisierung und die Tarifauflösung sind ja bei der CDU niedergeschrieben. Da ist es schon das Recht der FDP, darauf hinzuweisen, indem sie sagt: Wir wollen das ganz, ganz sicher machen; „Tarifverträge braucht Ostdeutschland nicht, das hemmt uns!“ – so die Losung.
Dazu kann ich nur sagen: Mit uns als Linksfraktion nicht! Auch an Sie gerichtet, Herr Schmalfuß: Die Föderalismuskommission tagte jüngst und wird erst im Oktober einen Abschlussbericht bringen. Was das mit der GAFörderung zu tun hat, bleibt mir ein Rätsel. An das Präsidium gewandt: Wieso kommt überhaupt dieser Antrag?
Es geht nämlich nicht um irgendwelche schnelleren Investitionsplanungen und Verfahren in dieser Föderalismusreform. Woher haben Sie diese abweichenden Regelungen genommen? Es geht schließlich um die Senkung von Normen, Umweltstandards und Sozialstandards. Das wird in dieser Kommission beraten, und deshalb ist es völlig unsinnig, hier zu beraten, zumal Herr Oettinger und Herr Struck als Leiter diesen Abweichungsregelungen eine Absage erteilt haben – eine Polemik, die damit aufgekommen ist, anzuzetteln, aber eigentlich schon erledigt ist, bevor wir mit dem Reden begonnen haben.
Bei diesem Sachstand verstehe ich nicht, warum Sie als FDP. ihn nicht wahrhaben wollen Ich weiß auch nicht, warum Sie das mit dem Wahlprogramm der CDU von 2005 verbinden. Eine Beratung, die 398 Seiten eines Protokolls hatte, hat für eine ganze Seite diese Abweichungsregelungen geopfert.
Herr Schmalfuß, sollten Sie noch einmal das Wort ergreifen, dann begründen Sie bitte einmal, wie Sie sich vorstellen – das sind Sie uns schuldig geblieben –, dass Sachsen durch Deregulierung und Öffnungsklausel einen Fortschritt erreichen wird. Führen Sie das bitte einmal aus. In Ihrem Antrag vertreten Sie einen Wettbewerbsföderalismus, der jeden Schutz der Arbeitnehmer infrage stellt. Sie vergessen aber, dass Wettbewerb, auch der zwischen den Ländern, immer heißt: Dein Recht ist auch mein Recht. Deregulierung und Öffnungsklausel, Herabsetzen von Standards und Umweltnormen in der Öffentlichkeit werden vom Bürger nicht hingenommen, weder bei den bevorstehenden IG-Metall-Tarifen im Herbst – daran können Sie sich dann beteiligen – noch im nächsten Jahr bei den anstehenden Wahlen in Sachsen.
Um es kurz zu machen: Bevor Sie hier im Landtag waren, gab es schon einmal eine Variante über Öffnungsklauseln und Deregulierungen. Hervorgetan hat sich der damalige Wirtschaftsminister Herr Gillo. Wir haben uns schon damals gestritten, als Sie noch richtigerweise – das will ich hier auch erwähnen – Wähler gesammelt haben mit solchen Losungen, die ich noch heute für richtig halte: „In jedem Dorf eine Schule“ oder „Bürgergeld statt Hartz IV“. Sie sollten das weiter tun, anstatt hier wieder eine neue Öffnungsklauseloffensive zu starten. Ist Herr Gillo hier? –
Ja. Lassen Sie es sich immer wieder sagen, dass Herr Gillo an seiner Öffnungsklausel gescheitert ist. Ich bin es satt, schon wieder eine solche Deregulierungskampagne hinzunehmen. Ich bin mir auch sicher, dass es sie so nicht gibt, wenn ich das Papier der CDU lese. Da gibt es schon ganz andere Töne, dass man den Bruttolohn, den Nettolohn an die Produktivität koppeln, natürlich in Sachsen steigern muss, weil wir, wie Herr Weichert sagt, Ingenieure brauchen. Ihnen ist unser Fachkräftemangel nicht entgangen. Sie hier zu behalten kann nur erreicht werden, wie Herr Weichert sagte, wenn sie hier ein Leben führen können und mit Tatkraft, Erfindergeist und Gründergeist auch einen Lohn erhalten, mit dem sich hier in Sachsen leben lässt.
Wir haben 1,5 Millionen Menschen verloren. Eine ganz lakonische Bemerkung: Es waren meist die falschen. Es sind die gegangen, die gut ausgebildet waren und woanders ihr Leben mit anderen Standards wesentlich besser führen können. Das ist die Herausforderung für die Wirtschaftspolitik, die in Sachsen verändert werden muss.
Geben Sie uns eine Antwort, wie Sie das anpacken wollen. Sehen wir einmal davon ab, dass Herr Bolick immer gern meint, aufgrund Ihres Prinzips des Heuerns und Feuerns sei die Entwicklung der Wirtschaft in Sachsen eine Erfolgsstory. Er war aber in seinem Mittelteil sehr ehrlich: Wir haben Aufholbedarf bei den verfügbaren Einkommen, wir haben die meisten Leiharbeiter, die bei gleicher Arbeit alle weniger verdienen, wir haben drohende Altersarmut, schwere und anhaltende Jugendarbeitslosigkeit.
Und, Herr Schmalfuß, auch das ist Wirtschaftspolitik: Wir haben nur knapp 8 % der Beschäftigten, die in den Unternehmen an gewinnabhängigen Einkommensbestandteilen beteiligt sind. Ich stelle an unsere Unternehmer die Forderung, diese Gewinnbeteiligung zu erhöhen. Dann ist es für Sachsen und auch für den Einsatz der Investitionszulage, dem wir unser Ja geben, ein richtiger Weg.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Grapatin hat das gesamte Spektrum der Außenwirtschaft präzise benannt. Ich muss sagen, ich habe dazu volle Zustimmung. Deshalb gestatten Sie mir, dass ich vielleicht etwas lebhafter einige wenige Probleme in die Debatte bringe.
Gegenwärtig befindet sich der thüringische Wirtschaftsminister mit einer Unternehmerdelegation in Nischni Nowgorod. Die Automobilzulieferer aus Thüringen wollen beim Automobilhersteller „Kamas“ Exportaufträge abschließen. Der sächsische Wirtschaftsminister wird Ende Juni mit 40 sächsischen Unternehmen auch die Russische Föderation und ebenfalls die Kamas-Werke erneut besuchen.
Aus eigenem Erleben – und das möchte ich hier auch sagen – kann ich berichten, dass sächsische Produkte wieder in der Welt gefragt sind, auch auf dem russischen Markt. Alte Forschungskooperationen werden neu belebt und die neue wirtschaftliche Zusammenarbeit nimmt zu.
Aus eigenem Erleben kann ich über diese Reise berichten, dass der russische Markt für uns in Sachsen sehr wichtig ist. Das wird auch belegt. Ich war auf der ersten Reise mit dem Minister in Nischni Nowgorod. Damals waren zwölf Unternehmer in der Delegation, heute 40. Das zeigt eigentlich die positive Bilanz, dass mehr Unternehmen an Exportkraft gewonnen haben.
Natürlich hat das auch mit der weltweiten Konjunktur zu tun. Die Exportsteigerungen in Sachsen sind kein Ruhekissen, zumal sich der Wettbewerb auf den internationalen Märkten verschärft, wie es das Beispiel der Thüringer zeigt. Wir sind also auch zu unserem Nachbarland Konkurrent.
Man könnte sich an den hohen Steigerungsraten berauschen; sieht man aber tiefgründiger unsere Exportquoten an, so konnte der Rückstand gegenüber den alten Bundesländern nicht verringert werden. Die neuen Bundesländer,
so auch Sachsen, haben das Problem, zu wenig vom Konjunkturaufschwung zu profitieren. Immer noch liegen Produktivität und Einkommen in Sachsen um 20 % unter dem westdeutschen Niveau.
Insgesamt werden in Ostdeutschland bei einem Anteil von 20 % der Bevölkerung nur 15 % des Bruttoinlandsproduktes produziert, während gleichzeitig 30 % Arbeitslose zu verzeichnen sind. Das hat strukturelle Gründe, die sich in der Exportquote widerspiegeln. Es fehlt vor allem eine breite Basis von Unternehmen mit hohem Produktivitäts-, Einkommens-, Export- und Beschäftigungsniveau. Es fehlen in Sachsen noch immer eine umfangreiche selbsttragende Industrie, insbesondere Großbetriebe, Produktionsnetzwerke und komplexe Standorte mit betrieblichen F- und E-Abteilungen sowie die schon von Herrn Pecher genannten Leistungszentralen internationaler Konzerne.
Das hat Auswirkungen auf die außenwirtschaftlichen Stärken. Wer außenwirtschaftliche Erfolge will, der muss zuallererst die Anstrengungen in der inländischen Industrie Sachsens erhöhen. Wirtschaftspolitisch sind deshalb regionale Eigenleistungen zu verbessern, industrielle Strukturen mit Forschungskapazitäten weiter aufzubauen und vorhandene regionale Potenziale zu fördern.
Die gestrige Diskussion über die Verbundinitiativen findet heute insofern ihre Fortsetzung, als die KMUs durch branchenbezogene Netzwerke so unterstützt werden, dass sie über Innovation den Weg auf die Exportmärkte finden. Dazu gibt es keine Alternative. Es ist eine alte Weisheit: Firmen, die nicht auf internationalen Märkten agieren, leben stets in der Gefahr, wieder vom Markt zu verschwinden.
Sie bieten Sachsen keine Gewähr für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung. Für die sächsischen Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus,
der erneuerbaren Energien – –
Ja, wenn DIE LINKE mit der SPD zusammenkommt, dann gibt es Krach.
Vielleicht kann ich weitermachen.
Für die sächsischen Branchen des Maschinen- und Anlagenbaus, der erneuerbaren Energien, der Mikroelektronik, der Umwelttechnologie und natürlich des Fahrzeugbaus ist der Weltmarkt ein unbedingtes Muss. Darauf ist – auch in Vorbereitung der Haushaltsdiskussion – der effizientere Einsatz der Fördermittel zu konzentrieren.
Ich will die sächsische Entwicklung nicht kleinreden, einen qualitativen Durchbruch sächsischer KMUs können wir dennoch nicht verzeichnen.
Das wird auch in den Leitlinien zur Außenwirtschaft von Ihnen, Herr Minister Jurk, klar belegt. Sachsen wie der gesamte Osten bleiben bei der Zahl der exportierenden Unternehmen und teilweise auch bei der Exportquote weit hinter den westlichen Ländern zurück, und das seit Jahren. Die Leuchttürme in Sachsen verdecken nur das wirkliche Bild. Das ist der Unterschied zu den anderen ostdeutschen Ländern.
Das Institut für Wirtschaft Halle hält eine Vervierfachung der Exportleistung in Ostdeutschland bis 2020 für möglich. Damit ist für Sachsen eine klare quantitative Zielstellung als Minimum vorgegeben. Die Leitlinien des SMWA nehmen diese Zielstellung auf. Neue Strukturen und die Bündelung aller Kräfte sind eingeleitet.
Was haben wir, die Linksfraktion, um Veränderung der Aufgaben und effizientere Strukturen in der WFS gestritten! Nun endlich wird die WFS in die zentrale Verantwortung genommen. Der Außenwirtschaftsbeirat nimmt die einzelbetriebliche Sichtweise exportierender Unternehmen zur Grundlage seiner Arbeit und ist das zentrale Koordinierungsgremium unter Leitung des Ministers.
Abgerechnet wird die zunehmende Internationalisierung der sächsischen KMUs, das heißt der Ausweis einer zunehmenden Anzahl von KMUs, am Export. Ich unterstütze diese Maßnahmen ausdrücklich.
Herr Jurk, zum Schluss noch Folgendes: Mir ist bei der Recherche zur heutigen Unterrichtung eine Kleine Anfrage vom Dezember 2001 in die Hände gekommen. Sie fragten damals die Staatsregierung als Mitglied des Landtages nach den Zielen in der Außenwirtschaftspolitik. Ihr heutiger Chef, Ministerpräsident Tillich, antwortete Ihnen unter anderem: „Die Sächsische Staatsregierung verfolgt mit ihrer Außenwirtschaftspolitik vorrangig das Ziel, die sächsischen KMU beim Zugang zu ausländischen Märkten zu unterstützen.“
Am Ziel, Herr Minister, hat sich nichts geändert. Wie sollte es auch?! Ich hoffe, die Ergebnisse werden sich zum Besseren entwickeln. Dafür wünsche ich uns, das heißt der Opposition wie auch der Regierung, Erfolg und Ausdauer bei der Umsetzung der außenwirtschaftlichen Leitlinien.
Recht vielen Dank, Herr Minister, auch für den Hinweis. Das ist richtig, das geht mir leichter über die Zunge. – Aber ich habe eine ganz einfache Frage: In Ihrer Stellungnahme zum heutigen Antrag steht, das SMWA habe dem Kabinett die Leitlinien zur Außenwirtschaft im Freistaat Sachsen zugeleitet. Ich wollte fragen: Sind diese nun durch das Kabinett beschlossen?
Danke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Male debattieren wir über das Sächsische Ladenöffnungsgesetz. Das sagt etwas über die Qualität aus.
Herr Brangs, Sie haben richtig ausgeführt, es hätte anders kommen und sein können. Sie sind aber nun einmal der kleine Koalitionspartner und damit immer der zweite Sieger.
In den Medien wird diese heutige Debatte zum Ladenöffnungsgesetz blumig verkauft. Es heißt dort: „Der Blumenverkauf zum Muttertag wird im Freistaat gerettet“; „Der Muttertag ohne Blumen ist wie Ostern ohne Eier“. Das sind ganz amüsante Texte, die wir in den Medien finden. Aber so verniedlichen können wir das Problem nicht.
Ich will die Debatte zu den Änderungen, die heute vorliegen, gerade deshalb noch einmal in Erinnerung rufen, weil wir immer wieder von der FDP hören, die Liberalisierung ist voranzutreiben und damit sind den Beschäftigten Gesetze vorzulegen, die sie letztlich als unsozial tragen müssen. Ich will es aber auch nicht überhöhen. Die Situation ist klar und verlangt eine Entscheidung, da kleine Händler, Floristen und Bäcker aufgrund schwindender Kaufkraft jeden Strohhalm suchen, um ihre Existenz zu sichern, gar vor der Insolvenz zu retten. Diesen Interessenkonflikt, der in meiner Fraktion, den Gewerkschaften und Kirchen besteht, zu leugnen, wäre heute unehrlich. Dennoch ist für mich dieser Konflikt nicht auf dem Rücken der Floristen, Bäcker oder Zeitungshändler auszutragen. Nein, die Konflikte liegen im schlechten Ladenschlussgesetz an sich.
Wer samstags die großen Ketten bis 22 Uhr öffnen lässt, verzerrt den Wettbewerb gegenüber den Kleinen. Sie haben es richtig ausgeführt, Herr Bolick, es ist nicht bei den Kleinen die Ladenöffnungszeit erweitert worden, aber die Großen tun es. Sie ziehen die geringe Kaufkraft auf sich. Kein Wunder, dass die kleinen Händler jetzt Öffnungszeiten für sich fordern, zum Beispiel die Floristen, für die der Muttertag genehm ist, weil es für sie umsatzstarke Tage sind. Deshalb bleibt das Sächsische Ladenöffnungsgesetz für uns Linke immer auf dem Prüfstand. Jetzt müssen wir reagieren, sollen ambulanter Handel, Schwarzarbeit und damit einhergehende Wettbewerbsverzerrungen in kleinen Sparten nicht für einige Händler das Aus bedeuten.
Zugleich ist die Einschränkung der Ladenöffnung in den genannten Sparten für viele Bürger nicht nachvollziehbar. Eine einheitliche Regelung für Floristen und Bäcker setzt zugleich der Wettbewerbsverzerrung gegenüber Tankstellen, Bahnhöfen, Kur-, Erholungs- und Ausflugsorten mit dem heutigen Gesetz klare gesetzliche Bestimmungen entgegen. Die Linksfraktion wird die Gesetzesänderungen passieren lassen. Das heißt, wir enthalten uns. Es ist das Äußerste an weiterer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten, die eine Mehrheit in unserer Fraktion mittragen kann oder will.
Zum Schluss noch meine Antwort an die FDP-Fraktion, warum wir gegenüber ihrem Gesetzesvorschlag Ablehnung gewählt haben: In ihrem Gesetzentwurf fehlte der 1. Mai, wie Prof. Bolick schon ausführte. Am 1. Mai gibt es keinen Blumenverkauf, da werden Nelken an das
Revers geheftet. Um diese Tradition zu erhalten, begrüßen wir natürlich, dass am 1. Mai kein Blumenverkauf zugelassen wird.